geiſterte Frauen haben in den ſechziger
Jahren des 18. Jahrhunderts — zu dieſer
Formel gelangt der Hiſtoriker Michelet —
die Männer geboren, die in den neunziger
Jahren die Revolution machten.
Auf die revolutionäre Bewegung haben
Frauen aller Stände eingewirkt, ſie ſetzten
ſich für Männer wie Lafayette und Mira-
beau ein und beeinflußten auch die Wahlen
zur Nationalverſammlung, die vom Jahre
1789 an das politiſche Leben in Frankreich
umwälzen ſollte. Eine Broſchüre verlangte,
Frauen ſollten als vierter Stand in den
Reichstag gewählt werden und dort durch
ihre Liebenswürdigkeit den Adel und die
Geiſtlichkeit zum Verzicht auf ihre Vorrechte
bewegen. In der Volksvertretung ſelbſt drängte
ſich eine wirre Maſſe von Frauenforderun-
gen aus den verſchiedenſten Kreiſen: volles
Wahlrecht mindeſtens für die ſteuerzahlen-
den Frauen, beſſere Bildungsmöglichkeiten
— wir wollen keine Männerſpielzeuge mehr
ſein —, gleiches Erbrecht für Söhne und
Töchter, Junggeſellenſteuer, Eheſcheidung,
Beſeitigung der ewigen Nonnengelübde,
Mutterſchutz, Kampf gegen die Proſtitution,
Sorge für ehrliche Erwerbsmöglichkeiten,
Zulaſſung der Frauen zum Prieſteramt gegen
das Verſprechen, nicht gar zu lange zu pre-
digen, alle Berufe, denen Frauen gewachſen
ſind, müſſen ihnen vorbehalten bleiben, alle
Schalterſtellen, alles, was zu Nadel und
Spindel gehört. In einer Petition lieſt man:
Das trefflichſte Mittel, um für die Heirat
die beſte Wahl und für die Ehe die Dauer
der Liebe zu ſichern, wäre ein Geſetz, das
die Männer zwingt, die Frauen ohne Mit-
gift zu heiraten. —
Ganz von außen, von der Idee her, trat
damals der Marquis von Condorcet an die
Frauenfrage heran, der Theoretiker der un-
begrenzten Vervollkommnungsfähigkeit des
Menſchen, der einzige in der Revolution
ſelbſt noch tätige Jünger der Aufklärung.
Seine Außerungen ſind über die Zeit von
1787 bis 1794 verſtreut und bilden zuſam-
mengefaßt ein großzügiges, logiſch aufgebau-
tes Programm, in dem auch die Forderung
eines gemeinſamen Unterrichts beider Ge-
ſchlechter auftaucht. Die Männer, ſo führte
Condorcet unter anderm aus, haben ihre
politiſchen Rechte nicht als Männer, ſon-
dern als fühlende, vernunftbegabte Weſen,
und etwas anderes ſind auch die Frauen
nicht. Man hat den Grundſatz der Gleich-
heit verletzt, indem man in aller Gemüts-
ruhe der Hälfte des Volkes, zwölf Millionen
Frauen, das Wahlrecht vorenthielt. Auch
die Frauen ſind imſtande, Bürgerrechte
auszuüben, Mutterſchaft und Unpäßlichkeiten
hindern ſie daran ſowenig wie Gicht und
chroniſche Katarrhe den Mann. An Kraft
und Mut und Freiheitsliebe fehlt es ihnen
nicht. Es iſt nicht wahr, daß die Frauen
keine Logik hätten, ſie haben nur eben keine
Männerlogik. Wenn eine Frau ſich mit den
Reizen ihrer Figur beſchäftigt, iſt das ebenſo
logiſch, als wenn Demoſthenes ſeine Hand-
bewegungen ſtudiert.
Zu der Zeit, wo Condorcet am herz-
hafteſten für das Bürgerrecht der Frau ſtritt,
war die Revolution ſchon im vollen Gange,
ganze Scharen von Pariſerinnen waren
bereits aus der häuslichen Stille auf die
Straße getreten, manche hatten beim Ba-
ſtilleſturm mitgewirkt, ein Heer hungriger
Fiſchweiber und Gemüſefrauen hatte jenen
kindiſch- unheimlichen Zug nach Verſailles
ins Werk geſetzt, durch die ſtarrende Schutz-
wehr der Gardereiter waren ſie bis zum
König vorgedrungen, hatten ihn mit-
ſamt ſeiner Familie nach Paris geſchleppt
und ſo die Revolution unwiderruflich gemacht.
Sicher iſt jedoch, daß weitaus die Mehr-
zahl der Frauen den Vorgängen draußen
beklommen lauſchte, ſie mit Hoffen und
Bangen begleitete, dem Vaterland eine ſtille,
heiße Liebe widmete, bereit, ſich dafür hin-
zugeben; daß ſie aber den häuslichen Pflich-
tenkreis ohne Pauſe weiter umſchrieben. Und
als die Nationalverſammlung denͤKampf gegen
die Kirche begann und die Anhänger des prie-
ſtertreuen Katholizismus in eine feindſelige
Frontſtellung trieb, da wich die breite Maſſe
der Frauen erſt recht ſcheu und angſtvoll oder
trotzig und treu vor der Bewegung zurück; die
Gegenwirkung war ſelbſtverſtändlich, daß die
Frauenwelt von den Revolutionären miß-
trauiſch, ja feindſelig betrachtet wurde. Viele
Frauen aber trieben gleich mit im Strom
der Entwicklung, zeigten ein ſtürmiſches
Drängen zu Taten und Pflichten. Während
Handwerkerfrauen der volkreichen Antonius-
vorſtadt alles herausſchrien, was ſie zu
ſagen hatten, ihre Männer weitertrieben,
ſich an der Gleichheitsidee berauſchten, wur-
den in den Salons der vornehmen Bour-
geoiſie die Tagesereigniſſe verfolgt und ge-
deutet, das neue Denken wurde in Fühlen
und Leben umgeſetzt. Wie in allen Schick-
ſalsſtunden der franzöſiſchen Geſellſchaft,
waren auch diesmal Frauen zur Stelle. Viele
opferten ihre koſtbaren Gewänder, Pelze,
Schmuckſachen auf dem Altar des Vater-
landes. Schon begannen ſie auch, in die poli-
tiſchen Vereine einzudringen. Die „Geſell-
ſchaft der Wahrheitsfreunde“, von einem
ſchwärmeriſchen Pfarrer begründet, der
in einem halbdunklen unterirdiſchen Saal
das Ideal der Menſchenverbrüderung pre-
digte, ließ auch Frauen zu Worte kommen.
Dort ſetzte einmal die ſchon durch ihre Er-
ſcheinung feſſelnde Holländerin Etta Palm
in feuriger Rede auseinander, den Männern
ſei ein ſchönes Kleid immer noch lieber als
Hochſinn und Zartgefühl der Frau. Die
Frauen ſeien überlegen an Feingefühl,
Ergebung in Schickſalsſchläge, Standhaftig-
keit in Schmerzen, Geduld im Leiden, an
Edelmut und patriotiſchem Eifer; ſie müßten
jetzt Gefährtinnen der Männer, nicht mehr
deren Sklavinnen ſein. Etta gründete auch
den erſten Frauenverein in Paris, der ſich
von der Nationalverſammlung eines der leer-