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Vögelin, Salomon; Vögelin, Friedrich Salomon
Denkmaeler der Weltgeschichte: eine Sammlung der hervorragendsten Monumente, grösstentheils nach Originalansichten : geschichtlich und kunsthistorisch erläutert (2. Band): Das Mittelalter und die Neuzeit — Basel: Druck und Verlag von Chr. Krüsi, 1878

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https://doi.org/10.11588/diglit.67256#0149
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669

Die Kunst des Islam.

670

was die Fortsetzung des Römischen und alt-
christlichen Fensterverschlusses ist.
Von der spätem Gestaltung des Muhame-
danischen Styles im Orient war zum Theil
schon oben die Rede. Wir haben pp. 91—94
die neu-indischen Baudenkmäler wenigstens in
Kürze berührt und auf Tafel XVII—XXI in ei-
nigen Beispielen veranschaulicht. Leider fehlen
uns ähnliche Aufnahmen zur Kenntniss der
neupersischen und der Türkischen Archi-
tektur. Wir sehen aber aus den Reisebeschrei-

bungen, dass der Muhamedanische Baustyl sich
in Konstantinopel selbst immer an die alten By-
zantinischen Vorbilder gehalten hat, so dass man
sagen kann, er ist in diesen späten (aus dem
dem XVI. und XVII. Jahrhundert stammenden)
Werken zu seinen Anlängen zurückgekehrt. Seit
der überhandnehmenden Berührung der Türken
mit der abendländischen Kultur dringt übri-
gens der moderne Europäische Styl auch
in Konstantinopel mehr und mehr ein und be-
herrscht bereits ziemlich stark den Profanbau.

XVII. Der Eomanisclie Styl.
Tafel CV-CXX.

Von dem Arabischen Styl, der im Orient
entstanden und bis heute die allein gültige Bau-
form für die Muhamedanischen Länder geblie-
ben ist, kehren wir zum Abendland zurück.
Hier hatte sich vom XL Jahrhundert an ein
neues, so eigenthümliches als harmonisches
Bausystem ausgebildet. Schon der Name Ro-
manischer Styl bezeichnet dasselbe als Ab-
leitung und Fortsetzung des Altrömischen Sty-
les, und Jedermann erinnert sich sofort der
Analogie mit den Romanischen Sprachen.
Diese Analogie trifft in dem Einen Hauptpunkte
zu, dass die Mischung und Durchdringung mit
Germanischen Elementen es war, welche wie
die alte Römische Sprache, so auch die alte
Römische Baukunst verjüngt und zu den neuen
Formen umgestaltet hat, die man eben die Ro-
manischen heisst, richtiger aber die Germa-
nisch-Romanischen nennen würde. Ein
bedeutsamer Unterschied dagegen liegt darin,
dass die Deutschen und ihre Stamm-
verwandten, welche in den altgermani-
schen Gebieten verblieben und sich nicht mit
Gallischen, Italischen u. a. Stämmen vermisch-
ten, auch jede Vermischung ihrer Sprache mit Rö-
mischen Sprachelementen zurückwiesen, wäh-
rend sie an der Ausbildung des Romanischen

Baustyles ebenso eifrig und rückhaltlos Theil
nahmen, als die Franzosen, die Italiener, die Spa-
nier. Dieser internationale Romanische
Baustyl, während mehrerer Jahrhunderte für
das ganze Abendland die alleinige Sprache der
bildenden Kunst, findet daher nach einer andern
Seite hin seine Analogie in der Altrömischen, La-
teinischen Sprache, welche durch’s ganze
Mittelalter, für Germanen wie für Romanen, die
Trägerin und Vermittlerin der Wissenschaft
war. Diese Analogie wird noch durch den Um-
stand vervollständiget, dass im Mittelalter die
Pflege der Lateinischen Sprache wie diejenige
des Romanischen Baustyles überwiegend in den
Händen des Klerus lag, der ja eine durchaus
internationale Korporation war, während um-
gekehrt die Romanischen Sprachen ihre natio-
nale Ausbildung durch den Verkehr des Le-
bens, d. h. durch das Laienelement erhielten.
Ein bestimmter Zeitpunkt für die Entsteh-
ung, gleichsam Erfindung, des Romanischen
Styles lässt sich so wenig nachweisen, wie für
die Entstehung der Romanischen Sprachen. Man
kann wohl sagen, dass diese Sprachen, wenig-
stens die Französische, wie jener Baustyl im
XL Jahrhundert mit mehr oder minder ge-
schlossenen Formen auftreten, die von da ab
 
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