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Vogler, Karl
Die Ikonographie der "Flucht nach Aegypten" — Heidelberg, 1930

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https://doi.org/10.11588/diglit.52543#0037
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Wunderbaum gegenüber den anderen abzugrenzen: Einmal wird das
Wunderbare an sich, das Neigen des Baumes stärker betont, und dann
wird er vorzugsweise als Palmbaum gebildet und in seinem Wesen
scharf charakterisiert. Der P a 1 m b a u m ist jetzt Symbol, spezifiziertes
Symbol für das Wunder geworden.
Scharf umreißen läßt sich das Neue indeß nicht; die Formen
laufen nebeneinander und ineinander.
Wenn auch Giotto auf seinem Paduaner Fresko das Wunder nicht
darstellt, so findet es sich doch auf dem ihm nahestehenden Assisi-
Fresko8'). Es galt, den Wunderbaum aus dem landschaftlichen Rah-
men herauszuheben und seine Bedeutung den anderen Bäumen gegen-
über zu betonen. Das wird erreicht durch seinen bevorzugten
Standort, durch individuelle Charakterisierung als Palmbaum und
durch eindeutige Darstellung des Wunders, durch unnatürliches Biegen
des Stammes.
An der gleichen Stelle wie das Assisi-Fresko — dicht neben
Maria mit dem Kinde — gibt Duccio auf dem Dombilde in Siena12")
den Wunderbaum. Als halbhohe Staude, mit typischen Palmblättern
wächst er, ohne sich zu neigen, aus dem steinigen Boden.
Nahe dem rechten Bildrande strebt auf dem Fresko des Peruzzi in
San Onofrio in Rom123) ein zierlich gebildeter, hoher Palmbaum
empor und überwölbt schön geschwungen die Gruppe der Fliehenden.
Piero di Cosimo121) stellt ihn gewaltig, beherrschend in die Mitte
seiner „Flucht“ in den Uffizien. Seine Krone, sich kaum merklich
neigend, füllt einen großen Teil der Bildfläche.
Von außen herein läßt Fra Bartolommeo auf seiner Zeichnung im
Louvre48) Palmgezweig über den Bildrand ragen. Gehalten in den
Armen der Mutter, hat das Kind die Zweige ergriffen und zieht sie,
dieweil der Esel weiterschreitet, noch weiter in das Bild herein.
Im Norden können wir das gleiche Bestreben beobachten wie
im Süden. Die Glasmalereien in Mülhausen um 1 340125) und Col-
mar126) sind hier sehr frühe Beispiele für den geneigten Palmstamm.
Der Holzschnitt des „Gulden Büchlein“ von 1 450127) zeigt rechts
und links je eine Palme, scharf strukturiert.
Der im „Spiegel der menschlichen Behältnis“ um 1 48143) bringt
nur eine einzelne Palme, rechts oben, auf einem Hügel.
Und der Stich des Meisters L. Cz.43) gibt sie betont neben Laub-
bäumen.
Sehr augenfällig führt das Bruchstück des Baseler Bildteppichs
aus dem 1. Viertel des 15. Jahrh.101) das Wunder vor. Die fliehende

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