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Der Volksführer — 1849

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No. 56 - No. 60 (7. März - 12. März)
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https://doi.org/10.11588/diglit.52472#0126
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Deutschland.
Karlsruhe. Die Gottesgnadenwirthschaft in Zahlen!
Unlängst legte der Staatsrath Hoffmann den Finanzetat
vor. Die Einnahme beträgt darnach mit der Kapitalsteuer !
für 1848 und 1849 und der außerordentlichen Steuer für
1849 in Summa 14,952,531 fl., der Staatsaufwand
14,527,973 fl. Das Kriegsminifterium hat in dem ordent-
lichen Büdschet einen Mehraufwand von 671,000 fl. ver-
langt. Dazu kommt aber noch em Bedarf für das außer-
ordentliche Büdschet für 1849 von 3,674,000 fl. Darunter
sind enthalten 934,000 fl. für Einkleidung und Ausrüstung
der Truppenerhöhung, wozu noch ein Nachtrag für Nekruten-
einübung u.s. w. von 360,000 fl. kommt; für außerordent-
liche Truppenaufstellungen 500,000 fl. Dieser außerordent-
liche Aufwand soll gedeckt werden durch den Ueberschuß der
Einnahmen über die Ausgaben mit 414,000 fl., den Bei-
trag des Großherzogs mit 100,000 fl., durch das Papier- !
geld 2 Millionen, und einen Vorschuß der Amortisazionskasse
von I V2 Millionen, wozu em neues Staatsaulehen erhoben
werden soll.
O badische Glückseligkeit!
Aus dem Badischen, 2. März. Die Nachricht
kann uns nicht wundern, daß nach Briefen aus Berlin die >
Dänen den „glorreichen" Waffenstillstand von Malmö ge-
kündigt haben, da die Sachen sich nun für Dänemark an-
scheinend sehr günstig gestalten; denn sie haben mit den gut-
müthigen Deutschen nur so lange Waffenstillstand geschlossen,
als ihnen der Krieg nachtheilig geworden wäre. Jetzt ist
ihnen Alles günstig: Deutschlands innerer Zwiespalt, die
Einmischung Rußlands — sollte letztere nicht mit dieser Kün-
digung in Harmonie stehen? Die Frage dünkt uns wichtig.
Was wir früher schon gesagt haben, rückt nun näher und
näher: der europäische Krieg oder vielmehr eine große Ne- '
voluzion im Politischen und Gesellschaftlichen, welche ent-
scheidend auf unsere Zustände einwirken wird. Jetzt müssen
sich die Partheien entscheiden — keine Halben mehr!
Soeben theilt man uns mit, daß das Reichskriegsmini-
sterium eine Sitzung gehabt habe wegen des Kriegs mit
Dänemark, und daß selbst der Reichskriegsminister Peucker
trotz seiner Krankheit darin erschienen sei. Es wurde der
Beschluß gefaßt, kräftig einzuschreiten. Bereits sollen
die Marschbefehle ausgefertigt sein. Sollte man dies Mal
Ernst machen, oder sollte eine Armeeentsendung mit Unge-
heuern Kosten wieder nur — ein Schauspiel sein? (Ob.Z).
H Lrrhr, 1. März. Um die Volksvereine zu ver-
dächtigen und dagegen den Vaterländischen Eingang m ver-
schaffen, sollen, wie ich höre, von einem diesigen Pfaffen,
der im September vorigen Jahres auf seiner Rückreise aus
dem badischen Oberlande in Ottenheim der Republik ein
Hoch brachte, Flugschriften verfaßt werden, wofür er von
einem hiesigen Haus, welches zum Druck derselben 500 fl.
für dieses Jahr aussetzte, eine Bezahlung von 300 fl. erhal-
ten soll. Das ist diesem Hause ein Schnupftabaksgeld. Der
lange Hagere, welcher stolz über den kurzen, dicken Buch-
halter hirmusschaut, soll sein Geschäft als Verbreiter der
Flugschriften nicht am Besten besorgt haben, und der Prinzi-
pal besorgt dieses Geschäft nun selbst. Das sind Kleinig-
keiten, aber hört und staunt! Groß ist die Frecheit, groß
ist die Gemeinheit und groß ist der Bubenstreich, welcher
angewendet wird, um die vaterländischen Vereine einzuimpfen, j
Groß, ehedem Reisender der Zichorienfabrik der Herren
Eisenlohr und Heidlauf, jetziger Bürgermeister der Stadt j

Lahr, besuchte Sonntag, den 25. Februar, mit dem Herrn
Eisenlohr und dem bekannten Frankfurter Freiheits-Doktor
auf der vaterländischen Missionsreise das Dorf Oberschopf-
heim, und suchte seine W«are, den vaterländischen Verein,
haupsächlich durch Verdächtigung des Lahrer Volksvereins zu
empfehlen.
Der krebsfüßige Bürgermeister sagte: „Es sind nur
noch einige solche Wühler in Lahr, und diese wollen Kom-
munismus, sie wollen kein Gesetz, keinen Bürgermeister,
keinen Gott und keine Weiber w." Mit dem Kommunis-
mus beabsichtigte Herr Groß wahrscheinlich, wie es diese
Burschen gewöhnt sind, den Leuten zu sagen, die Demokraten,
die ja ohnehin Nichts besitzen, wollen mit den reichen Aristo-
kraten thellen.
An Theilen des Besitzthumes denken die Mitglieder des
Lahrer Volksvereines nicht im Entferntesten; sollte übrigens
wwklich eme gleichmäßige Vertheilung stattflnden, so würde
wahrscheinlich diesem Herrn auch noch ein Theil zufsllen,
darum nur nicht so ängstlich, Herr Groß; ist übrigens un-
gerechtes Vertheilen wirklich Kommunismus, so ist gewiß
eiu Bürgermeister, welcher eine große Besoldung bezieht,
ohne seinen Fleiß und seine Thätigkeit der Gemeinde zu
widmen, auch Kommunist. Wenn wir den Herrn Groß
auch nicht wollen, ist damit noch lange nicht gesagt, daß
wir keinen Bürgermeister wollen; im Gegentheil, damit sa-
gen wir gerade, wir wollen einen Bürgermeister und keinen
Zichorien- und Lederreisenden.
Nun aber frommer, züchtiger Herr Bürgermeister Groß,
wollen Sie gar den Leuten weiß machen, wir wollen keinen
Gott und keine Weiber. Lassen Sie sich darüber genauer
unterrichten. Wir glauben an Einen Gott, und können un-
sere Handlungen vor diesem verantworten, wir glauben an
einen Gott ohne Wallfahrt zu den barmherzigen Schwestern
auf dem Waldenbuck, ohne Anbetung der heiligen Jungfrau
zu Bregenz! — Wir wollen keine Weiber, es will jeder
nur sein einziges und eigenes Weib, — aber, Herr
Bürgermeister Groß, Vielweiberei wollen wir nicht,
auch erlauben wir uns nicht Angriffe auf die Weiber unserer
Mitbürger zu machen, wie einst Don Rolando an der Frau
des Schusters Frederiko zu Bizanto.
Mecklenburg-Schwerin. Die Kammer der Ab-
geordneten der beiden Mecklenburg (Schwerin und Dtrelitz)
hat der Negierung einen höchst unangenehmen Streich ge-
spielt. Sie ist nämlich an der Berathung des Verfassungs-
entwurfes, und hat in ihrer Sitzung vom 26. Februar mit
49 gegen 45 Stimmen den ersten Paragrafen in folgender
Fassung angenommen: „Das ist " zwar weiter Nichts,
als die schriftliche Anerkennung de .rssuveränität, dre schon
im vorigen Sommer auf den Antrag des Kölners Nave-
aur in der Frankfurter Nazionalversammlung beschlossen
worden, aber seitdem freilich wieder in Vergessenheit gera-
then ist. Doch die mecklenburgische Regierung erklärte trotz
alldem, daß dieser erste Satz des Verfassungvwerkes ihr zu
rund sei, indem er dem Grundsätze (der Fürstensuveränität)
entgegenstehe, an welchem sie unwandelbar festhalten
müsse. Es ist sonach also entweder ein Rücktritt der Mini-
ster oder eine Kammerauflösung zu erwarten, oder am Ende
gar, daß die Kammer nachgibt, wie in Oldenburg. Am 1.
März nahm sie den Z. 2. der Verfassung folgendermaßen
an: „Die Regierungsform ist demokratisch-monarchisch." Die
Mehrheit des Ausschusses für die Verfassung hatte zwar an-
getragen,» zu sagen „monarchisch-demokratisch"; aber das war
wiederum der Kammer zu rund, sie sprach sich mit 63 gegen
27 Stimmen dagegen aus. Das letzte Wort gilt; also ist
 
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