Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Volksführer — 1849

DOI Heft:
No. 136 - No. 140 (12. Juni - 16. Juni)
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.52472#0473
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
S45

weiter aufhalten und nur bemerken, daß darin der Angriff
der „Neichstruppen" angekündigt ist. Gut, daß es endlich
so kommt. Unser Heer wird die Feinde zu empfangen wis-
sen. — Seit gestern Nacht sind wieder mehrere Batallione,
die an der Bergstraße lagen, hier einquartirt. Die Truppen-
verlegungen und andere Umstände machen wahrscheinlich, daß
in Folge des zu erwartenden Angriffs der Kriegsplan geän-
dert worden ist. Weil doch die Reakzion viel Geschrei dar-
über machen und die Sache entstellen wird, so wollen wir
noch erwähnen, daß einige Offiziere aus der vorrevoluzionä-
ren Zeit, denen übrigens nie recht getraut wurde, ihre Fah-
nen heimlich verlassen und sich wahrscheinlich nach Frankreich
gewendet haben. Uebrigens hat ihr Abgang weiter Nichts zu
sagen, es sind setzt tüchtige Offiziere angekommen, die ihre
Stellen alsbald einnehmen werden. Diesen Morgen hält Ge-
neral Mieroslawskp Musterung über die hier liegenden
Truppen. — Das erste Aufgebot der Bezirke des Unterrhein-
kreises wird in Mosbach zusammengezogen. Zum Oberfehls.
Haber desselben ist Hauptmann Sporil, ein Ungar, ernannt.
Eben kommt die Nachricht von Heilbronn, daß über jene
Stadt der Belagerungszustand verhängt wurde, und in Folge
davon in der ganzen Umgegend gestürmt worden und das
Volk aufgestanden ist. Morgen werden wir wohl wichtige
Nachrichten von Würtemberg und von unserm Kriegsschau-
platz berichten können.
Neustadt in der Rheinpfalz, 9. Juni. Heute Mor-
gen hörte man von 8 Uhr an in der Gegend von Landau
Kanonendonner. Später kamen mehrere Eilboten, welche
Zuzug verlangten. Etwa 200 Bewaffnete von hier, sowie
auch die Mannschaft mehrerer Orte wurden gegen Landau
befehligt. Die Besatzung der Festung Landau hatte einen
Ausfall aus derselben gewagt. Die Ursache desselben war
diese: Der Landauer Besatzung und den Einwohnern geht
es sehr schlecht. Die Meisten sind wegen der Ausdünstung
des die Festung umgebenden Wassers krank; alle Keller, in
welchen vieler Vorrath geborgen ist, stehen voll Wasser. Die
Nußdorfer Volkswehr mit Will ich gruben den einzigen
laufenden Quellbrunnen ab. Die zerstörte Leitung desselben
sollte nun heute Morgen unter dem Schutze der Kanonen,
welche 16- und 24-Pfünder auswarfen, wieder her-gestellt
werden. Es mißlang! Die Freischaaren machten den Aus.
fallenden viel zu schaffen. Das gegenseitige Schießen dau-
erte einige Stunden, worauf sich die Landauer Soldaten zu-
rückzogen, einige Tobte zurücklaffend. Von den Freischaaren
fiel nicht Einer. In Landau selbst ist man aufs Höchste
getrieben. Die Bürger wollen die Festung geöffnet haben. '
Nächster Tage wird der Fall derselben gewiß erfolgen! — !
Soeben wird eine ausführliche Proklamazion der provisori- !
schen Regierung an die Straßenecken geheftet, worin dieselbe '
sich über Vieles rechtfertigt und über Manches Aufschluß
gibt. Namentlich gibt sie die Gründe an, warum das von !
dem Pfälzer Volke gewünschte, z. B. das von der besitzen-
den Klasse vorgeschlagene Volköhaus, als Beirath der Ne- i
gierung, nicht gebildet werden kann. Sie sagt unter Andc- !
rem: „Sie werde den Tag glücklich preisen, an dem die
Lage des Vaterlandes es ihr gestatte, nut ganzer Verant-
Wörtlichkeit Rechenschaft abzulegen über Das, was sie ge°
than und unterlassen, vor den Abgeordneten des pfälzischen
Volkes." .... „Bürger! bedenkt, der Feind steht an den >
Grenzen; er wartet nicht, bis eine pfälzische Volksvertretung
die Maßregeln der provisorischen Negierung genehmigt und j
sie zur kräftigen Vertheidigung des Landes in den Stand ge-
setzt hat. Sobald die Lage des Landes es gestattet, sobald
für die dringenden Bedürfnisse der ersten Zeit hinreichend

gesorgt sein wird, werden wir keinen Awstand nehmen, eine
Volksvertretung zu berufen. Alle unsere Anordnungen sind,
wie unsere Gewalt, nur provisorisch, hervorgegangen
aus der Nothwendigkeit des Augenblicks; die zu berufende
Volksvertretung wird über unsere Maßregeln, wie über un-
sere Personen zu urtheilen, unsere Anordnungen in Anbe-
tracht der Lage des Landes, wie sie dann sein wird, aufzu-
heben oder fortbestehen zu lassen haben."
Mainz, 10. Juni. Der Würfel ist geworfen — ge-
worfen auch für Hessen! Zuerst vor allen deutschen Fürsten
hat der Großherzog von Hessen mit dem Großherzog von
Baden sich dem Sonderbunde der drei Könige von Preußen,
Sachsen und Hannover angeschloffen, angeschlossen — „für
seine Person", die sich also, vom Lande losgelöst, dem Lande
gegenüber stellt!
Der erste Schritt ist also geschehen; wird der hessische
Minister Jaup den zweiten thun, die amtliche Zustimmung
unterzeichnen? Das ehemalige badische Ministerium Bekk
hat diesem Ansinnen nicht entsprechen mögen; es hat seine
Entlassung gegeben und Blittersd orf'schen Händen die
Vollendung des Staatsstreiches anheimgestellt; — wird Herr
Jaup, der in Anerkennung der endgiltig durch die Nazio-
nalversammlung beschlossenen Neichsverfassung stets vorange-
gangen zu sein sich rühmt, auch in Unterwerfung unter die
oktroyirte Dreikönigsverfassung den 28 deutschen Negierungen
vorangehend Oder wird er der vom Großherzog „für seine
Person" gegebenen Zustimmung die Zustimmung der Regie-
rung versagen? (Was Minister Jaup thut, ist ganz einer-
lei. Der Großherzog von Hessen hat es eben an der Zeit
gefunden, die Heuchlermaske abzuwerfen, und statt die von
der Nazionalversammlung ausgegangene Reichsverfassung
durchführen zu helfen, sich dem preußischen Sonderbund an-
zuschließen. Sollte Jaup damit nicht einverstanden sein,
so wird sein Herr gefügigere Diener genug finden, die sei-
nen Einzelnwillen dem Lande als Gesetz aufdringen. Und
so werden es nach einander alle deutsche Fürstlein machen,
die seither nur zum Schein die Frankfurter Verfassung aner-
kannten. Den Völkern geschieht's eigentlich recht, wenn sie
wie Schafheerden behandelt werden; warum lassen sie sich's
gefallen? warum schlagen sie dem Fürstengeschmeiß sammt
seinem Anhang nicht auf den Kopf? warum schaffen sie sich
das Gesindel nicht vom Hals? (Anmerk, des V. F.)
Stuttgart, 9. Juni. Nie gab es eine wichtigere
Kammersitzung für Schwaben, nie siel eine engherziger aus.
Es handelte sich darum, ob wir „deutsch" sein wollen, oder
bloß „würtembergisch." Das Ministerium hat in seiner An-
sprache an das Volk die Nazionalversammlung verläugnet.
Sie, die immer gerufen hat: „Deutschland über Alles!" sagt
jetzt: „Minister Römer über Alles!" Wie dieser von der
Volkssache Abgefallene will, so spricht diese Jammerkammer.
Römer höhnte: es gibt eine Neichsregentschaft hier, eine
Zentralgewalt in Frankfurt und eine andere Gewalt in Ber-
lin. Als ihm zugerufen wurde: „Und welche Regierung be-
trachten Sie als die rechtmäßige?" da entschlüpften ihm die
Worte: „Die, welche uns am Besten paßt". Und
mit diesen Worten hat sich der deutsche Mann Römer selbst
gerichtet. Stille von ihm! Die Würtemberger haben große
Schmach an ihren Abgeordneten erlebt. Vor 14 Tagen ha-
ben diese für die Reichsverfassung, für die Nazionalversamm-
lung gejubelt, um sie jetzt, wo das „Gut und Blut" zur
That werden soll, feige zu verlassen. Es ist so, wie es ist;
die Abgeordnetenkammer hat so gesprochen, wie sie gesprochen;
das Volk wird anders sprechen!
 
Annotationen