1932 / 2. Iahrg. 7 Nr. 243
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Heidelberg, Montag, 31. Oktober
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Va«kerotteMiiv«m -es Hevrenttuds
Vvackt msldvt Pape« den SusammLndvuck der peeatzlsche« Gsmelnden
NSK Berlin, 28. Okt.
Daß das Finanzelend in Reich, Ländern
und Gemeinden unter der Regierung Papen
rapid fortgeschritten ist, ist kein Geheimnis
mehr. Trotzdem wird es die Oekfentlichkeit
interessieren, das Ausmaß dieses Glends ein-
mal durch die Feder eines der engsten Mit-
arbeiter des Herrn Reichskanzlers zu ver-
nehmen. Uns sliegt ein Schreiben auf
den Redaktionsiisch, das der „mit der Wahr-
nehmung der Geschäfte beauftragte" Reichs-
kommissar für Preußen, Dr. Bracht, unter
dem 18. Oktober 1932 (IV St. 1108) über den
bedrohlichen Ernst der Finanzlage der
preußischen Gemeinden und Gemeinde-
verbände
„auch an den Herrn Reichskanzler
und die Herren Reichsmini st er"
gerichtet hak. In diesem Schreiben heißt es
u. a.:
„Selbst wenn man unterstellen will, daß
der Fehlbetrag für das Rechnungsjahr 1929
noch auf Anleihen genommen werden konnte
und daß der Fehlbetrag für das Rechnungs-
jahr 193V sich in einer kurzfristigen Verschul-
dung bei den eigenen Kreditinstituten aus-
drückt, so kann kein Zweifel darüber, sein,
daß sich die Fehlbeträge der Rechnungsjahre
1931 und 1932 restlos in einer Verschul-
dung der Kassen auswirken, die insbesondere
in der Nichkablieferung von Staats-
steuern und anderer fremder Gelder (wie z.
B. Kirchensteuer, Versicherungsbeiträgen, Be-
rufsgenossenschaftsbeilrägen), in der Nicht-
zahlung von Kreis- und Provinzialum-
lagen, Anstaltspflegekosten und sonstigen Lei-
stungen an übergeordnete Verbände, von
Zins- und TilgungsbekrSgen sowie von Hand-
werker- und Unternehmerrechnungen zutage
tritt. Da den Gemeinden und Gemeindever-
bänden die Aufnahme irgendwelcher Kredite
nicht mehr möglich war und ist, find ihre
sämtlichen eigenen Fonds (einschließlich der
zweckverbundenen) inzwischen ausgezehrt
worden.
Die Rückstände der preußischen Gemeinden
an nichlabgelierlen Staatsgeldern beliefen sich
am 30. Mai 1932 auf 61,7, am 30. Juni 1932
aus 83,1, am 31. Juli 1932 auf 107,2 und am
31. August 1932 auf 129,6 Millionen
Reichsmark. Seitdem sind sie weiterge-
stiegen, trotzdem durch den Rund-Erlaß
vom 22. August 1932 — Min.-Blalt für die
innere Verwaltung, Seile 843 — alle nur er-
denklichen Maßnahmen getroffen worden sind,
um die Ablieferung der SlaakSskeuern sicher-
zustellen. Gerade der praktische Mißerfolg
dieses Erlasses ist ein klastischer Ausdruck für
die ungeheuere Finanznot der Gemeinden
und ihrer Rückwirkung auf andere Inter-
essensphären, indem selbst die lokalen Auf-
sichtsbehörden im weitesten Umfang
genötigt waren, sich über die jetzigen A n -
ordnungen der Zenlralinstanzen
einfach hinwegzusetzen, um den Ge-
meinden durch Freigabe hoher Beträge an
SlaakSskeuern die Zahlung von Wohlfahrts-
unterstühungen zur Aufrechterhaltung von
Ruhe und Ordnung vorläufig noch
sicher;» stellen. In welche unüber-
windliche Schwierigkeiten dadurch der
Staat gekommen ist, braucht nicht hervorge-
hoben zu werden.
Das Funktionieren des ganzen
Staatsapparates ist Lurch Rück-
Unverschämte Rede Herrioks.
Die Not des deutschen Hausbesihes.
Selbst Krupp gibt das völlige Fiasko der
letzten Notverordnung zu.
Der neueste Spork.
stände in solcher Höhe in Frage
gestellt."
Nach einer Darstellung der trostlosen Fi-
nanzlage im einzelnen heißt es dann weiter:
„Es bedarf keiner weiteren Ausführungen
darüber, daß die Dinge so nicht weiter-
laufen können. Die schwere und sich
ständig verschärfende Finanzkrise der Gemein-
den und Gemeindeverbände kann auch nicht
weiterhin isoliert für sich betrachtet werden.
Sie hat bereits in immer stärkerem Maße
Auswirkungen aus die Lage des
Staates und anderer Körperschaften, nicht
minder aber auch der privaten Wirtschaft
gezeitigt. Diesbezüglich muß ich mit aller
Deutlichkeit betonen, daß der Zusammenbruch
zahlreicher Gemeinden und Gemeindeverbände
alle Maßnahmen zunichte machen
würde, welche die Reichsregierung zur He-
bung des Vertrauens und zur Belebung
der Wirtschaft inzwischen eingeleikek
hat."
Dr. Bracht schlägt dann u. a. die sofortige
Erhöhung der schlüsselmäßigen Reichswohl-
fahrksdotationen monatlich um mindestens 25
Millionen RM. aus dem Ersparnis der Alu
und Pru, und zwar bereits für den Oktober
1932 vor und schreibt dazu:
„Ich betone dabei nochmals besonders,
daß diese Erhöhung schon für den Monat
Oktober unerläßlich ist, denn gerade für ul-
timo Oktober fürchte ich die größten
Schwierigkeiten. Würde die Erhö-
hung, entgegen meinen dringenden Vorstellun-
gen, erst für den Monat November erfolgen,
dann könnten inzwischen schon mehrere, und
zwar gerade große Gemeinden, na-
mentlich im rheinisch-westfälischen Industrie-
gebiet, zusammengebrochen sein, und
der dadurch bewirkte Rückschlag könnte auch
unübersehbare politische Auswir-
kungen haben."
Dieses Dokument zeigt in erschütternder
Form, daß die Regierung Papen nicht um
ein Haar besser ist, als ihre Vorgänger. Herr
Bracht glaubt — genau wie Brüning — mit
einem Ueberbrückungskredit über
den Ultimo Oktober Hinwegzukommen. Motto:
Es wird weiter gepumpt. Grund-
sätzliche Maßnahmen aber werden nicht er-
griffen. Und das Traurigste: Der Kommissar
Bracht muß den Herrn von Papen erst durch
einen dicken Brief auf die allgemein bekannte
Notlage der Gemeinden aufmerksam machen,
obwohl jeder einigermaßen Unterrichtete den
Zusammenbruch der Kommunen schon lange
kommen sah. Wahrscheinlich gehört die Un-
bekümmertheit der derzeitigen Herren mit zu
der „göttlichen Ordnung", auf die man sich so
oft beruft!
H». wivd «wtteogrp«mpt
100 Mill. RM. Kassenkredit für Preußen.
Berlin, 29. Oktober. In Bestätigung
der Meldung eines Berliner Milkagsblaktes,
erfährt -er DHD, daß ein Bankenkonsortium
unter Führung der preußischen Staatsbank
(Seehandlung) Preußen einen Kredit von 100
Millionen RM. eingeräuml hat. Es handelt
sich dabei um einen der üblichen kurzfristigen
Kafsenkredile zur Ueberbrückung des Ultimos.
Dv. Schnee gegen Vnpe« G Go.
Der frühere Gouverneur von DeuWottalrika sagt sich von dem Kerrenkluktrupp
„Deutsche Votkspartei tos
NSK Der ehemalige Gouverneur von
Deutsch-Ostafrika und nunmehrige unermüd-
liche Vorkämpfer um die deutschen Kolonial-
rechte Dr. Schnee, langjähriges Mitglied
der Deutschen Volksparkei im Reichstage, hat
seinen Austritt aus dieser Partei voll-
zogen, und diesen aufsehenerregenden Schritt
in einem ausführlichen Schreiben an den Par-
teivorsitzenden Dingeldey begründet.
Dr. Schnee schreibt u. a.:
Sie wissen aus der Zeit meiner Zuge-
hörigkeit zur Fraktion der Deutschen
Volksparkei, daß ich die Zusammenfassung
aller nationalen Kräfte zum Wiederauf-
bau unseres Vaterlandes und zu seiner
Befreiung vom Druck des Versailler Dik-
tats für eine unbedingte Notwendigkeit
halte. Hierfür ist nach meiner Ansicht, die
ich feit den Wahlen 1930 sowohl in Frak-
kionssihungen wie außerhalb derselben im-
mer wieder zum Ausdruck gebracht habe,
die Mitwirkung der nationalsozialistischen
Bewegung unerläßlich. ES erfüllt mich
mit großer Sorge, daß die innenpolitischen
Ereignisse zur entgegengesetzten Entwick-
lung geführt haben. Dabei liegt die Tat-
sache vor, daß die nationalsozialistische Be-
wegung im Kampf gegen Versailles stärkste
Impulse gegeben und breiteste Kreise des
deutschen Volkes, insbesondere auch die
Jugend, zu diesem Kampfe vereinigt hak.
Vom Ausland aus gesehen scheint es in-
folge der Nichkbekeiligung der national-
sozialistischen Bewegung an der Verant-
wortung, als ob auch die außenpolkischen
Handlungen der Reichsregierung nur von
einem verhältnismäßig kleinen Teil des
deutschen Volkes getragen würden. Ich
habe während meiner Reise nach und in
dem Fernen Oft» »on Persönlichkette«
verschiedener Nationalität solche Anschau-
ungen hören müssen. Die Möglichkeit zu
einem erfolgreichen Wirken mit dem Ziele
der Befreiung unseres Volkes kann ich
nur in einer bewußten Zusammenfassung
aller derjenigen Kräfte erblicken, die sich
in Auflehnung gegen das Versailler Dik-
tat im Laufe der letzten Jahre zusammen-
gefunden haben. Die außenpolitische Lage
macht es nach meiner Ueberzeugung not-
wendig, daß die gegenwärtig mangelnde
breite Grundlage im deutschen Volk ge-
schaffen wird.
Der gleichen Meinung bin ich auch in
Beziehung auf die Entwicklung im In-
nern. Die Schaffung fester innenpolitischer
Verhältnisse ist notwendig, nicht zuletzt sür
die Durchführung der Maßnahmen, die die
Wirtschaftslage unseres Vaterlandes er-
fordert. Auch von diesem Gesichtspunkte
aus halte ich es für schädlich und außer-
ordentlich bedenklich, wenn der national-
sozialistischen Bewegung nicht ein entspre-
chender Einfluß auf die Reichspolitik ein-
geräumt wird. Ich möchte dabei nur an-
deuten die Gefahren, die sich aus einer
Zunahme des Kommunismus ergeben, dem
die Fortdauer des gegenwärtigen Zustan-
des zum Vorteil gereicht. Es handelt sich
nach meiner Auffassung heute nicht dar-
(Fortsehung Seite 2 unken)
Dem SMvev r«v Stze r
Nothweiler, 30. Okt. Der Gemein-
derak hat Adolf Hitler einstimmig zum Eh-
renbürger ernannt. Die Ernennungsurkunde
soll dem Führer der NSDAP am 1. Novem-
ber anläßlich seiner Anwesenheit in Pirma-
seas überreicht werden.
I^etrte
Kurz bevor die Regierung Brüning stürzte,
schrieben wir an dieser Stelle:
„Ein Mensch der im Todeskampf dar-
niederllegt, pflegt zumeist kurz vor seinem
Ende noch einmal die Reste seiner Ener-
gie zusammenzuraffen und klammert sich
noch einmal an das entschwindende Leben.
Nicht anders ist es mit Regierungen, die
ihren Sturz herannahen sehen."
Wenige Tage, nachdem wir dies schrie-
ben, verzichkeke der Reichspräsident auf die
weitere Tätigkeit der Regierung Brüning. —
And ganz ähnlich ist heute die Lage der Re-
gierung von Papen. Sie siegt von Nieder-
lage zu Niederlage, und je aussichts-
loser ihre Stellung ist, umso lauter re-
den die Herren Minister im Rundfunk und
anderenorts.
Das alles kann ebensowenig, wie die of-
fiziellen Dementis darüber hinwegkäuschen, daß
die Regierung vor ihrem Ende steht. Der
Herr Reichspräsident hak die Unterschrift unter
die Notverordnung vom 20. Juli in dem Glau-
ben gegeben, daß Papen vom Skaaksgerichts-
hof die Rechtmäßigkeit aller seiner Maß-
nahmen bestätigt erhalten würde. Genau wie
er von Brüning falsch über die Volksskimmung
informiert wurde, hak ihm auch Papen bezw.
seine Beauftragten die Rechtslage einwand-
freier dargestellk, als sie ist.
Das Urteil des Staaksgerichkshofs ist da-
her nicht nur eine Zurechtweisung für dis Re-
gierung Papen, sondern zugleich die höchit-
richkerliche Bestätigung dafür, daß der Herr
Reichspräsident wieder einmal von den dazu
Berufenen ungenügend unterrichtet worden ist.
Daß Herr von Hindenburg über diese nicht
zu verschleiernde Tatsache ungehalten ist, fin-
den wir verständlich, denn es gehört nicht zu
den Aufgaben der Regierung, die Autorität
des Reichspräsidenten für Aktionen zu bean-
spruchen, die dann vom Skaaksgerichkshof
nicht im vollen Umfang anerkannt werden.
Das Verhältnis zwischen Hindenburg und
Papen ist daher verständlicherweise stark ge-
drückt. Offiziöse Meldungen leugnen daS
zwar, aber an Hand der Tatsachen läßt sich
diese Verstimmung beweisen. Am ver-
gangenen Donnerstag und Freitag wurde re-
gierungsseitig versichert, man werde die preu-
ßische Regierung durch eine Notverordnung
vor vollendete Tatsachen stellen. Die Hugen-
berg-Presse schwelgte schon vcr Wonne. —
Da hat der Herr Reichspräsident ab-
gepfiffen.
Kurz daraus wurde wiederum amtlich ver-
sichert, man werde die „Reichsreform" auf
„kaltem Wege" durch Vereinigung von preu-
ßischen und Reichsministerien vorwärkskreiben.
Auch hierzu hak Herr von Hindenburg — da
die V e r f a s su ng s w i d r i g k e i t auf der
Hand lag — seine Zustimmung versagt. Was
übrig blieb, ist eine kleine interne Verwal-
tungsreform, die Einsparung des preußischen
Wohlfahrksminiskeriums und die Verkeilung
seiner biskerigen Aufgaben auf andere preu-
ßische Ministerien.
Berge kreisten, und ein Mäuslein wurde
geboren. Das Garne eine unerhörte Nieder-
lage der hinter Papen stehenden volksfrem-
den Elemente.
Neuerdings liebäugelt nun der Herren-
klub — der angeblich auswg, die Marxisten
zu bekämpfen — mit der Idee eines
Skaalsvrrkroges Reick—Preußen
zwischen den drei Berliner Regierungen P a -
pen, Bracht, Braun-Severing: da
verfassungsrechtlich feskskeht, daß eins geschäfts-
führende Regierung, wie die des Herrn Kom-
missars Dr. Bracht, oder die der Herren
Braun-Severina, keine Skaatsverträge ohne
Billigung des Parlaments abfchließen darf, ist