VeNe 18»«««tag, den 21. Dezember IM» H. ycchiM, / W. WH
— ^ss^s^«4-§4- 8
WWMK
Märche/wochw...
Von Loni Prügel, Neustadt a. H.
Wenn der Winter über die Erde zieht, wenn
die Abende früh und voll raunenden Dunkels zu
den Menschen kommen, wohltuendes Schweigen
und linde Träume bringend: Dann stehen in der
dämmrigen Stube die Kinder am Fenster und
drücken die Näschen platt an den Scheiben, weil
sie den Abend mit langen Schritten über die
Felder herein ins Dorf kommen sehen. Der Schat-
ten in seinem Gefolge webt um all die bekann-
ten Dinge im Hof draußen und aus der Straße
rin geheimnisvolles Rätsel.
Wenn sich dann der frühe Abendhimmel mit
seinen ersten glitzernden Sternen besteckt und
alle Arbeit draußen ruht, dann mag es sein, daß
in den Augenblicken zwischen Dämmer und Nacht
die Mutter leise zu den Kindern tritt. Dann
steht draußen im trauten Gemach eine weihevolle
Stunde. Die großen Augen der Kinder blicken
ernst, als rühre sie ein heiliges Wunder an. Ver-
sonnen und fast furchtsam drängen sie zur Mut-
ter und schmiegen sich an ihren Schoß und ihre
Hand. Ihre Seele ist aufgetan.
Und die Stunde nimmt sie alle in ihren Bann.
Die Mutter formt Geheimnis und Wunder in
Worte. Und die Worte tropfen wie Kostbarkei-
ten in das Dunkel.
Das Märchen hält seinen Einzug. Es umkost
die grauen Dinge des Alltags, daß sie licht wer-
den wie die Seele eines Kindes. Es webt lustige
Schnörkel um gerade Linien und setzt jedem
Schatten ein Tüpfelchen Goldglanz auf. Und es
senkt sich behutsam tief in die Herzen, daß sie er-
schauern.
Enger schlingt sich durch solche Märchenftun-
den das Band zwischen Mutter und Kind. Der
heimliche Zauber der Märchengemeinsamkeit bin-
det die Seelen zueinander. Das Mitwisson und
Mitbehüten des Geheimnisses schafft auch am
hellklaren Tage ein inniges Einverständnis zwi-
schen beiden.
Geht der Tag zur Neige, so wächst die Freude
der Kinder auf das Dämmerstündchen mit der
Mutter. Bezwingend betteln die Kindsraugsn
A-ech/mch-e/r MZ
Horch, der Weihnachtsgloäen Geläute
Weit, weithin schallt es über deutsches Land
Wie anders, feierlicher klingt es heute,
Wo Bruder dem Bruder reicht wieder die Hand;
Da Einigkeit herrscht wieder, und deutsche Treue,
um ein Märchen. Und dann kommt die kostbare
und festliche Stunde, und die Zeit steht still. —
„Und wenn sie nicht gestorben sind, leben sie
noch heute". Ein Aufatmen geht hörbar durchs
Zimmer, fast ist es wie ein Erwachen.
Die Freude auf eine Märchenstunde am Abend
geht mit den Kindern durch den ganzen Tag.
Märchenstimmung durchzieht die frühen Abende
der Adventswochen. Ihr köstlicher Zauber und
ihre gemütsinnige Vorahnung des heiligen Weih-
nachtssestes raunen von Lichterglanz und tiefer
Freude. Und darüber hin weht vielleicht leise
und beglückend der Klang eines Liedes. Ein
tiefes Elücklichsein und Elücklichmachen steht über
den Tagen des Advent. Und die heilige Weih-
nacht bringt alle geahnten Träume zur Reife.
Das Märchen steht im Raum wie eine Wirk-
lichkeit. Gläubig nimmt das Kind es hin als
Sein und nicht als Schein. Sein zartes Alter
empfängt noch nicht vom Verstände seine Wei-
sung, warm lebt in ihm Gefühl und Gemüt. Co
hegt es nicht Zweifel noch Argwohn. Mögliches
und Unmögliches nimmt es gleichermaßen auf
und trennt nicht Wahrheit von Dichtung. Das
ist die süße Zeit der Kindheit, gläubiges Emp-
fangen.
Die Märchengestalten sind für das Kind nicht
mehr von der Phantasie erdachte Figuren, son-
dern Menschen von Fleisch und Blut. Es fühlt
ihre Leiden und Freuden in seiner Seele mit.
Mit den sieben Zwergen liebt es das schöne
Schneewittchen, begleitet Hänsel und Gretel durch
den Wald und das Rotkäppchen auf seinem Gang
zur Großmutter. Dem kindlichen Geist wachsen
Flügel, die ihn mühelos geschwind ins Märchen-
land tragen. Und das Kind nimmt sich vor, auch
so tapfer zu sein wie Rotkäppchen und sich nicht
vor dem bösen Wolf zu fürchten, wenn er ihm
einmal irgendwo begegnen sollte.
Wie das in seiner großen Glückseligkeit stän-
dig in einem wundersamen Märchenzustand lebt,
mit Tieren und Spielzeug gleichwie mit seines-
gleichen spricht und umgeht, so ersteht nun auch
das Wunderbare vor seinen ehrfürchtigen Au-
gen einfach und groß. Die Zaubergestalten des
Märchens kommen lebendig in die dämmerige
Stube. Feen und Engel schauen durchs Fenster,
Heinzelmännchen und Zwerge hört man vor der
Türe rascheln, bald werden Christkind und Weih-
nachtsmann kommen.
Kindliche Einfachheit und Naivität lebt im
Märchen. Losgelöst von allen irdischen Regeln
trägt es seine Gesetze nur in sich. Und dieses
Kindertiimliche ist köstlich und wunderbar.
Nach der bunten Zauberwelt der Märchen
verlangt das reifende Kind nach Lebensnähe und
Wirklichkeitsbezogenheit auch in der Erzählung.
Menschliches Schicksal ersteht dann vor seinen
Augen und rührt an sein Herz, lieber Haß und
Schurkerei muß Herzenswärme, Liebe und Tap-
ferkeit siegen. Die Mutter fügt sittliche Forde-
rungen an. So weist das Märchen ins Leben.
Es ist voll uralter Wahrheit und Weisheit...
Und vorm Fenster steht der Abend und birgt
noch tausend Geheimnisse in sich. Die Sterne re-
den von Ferne und Himmelsglanz.
MLR LeMkMF - SZM SSMUZF
Nr msckt nickt nur Nein Sescksnktcn Nreucie, sondern sckakkt ruglcick neue VercUenstmSZIickkeiten
kür deutscke Volksgenossen. Denken 8ie -lnrsn unü kauten 8is Ikre Weiknacktsgesckenkc bei unr.
8ie kinclen groke ^usrvskl unü billigste Preise.
Ltickolksnr Kni-o, reine Wolle, 70 cm breit.lVltr. 1.-5
Tuck Sckotten, reine Wolle, 70 cm breit.bltr. 2.45
Unttcrspp in mack, warben kür
Oe8eIl8LkaktskIeicier 95 cm br.
Ntr. 2.50
Wollstoffs, neue ?ant38iemu-
eterungen, la rein wollene <ZusI.
95 cm br. . bttr. 3.5V
Klantslstoffs, reine Wolle
140 cm br. . Mr. 3.50
-znnabmeetelle kür Lke8tsnck8äar-
leken u. keckarksckeckunxsscbeiae
6er k^Lb3tt8p3r§rupp6
Glaube und Hoffnung zog in die Herzen ein,
Wo der Starke, der Reiche will wieder aufs Neue
Dem Schwachen, dem Armen ein Helfer sein.
Wie schreklich war's in den verfloss'nen Jahren,
Wo man uns alles, was uns teuer war, zerschlug
Da Undeutsche durch ihr schändliches Gebaren
Am Vaterland verübten schmählichen Betrug!
8a man versprach uns Freiheit, Schönheit,
Würde
Berknechtet uns statt dessen zu der tiefsten
Schmach.
Dem deutschen Michel legt man immer schwerere
Bürde
Auf seine Schultern, daß er fast erlag. —
Cie feierten mit deutschen Geldern Bachanale,
Für alles, was uns heilig, hatten sie nur Hohn,
Verspotteten Familiensinn und alle hehren Ideale,
Legten die frevle Hand selbst an die Religion.
Und einsam stand in bittrem Leid,
Die Armut in zerriss'nem Kleid.
Da, als steigen wollte am höchsten
Die Not im deutschen Land
war Gott der Herr uns am nächsten
Und hat den Retter uns gesandt.
Den Mann aus dem Volke, stark udn treu,
Der jahrelang um deutsches Wesen hat gerun-
gen,
Der Laut' ein einig deutsches Reich uns neu
Hat Zwietracht, Haß und Neid bezwungen.
Sein Kurs heißt: Deutsche Ehre, Glaube, Näch-
stenliebe
Uns alle rief er auf, zu lindern detsche Not
Er weckt in allen Deutschen wieder edle Triebe
Und mitzuschaffen ist das heiligste Gebot.
Keiner soll hungern, keiner soll frieren
Wenn alle treu zusammensteh'n,
Wenn keiner wird wieder den Glauben ver-
lieren,
Läßt Gott uns Deutsche nicht vergeh'»!
Wenn so es ist im deutschen Reich,
Daß die Hand sich reicht, ob arm ob reich
Und Nächstenliebe noch entzünde
Ein Weihnachtsbäumchen selbst dem ärmsten
Kinde,
Dann klingen Helle Weihnachtsglocken allen
Friede auf Erden, und den Menschen ein
Wohlgefallen".
Margarete Menger, Heidelberg.
Fa, tröst' kemsrr M/ch/
Ein Dezember-Modeheft liegt vor mir. Da
werden u. a. auch Anregungen für Weihnachten
gegeben: Kindertischgedecke für den Festabend,
mit einer Krippe auf dem Kindertisch; Engel,
possierlich, drollig, „nur für Kinder" zurechtge-
macht; auch duftigere Gebilde aus Strohhal-
men und Papier zum Selbstherstellen. Man-
che dieser Dingerchen sehen jenen obligaten Au-
tohampeleien zum Verwechseln ähnlich. Passende
Knittelverse werden zusammen mit Schnittmu-
stern gratis geliefert — für die in der Winter-
saison sowieso schon überlastete Frau also eine
vielgestaltige Entlastung des eigenen Denkappa-
rates und Gefühlskomplexes....
Im Ernst: wir deutschen Frauen und Mütter
können da nicht guten Gewissssens mitmachen und
wollen uns bedanken für alles, was unser schön-
stes Familienfest weiterhin so hilflos und see-
lenlos verarmen läßt. Die Kinder müssen uns
leid tun (und mit ihnen auch die Erwachsenen,
weil ja Weihnachten keine Sache nur für die
Kleinen ist), die mit armseligem Ersatz vorlieb
nehmen sollen. Es gibt doch schlichte, echte Kunst,
die für Jung und Alt beseelte Helferin zum wirk-
lichen Weihnachtserlebnis ist. Und wenns nur
ein einfaches Krippenbild ist oder ein kleines
Transparent oder jene kerzentragenden Engel
oder die lichten Leuchtsterne, wie dies alles z.
B. das Rauhe Haus in Hamburg oder die Werk-
stätte von Therese Lindner in Würzburg so bil-
lig ung schön in die deutsche Familie bringt!
Kiinftlerhand hat diesen einfachen Sachen einen
heiligen Schimmer verliehen, der unterm Christ-
baum und auch schon in der Adventszeit der fei-
ernden Familie sich mitteilen wird. Und wenn
man mit solchem Zierrat in Zimmer und Her-
zen der einsamen Alten und der Kranken kommt,
dann ist's wie ein Wunder, daß solch kleine
Dinge so große Freude auslösen...
Aber es kann ja garnicht anders sein: die
Männer und Frauen, die diese feinen Weih-
nachtssachen schufen, taten's dem Christkind zu
Ehren, und helfende Engel Gottes standen bei
ihrer Kunst Pate. Und wir Frauen und Müt-
ter, die wir zur Vertiefung und Entfaltung
deutschen Familienlebens im neu erwachten Va-
terland berufen sind, können wir einen besseren
und reineren Born solcher aufbauenden Kräfte
finden, als im Besinnen auf die Krippe mit dem
Kind, als im Hinblick auf die heilige Familie?
Edelinde Linebach, Rosenberg.
(Zum 88. Geburtstag der deutschen Dichterin)
Zu den wenigen Auserwählten, die nach ei-
ner erstaunlichen Frühreife zu einem auch im
hohen Lebensalter ungeschwächten Schaffen fort-
schreiten durften, gehört Isolde Kurz, die Dich-
terin, die zur Wintersonnenwende des
Jahres 1853 im Schwabenlande das Licht der
Welt erblickte und schon in ihrem dritten Jahre
lesen, schreiben und Uhlandsche Gedichte aufsa-
gen konnte. Sie hat dann neun Jahre später
Dramen geschrieben und die griechischen Dichter
in der Ursprache gelesen. Isoldes Kindheit war
von ungünstigen Lebensverhältnissen überschattet.
Das besserte sich erst, als der Vater, der bekannte
Von Dr. Karl Brandes.
Dichter Hermann Kurz, in Tübingen angestellt
wurde.
Das Elternhaus der Dichterin war also eine
Stätte hoher Geistigkeit. Doch schreibt sie selbst
in ihrem Aphorismenband „Im Zeichen des
Steinbocks" hierüber: „Redet mir nicht vom Zu-
fall der Geburt! Ist denn die Geburt ein Zu-
fall? Sie ist das Ergebnis der leidenschaftlichsten
Wahl durch die Jahrhunderte, und immer auch
ein entsprechendes Ergebnis", und weiter: „Ah-
nenkult und Ahnenstolz haben ihren tiefen Sinn.
Es ist nicht gleichgültig, von welchem Blut wir
stammen, denn unsere Vorfahren gehen immer
Lnkkin WeHnachtSbam» ..
leise mit uns durchs Leben und färben, im« f«1-
ber unbewußt, all unser Tun. In den großen
Schicksalsstunden, scharen sie sich als unsichtbar«
Leibwache um uns, wir fühlen ihre gemeinsame«,
Kräfte, die uns durchdringen, ohne zu wissen,
woher diese Kräfte uns gekommen sind."
Um die Anerkennung ihres Vaters hat Isolde
zeit ihres Lebens gekämpft. Er stammte au» ei-
nem uralten schwäbischen Geschlechte, dem er in
seinen Erzählungen aus der Reichsstadt Reutlin-
gen ein wundervolles Denkmal gesetzt hat. Di«
Tochter widmete dem Vater eins der schönsten
Erinnerungsbücher, die es in deutscher Sprach«
überhaupt gibt: „Das Leben meines Vaters",
Darin spiegelt sich ein gutes Stück deutscher Kul-
tur wider, die sich auf die schwäbischen Kreis«
der Uhland und Mörike gründete.
Aber dann sehnte sich die Dichterin dennoch
aus dem engen heimatlichen Kreise hinaus in
freiere Sphären. Nach des Vaters Tode setzt«
Isolde diese längst als naturnotwendig erkannt«
Forderung in die Wirklichkeit um. Im Jahr«
1873 siedelte sie nach Florenz über. Sie hat die-
sen Ortswechsel wohltätig empfunden, weil „««
mich rechtzeitig der ungünstigen Umwelt ent-
rückte, um mich nach Florenz zu verpflanzen, mit
jungen, empfänglichen Sinnen, die das Neu«
durstig einsogen, doch schon genügend gereist, daß
kein Sichverlieren an des fremde Volkstum
drohte. Vor allem konnte mir die Sprache nicht
verschüttet werden noch erstarren, weil ich fi«
zuerst aus dem volltönenden Urborn der Mund-
art empfangen hatte. Diese deutsche Sprache, di«
für die Dichtung schwierigste und zugleich schönste,
weil aus den tiefsten Erdenkräften genährt und
mit dem frischesten Tau behangen, war mir
ideale Heimat an Stelle der wirklichen, zu stief-
mütterlich gewesenen. Noch tiefer war meine An-
dacht zu ihr als zu aller sichtbaren Schönheit.
Sie war und ist mir die Weltesche, die ihr«
Neste durch den ganzen Luftraum breitet, daß
die Vögel aller Zonen darin singen können, und
deren Wurzeln hinunterreichen bis in das Un-
ergründliche, Unzulänglichste. Und unverlierbar
klingt mir auch das deutsche Volkslied mit, di«
süße stammelnde Kindersprache einer unberedten,
ihr starkes Gefühl nur ahnen lassenden Mensch-
lichkeit."
Aus diesen beiden Quellen strömt das reich«
Schaffen der Dichterin, aus der ersten, der ur-
sprünglichsten Heimat, aus dem Schwabenland«
mit der alten Ueberlieferung, der auch der Va-
ter angehörte, und aus ihrer zweiten Heimat,
der italienischen Wahlheimat. Und gleichzeitig
hebt sie sich durch die Selbständigkeit ihrer Ent-
wicklung, durch ihre starke künstlerische Phanta-
sie und durch ihre tiefe Innerlichkeit weit über
fast alle weiblichen Talente hinaus. An Keller
gemahnt die hohe vornehme Kunst der geschicht-
lichen ,und zeitgemäßen Novelle.
Die Dichterin stand bereits im sechsten Jahr-
zehnt ihres Daserns, als sie wieder für di«
Dauer nach Deutschland zuriickkehrte. Daß si«
noch immer auf der Höhe ihrer Schaffenskraft
stand, zeigte der Roman „Vanadis", der einen
Abglanz ihres reichen Lebens darstellt, einen
Frauenspiegel, der an Schönheit seinesgleichen
sucht. Eine Fülle edler und reifer Werke ver-
dankt das deutsche Volk dieser Dichterin, und e«
war nichts als eine Erenpflicht, als man euch
sie in die deutsche Dichterakademie berief.
— ^ss^s^«4-§4- 8
WWMK
Märche/wochw...
Von Loni Prügel, Neustadt a. H.
Wenn der Winter über die Erde zieht, wenn
die Abende früh und voll raunenden Dunkels zu
den Menschen kommen, wohltuendes Schweigen
und linde Träume bringend: Dann stehen in der
dämmrigen Stube die Kinder am Fenster und
drücken die Näschen platt an den Scheiben, weil
sie den Abend mit langen Schritten über die
Felder herein ins Dorf kommen sehen. Der Schat-
ten in seinem Gefolge webt um all die bekann-
ten Dinge im Hof draußen und aus der Straße
rin geheimnisvolles Rätsel.
Wenn sich dann der frühe Abendhimmel mit
seinen ersten glitzernden Sternen besteckt und
alle Arbeit draußen ruht, dann mag es sein, daß
in den Augenblicken zwischen Dämmer und Nacht
die Mutter leise zu den Kindern tritt. Dann
steht draußen im trauten Gemach eine weihevolle
Stunde. Die großen Augen der Kinder blicken
ernst, als rühre sie ein heiliges Wunder an. Ver-
sonnen und fast furchtsam drängen sie zur Mut-
ter und schmiegen sich an ihren Schoß und ihre
Hand. Ihre Seele ist aufgetan.
Und die Stunde nimmt sie alle in ihren Bann.
Die Mutter formt Geheimnis und Wunder in
Worte. Und die Worte tropfen wie Kostbarkei-
ten in das Dunkel.
Das Märchen hält seinen Einzug. Es umkost
die grauen Dinge des Alltags, daß sie licht wer-
den wie die Seele eines Kindes. Es webt lustige
Schnörkel um gerade Linien und setzt jedem
Schatten ein Tüpfelchen Goldglanz auf. Und es
senkt sich behutsam tief in die Herzen, daß sie er-
schauern.
Enger schlingt sich durch solche Märchenftun-
den das Band zwischen Mutter und Kind. Der
heimliche Zauber der Märchengemeinsamkeit bin-
det die Seelen zueinander. Das Mitwisson und
Mitbehüten des Geheimnisses schafft auch am
hellklaren Tage ein inniges Einverständnis zwi-
schen beiden.
Geht der Tag zur Neige, so wächst die Freude
der Kinder auf das Dämmerstündchen mit der
Mutter. Bezwingend betteln die Kindsraugsn
A-ech/mch-e/r MZ
Horch, der Weihnachtsgloäen Geläute
Weit, weithin schallt es über deutsches Land
Wie anders, feierlicher klingt es heute,
Wo Bruder dem Bruder reicht wieder die Hand;
Da Einigkeit herrscht wieder, und deutsche Treue,
um ein Märchen. Und dann kommt die kostbare
und festliche Stunde, und die Zeit steht still. —
„Und wenn sie nicht gestorben sind, leben sie
noch heute". Ein Aufatmen geht hörbar durchs
Zimmer, fast ist es wie ein Erwachen.
Die Freude auf eine Märchenstunde am Abend
geht mit den Kindern durch den ganzen Tag.
Märchenstimmung durchzieht die frühen Abende
der Adventswochen. Ihr köstlicher Zauber und
ihre gemütsinnige Vorahnung des heiligen Weih-
nachtssestes raunen von Lichterglanz und tiefer
Freude. Und darüber hin weht vielleicht leise
und beglückend der Klang eines Liedes. Ein
tiefes Elücklichsein und Elücklichmachen steht über
den Tagen des Advent. Und die heilige Weih-
nacht bringt alle geahnten Träume zur Reife.
Das Märchen steht im Raum wie eine Wirk-
lichkeit. Gläubig nimmt das Kind es hin als
Sein und nicht als Schein. Sein zartes Alter
empfängt noch nicht vom Verstände seine Wei-
sung, warm lebt in ihm Gefühl und Gemüt. Co
hegt es nicht Zweifel noch Argwohn. Mögliches
und Unmögliches nimmt es gleichermaßen auf
und trennt nicht Wahrheit von Dichtung. Das
ist die süße Zeit der Kindheit, gläubiges Emp-
fangen.
Die Märchengestalten sind für das Kind nicht
mehr von der Phantasie erdachte Figuren, son-
dern Menschen von Fleisch und Blut. Es fühlt
ihre Leiden und Freuden in seiner Seele mit.
Mit den sieben Zwergen liebt es das schöne
Schneewittchen, begleitet Hänsel und Gretel durch
den Wald und das Rotkäppchen auf seinem Gang
zur Großmutter. Dem kindlichen Geist wachsen
Flügel, die ihn mühelos geschwind ins Märchen-
land tragen. Und das Kind nimmt sich vor, auch
so tapfer zu sein wie Rotkäppchen und sich nicht
vor dem bösen Wolf zu fürchten, wenn er ihm
einmal irgendwo begegnen sollte.
Wie das in seiner großen Glückseligkeit stän-
dig in einem wundersamen Märchenzustand lebt,
mit Tieren und Spielzeug gleichwie mit seines-
gleichen spricht und umgeht, so ersteht nun auch
das Wunderbare vor seinen ehrfürchtigen Au-
gen einfach und groß. Die Zaubergestalten des
Märchens kommen lebendig in die dämmerige
Stube. Feen und Engel schauen durchs Fenster,
Heinzelmännchen und Zwerge hört man vor der
Türe rascheln, bald werden Christkind und Weih-
nachtsmann kommen.
Kindliche Einfachheit und Naivität lebt im
Märchen. Losgelöst von allen irdischen Regeln
trägt es seine Gesetze nur in sich. Und dieses
Kindertiimliche ist köstlich und wunderbar.
Nach der bunten Zauberwelt der Märchen
verlangt das reifende Kind nach Lebensnähe und
Wirklichkeitsbezogenheit auch in der Erzählung.
Menschliches Schicksal ersteht dann vor seinen
Augen und rührt an sein Herz, lieber Haß und
Schurkerei muß Herzenswärme, Liebe und Tap-
ferkeit siegen. Die Mutter fügt sittliche Forde-
rungen an. So weist das Märchen ins Leben.
Es ist voll uralter Wahrheit und Weisheit...
Und vorm Fenster steht der Abend und birgt
noch tausend Geheimnisse in sich. Die Sterne re-
den von Ferne und Himmelsglanz.
MLR LeMkMF - SZM SSMUZF
Nr msckt nickt nur Nein Sescksnktcn Nreucie, sondern sckakkt ruglcick neue VercUenstmSZIickkeiten
kür deutscke Volksgenossen. Denken 8ie -lnrsn unü kauten 8is Ikre Weiknacktsgesckenkc bei unr.
8ie kinclen groke ^usrvskl unü billigste Preise.
Ltickolksnr Kni-o, reine Wolle, 70 cm breit.lVltr. 1.-5
Tuck Sckotten, reine Wolle, 70 cm breit.bltr. 2.45
Unttcrspp in mack, warben kür
Oe8eIl8LkaktskIeicier 95 cm br.
Ntr. 2.50
Wollstoffs, neue ?ant38iemu-
eterungen, la rein wollene <ZusI.
95 cm br. . bttr. 3.5V
Klantslstoffs, reine Wolle
140 cm br. . Mr. 3.50
-znnabmeetelle kür Lke8tsnck8äar-
leken u. keckarksckeckunxsscbeiae
6er k^Lb3tt8p3r§rupp6
Glaube und Hoffnung zog in die Herzen ein,
Wo der Starke, der Reiche will wieder aufs Neue
Dem Schwachen, dem Armen ein Helfer sein.
Wie schreklich war's in den verfloss'nen Jahren,
Wo man uns alles, was uns teuer war, zerschlug
Da Undeutsche durch ihr schändliches Gebaren
Am Vaterland verübten schmählichen Betrug!
8a man versprach uns Freiheit, Schönheit,
Würde
Berknechtet uns statt dessen zu der tiefsten
Schmach.
Dem deutschen Michel legt man immer schwerere
Bürde
Auf seine Schultern, daß er fast erlag. —
Cie feierten mit deutschen Geldern Bachanale,
Für alles, was uns heilig, hatten sie nur Hohn,
Verspotteten Familiensinn und alle hehren Ideale,
Legten die frevle Hand selbst an die Religion.
Und einsam stand in bittrem Leid,
Die Armut in zerriss'nem Kleid.
Da, als steigen wollte am höchsten
Die Not im deutschen Land
war Gott der Herr uns am nächsten
Und hat den Retter uns gesandt.
Den Mann aus dem Volke, stark udn treu,
Der jahrelang um deutsches Wesen hat gerun-
gen,
Der Laut' ein einig deutsches Reich uns neu
Hat Zwietracht, Haß und Neid bezwungen.
Sein Kurs heißt: Deutsche Ehre, Glaube, Näch-
stenliebe
Uns alle rief er auf, zu lindern detsche Not
Er weckt in allen Deutschen wieder edle Triebe
Und mitzuschaffen ist das heiligste Gebot.
Keiner soll hungern, keiner soll frieren
Wenn alle treu zusammensteh'n,
Wenn keiner wird wieder den Glauben ver-
lieren,
Läßt Gott uns Deutsche nicht vergeh'»!
Wenn so es ist im deutschen Reich,
Daß die Hand sich reicht, ob arm ob reich
Und Nächstenliebe noch entzünde
Ein Weihnachtsbäumchen selbst dem ärmsten
Kinde,
Dann klingen Helle Weihnachtsglocken allen
Friede auf Erden, und den Menschen ein
Wohlgefallen".
Margarete Menger, Heidelberg.
Fa, tröst' kemsrr M/ch/
Ein Dezember-Modeheft liegt vor mir. Da
werden u. a. auch Anregungen für Weihnachten
gegeben: Kindertischgedecke für den Festabend,
mit einer Krippe auf dem Kindertisch; Engel,
possierlich, drollig, „nur für Kinder" zurechtge-
macht; auch duftigere Gebilde aus Strohhal-
men und Papier zum Selbstherstellen. Man-
che dieser Dingerchen sehen jenen obligaten Au-
tohampeleien zum Verwechseln ähnlich. Passende
Knittelverse werden zusammen mit Schnittmu-
stern gratis geliefert — für die in der Winter-
saison sowieso schon überlastete Frau also eine
vielgestaltige Entlastung des eigenen Denkappa-
rates und Gefühlskomplexes....
Im Ernst: wir deutschen Frauen und Mütter
können da nicht guten Gewissssens mitmachen und
wollen uns bedanken für alles, was unser schön-
stes Familienfest weiterhin so hilflos und see-
lenlos verarmen läßt. Die Kinder müssen uns
leid tun (und mit ihnen auch die Erwachsenen,
weil ja Weihnachten keine Sache nur für die
Kleinen ist), die mit armseligem Ersatz vorlieb
nehmen sollen. Es gibt doch schlichte, echte Kunst,
die für Jung und Alt beseelte Helferin zum wirk-
lichen Weihnachtserlebnis ist. Und wenns nur
ein einfaches Krippenbild ist oder ein kleines
Transparent oder jene kerzentragenden Engel
oder die lichten Leuchtsterne, wie dies alles z.
B. das Rauhe Haus in Hamburg oder die Werk-
stätte von Therese Lindner in Würzburg so bil-
lig ung schön in die deutsche Familie bringt!
Kiinftlerhand hat diesen einfachen Sachen einen
heiligen Schimmer verliehen, der unterm Christ-
baum und auch schon in der Adventszeit der fei-
ernden Familie sich mitteilen wird. Und wenn
man mit solchem Zierrat in Zimmer und Her-
zen der einsamen Alten und der Kranken kommt,
dann ist's wie ein Wunder, daß solch kleine
Dinge so große Freude auslösen...
Aber es kann ja garnicht anders sein: die
Männer und Frauen, die diese feinen Weih-
nachtssachen schufen, taten's dem Christkind zu
Ehren, und helfende Engel Gottes standen bei
ihrer Kunst Pate. Und wir Frauen und Müt-
ter, die wir zur Vertiefung und Entfaltung
deutschen Familienlebens im neu erwachten Va-
terland berufen sind, können wir einen besseren
und reineren Born solcher aufbauenden Kräfte
finden, als im Besinnen auf die Krippe mit dem
Kind, als im Hinblick auf die heilige Familie?
Edelinde Linebach, Rosenberg.
(Zum 88. Geburtstag der deutschen Dichterin)
Zu den wenigen Auserwählten, die nach ei-
ner erstaunlichen Frühreife zu einem auch im
hohen Lebensalter ungeschwächten Schaffen fort-
schreiten durften, gehört Isolde Kurz, die Dich-
terin, die zur Wintersonnenwende des
Jahres 1853 im Schwabenlande das Licht der
Welt erblickte und schon in ihrem dritten Jahre
lesen, schreiben und Uhlandsche Gedichte aufsa-
gen konnte. Sie hat dann neun Jahre später
Dramen geschrieben und die griechischen Dichter
in der Ursprache gelesen. Isoldes Kindheit war
von ungünstigen Lebensverhältnissen überschattet.
Das besserte sich erst, als der Vater, der bekannte
Von Dr. Karl Brandes.
Dichter Hermann Kurz, in Tübingen angestellt
wurde.
Das Elternhaus der Dichterin war also eine
Stätte hoher Geistigkeit. Doch schreibt sie selbst
in ihrem Aphorismenband „Im Zeichen des
Steinbocks" hierüber: „Redet mir nicht vom Zu-
fall der Geburt! Ist denn die Geburt ein Zu-
fall? Sie ist das Ergebnis der leidenschaftlichsten
Wahl durch die Jahrhunderte, und immer auch
ein entsprechendes Ergebnis", und weiter: „Ah-
nenkult und Ahnenstolz haben ihren tiefen Sinn.
Es ist nicht gleichgültig, von welchem Blut wir
stammen, denn unsere Vorfahren gehen immer
Lnkkin WeHnachtSbam» ..
leise mit uns durchs Leben und färben, im« f«1-
ber unbewußt, all unser Tun. In den großen
Schicksalsstunden, scharen sie sich als unsichtbar«
Leibwache um uns, wir fühlen ihre gemeinsame«,
Kräfte, die uns durchdringen, ohne zu wissen,
woher diese Kräfte uns gekommen sind."
Um die Anerkennung ihres Vaters hat Isolde
zeit ihres Lebens gekämpft. Er stammte au» ei-
nem uralten schwäbischen Geschlechte, dem er in
seinen Erzählungen aus der Reichsstadt Reutlin-
gen ein wundervolles Denkmal gesetzt hat. Di«
Tochter widmete dem Vater eins der schönsten
Erinnerungsbücher, die es in deutscher Sprach«
überhaupt gibt: „Das Leben meines Vaters",
Darin spiegelt sich ein gutes Stück deutscher Kul-
tur wider, die sich auf die schwäbischen Kreis«
der Uhland und Mörike gründete.
Aber dann sehnte sich die Dichterin dennoch
aus dem engen heimatlichen Kreise hinaus in
freiere Sphären. Nach des Vaters Tode setzt«
Isolde diese längst als naturnotwendig erkannt«
Forderung in die Wirklichkeit um. Im Jahr«
1873 siedelte sie nach Florenz über. Sie hat die-
sen Ortswechsel wohltätig empfunden, weil „««
mich rechtzeitig der ungünstigen Umwelt ent-
rückte, um mich nach Florenz zu verpflanzen, mit
jungen, empfänglichen Sinnen, die das Neu«
durstig einsogen, doch schon genügend gereist, daß
kein Sichverlieren an des fremde Volkstum
drohte. Vor allem konnte mir die Sprache nicht
verschüttet werden noch erstarren, weil ich fi«
zuerst aus dem volltönenden Urborn der Mund-
art empfangen hatte. Diese deutsche Sprache, di«
für die Dichtung schwierigste und zugleich schönste,
weil aus den tiefsten Erdenkräften genährt und
mit dem frischesten Tau behangen, war mir
ideale Heimat an Stelle der wirklichen, zu stief-
mütterlich gewesenen. Noch tiefer war meine An-
dacht zu ihr als zu aller sichtbaren Schönheit.
Sie war und ist mir die Weltesche, die ihr«
Neste durch den ganzen Luftraum breitet, daß
die Vögel aller Zonen darin singen können, und
deren Wurzeln hinunterreichen bis in das Un-
ergründliche, Unzulänglichste. Und unverlierbar
klingt mir auch das deutsche Volkslied mit, di«
süße stammelnde Kindersprache einer unberedten,
ihr starkes Gefühl nur ahnen lassenden Mensch-
lichkeit."
Aus diesen beiden Quellen strömt das reich«
Schaffen der Dichterin, aus der ersten, der ur-
sprünglichsten Heimat, aus dem Schwabenland«
mit der alten Ueberlieferung, der auch der Va-
ter angehörte, und aus ihrer zweiten Heimat,
der italienischen Wahlheimat. Und gleichzeitig
hebt sie sich durch die Selbständigkeit ihrer Ent-
wicklung, durch ihre starke künstlerische Phanta-
sie und durch ihre tiefe Innerlichkeit weit über
fast alle weiblichen Talente hinaus. An Keller
gemahnt die hohe vornehme Kunst der geschicht-
lichen ,und zeitgemäßen Novelle.
Die Dichterin stand bereits im sechsten Jahr-
zehnt ihres Daserns, als sie wieder für di«
Dauer nach Deutschland zuriickkehrte. Daß si«
noch immer auf der Höhe ihrer Schaffenskraft
stand, zeigte der Roman „Vanadis", der einen
Abglanz ihres reichen Lebens darstellt, einen
Frauenspiegel, der an Schönheit seinesgleichen
sucht. Eine Fülle edler und reifer Werke ver-
dankt das deutsche Volk dieser Dichterin, und e«
war nichts als eine Erenpflicht, als man euch
sie in die deutsche Dichterakademie berief.