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40 Jahre Volksstimme Mannheim: 1890-1930 — Mannheim, 1930

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https://doi.org/10.11588/diglit.42208#0006
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1890/1930

VOLKSSTIMME / JUBILÄUMS-AUSGABE

8S5S!

1890/1930

Vieles habe ich in diesen Jahren meiner Zugehörigkeit zur
Redaktion der „Volksstimme" erlebt, trübe und schöne Tage;
Tage, in denen leidenschaftlich um die Raumverteilung im
Blatte gekämpft wurde, und dann auch wieder Zeiten, wo
die Kämpfe mit den politischen Gegnern eine feste Geschlos-
senheit der Redaktion in die Erscheinung treten ließen.

Schließlich aber — und das ist wohl das wichtigste — waren
diese Kampfesjahre auch Jahre des Lernens gewesen.
Dieses Erleben hat wohl mehr noch wie das Studium der
Literatur das geistige Rüstzeug dafür geschaffen, daß ich im
letzten Jahrzehnt manch eine Probe aufs Exempel bestehen
konnte.

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REDAKTION DER VOLKSSTIMME

Meine Tätigkeit fing gleich gut an. An dem Abend meiner
Wahl zum Redakteur war ich als Berichterstatter der „Volks-
stimme" in einer Bürgerausschußsitzung in Friedrichs-
feld. Dort übte zu jener Zeit die Steinzeugwaren-
fabrik einen unerhörten Terror aus, der sich auch die
Gemeindeverwaltung dienstbar gemacht hatte. Die Kandi-
daten auf der Oppostionsliste (eine sozialdemokratische
Liste war überhaupt unmöglich) wurden am Tage der Wahl
fristlos entlassen. Auf dem Rathaus hatte die Fabrik eine
große Mehrheit erhalten. Nun kam ich als erster sozialdemo-
kratischer Berichterstatter und wollte der Voranschlags-
beratung anwohnen. „Nix, nix, Sie müsse naus!" rief
mir der alte Bürgermeister Dehoust zu. Und auf meinen
Einwand, daß ich mir das Recht zur Anwesenheit nicht streitig
machen ließe, rief er dem P o I i z e i d i e n e r zu: „S c h na-
be I, f ü h r'n hinter e!" Unter solchen Umständen ging ich
natürlich meiner Wege und der Bürgermeister wanderte nach
Schwefzingen zum Bezirksamt, um über einen gepfefferten
„Volksstimffis"-Artikel Auskunft zu geben. Der Kampf wurde
dann solange weitergeführt, bis Bürgermeister Dehoust sein
Amt niederlegte und die gewalttätige Fabrikherrschaft
gebrochen war.
Wenn auch nicht ganz so schlimm wie in Friedrichsfeld, so
sah es doch in vielen Gemeinden unseres Verbreitungsbezirks
auf den Rathäusern ähnlich aus. Die bürgerlichen Vertreter
waren noch durchweg nicht politisch orientiert; es gab nur
eine Rathauspartei, die Mehrheit, und eine Opposition, die
Minderheit. Einzig die Sozialdemokratie trieb auf
Grund ihrer programmatischen Forderungen systematische
Gemeindepolitik, reichte Anträge ein und forderte eine ge-
ordnete Beratung des Voranschlags. War irgendeine Bürger-
ausschußsitzung von Bedeutung, so mußte der Redakteur
selbst als Berichterstatter hin. In einem kritischen Stimmungs-
bild wurden die Gemeindsverhältnisse dann gebührend ge-
kennzeichnet und durch Verbreitung einer Agitationsnummer
in dem-betreffenden Ort bekannt gemacht. Diese Art Agita-
tion brachte uns die meisten Abonnenten ein.
In Mannheim selbst Stand dagegen die Kommunalpolitik
im allgemeinen und insbesondere diejenige der Sozialdemo-
ireits auf einer beschlllcheR-HShsr^Zwar herrschte-
tairi brutales Dreiklassenwahlrecht, so daß
wir jahrzehntelang überhaupt nur in der dritten Klasse Ver-
treter aufs Rathaus bringen konnten. Trotzdem gelang es
der klugen Taktik der Partei,- schon frühzeitig auch in die
eigentliche Stadtverwaltung, in den Stadtrat, einzudringen.
Und in der Geschichte der Stadt Mannheim werden die
Leistungen der Sozialdemokratie auf dem Rathaus gerade in
den Zeiten des Aufschwungs der Stadt eine hervorragende
Rolle spielen. Die Sozialdemokratie hat Mann-
hai m groß machen helfen, in dem Zeitpunkt, als die
bürgerliche Demokratie bereits auf das platte Niveau spieß-
bürgerlichen Krämergeistes herabzusinken begann. Die So-
zialdemokratie und insbesondere ihr kluger Führer Drees-
bach erkannten frühzeitig, daß Mannheim als Nur-Handels-
stadt nicht mehr durchkommen konnte und daß es ebenso im
Interesse der Arbeiterschaft wie der Stadtgemeinde lag,
neben den Hafenanlagen eine großzügige Industrie-
ansiedlung zu inaugurieren. Die geradezu amerikanische
Entwicklung zeigte bald, wie richtig diese Idee war.
Die Jahre 1904—1908 waren für das Mannheimer Industrie-
gebiet Jahre der heftigsten Gewerkschaftskämpfe.
Die gute Konjunktur begünstigte die Forderung von Lohn-
erhöhungen, aber die Kämpfe wurden außerordentlich er-
schwert durch die überall einsetzende Konzentration der Ar-
beitgeberorganisationen einerseits, durch den großen Pro-
zentsatz der gewerkschaftlich noch nicht organisierten Arbei-
ter und die um jene Zeit aufkommende Zersplitterungstaktik
der christlichen Gewerkschaften. Manchmal ging der fana-
tische Haß der „Christen" so weit, daß sie organisierten
Streikbruch verübten, nur um in den Betrieben Fuß fassen
zu können. Bei den Kämpfen in der Drahtindustrie gelang
zwar noch die Herstellung einer Einheitsfront, weil die Mehr-
zahl der im Streik Stehenden Hirsch-Duncker waren und die
Freien Gewerkschaften selbstverständlich Solidarität übten.
Aber schon beim großen Kampf bei der Firma L a n z brauchte
es alle Anstrengungen, um die Arbeiterschaft geschlossen zu
halten. Der Streik der Gipser und ein Kampf der Hafen-
arbeiter brachte jedoch den organisierten Streikbruch der
Christlichen. Für den damaligen christlichen Gewerkschafts-
sekretär Tremmel hafte die Vermittlung der Streikbrecher
unangenehme Folgen, als er bei den Reichstagswahlen 1907
Kandidat der Zentrumspartei geworden war. Die Erbitterung
der freigewerkschaftlich organisierten Arbeiterschaft war so
stark, daß er in einer Wählerversammlung auf dem Lindenhof
überhaupt nicht reden durfte und anderntags ln der
Schwetzingervorstadt sogar flüchten mußte. Das Zentrum
trug dieser gereizten Stimmung dadurch Rechnung, daß es
seinen Reichstagskandidaten in den Stadtbezirken von der
Kandidatenrede dispensierte.
Manche Kämpfe waren sehr schwer und nicht alle endeten
mit einem vollen Erfolg, insbesondere dort nicht, wo die ge-
werkschaftlichen Grundsätze bei der Vorbereitung des Streiks
nicht beachtet wurden. Ein Musterbeispiel dafür war der
Gummiarbeiterstreik in Neckarau. Jedoch das gute Zu-
sammenarbeiten aller Faktoren der modernen Arbeiterbewe-
gung: Gewerkschaften, Partei und sozialdemokratische Presse,
vermochte selbst in diesem Falle eine vernichtende Nieder-
lage der Arbeiterschaft zu verhindern und kaum vierzehn
Tage nach der bedingungslosen Wiederaufnahme der Arbeit
mußte die Firma die seinerzeit gestellte Lohnerhöhung bewil-
ligen. Trotz Abreise von etwa vierzig „Volksstimme"-Lesern

VOM 5TÄÄTSRÄT EMIL MAIER
brachte dieser Kampf zirka zweihundert neue Abonnenten.
Einen noch größeren Erfolg hatte das Parteiorgan durch den
Kampf bei Benz zu verzeichnen. Die Streikenden wurden
zur Hausagitation herangezogen und brachten über 500 neue
Abonnenten für die Zeitung zusammen, die ihren Kampf
energisch unterstützt hatte. Der Streik bei Benz war übrigens
auch sonst ein glänzender Beweis dafür, was eine gut orga-
nisierte, disziplinierte und richtig geführte Arbeiterschaft
kann. Die Erinnerung an jene Zeiten, in denen man den
Wahnsinn der kommunistischen Arbeiterzersplitterung
noch nicht kannte, gehört zu den schönsten meines Lebens
und ich grüße von dieser Stelle aus alle Kampfgenossen von
damals auf das herzlichste. .
Gewiß, manchmal ging es etwas rauh und scharf her —
Kohlenarbeiterstreik, Streik bei F e n d e I, in den
Rheinmühlenwerken usw. —, aber man war einig im
Ziel und meistens auch über den Weg, und der Kampf ging
gegen den Klassengegner und nicht innerhalb der Arbeiter-
klasse. So war es nur selbstverständlich, daß ich vor der
Strafkammer, wo ich mich in der Berufungsverhandlung
wegen Beleidigung des Herrn Tremmel zu verantworten hatte,
weil ich ihn einen Streikbrecheragenten nannte, dem Gericht
folgende Antwort geben mußte: „Auf die Gefahr hin, die mir

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vom Schöffengericht zudiktierten vierzehn Tage Gefängnis
behalten zu müssen, kann ich nur sagen, daß die Auslegung
des Gerichts, was ein Streikbrecheragent sei, mir völlig
gleichgültig ist; für mich kommt für die Definition dieses Be-
griffs nur die Meinung der 17 000 Gewerkschafter Mannheims
in Betracht, die in dieser Frage allein kompetent sind." Urteil:
vierzehn Tage Haft, aber Masse und Führer waren
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Ich muß darauf verzichten, all die Erlebnisse wiederzu-
geben, die mit den Gerichten und dem Gefängnis Zusammen-
hängen, das zu jener Zeit sich einem sozialdemokratischen
Redakteur noch wesentlich leichter öffnete als heute. Nur
ein paar wenige Streiflichter und eine Vorbemerkung: Meine
Redaktionssünden scheinen bei den Vertretern des alten
Staates sehr schlimm gehalten worden zu sein, denn als ich
während des Weltkrieges zu einem anderen Truppenteil
versetzt wurde, fand ich meine 34 Redaktionsstrafen
fein säuberlich in der Stammrolle eingetragen
und es bedurfte erst des Eingreifens eines Reichstagsabge-
ordneten, bis das Kriegsministerium diesen Uriasbrief be-
seitigen ließ. Die Gerichte waren damals scharf, noch schärfer
der Staatsanwalt Junghans. Jedoch mit ein bißchen
Humor ließen sich die Dinge ertragen. Schließlich war es ja
auch zweifelhaft, was besser war: vierzehn Tage Landwehr-
übung auf dem Hagenauer Sand oder vierzehn Tage wegen
„Verächtlichmachung von Staatseinrichtungen" im Gefängnis.
Und als Herr Rechtsanwalt Dr. Katz im Muschwitzprozeß
erklärte: Maier bringe ich mit zwei Monaten Gefängnis durch,
Geck bekommt jedoch vier bis fünf Monate, war es selbst-
verständlich, daß ich trotz des Einspruchs des Genossen
Geck vor den Riß trat und die vorausgesagten zwei Monate
auch wirklich erhielt. Der Staatsanwalt wurde aber doch um
einen Tag betrogen. Er hatte meine Einberufung Ins Gefäng-
nis auf Juli und August vorgesehen, damit ich der zweimal
31 Tage teilhaftig werden könnte, jedoch nicht beachtet,
daß der Entlassungstag auf einen Sonntag fiel. So mußte ich
am Samstagabend entlassen werden, welche freudige Tat-
sache sofort im „Habereck" gebührend gefeiert wurde, wo
Geck und Ich zwei Monate vorher den letzten Abschieds-
krug geleert hatten.
Außerordentlichen Spaß machte es uns immer, wenn der so
übereifrigen Justitia eine Nase gedreht werden
konnte. So bei dem Versuch, das sogenannte H o 11 e n t o t -
ten-Hängebild zu beschlagnahmen. Während
die Kriminalbeamten die ganze Druckerei besetzt hatten,
ging ich seelenvergnügt mit dem Klischee unter dem Brust-

hemd durch die damals noch bestehende Wirtschaft nach dem
Metallarbeiterbüro und Freund Schneider verwahrte das
staatsgefährliche Klischee in seinem Kassenschrank, bis die
Polizei ihre Bemühungen aufgab, und noch am selben Nach-
mittag gingen diverse Photographien des Klischees nach den
norddeutschen Parteiblättern. Gleich zwei Opfer forderte
das Gedicht über das „Friedrich-Luisenhäuschen"
im „Schnupftabak". Auch in diesem Falle nahm die Kriminal
zunächst eine gründliche Haussuchung vor nach den Zeitun-
gen, den Matern und den Platten der beschlagnahmten Num-
mer. Sie fand auch alles bis auf die Platten, weil diese noch
auf der Rotationsmaschine waren. Oskar Geck und ich be-
schlossen, nach dem Abgang der Polizei die sofortige Her-
ausgabe einer neuen Fastnachtszeitung: „DerSchmalz-
ler" (Nachfolger des beschlagnahmten „Schnupftabaks").
Nun hatte, wie jedes Jahr, so auch diesmal, der Appel-
Scho r s c h als verantwortlicher Redakteur gezeichnet, ohne
irgendetwas mit der Herstellung des Blattes zu tun gehabt
zu haben. Und er erschrak deshalb nicht wenig, als er
wegen Majestätsbeleidigung verhaftet wurde
und seine Fastnachtsküchle „im Schloß" verzehren mußte.
Das war von seiten der Justiz undankbar, denn wie oft hatte
der Appel-Schorsch den Herren die übliche Prise auf einem
Blatt Papier auf den Schreibtisch gelegt. Die Angelegenheit
zog aber noch v/eitere Kreise. Oscar Geck wurde in Zeug-
niszwangshaft genommen, ich selbst „zunächst" mit 300 Mark
Geldstrafe belegt und ich mußte den Untersuchungsrichter
in einem „Offenen Brief" auffordern, entweder Geck freizu-
lassen oder mich ebenfalls einzusperren. Der letztere Wunsch
wurde mir abgeschlagen, Geck jedoch noch am selben
Samstagnachmittag freigelassen.
Diese kleinen Erinnerungen würden nicht vollständig sein,
ohne ein paar Bemerkungen über das damalige Verhältnis
der „Volksstimme" zur Polizei bzw. zum Polizeidirektor
Schäfer. Mit der Polizei d. h. mit dem Gros der Mann-
schaften, standen wir eigentlich nicht schlecht. Am schlech-
testen jedoch mit Herrn Schäfer, der in der „Volksstimme"
auch nur den Ausbund der Hölle erkennen konnte. Zunächst
ärgerte er sich ungemein darüber, daß die „Volksstimme"
in der Lage war, die für ihn nicht gerade erfreulichen Urteile
verschiedener Musikkoryphäen einiger europäischer Groß-
städte über sein Karfreitagskonzertverbot abzudrucken. Dann
ärgerte er sich darüber, daß ich seine Instruktionsstunden
für die Redakteure nicht besuchte, und schließlich ärgerte er
sich bekanntlich überhaupt über alles, was andere Leute
taten. Diese Stimmung Schäfers wurde noch schlechter, wenn
es der verhaßten sozialdemokratischen Zeitung gelang,
„seiner" Polizei etwas am Zeug zu flicken. Das gelang öfters,
natürlich stets mit dem größten Vergnügen. So konnte die
„Volksstimme" eines Tages berichten, daß ein steckbrieflich
verfolgter Einbrecher abends spät von einem Wirt am
Ring der Polizei übergeben wurde, die den Verdächtigen
über Nacht in einen benachbarten Polizeiarrest sperrte. Am
anderen Morgen befragt, wer er sei, nannte er irgendeinen
Namen. Die Schäferpolizei glaubte ihm dies natürlich nicht
so ohne weiteres und verlangte Beweise für seine Behaup-
tungen. Diese wollte er erbringen durch einen Landsmann,
der in der 118er-Kaserne Soldat war. Damit er sicher wieder
komme, nahm man ih

Mantel hatte er zirka 15 OOOMarkgestohleneBank-
noten eingenäht, die ihn den Verlust der Uhr ertragen
ließen. Als er dann nach einigen Wochen doch gefaßt wurde,
erzählte er humorvoll die Geschichte seiner Mannheimer
Polizeierlebnisse, die ein glücklicher Zufall dann der „Volks-
stimme" übermittelte.
Noch schlimmer war die Affäre mit dem schwäbischen
Raubmörder, der unbehelligt im „Eisernen Kreuz" abge-
stiegen war und tags darauf der Polizei eine unverschämte
Postkarte schrieb, die wörtlich in der „Volksstimme" abgs-
druckt war. Schäfer bekam beinahe einen Schlaganfall, denn
nach seiner Meinung mußte die „Volksstimme" unter der
Polizei einen Mitarbeiter haben. Die unschul-
digen Schutzleute wurden fürchterlich behandelt, ehrlos und
pflichtvergessen geschimpft und dem Täter die schrecklich-
sten Strafen angedroht. Daß ich die Postkarte bei einer Vor-
ladung zum Herrn Kommissär Laible selbst abge-
schrieben hatte, konnte der strenge Herr Polizeidirektor
ja nicht ahnen. Endlich glaubte er seine Rache, wenn auch
nicht an der verhaßten Zeitung, so doch a n m i r nehmen zu
können. Die Vorkommnisse am Roten Sonntag ließen ihn
freudigst ausrufen: „Diesmal langt es Ihnen mindestens zu
sechs Monate n!" Vor Gericht mußte er sich jedoch vom
Vorsitzenden sagen lassen: „Herr Polizeidirektor, die An-
klagerede hält der Staatsanwalt, wollen Sie bitte wieder auf
der Zeugenbank Platz nehmen." Das Schwurgericht ent-
täuschte ihn noch mehr durch den Urteilsspruch: statt
sechs Monate Gefängnis 150 Mark Geldstrafe!
Wenn ich die Zeit meiner Redaktionstätigkeit nochmals
rückschauend überblicke, muß ich immer wieder sagen: Es
war mit die schönste Zeit der 37 Jahre, die ich in der Partei-
und Gewerkschaftsbewegung stehe. Eine Zeit rastloser Ar-
beit, großer Opfer, aber noch größerer Erfolge. Die „Volks-
stimme"-Abonnenten stiegen von etwa 5000 auf beinahe
16 000. Die Organisationen wuchsen von Tag zu Tag, Opfer-
mut, Solidarität und Kampfbereitschaft waren gepaart- mit
einer mustergültigen Disziplin. Zwischen Masse und Führern
bestand ein gutes Vertrauensverhältnis. Leuten von der zer-
setzenden Eigenschaft der heutigen Kommunisten wurde die
Tür gewiesen. Mit solchen Genossen konnte man kämpfen
und siegen, konnte man sicher sein, daß sie auch die
intellektuellen und moralischen Eigenschaften für die Errich-
tung der sozialistischen Gesellschaft aufbringen würden.
LEHRJAHRE
IN DER VOLKSSTIMME
VON WILHELM KEIL M.D.R.
Die Redaktion der „Volksstimme" hat mich um einen Bei-
trag für Ihre Jubiläumsnummer ersucht. Ich führe diesen ehren-
vollen Auftrag darauf zurück, daß ichmitanderWiege
der „Volksstimme" gestanden, ihre Kinderjahre durch engste
Zusammenarbeit miterlebt habe und heute noch von Zeit zu
Zeit bei ihr Gastrecht genieße. Die „Volksstimme" war
meine journalistische Lehrwerkstätte. Es möge
mir deshalb gestattet sein, hier eine stärkere persönliche
Note anzuschlagen, als es sonst üblich ist.
Mit zwei Unterbrechungen habe ich zirka sechs Jahre lang
in Mannheim gewohnt und gearbeitet. Diese sechs Jahre

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