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Volkszeitung: Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung des ganzen badischen Unterlandes (Bezirke Heidelberg bis Wertheim) (2) — 1920

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Nr. 111 - Nr. 120 (15. Mai - 27. Mai)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44127#0086
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TeßLSLsrümg für die werktätige Bevölkerung der Amtsbezirke Heidelberg, Wiesloch, Ginsheim, Eppingen, Eberbach, Mosbach, Buchen, Adelsheim, Boxberg



Tauberbischofsheim und Wertheim.

Bezugspreis: Monatlich einschl. Trägerlohn 3.S0 Mk. Anzeigenpreise:
Die einspaltige Petitzeile (3ü mm breit) 80 Pfg., Reklame-Anzeigen
(93 mm breit) 2.20 Mk. Bei Wiederholungen Nachlaß nach Tarif.
Geheimmittel-Anzeigen werden nicht ausgenommen.
Geschäftsstunden: 8 — '/,6 Uhr. Sprechstunden der Redaktion: 11—12 Llhr.
Postscheckkonto Karlsruhe Nr. 22S77. Tel.-Adr.: Volkszeitung Heidelberg.

Hsidelberg, Freitag, 21. Mai 1926
Nr. 116 * 2. Jahrgang

Verantwort!.: Fürinnereu. äußere Politik, Volkswirtschaftu. Feuilleton: Dr.
(?.Kraus; für Kommunales u. soziale Rundschau: Z. Kahn; für Lokale-:
O.Geibel; für die Anzeigen: H. Hoffmann, sämtlich in Heidelberg
Druck und Verlag der llnterbadischen Derlagsanstalt G. m. b. H„ Heidelberg
Geschäftsstelle: Schröderstraße 39.
Fernsprecher: Anzeigen-Annahme 2673, Redaktion 2648.

Politische Ueberficht.
Einberufung der Sozialiskrrungslommission.
In den nächsten Tagen erscheint im „Neichsanzeiger" ein Erlaß
des Reichspräsidenten über Einberufung und die Befugnisse der So-
ziallfierungsksmmissivn. Der Erlaß gibt dem Reichswirtschasts-
inmistcr das Recht, die Kommission nach ihren Vorschlägen zu er-
gänzen Die Gesamtzahl der Mitglieder soll 30 nicht übersteigen.
Der Sozialisierungskommission gehören an: Professor B a U od,
Friedrich Baltrusch, Dr. Adolf B r au n, Äoolf Cohe n, Dr
Rudolf Hilferding, Otto H u e, H. K auf m a n n, Kar!
Kautsky, Dir. Hans Krämer, Dr. Karl Neelchio r, Dr.
Robert Kuczynski, Prof. Dr. Emll Hugo
Lindenmann, Franz Neusted t, Dr. Walther Rathe n a u,
ftarl Friedrich v. Sieme n s, Prof. Dr. Joseph S ch u m p e t e r,
Paul Umbreit, Generaldirektor Dr. Vogelstem, Prof. U.fred
Ä) eber und Rudolf Wissell. . ...
Die Svzialisierungskommission hat das Recht, auf Grund ihrer
Arbeiten der Reichsregierung Vorschläge zu gesetzlichen und Ver-

DeuLsche Nationalversammlung.
Hegen Länderraub und Menschenschachcr. — Die Unabhängigen machen
nicht mit beim Protest gegen die schwarzen Truppen.
Berlin, 20. Mai.
Abg. Frau Röhl (Soz.) begründet eine Interpellation aller Par-
teien mitAusnahmeder Unabhängigen über die Verwendung
farbiger Truppen.
Reichsminister Dr. Köster: Bis gestern abend ist keine Nachricht
eingelaufen von irgendeiner Zurückziehung der farbigen Besatzungen.
(Hört, hört!) Wir wollen nicht in einen Rassenkampf eintrcten; denn wir
gedenken der Schwarzen in unseren Kolonien, welche mit uns zusammen
gefochten haben. Aber die Verpflanzung von 50 OVO Farbigen in das
Herz Europas ist ein Verbrechen. Die Proteste Englands, Amerikas,
Schwedens und Norwegens haben ebensowenig genutzt und auf die Fran-
zosen Eindruck gemacht wie unsere Proteste. Bon einer ökonomischen
Solidarität Europas kann nicht gesprochen werden, solange man die
politische Solidarität mit Füßen tritt. Wir wollen uns an den Völ-
kerbund wenden, damit der Einspruch der ganzen Welt ergeht. Den
Brüdern im Westen wollen wir sagen, daß wir mit ihnen leiden und auf
ihre Befreiung hoffen. (Beifall.)
Abg. Frau Zieh (U.S.P.): Wenn Deutschland die Bedingungen
über die Stärk« seines Heeres erfüllen würde, so würde es ein geneigtes
Ohr bei der Entente finden zur Verminderung der Besatzungstruppen.
Die Interpellanten haben kein Wort gefunden über die unsittlichen Roh-
heiten gegen Frauen und Kinder, die durch deutsche Soldaten begangen
worden sind. Ich sage, in Rußland, Belgien usw. haben deutsche Sol-
daten genug deutsche G re ueltaten begangen. (Stürmische Be-
wegung, andauernde Entrüstungsruse. Pfui Teufel!) Mit diesen Zu-
rufen heißen Sie nur die Greueltaten der deutschen Soldaten gut! (Er-
neuter Lärm und stürmische E trüstungsrufe. Die Rechte, das Zentrum,
die Demokraten und ein großer Teil der Mehrheilssozialdemokraten ver-
laßen den Saal.) Es ist nur Rastenkampf gegen die Schwarzen, den wir
nicht milmachen.
Abg. Laverrenz (D.N.) begründet eine Interpellation über
Maßnahmen des Interalliierten schleswigschen Komitees.
Minister Dr. Köst« r: Die Schritt« der dänischen Regierung sind
weder mit dem Geiste noch mit dem Wortlaut des Friedensvertrages ver-
einbar. Wir haben am 11. Mai in einer Note in Paris und später in
Flensburg protestiert ohne Resultat. Das Recht ist aus unserer
Seite, leider nicht die Macht, die Rechtsbeugungen zu verhindern. Mit
dem nah« bevorstehenden Abzug der Kommission aus Flensburg wird
auch di« Zollgrenze nach Süden verlegt werden können. Ganz Deutsch-
land wird nicht ruhen, bis alle zweifellos deutschen Landschaften und
Stämme wieder mit uns vereinigt sind. (Beifall.)
Abg. Pohlmann (Dem.) begründet eine Interpellation aller
Fraktionen mit Ausnahme der Unabhängigen über die Rechte der
b e u ts ch s p r e che n d en Bevölkerung in den an Polen abgetre-
tenen Gebieten. Diese Rechte würden andauernd aufs Schwerste
verletzt.
Minister Dr. Köster: Die Reichsregierung wird wie bisher in der
polnischen Sache dle klaren Rechte der deuttchen Bevölkerung zu wahren
suchen, insbesondere auch durch mündliche Verhandlungen mit der
Entente, soweit sich die Möglichkeit dazu bietet.
Abg. Henke (ll.S.P.) begründet einen gestern eingebrachten Antrag
Geyer-Leipzig (ll.S.P.) auf sofortige Aufhebung des Ausnahmezustandes
in allen Teilen des Reiches. ,
Abg. Löbe (Soz.) will mit einem grotzen Teile seiner Fraktion dem
Antrag zustimmen.
Der Antrag wird mit den Stimmen der stark vertretanen sozialdemo-
kratischen Parteien angenommen.
Präsident Feh renbach eröffnet die Sitzung wieder um 2.30 Uhr.
Erledigt werden die Gesetzentwürfe üder die Erweiterung der
Verordnung über eine militärische Amnestie, über Entschädi-
gungsansprüche verhafteter oder verurteilter Elfaß-Lothringer,
über Erteilung einer Ermächtigung zur Beendigung des Kriegszustandes
zwischen Deutschlaich und Lostanca, sowie über patentamtliche Gebühren
'n allen drei Lesungen, der Gesetzentwurf über die Personen-
stanbserhebung in zweiter und dritter Lesung.
Der Einspruch des Reichsrats gegen die Einstellung von 500 000 Mk.
Zur Errichtung einer wissenschaftlichen Abteilung für Volksbildung an der
Frankfurter Universität wird dem Verfassungsausschuß über-
wiesen.
.„Erledigt werben in 2. und 3. Beratung die Reichsetatsrechnungen
« -^'nb 1917 und der Bericht der Reichsschuldenkommission, ferner der
m Ausschusses für Finanzwirtschaft über die Heraufsetzung des
Grundlohnes und di« Ausdehnung der V e r s i che r u n g s p f I i ch t in
der Krankenkastenversicherung sowie der Bericht des Sonderausschusses
über den erweiterten Reichswirtschastsrat.
Es folgte die erste Beratung des Gesetzentwurfes über das Ab-
kommen mit Sowjet r u ß l an d über die Heimschaffung der bei-
derseitigen Knegsge angenen und Zivilinternirrten
Abg. H en?e (U.S.P.- wünscht Anknüpfung sofortiger Beziehungen
zu Sowjetrußland.
Abg. Scheid- m a mn (Soz.): Das Auswärtige Amt möge alles
versuchen, daß wir mit Sowjet.ußland rn ein erträgliches Verhältnis
kommen.
Der Gesetzentwurf wird in allen drei Losungen angenommen, ebenso der-
-eilige über den beidÄseitigen Gefangenenaustausch mit Lettland.

Deutsch-Französische Wirtschaftsbesprechungen
Paris, 20. Mai. Der französische Handelsminister ver-
öffontlicht folgende Note: Der Meinungsaustausch, den die deut-
sche Regierung vorgeschlagen und den Ministerpräsident
Miller and angenommen hat, um die Wiederaufnahme der
deutsch-französischen Wirtschaftsbeziehungen zu ermöglichen, wird
heute, Donnerstag, in Paris beginnen. Die französische Regierung
hat ihrerseits folgende Delegierte ernannt: Leon Levy, Metall indu-
strieller, Laedrich-Elsaß, Eugen Hathon, Textil, Eillet, Farben und
Chemikalien und Cordier für die Elektro-Ittdustri«. Nach der Art
der Fragen, die behandelt werden, können die bereits bezeichneten
Sachverständigen ersetzt oder ergänzt werden durch besonders Spe-
zialisten. Die Verhandlungen werden präsidiert werden vom Han-
delsminister Isaac, dem der Direktor aus dem Handelsministerium,
Serruys, beistehen wirb. Der Ministerpräsident wird bei den Ver-
handlungen vertreten fein durch den Unterdirektvr Seydoux. Auf
deutscher Seite führk den Vorsitz der Geschäftsträger, Minister Dr
Mayer. Der „Makin" bemerkt: Die deutsch-französische Konferenz
habe keinesfalls zum Ziele, über die Friedensvertragsklauseln zu
sprechen öder sie etwa zu revidieren. Ihr Gegenstand habe einen
ausschließlich praktischen Wert für den Handel zwischen Frankreich
und Deutschland.
Paris, 20. Mai. Heute nachmittag haben im französischen
Handelsmimsterium in Paris die deutsch-französischen Wirtschafts-
besprechungen begonnen. Nach einleitenden Worten des französi-
schen Handelsministers Isaac und des deutschen Geschäftsträgers,
Minister Dr. Mayer, wurde kurz die allgemeine Wirt-
schaftslage besprochen. Ein Meinungsaustausch über den
Gegenstand der Beratungen und die Geschäftslage ergab völlige
Ueberoinstimmung. Sodann traten die Sachverständigen zu Ein-
zelbesprechungen zusammen.
Der Präsident der internationRlen
Finanzkonferenz.
Genf, 20. Mai. Wie dem „Ioural de Geneve" aus Rom
gemeldet wird, hat der Völkerbundsrat Gustav Ador als Präsi-
dent der international enFinanzkonferenz in Brüssel
bezeichnet, dir nach der Konferenz in Spaa stattfinben wird.
Ein Kongreß des Welthandels in Aussicht.
Paris, 21. Mai. Hier tagen augenblicklich Delegierte wirt-
schaftlicher Verbände aus Amerika, England, Frankreich, Italien
und Belgien, um einen Kongreß des Welthandels vorzube-
reiten, der vom 10. >bis 26. Juli in P aris stattfinden soll. U. a.
scheint die Absicht zu bestehen, eine internationale Han-
delskammer zu errichten, deren Sitz abwechselnd in Amerika,
England, Frankreich und Italien sein soll. Zu dem Kongreß des.
Welthandels sollen noch später alle Neutralen sowie die Mittel-
mächte zugelassen werden.
Das Abflauen des französischen Streiks.
Paris, 19. Mai. Zur Streiklage meldet Havas. In
den Bergwerken Nord und Pas-de-Lalais wird morgen früh
die Arbeit wieder ausgenommen. Diesen Morgen ist eine
große Anzahl Arbeiter in Marly uno Ancy wieder ein-
gefahren. Von den Bahnlinien wird vereinzelte Wieder-
aufnahme der Arbeit gemeldet. Die Metallarbeiter in Calais
und Dünkirchen nahmen in großer Zahl die Arbeit wieder
auf. Im Hafen von Dünkirchen dauert der Streik an.
Bei den eingeschriebenen Seeleuten hat sich die Lage jedoch
verbessert. Der Streik der Dockarbeiter dauert an. 2n
Rochelle ist die Arbeit teilweise wieder ausgenommen. Von
Bordeaux sind drei Postdampfer ausgelaufen.
Paris, 20. Mai. Nach Schluß der gestrigen Be-
ratungen des Nationalrates der Gewerkschaften wurde der
Führer der Eisenbahner-Gewerkschaft, Gewerkschastssekretär
Bonbousseau verhaftet. — Die Beratungen des National-
rates der Gewerkschaften sind gestern nicht zu Ende ge-
gangen. Die Verhandlungen finden hinter geschlossenen
Türen statt. In der Nachmittagssttzung haben die Ver-
treter der am Streik beteiligten Gewerkschaften ihre Stellung-
nahme präzisiert. Nach Blättermeldungen hat der Vertreter
der Eisenbahner sich für die Fortsetzung des Streiks aus-
gesprochen. Vor Schluß der Sitzung hat der Nationalrat
eine Resolution angenommen, in der gegen die aus Anlaß
des Streiks erfolgten Verhaftungen und Strafverfolgungen
protestiert wird.
waltungsmaßnahmen g e m ein w i r ts ch a stl i ch e r Art zu
unterbreiten und Anregungen Zu einer wirtschaftlicheren und zweck-
mäßigeren Gestaltung ber Reichst- und Staatsbetriebe insonderheit
der Post und Eisenbahn, zu geben. Sie hat bas Recht der Ver-
ösfenMchung ihrer-Vorschläge sowie der Begutachtung von gemein-
wirtschaftlichen- Maßnahmen bei ihrer Vorbereitung. Zur Durchfüh-
rung ihrer Arbeiten ist die Sozialisierungskommission ermächtigt,
von den Bestimmungen übers die A u s k u n s t s p sl i ch t Gebrauch
zu machten. Ihre Mitglieder gelten in diesem Falle als Beauftragte
der Reichsregierung. Außerdem ist sie befugt, die zu ihren Arbeiten
erforderlichen Auskünfte bei allen Zentralen und untergeordneten
Behörden, für die bas Reichswirtschastsministerium zuständig ist,
einzuziehen.
Die Vorberatungen der Sozialisierungs-
kommission sind soweit gediehen, daß die Vorschläge für die
einzelnen Wirtschaftsgebiete von Unterkommissionen ausgearbeitet

werden können. Ein Entwurf für die Regelung der Kohlen-
wirtschaft ist bei der Unterkommission für Kohle und Kali bereits
in Vorbereitung. Die Gründung weiterer Unterkvmmiffionen ist
beabsichtigt für das Gebiet der Kommunalisierung unter
Hinzuziehung ber Baustvff - I n d u st rie und für die Behand-
lung von w i rts cha ftli chen F i na nz fr a gen, wie das Pro-
blem des Außenhandels und die Frage der gemeinwirt-
schaftlichen Kapitalsbildung.

Die Festsetzung ber Entente in der Türkei.
Haag, 20. Mai. (Tel. d. Sonderberichterstatters b. N. B.
L.-Ztg.) Aus London wird gemeldet: Das Auswärtige
A m t erklärt, daß die B es a h u n g s t r u ppen in allen Zonen
des türkischen Reiches weiter bleiben sollen, bis das türkische
Friodensabkommen ausgesührt ist. Man erwarte! keineswegs ernste
Schwierigkeiten in Cilicien, Mesopotamien ober Syrien, fürchtet
aber, baß Griechenland auf ernste Schwierigkeiten stoßen wird
und rechnet bereits mit der Tatsache, daß Frankreich, Eng-
land und Italien gezwungen sein werden, Griechenland zu
Helsen. Man glaubt, baß es wenigstens zwei Jahre bauern
wird, bis die Ausführung -des Vertrages ersolat.

Ein Generalleutnant für den Achtstundentag.
Das neu« Münchener Tageblatt" meldet, bah der General-
leutnant Löffler, um sozialpolitisehs Studien zu machen, längere
Zeit als K o h lena r b e i t e r tätig gewesen ist. Es widmet sich
dieser General dem Siedclungswesen und auf Grund seiner Studien
als Kohlenarbeiter und im Siedelungswesen ist er zu der Ansicht
gekommen, daß an eine Abschaffung des achtstündigen Arbeitstages
nicht gedacht werden kann.

Ausland.
Der kommende Sturz des Brantingministeriums.
Laut „Neue Zürcher Zeitung" haben die in der letzten Zeit sich
mehrenden Gerüchte von einem baldigen'Sturz des Ministeriums
Brant ing ihre Ursache darin, daß der Realisierung eines fest
umrisscnen Programms durch das sozialistische Kabinett das Fehlen
einer parlamentarischen Mehrheit entgegensteht und daß sich damit
die Notwendigkeit einer bürgerlichen Sammlung als
Stütze sür eine neue Leitung der StaalsgSschäste immer deutlicher
abhebt. Auch Brantingns Organ „Socialbemokraten" muß die
Tatsache registrieren, daß sich durchweg bei den großen Problemen
starke Anzeichen einer Konsolidierung des Bürger-
tums zeigen, so bei der Landesverteidigungsfrage,
so wahrscheinlich bei der Frage des Achtstundentages, in der
Wohnungsfrage und in der Gemeindesteuerfrage.
Das Blatt sicht voraus, daß das Gesetz der Entwicklung zu einer
antisozialistischen Sammlung unter liberaler Leitung hin führen
werde, auch wenn die Häupter ber Liberalen zurzeit mit diesem
Gang der Dinge nicht emversbanden sind.

Badische Politik.
Stellung des Beamtenbundes gegen den Austritt der Lehrerschaft
Karlsruhe, 21. Mai. Gestern nachmittag fand im Kon-
zerthaus eine nicht nur von hier, sondern auch von Mannheim, Hei-
delberg und dem Oberland sehr stark besuchte Versammlung des bad.
Beamtenbundes statt, die zu dem Austritt der bad. Lehrerschaft aus
dem Bund Stellung nahm. Der Vorsitzende Betriebsinspektor
Trautmann nahm in einem längeren Referat Stellung zu der Maß-
nahme der Lehrerschaft, die er verurteitte. Es gehe nicht an, baß
eine Gruppe Sonderforderungen erhebe. Redner der oberen Be-
amten, der mittleren Beamten und ber Postbeamten stimmten dem
Referenten zu. Ein Lehrer, der ungehörige Zwischenrufe machte,
wurde aus der Versammlung hinausgewiesen. Einstimmig wurde
schließlich eine Entschließung angenommen, in der jeder Versuch
irgendeiner Klasse, sür sich eine besondere Berücksichtigung in der
Besvldungsordnung zu erhallten, zurückgewiesen wird. Eine ein-
seitige Annahme der Forderungen des Bad. Lehrerbundes stelle eine
schwere Schädigung der grundlegenden Voraussetzungen sür einen
gerechten Ausgleich der gegenseitigen Interessen dar und sei deshalb
zurückzuweisen.

Der Voranschlag für das Finanzministerium -
zeitigte im Haushaltsausschuß bei vielen Positionen lebhafte Aus»
spräche, an der sich die einzelnen Parteivertreter intensiv beteiligten.
U. a. gab ber Finanzminister Köhler bei dem Kapitel: Einkom-
mensteuer 160 Millionen eine eingehende Darlegung über die fi-
nanziellen Wirkungen der neuen Steuern, die für den Staat keines-
wegs günstig sind. Wir schließen nämlich das Jahr 1919 ohne
Aeberschuß, aber auch ohne Fehlbetrag ab, in der Zeit allgemeiner
Desizitwirtschast kein schlechtes Ergebnis. Es zeigte sich, wie gut
dis sozial dem. Landtagssraktton tat, als sie im Sommer vor.
Jahres aus die Erhöhung der badischen Einkommensteuer und di«
starke Steigerung nach oben drängte und so dem Staat vor der Ver-
reichlichung des Sieuerwescns noch neue Einnahmen zusührte.
Köhler gab der Hoffnung Ausdruck, daß wir vom Reich echsbliche
Mittel zurückerhalten. Die Zahlen, die er -angab, schienen beweis-
kräftig zu sein. Wie die Gemeinden ihre Steuereinnahmen
vom Reich über die Länder erhalten, darüber ist der Schlüssel noch
nicht gefunden. Zunächst will das Reich Vorschüsse geben. Es er-
hofft hohe Einnahmen von dem ab 1. Juli ds. Is. erfolgenden
lOproz. Abzug bei den Arbeitern und Festbesoldelen.
Die Notlage der staatlichen Ruhegehaltsempfänger und ber
Witwen wurde auch besprochen und sozialdemokratischer-
 
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