Badischer Landtag.
Die neue Gemeirrdsordrmng.
Zrrrr KunKgebung zum Erzberger-Mord. — Die Ausschußberichte
Wer die neue Gemeindeordnung. — Genehmigung der Beamten-
Teuerungszulagen- — Dis Aussprache Wer die neue
Gemeindeordnung.
Karlsruh e, 15. Sept.
Präsident Kops eröffnet die Sitzung 10.15 Ahr und begrüßt
das Haus nach der sechswöchMtlichen Pause. Seitdem hat sich ein
Ereignis abgespielt, das große Aufregungen und Folgen mit sich
brachte. An einem hervorragenden Politiker, dem Abg. Eisber-
ge r ist ein politischer Mord verübt worden, Abg. Diez ist verwundet
worden. Der Mord ist auf badischem Boden verübt worden. Mit
allen anständiger Menschen sprechen wir hierzu unsere Entrüstung
aus. Wir verurteilen den politischen Mord. Wir beilagen die
abgrundtiefe Berwiledsrung, die bei einem Teil des deutschen Volkes
eingetreten ist. Wir sehen an den neuesten Meldungen, daß eine
R eihe Mitwisser vorhanden waren. Der Schaden des
Mordes blieb im Inland und Ausland vor Augen. Die materiellen
Schäden dieser Verwilerung schm wir am Sinken der Valuta. Der
Abgrund tritt uns hierdurch immer näher. Der Riß im deutschen
Wolke darf nicht noch mehr erweitert werden. Fortgesetzte Arbeit
Ruhe und Ordnung ist nötig zum Auswärtskvmmen. Wir haben
im Landtag immer sachlich gearbeitet. Ich hoffe, daß auch der Rest
unserer Arbeit sachlich erledigt wird zum Segen unseres Vaterlandes.
(Beifall.)
Hierauf wurde in die Tagesordnung eingetreten und Abg.
Straub (Ztr.) berichtete namens des Ausschusses für Rechts-
pflege und Verwaltung über den Gesetzentwurf einer badischen Ge-
meindeordnung, Mitberichterstalter war Abg. Geck (Soz.), der sich
insbesondere über Vertretung und Verwaltung der Gemeinden ver-
breitete. Dritter Berichterstatter war Abg. Dr. Leser (Dem.),
der sich über die Rechtsverhältnisse der Gemsindebeamten und Ge-
meindebediensteten nach dem neuen Gesetz verbreitete.
Bei Beginn der allgemeinen Beratung verbreitete sich Minister
Remmel« über die Entstehung des Gesetzentwurfes sowie über
die weittragende Bedeutung der einzelnen Bestimmungen.
8n der Aussprache erhielt zunächst der Sprecher des Zentrums
Abg. Schneider das Wort. Er wünschte u. a., daß von der
Regierung das vorgesehene Polizeigesetz, das die in der neuen Ge-
meint eordnung getroffene grundsätzliche Regelung zur praktischen
Auswirkung bringen soll, baldmöglichst vorgelegt werde.
Nachmittagssitzung.
In der Nachmittagssitzung wurde zunächst die Frage der
Teuerungszulagen für die Beamten
geregelt.
Abg. M a r u m (Soz.) berichtet namens des Ausschusses. Der
Inhalt des Gesetzentwurfes betrifft die Teuerungszulage der Beam-
ten, worüber wir Einzelheiten an anderer Stelle unseres Blattes
bringen. Mit Wirkung vom 1. August 21 beträgt dem Gesetzent-
würfe zufolge der Teuerungszuschlag zum Grundgehalt und
zum 'Ortszuschlag für die planmäßigen Beamten in der Ortsklasse
abgrundtiefe Verwildernug, die bei einem Teil des deutschen Volkes
Weiter werden die Teuerungszulagen der außerplanmäßigen Beam-
ten geregelt. Der Teuerungszuschlag zu den Kinderzuschlägen staf-
felt sich zwischen 150 bis 200 v- H., je nach der Ortsklasse. Dem
.Reichsgesetz zufolge'mußten wir die ReichsMschläge übernehmen.
Bedauerlich ist, daß nicht die gleichmäßige Zulage ohne Rücksicht
auf die Ortsklasse erreicht wurde. Doch ist die Spannung verringert
worden. Für die außerplanmäßigen männlichen Beamten wurde
eins wesentliche Besserung erreicht. Bei den weiblichen Beamten
wurde je nach der Beschäftigungsart und Dienstzeit differenziert.
Die neuen Teuerungszuschläge sind auch maßgebend für die Pen-
sionäre und Hinterbliebenen. Die Teusrun-gszuschläge für die Be-
amten sollen bereits am 19. September bezahlt werden. Der Jahres-
aufwand für die Zulagen beträgt 73,2 Millionen pro Jahr. Das
Reich hat sich bereit erklärt, den Mehraufwand für die Teuerungs-
zulagen zu übernehmen. Die ist natürlich eins zweifelhafte Lösung,
da damit die Selbständigkeit des Landes berührt wird. Momentan
gibt es aber keine andere Lösung. Doch muß das Reich Sorge tra-
gen, daß das Land Steuerquellen erhält, um diese Kosten zu decken.
Der Haushaltausschuß beantragt einstimmig Annahme des Gesetz-
entwurfs. Im Ausschuß wurde auch die Erhöhung der Zulagen
für die Geistlichen besprochen, worüber demnächst eine Vorlage
kommt.
Die Abstimmung über die Teuerungszulagen.
Der Gesetzentwurf wird in beiden Lesungen einstimmig ange-
nommen.
In der weiteren Beratung der Gemeindeordnung hielt dann
Gen. Strobel eine größere Rede, in welcher er die Stellung der
sozialdem. Fraktion zu der neuen Gemeindeordnung präzisierte.
(Des ungeheuren Stoffandranges wegen müssen wir diese bedeut-
same Rede für morgen zurückstell-en, wir werden sie in ziemlicher
Ausführlichkeit bringen. Die Red.)
Von den Demokraten sprach Abg. Dr. Glöckner, von den
Deutschnativnalen Abg. Mager, dessen Fraktion die Verantwor-
tung für das Gesetz nicht übernehmen zu können glaubt. Schluß
der Sitzung 7.45 Uhr. — Fortsetzung Freitag 9 Ahr.
Soziale RrwdschaN.
Der Textilarbeiterstreik m Nordfrankreich.
Paris, 15. Sept. Die Streiklage in Aordfrankreich ist nun-
mehr so ernst geworden, daß der Ministerpräswrnt Brianb selbst
einzugrcifen genötigt worden ist. Er hat gestern nachmittag den
Arbeitsminister empfangen, um sich mit ihm eingehend über die
Situation zu unterreden. > -
Lille, 15. Sept. Das Streikkomitee des nordfranzösischen
Industriegebietes ist nach einer Meldung des „Berl. Tagebl." gestern
Stacht uni 10 Ahr zur Beratung über die neue Lage zusammenge-
Iretsn. Das Ergebnis der Sitzung ist bisher noch nicht bekannt-
Der gestrige Tag ist im Streikgebiet ruhig verlaufen. Auch in Lille
ha: gestern die Gasabgabe vollständig ausgehört. Mit den Strei-
kenden finden zur Zeit noch Verhandlungen statt, in denen die Ar-
beitsrführer zu der Lage sprechen. Vor dem Lüler Strafgericht fand
gestern die erste Verhandlung gegen das Streisvergehen statt. Zwei
Arbeiter waren WMN Verstoß gegen die Arbeitsfreiheit angeklagt
worden. Der eins wurde zu 6 Monaten, der andere zu 20 Tagen
Gefängnis verurteilt. Die Bäcker haben mit Genehmigung des
Streikkomitees den Straßenhandel mit Backwaren eingerichtet. Der
Kleinhandel ist vollkommen eingestellt. Die Bevölkerung hat die
Mitteilung von der Entsendung von Truppen mit Ruhe ausgenom-
men.
Kleine Nachrichten.
Götterdämmerung für Wettkonzerne.
Berlin. Die 'Meldungen über Zusammenbrüche weiterer
lWettkonzerne laufen setzt täglich aus allen Teilen Deutschlands ein.
Heute wird gedrahtet, daß das Koall^Rennsportsyndikqt in Berlin,
Kleiststraße 13, geschlossen »borden ist. (Lokalanzeiger,)
Mafsenverhafiungen in Liverpool.
London. 156 Personen sind in Liverpool infolge Unruhen
M Vorigen Montag verhaftet worden.
Aus der Stadt.
Referenken-Abend. Heute Freitag, abends 8 Uhr, findet in der
„Staht Straßburg" ein Referenten-Abenb statt. Vollzähliges Erscheinen
aller in der Ltandtagswahl als Referenten in Frage kommenden Genoffen
ist unbedingt erforderlich.
Eine Bruckner-Feier großen Stiles wirb, wie wir hömn, ansang
Oktober in Heidelberg stattfinden. Am Samstag, den 8. Oktober «wer-
ben unter Leitung von H ößli -Mannheim die vereinigten Orchester von
Heidelberg und Mannheim (130 Musiker stark) außer dem «Meistersinger-
Vorspiel die 8. Sinfonie von Bruckner zur Ausführung bringen. An
Einleitungs-Vortrag von Paul Bekker über Bruckner als Sinfoniker
geht voraus. Einzelheiten werden noch bekannt gegeben.
Der Winter kündigt sich an. In der zweiten Septemberhälfte sieht
man bereits um Mitternacht am Osthimmel die Wintersternbi'lder Eri-
danus und Orion, im Rordosten die Zwillinge heraufsteigen.
Ein deutsches Circus-Bayreuth. Hans «Stosch-Sarasani,, der be-
kannte Circusmann, wird in unmittelbarem Anschluß an die Frankfutter
Herbstmesse in der von Prof. Tirsch erbauten Gesthalle die ersten deutschen
„Circus-Festspiele" seit Kriegsende veranstalten, die gleichzeitig eine Art
Mustermesse für die heute wieder auf dem internationalen Markte stark
begehrte deutsche Artistik darstellen sollen. Gür diese Festspiele gedenkt
er eine großzügig« internationale Propaganda ins Werk zu setzen, um
ausiäMsche Direktoren, Agenten und 'Interessenten heranzuziehen. Der
auf diese Weise neu erstehende Sarafani-Lircus in Frankfurt a. M. wird
16 000 Personen fassen, wird also die größt« Circusanlage Europas sein.
Polizeibericht. «Körperverletzung. Gestern gerieten in der
Lauerstraße ein lediger Arbeiter und ein .Möbelpacker in Streit, worauf
der Arbeiter so lange auf den Möbelpacker mit einem hatten Gegenstand
einschlug, bis Lieser bewußtlos zusammenbrach. — «Fahrradinar -
d e r. «Ein «Schlosser von hier und ein Landwirt von Aspach, welche im
Lutzhof bei Speyer Fahrraddiebstähle aussührten, wurden hier verhaftet.
— Zur Anzeige gelangten S Autler wegen zu raschen Fahrens.
Bezirksversammlung
für die Genossen und Genossinnen des Neuenheimer Stadtteiles
am Samstag, 17. September, abends 8 Uhr mit der
Tagesordnung:
„Die Heidelberger Demonstration im Lichte der Presse"
findet nicht im früheren „Kaiserhof", sondern im
AM"" „Deutschen Kaiser", Ladenburger Str. 26 -"WW
statt und ist es Pflicht aller Mitglieder zu erscheinen.
Der Bezirksobmann.
Aus der Umgegend.
kr. Neckargemünd. (Festkonzert des „Vorwärts". Daß
der Arbeitergesangverein „Vorwärts" hier auf der «Höhe «der Zelt
sicht, bewies das am Sonntag, den 11. d. M. hier abgehaltene «Sänger-
konzert unter Mitwirkung des Arbeitergesangvereins Ziegelhausen. Beide
Vereine, unter Leitung des Herrn 6. Th. Auch- Ziegelhausen, brachten
Einzel- und Gesamtchöre zum Vortrag, «welche unter den Zuhörern tosen-
den Beifall auslösten. Besonders hervorzuheben sind die Violinvorträge
des «Herrn H. Satz-Heidelberg, unter denen „Le Lanari" am besten
gefiel und auf allgemeinen Wunfch wiederholt werden mußte. Der Be-
such seitens der Arbeiterschaft war -ein sehr guter, doch wäre es zu be-
grüßen, wenn auch von «bürgerlicher Seite zu derartigen Veranstaltungen
mehr «Interesse gezeigt würde. Möge der noch junge Verein unter feiner
tüchtigen Leitung weiter blühen und gedeihen und noch recht oft der-
artige «Konzerte veranstalten.
GerichtshMe
DerrtschvöMsch - to«Mmnstischer Landfriedens-
bruch.
Sch. Memmingen, 14. Sept. 21.
Vor- dem Memminger Vokksgericht begannen heute vormittag die
«Verhandlungen wegen Landftiebensbruchs gegen den deutsch-völkischen
Führer Dr. Sicius und 11 Genoffen. Der «Eingang -um Gerichts-
gebäude ist durch Gendarmerie streng abgespertt. Da man Unrchen
«befürchtet, weil der Führer der hiesigen Kommunisten Stadtrat Jakob
Mohring mit auf der Anklagebank fitzt, sind alle nötigen Vorkehrun-
gen getroffen. «In einer Betriebsrätesitzung wurde der Antrag, in einen
24stünbigen Generalstreik einzutreten, weil fremde Polizeikräfte hinzuge-
zogen worden seien, abgelehnt.
Auf der Anklagebank nehmen gegen 6 Uhr vormittags der prakt.
Arzt Dr. «Sicius, geboren in Saarbrücken, Platz, den die Anklage-
schrift des Vergehens nach H 125 (Anstiftung zum Landsriedensbruch) be-
schuldigt. Ihm steht Iustizrat Z e zs chwitz-M ü n ch e n, der Führer
der bayerischen deutschvölkischen Bewegung, Mir Seite. «Einer der Rä-
delsführer, Ed. H a i l, ein Freund Dr. Sicius, hat 'Rechtsanwalt Dr.
Buchner- München, der andere, Schneider und Stadtrat Mohring,
den kommunistischen Rechtsanwalt Schmidtberger-München zur
Seite. Offizialverteidiger für die anderen Angeklagten ist Iustizrat Kug-
ler-Memmingen. Der Großhändler Wilhelm Rosenbaum ist als
Nebenkläger zugelassen. Für den abwesenden Rosenbaum ist der Mün-
chener Rechtsanwalt Graf von «Peftalozza erschienen.
Den Vorsitz führt Landgerichtsdirektor Dr. von«U n o l d. Mus den
Personalien der Angeklagten geht hervor, daß die meisten der Kommu-
nisten erheblich vorbestraft sind, darunter wegen Sittlichkeitsverbrechens,
gefährlicher Körperverletzung, schweren Eigentumsvergchens uftv. Einer
der Linksradikalen ist schon 41 Mal, ein anderer 18 Mal
vorbestraft.
Staatsanwalt «Steinert stellt als Anklagevertreter als Ergebnis
der Ermittelungen fest.
Dr. Sicius sagte in den ersten Tagen des August 1921 teils in
seiner Sprechstunde, teils bei Besuchen herum, daß am Samstag, 6. Aug.
ISA. nachmittags 4 Uhr bei Rosenbaum eine Demonstration stattfinde,
wobei Rosenbaum herausgeholt -werde. Eduard Hail und Dr.
Sicius gewannen am Freitag, den 5. August 1821 nachmittags Brax-
meyer für ihren Plan, welcher noch des näheren dahin ging, dem Rosen-
baum eine Tafel kmzuhängen mit der «Ueberschrift „Ich «bin der größte
Schieber" und ihn unter der Menge zum «Marktplatz zu führen. Brax-
meyer versprach, 6--S zuverlässige Leute mitzubringen und verständigte
noch am gleichen Wende in der Singstunde des Mrbeitersängerbundes die
anwesenden Arbeiter. Auch Hail teilte die beabsichtigte Demonstration
mehreren Personen mit und lud sie zur Teilnahme ein.
Daraufhin fand sich am 6. 8. 1921, nachm. 4 Uhr vor der Villa des
Rosenbaum von Memmingen, Kaiserpromenade IS eine größere Meng«
ein, welche nach und nach auf etwa 2500 Personen anwuchs. Auch Hail
«Eduard erschien vorübergehend mit der inzwischen angefettigten Tafel.
Aus der Menge fielen Drohrufe, wie: „Heraus mutz er, an den Talgen
mit dem Lumpen, mtt dem Juden!" welche die Erregung der Anwesen-
den immer-mehr steigert«. Die Menge bestand immer dringender darauf,
daß Rosenbaum auf den Marktplatz geführt werde. An den Droh rufen
' beteiligten sich insbesondere 'D e cr, H a 11 'F rl e«d r 1 ch, p u t kh, «^ r u s e.
Schenk, «S1 öhr und Hail-Ed u a r d, welcher außerdem als führen-
des Mitglied einer Kommission austrat. Auch Braxmeyer venveihte in
Kenntnis des Zwecks der Veranstaltung länger« Zeit vor der Villa des
'Rosenbaum.
Gegen 8 Uhr kam Mohring heran, welcher nunmehr die Führung
übernahm. Er rief zur Menge: „Och hole ihn heraus, er «muß aus den
Marktplatz geführt «werden und an der Spitze marschieren, dort sollen ihm
feine Preistreibereien vorgchalten werden, dem Schieber und 'Wucherer"
und erlaubte ber Menge ihn hierbei anzuspucken.
Rosenbaum «wurde nach der vorläufigen Festnahme bei seiner Abfüh-
rung in das Gefängnis angespuckt und außerdem durch Schläge mißhan-
delt. Michael «Hausch sprang aus Rosenbaum los mit den Worten:
,Schlagt ihn tot «den Lumpen." On der «Kramerstraße schloffen sich dem
Auge Fritz Hail, Pöppel und Stöhr je mit «einer Kuhglocke an
und «brachten durch heftiges Läuten neuerliche Aufregung in die Menge.
Svdann beginnt
das Verhör des Ageklagten
Angeklagter Dr. «Sicius äußert sich: Ich kenne von den Mitan-
geklagten nur Hai! und Braxmeier. Mit diesen faßte ich den Plan,
gegen Rosenbaum vsrzugehen, um ihn in irgend einer Weise der «Ver-
haftung zuzuführen. Gesetzwidrige «Handlungen habe ich nicht beabsich-
tigt. Wir wollten Rosenbaum an den Pranger stellen in
«Usbereinstimmung mit den weitesten Kreisen ber Bevölkerung. Nm Volke
herrschte der -Glaube, daß seitens der Behörden nicht sichtbar genug gegen
Rosenbaum vorgegangm fei. Die Bolksstimmung «war sozusagen reif
dazu, zum Mittel der Selbsthilfe zu greifen; daß Braxmeier vielfach vor-
bestraft war, «wußte ich nicht. Mit Braxmeier verabredete ich nur,
er «solle sechs «bis acht Mann mitbrlngen. Stadtrat Mayrock war zu-
nächst «bereit, mitzumachen, wenn er auch verlangte, daß es nicht gegen
die Juden gehen dürfe. Nachher hat er offenbar die Sache verraten.
Ich war am Samstag nachmittag sehr -überrascht, als ich von der Demon-
stration hörte und ging zum Kaufmann Horn, um den Verlauf der De-
monstration zu «beobachten. Nachts 12 Uhr traf ich noch mit «Hail zu-
sammen.
Vorsitzender: Um diese Zeit haben «Sie zu Arbeitern, die mit
«Herrn Günzburger debattierten, gesagt: „Das ist auch so ein Kapitalist,
der könnte den Arbeitern etwas hergeben!" Auch gegen Max Guggen-
heimer «wurde noch nachts demonstriert und versucht, die Haustür mit
dem Beil zu öffnen. Das erweckt den Anschein, daß die Leute so vor-
gehen sollten, wie es nach Ihrem Sinne war, gegen die Juden.
Angeklagter: Es handelt sich nicht um einen politischen, sondern
um «inen volkswirtschaftlichen Kampf.
Vorsitzender: Ist Ihnen von Rosenbaum mehr bekannt ge-
wesen, als daß 9 Zentner Butter «beschlagnahmt wurden?
Angeklagter: Nein, aber in der Stabt hat man allerlei ge-
mrmkolt.
Vorsitzender: Von den Arbeitern ist jedenfalls der Plan zu
dieser Demonstration gegen Rosenbaum nicht ausgegangen. Bei der Be-
tviebsräteversammlung wegen der Lebensmittelteuerung ist der Name
Rosenbaum nicht gefallen. Die Idee ist von Ihnen ausgegangen und
«Sie hoben in der Sprechstunde und bei Besuchen bei Patienten die
Leute verständigt. «Sie haben einer Zeugin erklärt, die Hauptschuld an ber
Teuerung haben die Jude». Von Gerichtswegen geschieht
nichts. «Sie «haben bei der Ausübung der Säuglingsfürsvrge gefragt,
was die Männer für Zeitungen lesen. Als «Ine Antwort erfolgte: Die
„Münchener Post" jagten Sie: Das ist keine Zeitung für einen Arbeiter
und in einem anderen Falle sagten Sic: „Ihr Mann sieht schlecht aus,
weil er die „Münchener Post" liest.
«Auf den wiederholten Hinweis des Angeklagten, «er habe eine ganze
Reche von Leuten gesprochen, die ihm gesagt hätten, am Samstag werde
gegen Rosenbaum «demonstriert, fragte Vorsitzender: Wer ha<
Ihnen das gesagt?
Angeklagter: Och kann deinen Namen mehr fest
stellen. Verschiedene Bevölkerungsschichten haben jedenfalls ge-
wünfcht, an «der Demonstration teilzunehmen. Mn Gewalt habe ich nicht
gedacht. Wenn sich Rosenbaum weigern würde, aus ber Villa «herauszu-
gchen^ dachte ich, würde man von ihm ablassen. An der Demonstration
«hatte ich nicht «8 ei t, teilzunehmen.
Vorsitzender: Das ist in der Regel so, dieAufwiegler halten sich
im Hintergrund und andere muffen den «Kopf Hinhalten.
Das Verhör dreht sich darum, weshalb der Angeklagte Braxmeier,
Mayrock und Hail nach dem Bezirksamt eingeladen habe, ohne dort um
eine «Rücksprache bett. Verhaftung des Rosenbaum gebeten zu hoben.
Vorsitzender: Ich habe den Eindruck, daß diese Einladung
zum Schein ergangen ist. Sie haben schon am Donnerstag vor dem
«Samstag Leute aus der Straße angesprochen und diese gefragt: „Wissen
Sie schon, daß gegen Rosenbaum demonstriert wird?" Einer Zeugin
sagten «Sie: „Och «werde auch mitgehen, um zu sehen, was Sie mit dem
Juden machen."
Sodann wird der Angeklagte Eduard Hail vernommen, der er-
klärt, daß ihn der «Kampf gegen das «Schieber- und Wuchertum zu dem
Plane gegen Rosenbaum veranlaßt habe. Da die Gerichte versagen, müsse
das Volk «zur Selbstwehr schreiten. Dr. Sicius habe er im Schutz- «und
Tvutzbund kennen gelernt.
Vorsitzender: «Es wird immer ein großes Geschrei gemacht
und wenn es dazu kommt. Beweise zu erbringen, dann versagen die
Schreier.
Angeklagter Hail: Wie konnte ich annchmen, daß ich etwas gegen
die Staatsordnung unternahm, wenn ein Schutzmann selber sagte: „E-
ist schon lange recht, daß dem Rosenbaum es so ergcht!" (Bewegung.)
Vorsitzender: Mi« dachten Sie «sich die Demonstration.
Angeklagter Hail: Darüber war ich mir selber nicht klar. Das
Volk war mit uns. Einen «Schieber kann man nicht in seiner Ehre trän-
ken, denn er hat keine Ehre. Deswegen war das «Schildaushängen und
das Führen durch dis iStraße nicht so schlimm. Es ist besser; man geht
aus die Wünsche des «Volkes ein, als «daß man mit Waffen gegen uns
vergeht, «wenn es zur Selbsthilfe schreitet.
«Die Vernehmung «der airderen Angeklagten «wird fortgesetzt, nachdem
um 1 'Uhr mittags die Verhandlungen auf nachmittags 3 «Uhr vertagt
sind.
Mit der Vernehmung der 'Schutzleute, über die wir morgen berich-
ten, schloß der erste Verhandlungstag.
Werfamirrlrmgskalendsr
Kirchheim. Diejenigen Genoffen, die sich zur Hausagitation für die
„Volkszeitung" bereit erklärt haben, mögen sich heute abend um
M «Uhr im „Pfälzer Hvs" einfinden.
Rohrbach. Samstag, 17. «Sept., abends 8 «Uhr, im Gasthaus „zur Rose":
Parteimitgliederversammlung. Zahlreiches Erscheinen «ist erforder-
lich. Die Borstandsmitglieder werden ersucht, 1 Stunde früher an-
wesend zu fein.
Sandhaufen. Samstag, 17. Sept., abends 1-9 Uhr im Gasthaus „Zum
Lamm": Mitgliederversammlung.
Osterhurken. Samstag, 17. Sept., abends ^9 Uhr im Gasthaus „zur
Sonne": Volksversammlung. Referent: Sandtogsabg. Arnold-
Mannheim.
Adelsheim. Samstag, 17. Sept., abends 8 «Uhr >m ,-Hirsch": Volksver-
sammlung. Referent: Landtogsabg. Dr. Kraus-Heidelberg.
Korb-Leibenstadt. Sonntag, 18. September, nachm. 2 Uhr, Im ,/Hirsch":
Oeffentl. Volksversammlung. Referent: Landtagsabg. Dr. Kraus -
Heidelberg. _
Arbeiterjugend Heidelberg.
Samstag, den 17. Sept., abends 'Uhr: Ougendausschußsitzuns
im Lokal zum „Artushof".
Die neue Gemeirrdsordrmng.
Zrrrr KunKgebung zum Erzberger-Mord. — Die Ausschußberichte
Wer die neue Gemeindeordnung. — Genehmigung der Beamten-
Teuerungszulagen- — Dis Aussprache Wer die neue
Gemeindeordnung.
Karlsruh e, 15. Sept.
Präsident Kops eröffnet die Sitzung 10.15 Ahr und begrüßt
das Haus nach der sechswöchMtlichen Pause. Seitdem hat sich ein
Ereignis abgespielt, das große Aufregungen und Folgen mit sich
brachte. An einem hervorragenden Politiker, dem Abg. Eisber-
ge r ist ein politischer Mord verübt worden, Abg. Diez ist verwundet
worden. Der Mord ist auf badischem Boden verübt worden. Mit
allen anständiger Menschen sprechen wir hierzu unsere Entrüstung
aus. Wir verurteilen den politischen Mord. Wir beilagen die
abgrundtiefe Berwiledsrung, die bei einem Teil des deutschen Volkes
eingetreten ist. Wir sehen an den neuesten Meldungen, daß eine
R eihe Mitwisser vorhanden waren. Der Schaden des
Mordes blieb im Inland und Ausland vor Augen. Die materiellen
Schäden dieser Verwilerung schm wir am Sinken der Valuta. Der
Abgrund tritt uns hierdurch immer näher. Der Riß im deutschen
Wolke darf nicht noch mehr erweitert werden. Fortgesetzte Arbeit
Ruhe und Ordnung ist nötig zum Auswärtskvmmen. Wir haben
im Landtag immer sachlich gearbeitet. Ich hoffe, daß auch der Rest
unserer Arbeit sachlich erledigt wird zum Segen unseres Vaterlandes.
(Beifall.)
Hierauf wurde in die Tagesordnung eingetreten und Abg.
Straub (Ztr.) berichtete namens des Ausschusses für Rechts-
pflege und Verwaltung über den Gesetzentwurf einer badischen Ge-
meindeordnung, Mitberichterstalter war Abg. Geck (Soz.), der sich
insbesondere über Vertretung und Verwaltung der Gemeinden ver-
breitete. Dritter Berichterstatter war Abg. Dr. Leser (Dem.),
der sich über die Rechtsverhältnisse der Gemsindebeamten und Ge-
meindebediensteten nach dem neuen Gesetz verbreitete.
Bei Beginn der allgemeinen Beratung verbreitete sich Minister
Remmel« über die Entstehung des Gesetzentwurfes sowie über
die weittragende Bedeutung der einzelnen Bestimmungen.
8n der Aussprache erhielt zunächst der Sprecher des Zentrums
Abg. Schneider das Wort. Er wünschte u. a., daß von der
Regierung das vorgesehene Polizeigesetz, das die in der neuen Ge-
meint eordnung getroffene grundsätzliche Regelung zur praktischen
Auswirkung bringen soll, baldmöglichst vorgelegt werde.
Nachmittagssitzung.
In der Nachmittagssitzung wurde zunächst die Frage der
Teuerungszulagen für die Beamten
geregelt.
Abg. M a r u m (Soz.) berichtet namens des Ausschusses. Der
Inhalt des Gesetzentwurfes betrifft die Teuerungszulage der Beam-
ten, worüber wir Einzelheiten an anderer Stelle unseres Blattes
bringen. Mit Wirkung vom 1. August 21 beträgt dem Gesetzent-
würfe zufolge der Teuerungszuschlag zum Grundgehalt und
zum 'Ortszuschlag für die planmäßigen Beamten in der Ortsklasse
abgrundtiefe Verwildernug, die bei einem Teil des deutschen Volkes
Weiter werden die Teuerungszulagen der außerplanmäßigen Beam-
ten geregelt. Der Teuerungszuschlag zu den Kinderzuschlägen staf-
felt sich zwischen 150 bis 200 v- H., je nach der Ortsklasse. Dem
.Reichsgesetz zufolge'mußten wir die ReichsMschläge übernehmen.
Bedauerlich ist, daß nicht die gleichmäßige Zulage ohne Rücksicht
auf die Ortsklasse erreicht wurde. Doch ist die Spannung verringert
worden. Für die außerplanmäßigen männlichen Beamten wurde
eins wesentliche Besserung erreicht. Bei den weiblichen Beamten
wurde je nach der Beschäftigungsart und Dienstzeit differenziert.
Die neuen Teuerungszuschläge sind auch maßgebend für die Pen-
sionäre und Hinterbliebenen. Die Teusrun-gszuschläge für die Be-
amten sollen bereits am 19. September bezahlt werden. Der Jahres-
aufwand für die Zulagen beträgt 73,2 Millionen pro Jahr. Das
Reich hat sich bereit erklärt, den Mehraufwand für die Teuerungs-
zulagen zu übernehmen. Die ist natürlich eins zweifelhafte Lösung,
da damit die Selbständigkeit des Landes berührt wird. Momentan
gibt es aber keine andere Lösung. Doch muß das Reich Sorge tra-
gen, daß das Land Steuerquellen erhält, um diese Kosten zu decken.
Der Haushaltausschuß beantragt einstimmig Annahme des Gesetz-
entwurfs. Im Ausschuß wurde auch die Erhöhung der Zulagen
für die Geistlichen besprochen, worüber demnächst eine Vorlage
kommt.
Die Abstimmung über die Teuerungszulagen.
Der Gesetzentwurf wird in beiden Lesungen einstimmig ange-
nommen.
In der weiteren Beratung der Gemeindeordnung hielt dann
Gen. Strobel eine größere Rede, in welcher er die Stellung der
sozialdem. Fraktion zu der neuen Gemeindeordnung präzisierte.
(Des ungeheuren Stoffandranges wegen müssen wir diese bedeut-
same Rede für morgen zurückstell-en, wir werden sie in ziemlicher
Ausführlichkeit bringen. Die Red.)
Von den Demokraten sprach Abg. Dr. Glöckner, von den
Deutschnativnalen Abg. Mager, dessen Fraktion die Verantwor-
tung für das Gesetz nicht übernehmen zu können glaubt. Schluß
der Sitzung 7.45 Uhr. — Fortsetzung Freitag 9 Ahr.
Soziale RrwdschaN.
Der Textilarbeiterstreik m Nordfrankreich.
Paris, 15. Sept. Die Streiklage in Aordfrankreich ist nun-
mehr so ernst geworden, daß der Ministerpräswrnt Brianb selbst
einzugrcifen genötigt worden ist. Er hat gestern nachmittag den
Arbeitsminister empfangen, um sich mit ihm eingehend über die
Situation zu unterreden. > -
Lille, 15. Sept. Das Streikkomitee des nordfranzösischen
Industriegebietes ist nach einer Meldung des „Berl. Tagebl." gestern
Stacht uni 10 Ahr zur Beratung über die neue Lage zusammenge-
Iretsn. Das Ergebnis der Sitzung ist bisher noch nicht bekannt-
Der gestrige Tag ist im Streikgebiet ruhig verlaufen. Auch in Lille
ha: gestern die Gasabgabe vollständig ausgehört. Mit den Strei-
kenden finden zur Zeit noch Verhandlungen statt, in denen die Ar-
beitsrführer zu der Lage sprechen. Vor dem Lüler Strafgericht fand
gestern die erste Verhandlung gegen das Streisvergehen statt. Zwei
Arbeiter waren WMN Verstoß gegen die Arbeitsfreiheit angeklagt
worden. Der eins wurde zu 6 Monaten, der andere zu 20 Tagen
Gefängnis verurteilt. Die Bäcker haben mit Genehmigung des
Streikkomitees den Straßenhandel mit Backwaren eingerichtet. Der
Kleinhandel ist vollkommen eingestellt. Die Bevölkerung hat die
Mitteilung von der Entsendung von Truppen mit Ruhe ausgenom-
men.
Kleine Nachrichten.
Götterdämmerung für Wettkonzerne.
Berlin. Die 'Meldungen über Zusammenbrüche weiterer
lWettkonzerne laufen setzt täglich aus allen Teilen Deutschlands ein.
Heute wird gedrahtet, daß das Koall^Rennsportsyndikqt in Berlin,
Kleiststraße 13, geschlossen »borden ist. (Lokalanzeiger,)
Mafsenverhafiungen in Liverpool.
London. 156 Personen sind in Liverpool infolge Unruhen
M Vorigen Montag verhaftet worden.
Aus der Stadt.
Referenken-Abend. Heute Freitag, abends 8 Uhr, findet in der
„Staht Straßburg" ein Referenten-Abenb statt. Vollzähliges Erscheinen
aller in der Ltandtagswahl als Referenten in Frage kommenden Genoffen
ist unbedingt erforderlich.
Eine Bruckner-Feier großen Stiles wirb, wie wir hömn, ansang
Oktober in Heidelberg stattfinden. Am Samstag, den 8. Oktober «wer-
ben unter Leitung von H ößli -Mannheim die vereinigten Orchester von
Heidelberg und Mannheim (130 Musiker stark) außer dem «Meistersinger-
Vorspiel die 8. Sinfonie von Bruckner zur Ausführung bringen. An
Einleitungs-Vortrag von Paul Bekker über Bruckner als Sinfoniker
geht voraus. Einzelheiten werden noch bekannt gegeben.
Der Winter kündigt sich an. In der zweiten Septemberhälfte sieht
man bereits um Mitternacht am Osthimmel die Wintersternbi'lder Eri-
danus und Orion, im Rordosten die Zwillinge heraufsteigen.
Ein deutsches Circus-Bayreuth. Hans «Stosch-Sarasani,, der be-
kannte Circusmann, wird in unmittelbarem Anschluß an die Frankfutter
Herbstmesse in der von Prof. Tirsch erbauten Gesthalle die ersten deutschen
„Circus-Festspiele" seit Kriegsende veranstalten, die gleichzeitig eine Art
Mustermesse für die heute wieder auf dem internationalen Markte stark
begehrte deutsche Artistik darstellen sollen. Gür diese Festspiele gedenkt
er eine großzügig« internationale Propaganda ins Werk zu setzen, um
ausiäMsche Direktoren, Agenten und 'Interessenten heranzuziehen. Der
auf diese Weise neu erstehende Sarafani-Lircus in Frankfurt a. M. wird
16 000 Personen fassen, wird also die größt« Circusanlage Europas sein.
Polizeibericht. «Körperverletzung. Gestern gerieten in der
Lauerstraße ein lediger Arbeiter und ein .Möbelpacker in Streit, worauf
der Arbeiter so lange auf den Möbelpacker mit einem hatten Gegenstand
einschlug, bis Lieser bewußtlos zusammenbrach. — «Fahrradinar -
d e r. «Ein «Schlosser von hier und ein Landwirt von Aspach, welche im
Lutzhof bei Speyer Fahrraddiebstähle aussührten, wurden hier verhaftet.
— Zur Anzeige gelangten S Autler wegen zu raschen Fahrens.
Bezirksversammlung
für die Genossen und Genossinnen des Neuenheimer Stadtteiles
am Samstag, 17. September, abends 8 Uhr mit der
Tagesordnung:
„Die Heidelberger Demonstration im Lichte der Presse"
findet nicht im früheren „Kaiserhof", sondern im
AM"" „Deutschen Kaiser", Ladenburger Str. 26 -"WW
statt und ist es Pflicht aller Mitglieder zu erscheinen.
Der Bezirksobmann.
Aus der Umgegend.
kr. Neckargemünd. (Festkonzert des „Vorwärts". Daß
der Arbeitergesangverein „Vorwärts" hier auf der «Höhe «der Zelt
sicht, bewies das am Sonntag, den 11. d. M. hier abgehaltene «Sänger-
konzert unter Mitwirkung des Arbeitergesangvereins Ziegelhausen. Beide
Vereine, unter Leitung des Herrn 6. Th. Auch- Ziegelhausen, brachten
Einzel- und Gesamtchöre zum Vortrag, «welche unter den Zuhörern tosen-
den Beifall auslösten. Besonders hervorzuheben sind die Violinvorträge
des «Herrn H. Satz-Heidelberg, unter denen „Le Lanari" am besten
gefiel und auf allgemeinen Wunfch wiederholt werden mußte. Der Be-
such seitens der Arbeiterschaft war -ein sehr guter, doch wäre es zu be-
grüßen, wenn auch von «bürgerlicher Seite zu derartigen Veranstaltungen
mehr «Interesse gezeigt würde. Möge der noch junge Verein unter feiner
tüchtigen Leitung weiter blühen und gedeihen und noch recht oft der-
artige «Konzerte veranstalten.
GerichtshMe
DerrtschvöMsch - to«Mmnstischer Landfriedens-
bruch.
Sch. Memmingen, 14. Sept. 21.
Vor- dem Memminger Vokksgericht begannen heute vormittag die
«Verhandlungen wegen Landftiebensbruchs gegen den deutsch-völkischen
Führer Dr. Sicius und 11 Genoffen. Der «Eingang -um Gerichts-
gebäude ist durch Gendarmerie streng abgespertt. Da man Unrchen
«befürchtet, weil der Führer der hiesigen Kommunisten Stadtrat Jakob
Mohring mit auf der Anklagebank fitzt, sind alle nötigen Vorkehrun-
gen getroffen. «In einer Betriebsrätesitzung wurde der Antrag, in einen
24stünbigen Generalstreik einzutreten, weil fremde Polizeikräfte hinzuge-
zogen worden seien, abgelehnt.
Auf der Anklagebank nehmen gegen 6 Uhr vormittags der prakt.
Arzt Dr. «Sicius, geboren in Saarbrücken, Platz, den die Anklage-
schrift des Vergehens nach H 125 (Anstiftung zum Landsriedensbruch) be-
schuldigt. Ihm steht Iustizrat Z e zs chwitz-M ü n ch e n, der Führer
der bayerischen deutschvölkischen Bewegung, Mir Seite. «Einer der Rä-
delsführer, Ed. H a i l, ein Freund Dr. Sicius, hat 'Rechtsanwalt Dr.
Buchner- München, der andere, Schneider und Stadtrat Mohring,
den kommunistischen Rechtsanwalt Schmidtberger-München zur
Seite. Offizialverteidiger für die anderen Angeklagten ist Iustizrat Kug-
ler-Memmingen. Der Großhändler Wilhelm Rosenbaum ist als
Nebenkläger zugelassen. Für den abwesenden Rosenbaum ist der Mün-
chener Rechtsanwalt Graf von «Peftalozza erschienen.
Den Vorsitz führt Landgerichtsdirektor Dr. von«U n o l d. Mus den
Personalien der Angeklagten geht hervor, daß die meisten der Kommu-
nisten erheblich vorbestraft sind, darunter wegen Sittlichkeitsverbrechens,
gefährlicher Körperverletzung, schweren Eigentumsvergchens uftv. Einer
der Linksradikalen ist schon 41 Mal, ein anderer 18 Mal
vorbestraft.
Staatsanwalt «Steinert stellt als Anklagevertreter als Ergebnis
der Ermittelungen fest.
Dr. Sicius sagte in den ersten Tagen des August 1921 teils in
seiner Sprechstunde, teils bei Besuchen herum, daß am Samstag, 6. Aug.
ISA. nachmittags 4 Uhr bei Rosenbaum eine Demonstration stattfinde,
wobei Rosenbaum herausgeholt -werde. Eduard Hail und Dr.
Sicius gewannen am Freitag, den 5. August 1821 nachmittags Brax-
meyer für ihren Plan, welcher noch des näheren dahin ging, dem Rosen-
baum eine Tafel kmzuhängen mit der «Ueberschrift „Ich «bin der größte
Schieber" und ihn unter der Menge zum «Marktplatz zu führen. Brax-
meyer versprach, 6--S zuverlässige Leute mitzubringen und verständigte
noch am gleichen Wende in der Singstunde des Mrbeitersängerbundes die
anwesenden Arbeiter. Auch Hail teilte die beabsichtigte Demonstration
mehreren Personen mit und lud sie zur Teilnahme ein.
Daraufhin fand sich am 6. 8. 1921, nachm. 4 Uhr vor der Villa des
Rosenbaum von Memmingen, Kaiserpromenade IS eine größere Meng«
ein, welche nach und nach auf etwa 2500 Personen anwuchs. Auch Hail
«Eduard erschien vorübergehend mit der inzwischen angefettigten Tafel.
Aus der Menge fielen Drohrufe, wie: „Heraus mutz er, an den Talgen
mit dem Lumpen, mtt dem Juden!" welche die Erregung der Anwesen-
den immer-mehr steigert«. Die Menge bestand immer dringender darauf,
daß Rosenbaum auf den Marktplatz geführt werde. An den Droh rufen
' beteiligten sich insbesondere 'D e cr, H a 11 'F rl e«d r 1 ch, p u t kh, «^ r u s e.
Schenk, «S1 öhr und Hail-Ed u a r d, welcher außerdem als führen-
des Mitglied einer Kommission austrat. Auch Braxmeyer venveihte in
Kenntnis des Zwecks der Veranstaltung länger« Zeit vor der Villa des
'Rosenbaum.
Gegen 8 Uhr kam Mohring heran, welcher nunmehr die Führung
übernahm. Er rief zur Menge: „Och hole ihn heraus, er «muß aus den
Marktplatz geführt «werden und an der Spitze marschieren, dort sollen ihm
feine Preistreibereien vorgchalten werden, dem Schieber und 'Wucherer"
und erlaubte ber Menge ihn hierbei anzuspucken.
Rosenbaum «wurde nach der vorläufigen Festnahme bei seiner Abfüh-
rung in das Gefängnis angespuckt und außerdem durch Schläge mißhan-
delt. Michael «Hausch sprang aus Rosenbaum los mit den Worten:
,Schlagt ihn tot «den Lumpen." On der «Kramerstraße schloffen sich dem
Auge Fritz Hail, Pöppel und Stöhr je mit «einer Kuhglocke an
und «brachten durch heftiges Läuten neuerliche Aufregung in die Menge.
Svdann beginnt
das Verhör des Ageklagten
Angeklagter Dr. «Sicius äußert sich: Ich kenne von den Mitan-
geklagten nur Hai! und Braxmeier. Mit diesen faßte ich den Plan,
gegen Rosenbaum vsrzugehen, um ihn in irgend einer Weise der «Ver-
haftung zuzuführen. Gesetzwidrige «Handlungen habe ich nicht beabsich-
tigt. Wir wollten Rosenbaum an den Pranger stellen in
«Usbereinstimmung mit den weitesten Kreisen ber Bevölkerung. Nm Volke
herrschte der -Glaube, daß seitens der Behörden nicht sichtbar genug gegen
Rosenbaum vorgegangm fei. Die Bolksstimmung «war sozusagen reif
dazu, zum Mittel der Selbsthilfe zu greifen; daß Braxmeier vielfach vor-
bestraft war, «wußte ich nicht. Mit Braxmeier verabredete ich nur,
er «solle sechs «bis acht Mann mitbrlngen. Stadtrat Mayrock war zu-
nächst «bereit, mitzumachen, wenn er auch verlangte, daß es nicht gegen
die Juden gehen dürfe. Nachher hat er offenbar die Sache verraten.
Ich war am Samstag nachmittag sehr -überrascht, als ich von der Demon-
stration hörte und ging zum Kaufmann Horn, um den Verlauf der De-
monstration zu «beobachten. Nachts 12 Uhr traf ich noch mit «Hail zu-
sammen.
Vorsitzender: Um diese Zeit haben «Sie zu Arbeitern, die mit
«Herrn Günzburger debattierten, gesagt: „Das ist auch so ein Kapitalist,
der könnte den Arbeitern etwas hergeben!" Auch gegen Max Guggen-
heimer «wurde noch nachts demonstriert und versucht, die Haustür mit
dem Beil zu öffnen. Das erweckt den Anschein, daß die Leute so vor-
gehen sollten, wie es nach Ihrem Sinne war, gegen die Juden.
Angeklagter: Es handelt sich nicht um einen politischen, sondern
um «inen volkswirtschaftlichen Kampf.
Vorsitzender: Ist Ihnen von Rosenbaum mehr bekannt ge-
wesen, als daß 9 Zentner Butter «beschlagnahmt wurden?
Angeklagter: Nein, aber in der Stabt hat man allerlei ge-
mrmkolt.
Vorsitzender: Von den Arbeitern ist jedenfalls der Plan zu
dieser Demonstration gegen Rosenbaum nicht ausgegangen. Bei der Be-
tviebsräteversammlung wegen der Lebensmittelteuerung ist der Name
Rosenbaum nicht gefallen. Die Idee ist von Ihnen ausgegangen und
«Sie hoben in der Sprechstunde und bei Besuchen bei Patienten die
Leute verständigt. «Sie haben einer Zeugin erklärt, die Hauptschuld an ber
Teuerung haben die Jude». Von Gerichtswegen geschieht
nichts. «Sie «haben bei der Ausübung der Säuglingsfürsvrge gefragt,
was die Männer für Zeitungen lesen. Als «Ine Antwort erfolgte: Die
„Münchener Post" jagten Sie: Das ist keine Zeitung für einen Arbeiter
und in einem anderen Falle sagten Sic: „Ihr Mann sieht schlecht aus,
weil er die „Münchener Post" liest.
«Auf den wiederholten Hinweis des Angeklagten, «er habe eine ganze
Reche von Leuten gesprochen, die ihm gesagt hätten, am Samstag werde
gegen Rosenbaum «demonstriert, fragte Vorsitzender: Wer ha<
Ihnen das gesagt?
Angeklagter: Och kann deinen Namen mehr fest
stellen. Verschiedene Bevölkerungsschichten haben jedenfalls ge-
wünfcht, an «der Demonstration teilzunehmen. Mn Gewalt habe ich nicht
gedacht. Wenn sich Rosenbaum weigern würde, aus ber Villa «herauszu-
gchen^ dachte ich, würde man von ihm ablassen. An der Demonstration
«hatte ich nicht «8 ei t, teilzunehmen.
Vorsitzender: Das ist in der Regel so, dieAufwiegler halten sich
im Hintergrund und andere muffen den «Kopf Hinhalten.
Das Verhör dreht sich darum, weshalb der Angeklagte Braxmeier,
Mayrock und Hail nach dem Bezirksamt eingeladen habe, ohne dort um
eine «Rücksprache bett. Verhaftung des Rosenbaum gebeten zu hoben.
Vorsitzender: Ich habe den Eindruck, daß diese Einladung
zum Schein ergangen ist. Sie haben schon am Donnerstag vor dem
«Samstag Leute aus der Straße angesprochen und diese gefragt: „Wissen
Sie schon, daß gegen Rosenbaum demonstriert wird?" Einer Zeugin
sagten «Sie: „Och «werde auch mitgehen, um zu sehen, was Sie mit dem
Juden machen."
Sodann wird der Angeklagte Eduard Hail vernommen, der er-
klärt, daß ihn der «Kampf gegen das «Schieber- und Wuchertum zu dem
Plane gegen Rosenbaum veranlaßt habe. Da die Gerichte versagen, müsse
das Volk «zur Selbstwehr schreiten. Dr. Sicius habe er im Schutz- «und
Tvutzbund kennen gelernt.
Vorsitzender: «Es wird immer ein großes Geschrei gemacht
und wenn es dazu kommt. Beweise zu erbringen, dann versagen die
Schreier.
Angeklagter Hail: Wie konnte ich annchmen, daß ich etwas gegen
die Staatsordnung unternahm, wenn ein Schutzmann selber sagte: „E-
ist schon lange recht, daß dem Rosenbaum es so ergcht!" (Bewegung.)
Vorsitzender: Mi« dachten Sie «sich die Demonstration.
Angeklagter Hail: Darüber war ich mir selber nicht klar. Das
Volk war mit uns. Einen «Schieber kann man nicht in seiner Ehre trän-
ken, denn er hat keine Ehre. Deswegen war das «Schildaushängen und
das Führen durch dis iStraße nicht so schlimm. Es ist besser; man geht
aus die Wünsche des «Volkes ein, als «daß man mit Waffen gegen uns
vergeht, «wenn es zur Selbsthilfe schreitet.
«Die Vernehmung «der airderen Angeklagten «wird fortgesetzt, nachdem
um 1 'Uhr mittags die Verhandlungen auf nachmittags 3 «Uhr vertagt
sind.
Mit der Vernehmung der 'Schutzleute, über die wir morgen berich-
ten, schloß der erste Verhandlungstag.
Werfamirrlrmgskalendsr
Kirchheim. Diejenigen Genoffen, die sich zur Hausagitation für die
„Volkszeitung" bereit erklärt haben, mögen sich heute abend um
M «Uhr im „Pfälzer Hvs" einfinden.
Rohrbach. Samstag, 17. «Sept., abends 8 «Uhr, im Gasthaus „zur Rose":
Parteimitgliederversammlung. Zahlreiches Erscheinen «ist erforder-
lich. Die Borstandsmitglieder werden ersucht, 1 Stunde früher an-
wesend zu fein.
Sandhaufen. Samstag, 17. Sept., abends 1-9 Uhr im Gasthaus „Zum
Lamm": Mitgliederversammlung.
Osterhurken. Samstag, 17. Sept., abends ^9 Uhr im Gasthaus „zur
Sonne": Volksversammlung. Referent: Sandtogsabg. Arnold-
Mannheim.
Adelsheim. Samstag, 17. Sept., abends 8 «Uhr >m ,-Hirsch": Volksver-
sammlung. Referent: Landtogsabg. Dr. Kraus-Heidelberg.
Korb-Leibenstadt. Sonntag, 18. September, nachm. 2 Uhr, Im ,/Hirsch":
Oeffentl. Volksversammlung. Referent: Landtagsabg. Dr. Kraus -
Heidelberg. _
Arbeiterjugend Heidelberg.
Samstag, den 17. Sept., abends 'Uhr: Ougendausschußsitzuns
im Lokal zum „Artushof".