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Volkszeitung: Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung des ganzen badischen Unterlandes (Bezirke Heidelberg bis Wertheim) (4) — 1922 (Mai bis August)

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Nr. 181 - Nr. 190 (7. August - 17. August)
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Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung der Amtsbezirke Heidelberg, Wiesloch, Sinsheim, Epping en, Gberbach, Mosbach, Buchen,
Adelsheim, Bo«berg, Tanberbischofsheim und Wertheim.

Bezugspreis: Monatlich einschl. Trägsrlohn 42.— Mk-, Anzeigenpreise:
Die einspaltige Petitzeils (36 mm breit) 4.50 Mk., Reklame-Anzeigen
(98 mm breit) 12.— Mk. Bei Wiederholungen Nachlaß nach Tarif.
Geheimmittelanzeigen werden nicht ausgenommen.
Geschäftsstunden:8—V,6 Uhr. Sprechstunden derRedaktion: 11—12 Uhr.
Postscheckkonto Karlsruhe Nr. 22577. Tel.-Adr>: Volkszeitung Heidelberg.

Heidelberg, Mittwoch, 16. August 1922
Nr. 189 * 4. Jahrgang

Verantwort!.: Für innere u. äußer« Politik, Volkswirtschaft u.Feuilletons:
I. B.: O- Geisel; für Kommunales, soziale Rundschau u. Lokales?
Ö.Geibel; für die Anzeigen: A. Friedmann, sämtl. in Heidelberg.
Druck u. Verlag derUntsrbaoischen Vsrlagsanstalt G. m. b. tz., Heidelberg.
Geschäftsstelle: Schroderstraße 39,
Fernsprecher: Anzsigen-Annahme 2673, Redaktion 2613.

Nach London — ?

o. Heiderberg, den 16. August.
Das Scheitern der Londoner Konferenz ist für uns äußerst ernst
zu nehmen. Herr Poincars ist unerbittlich und unterschiebt uns,
daß wir in der Lage seien, zu zahlen, wenn wir nur wollten. Er
ist auch der Ansicht, daß wir selbst gern darauf hinarbeiten, unsere
Mark herabzudrücken, um schließlich um unsere Verpflichtungen
herumzukommen. Man weiß nicht, ob Herr Poincars mit Blind-
heit geschlagen, oder ob es böswillige Absicht von ihm ist, daß er
uns eine solche Verleumdung unterschiebt. Wenn wir aus Er-
fahrung sprechen wollen, so müssen wir uns wohl der zuletzt aus-
gesprochenen Meinung anschließen. Die Wirkung des Scheiterns
der Konferenz hat sich doch gleich klar und deutlich gleich aus dem
Geldmarkt gezeigt. — Der Dollar erreichte gestern mittag 1 Uhr die
nie geahnte Höhe von 1015 Mk. Wenn nun Herr Pomcars die
Ansicht hat, wie er sie nach außen vertritt, daß wir an einer solchen
Katastrophenpolttik ein Interesse hätten, dann wäre unsere Regie-
rung nicht wert, daß sie noch eine Minute am Ruder wäre. Was
bedeutet eigentlich eine solche Politik? Doch nichts weiter, als eine
weitere Verelendung unseres Volkes. Es ist doch wahrlich genug
Elend bei uns vorhanden. Schon das erste Strmdungsgesuch der
Regierung brachte einen gewaltigen Sturz der Mark. Diese
Schwankungen hielten über die Dauer der Konferenz an. Eine
gewaltige Teuerungswelle ging von diesem Zeitpunkt an über unser
Land. Diese wird nun, nach der» negativen Ausgang der Konfe-
renz, infolge des weiteren Sturzes der Mart, noch ganz anderen
Umfang annehme». Gerade die fortgesetzten Schwankungen, denen
unsere Mark ausgesetzt ist, sind es, die uns das Leben so sauer
«rachen. Die Ersüllungspolitik sind wir doch eingegangen, um
endlich einmal stabile Verhältnisse zu bekommen. Herr Poincars
läßt uns aber nicht zur Ruhe kommen. Er will eben einfach gegen
uns eine Gewaltpolitik anwenden, die uns vollständig versklavt.
Wie sich Herr Poincars unter diesen Umständen den Wiederaufbau
denkt, das ist nicht klar. Man muß immer mehr zu der Ueber-
zeugung gelangen, das; solche Staatsmänner vom Schlage Poin-
carss das europäische Problem nicht lösen können. Sie treiben
Europa dem Abgrund zu. Wie dem auch heute sei, so viel steht fest,
daß sich unsere Lage durch den Ausgang der Konferenz bedeutend
verschlechtert hat. Wir werden es in den nächsten Wochen zu spüren
bekommen.
Wie die Repamtionskommission sich über das Moratorium
entscheidet, steht bis zur Stunde noch nicht fest. Aus den vorliegen-
den Meldungen zu urteilen, dürfen wir uns auch in dieser Be-
ziehung keinen so großen Hoffnungen hingeben. Frankreich versucht
auch dort seinen ganzen Einfluß für sich geltend zu machen. Wie
die Dinge nun stehen, ist in dieser Kommission, durch das Ausschei-
den Amerikas, das Stärkeverhältnis für und gegen eine Stundung
gleich. Den Ausschlag gibt der Vorsitzende und das ist ein Fran-
zose. Die Feststellung dieser Tatsache wird genügen, um unsere
Hoffnungen nicht allzu wett zu stecken. Man kann sich des Ein-
drucks, nach dem Verlaus der Londoner Konferenz zu urteilen, nicht
erwehren, daß es Herrn Poincare nicht darum zu tun war, eine
günstige Lösung herbeizuführen. Er pochte auf Gewalt, um gegen
uns Vorgehen zu können. Welche Folgen die von Herrn Poincare
auf der Konferenz befolgte Politik für die Stellung Frankreichs
innerhalb der Alliierten haben wird, kann man heute noch nicht
sagen. Ob nunmehr Frankreich isoliert dasteht oder ob es ge-
schmeidig versteht, eine Brücke zu schlagen und dennoch seine vor-
gesehene „Extra-Politik" gegen uns einzuschlagen, das wird die
Zukunft lehren. Es ist eben bedauerlich, daß Amerika offenbar kein
Interesse mehr hat an einem Europa, das der Menschheit zum
Segelt gereicht. Die Politik Amerikas orientiert sich eben nach
anderer Richtung. Es ist eben unter der heutigen Wirtschaftsform
so, daß nicht nur das einzelne Individuum vom Egoismus erfaßt
ist, sondern auch die Staaten, mögen darüber Kulturländer zugrunde
gehen oder nicht.
Aus diesem Grunde schon dürfen wir uns auch wegen der
geplanten Reise des englischen Schatzkanzlers nach Amerika, wo er
die englische Schuld besprechen soll, keinen so große» Hoffnungen
hingeben, daß uns dann auf der geplanten Konferenz im Herbst
ein Stern leuchtet. Wir wollen ja nicht verkennen, daß gerade
Frankreich an dieser Frage ein großes Interesse hat. Es ersaßt
einen bald ein Ekel vor den fortgesetzten Konferenzen. Unsere Zu-
kunft verdüstert sich nach jeder Konferenz mehr und diesmal ist es
für uns ganz dunkel geworden. Was die Zntunft uns bringt, wir
wissen es heute noch nicht. Wieder durchleben wir ernste Tage, wie
schon so ost in den letzten Jahren, aber diesmal sind sie außer-
ordentlich ernst, da es sehr unwahrscheinlich ist, daß man in Paris
noch im letzten Augenblick Vernunft annimmt.

Die Beurteilung der Lage.
Berlin, 15. Ang. Der ergebnislose Abbruch der Londoner
Konferenz und die Unsicherheit der Lage, die durch das Fehlen
amtlicher Berichte noch gesteigert worden ist, haben in Berliner
politischen und wirtschaftspolitischen Kreisen größte Verwir-
rung hervorgerufen. Das sprunghafte Steigen des Dollars auf
1040 Mark an der Berliner Börse ist nur eines-von den äußeren
Anzeichen für die Ungewißheit über die nächste ZukUnftsentwicklung.
Auch an den Berliner Regierungsstellen vermag man die Folgen
des Abbruchs noch nicht im mindesten zu überschaue».
Zmräckst hat die Neichsregierung entsprechend ihrem früheren
Angebot 500 (M Pfund Sterling als A u s g l e i ch s r a t e heute
bereitgesteüt, obwohl eine besondere Aufforderung dazu nicht er-
gangen ist, aber auch keine offizielle Bestätigung über den angeb-
lichen Beschluß der Alliierten zu erlangen war, daß die Zahlung
Um vier Wochen hinausgeschoben werden sollte. Die Gesamtsummr

der heute fälligen zwei Millionen Pfund Sterling als Ausgleichs-
rate konnte natürlich einfach um deswillen nicht gezahlt werden,
weil das Geld Sei der inzwischen Wetter erfolgten Verschlechterung
der deutschen Wirtschaftslage und der deutsche« Valuta nicht zu
beschaffen war.
Im übrigen haben heute mittag bereits Chefbesprechun-
gen über das Reparationsproblem und die Ausgleichszahlungen
in der Reichskanzlei stattgefunden und heute abend sollen diese
Besprechungen in einer Kabtnettssitzung fortgesetzt werden.
Die heutige Zahlung der 500 000 Pfund Sterling wird in einer
vesonderen deutschen Note an die Alliierten begründet werden. Die
Ausgleichsämter in Paris und London haben bereits Mitteilungen
über die Zahlung erhalten.
Beratungen des ReichskabtnettS über die Lage.
Berlin, 15. Slug. Das Reichskabinett ist heute abend 6 Uhr
zusammengetreten, um die durch den Abbruch der Londoner Kon-
ferenz geschaffene Lage eingehend zu besprechen. Irgendwelche Be-
schlüsse konnten natürlich angesichts der im Augenblick noch unge-
klärten Verhältnisse nicht gefaßt werden. Die Beratungen werden
am Mittwoch und den darauffolgenden Tagen sortgeführt.
500 000 Pfund Sterling ausgezahlt.
Berlin, 15. Aug. Die deutsche Regierung hat durch gleich-
lautende Noten vom 13. Juli an die Regierungen Belgiens,
Frankreichs, Großbritanniens und Italiens den
Antrag gestellt, hinsichtlich ihrer Verpflichtung aus dem Aus-
gleichsverfahren eine anderweitige Regelung zu treffen und
dabei zum Ausdruck gebracht, daß die monatlichen Zahlungen im
Ausgleichsverfahren eine halbe Million Pfund Stettin nicht über-
schreiten soll. Aus diesen Antrag ist der deutschen Regierung, wie
erwartet, eine gemeinschaftliche -msi -oxi der alliierten Mächte nicht
zugegangen. Die deutsche Regierung hat deshalb entsprechend ihrer
der französischen Regierung in der Note vom 5. August gegebenen
Zusage, auch siir den Fall des Ausbleibens einer gemeinschastlichen
Entscheidung der alliierten Mächte ihre vertragliche Ver-
pflichtung im Rahmen ihrer Leistungsfähigkeit zu er-
füllen, heute einen Gesamtbetrag von 500000 Pfund Sterling zur
Verfügung gestellt. Dieser Betrag wurde dem britischen und dem
französischen Ausgleichsamt nach dem Verhältnis ihrer Kreditsalden
überwiesen.
Die Notifizierung der 10 MMonen-Zahlung.
Berlin, is. Aug. Dis deutschen Botschaften in London,
Paris und Rom und die Gesandtschaft in Brüssel haben den be-
teiligten alliierten Regierungen am 15. d. M. folgende Note über-
geben: „In gleichlautenden Noten vom 14. Juli hatte die deutsche
Regierung die Regierung Belgiens, Frankreichs, Großbritanniens
und Italiens unter Hinweis aus den an die Reparationskommission
gerichteten Antrag auf Aufschub der Reparationszahlungen gebeten,
eine neue Regelung für die Verpflichtungen Deutschlands aus dem
Ausgleichsverfahren und aus Abschnitt 6 von Teil 10 des Vertrags
von Versailles zu treffen. Auf diesen Antrag ist der deutschen Re-
gierung die von ihr erbetene gemeinschaftliche Entscheidung der
beteiligten Mächte bisher nicht zugegangen. Die deutsche Regierung
befindet sich hinsichtlich der Deckung des Devisenbedarfs für ihre
ziwngendsten Lebensbedürfnisse, insbesondere für die von ihr ein-
gegangenen Privatverpflichtungen aus Getreidekäufen in einer sehr
schwieligen Lage, die der Reparationskommission und dem Ga-
rantiekomitee näher bekannt ist. Seit dem 14. Juli, dem Tage
ihres Gesuches um anderweitige Regelung der Ausgleichszahlungen
ist die Mark von einem Hundertstel bis einem Zweihundertstel ihres
Friedensweries weiter gesunken. Es ist der deutschen Regierung
daher beim besten Willen nicht möglich, die auf Grund des Ab-
kommens vom 10. 6. 21 am 15. August fällige Rate vor; 2 Millionen
Pfund den beteiligten Regierungen zur Verfügung zu stellen. In
ihrer Note vom 5. August hat die deutsche Regierung der französi-
schen Regierung erklärt, sie werde auch für den Fall des Ausbleibens
einer gemeinschaftliche» Entscheidung der beteiligten Regierungen
bestrebt sein, ihre vertraglichen Verpflichtungen im Rahmen ihrer
Leistungsfähigkeit zu erfüllen. In Uebereinstimmung hiermit und
uni eine Verständigung über die Frage der Ausgleichszahlung zu
erleichtern, auf welche sie den größten Wert legt, wird die deutsche
Regierung an der Zurückstellung der sich auf der Devisenlage er-
gebenden schweren Bedenken den von ihr in ihrer Note vom 14. 7.
unter günstigere» Verhältnissen angebotenen Betrag von 500 000
Pfund den beteiligten Regierungen zur Verfügung stellen. Sie hat
die zuständigen Stellen mit entsprechenden Weisungen versehen.
(Anmerkung der Redaktion: Die Zahlung der 10 Millionen Goid-
mark ist inzwischen, wie bereits gemeldet, heute erfolgt.)
Die nächste Konferenz in Brüssel.
Loudon, 16. Aug. Nach einer Reutermeldung wurden sich
gestern morgen die alliierten Ministerpräsidenten darüber einig, daß
die nächste Konferenz im November in Brüssel stattfinden soll.
Abreise der französischen Delegation.
Paris, 16. Aug. Die französische Delegation ist gestern von
London abgereist, ohne daß Lloyd George ihr das Geleit bis zum
Bahnhof gegeben hatte. Der Ministerpräsident und die übrigen
sranzöfischen Persönlichkeiten werden »m 6 Uhr 35 in Paris auf
dem Rordbahnhof eintteffcn. Für den wetteren Verkauf der
Dinge kaum noch nichts vorausgesagt werden. Alles wird von Len
Entscheidungen des Ministerr-ais ahüängen, der heute unter dem
Vorsitze Miüerands in Rencbü'Uillst stattsindet. .Poincars wird
mit feinen Rsgierimgskoliegen 8 Uhr iS nach dem Landsitz des

PrWdsnten der Republik fahren und am Abend nach 5 Uhr in ditz,
Stadt zuMckkchren. Er wird im Ministerrat über die Londoner
VevhäiMnngen zu berichten haben. Die Minister werden sich über
die Haltung des französischen Delegierten bei der Reparationskom-
Mkiston dem deutschen Moratorium gegenüber aussprechen; diese
Aussprache wird zweifellos negativ sein. Weiterhin wird aber
der Mtnisterrat heute Über die Notwendigkeit der Einberufung des
Parlaments entscheiden, dessen Unterstützung, wie viele BlätteS
behaupten, der Ministerpräsident sicher iein will, bevor er Frank-
reichs Geschicke« eine neue Richtung gibt .
Amerika gegen Poincare.
Paris, 16. Aug. Der Nswyorkrr Vertreter der „Daily Ttt
legrapl," hatte eine Unterredung mit einer Persönlichkeit, die dem
amerikanischen Kabinett nahesteht. Diese erklärte, daß PoincarH
Menn er so fortfahre, den Platz des Unruhestifters auf dem Kon>
tinent einnehmen werde. Seine Politik sei eine Politik des Uw
rechts. Er solle es sich wohl MetteMl, bevor er den letzten SpmnL
ins Dunkle tue.
Dr. Wirth an de« Staatssekretär a. D. Bergmann.
Paris, 16. Aug. Mts London wird gemeldet: „Daily Te-
legraph berichtet: Staatssekretär a. D. Bergmann habe aus Bett
li« ein Telegramm erhalten, worin mitgetell: werde, daß des
Reichskanzler außer Stande wäre, einer schwereren Finanzkon-
trolle als der mit dem Gamntieko-mttee vereinbarten zuzustimmen
Für eine weitere Ausdehnung der alliierten Kontrolle würde int
Reichstag keine Mehrheit zu haben sein. Die letzten Abmachungen
mit dem Garantiekomitee wären von dem Reichstag nur unter des
Bedingung gebilligt worden, daß damit die Sache endgültig erledig»
wäre.
Marksturz und Außenpolitik.
Berlin, 16. Ang. Unter genannter Ueverschuft führt de)
heutige Leitattikel des „Vorwärts" u. a. Aus: Wie wenig der Zer-
fall der Entente in Deutschland Interesse erreicht, zeigt die gegen-
wärtige Situation deutlich. Wird etwa Deutschlands Lage gün-
stiger bewertet, weil zwischen England und England und Frank-
reich ein tiefgehender Konflikt entstanden ist? Der Dollar ist auf
über 1000 geklettert. Dtts besagt genug! Deutschlands Zukunft^
Möglichkeit beruht auf ganz anderen Dingen; in erster Linie be-
ruht sie auf der Entfaltung der deutschen Wirtschaftskraft. Man
gebe sich darüber keiner Täuschung hin. Ueber dem sriedwilligen
und ersüllnngsvereiten Deutschland entstand der Konflikt der En-
tente. Ob er an demselben Tage wieder beseitigt sein wird, wo
Deutschland seninerseits zum Streite treibt, das frage man zweck-
mäßiger diejenigM, welche durch die deutschen Kriegsrüstungen
der Entente zum Leben verhalfen. Rasende Verteuerung der Le-
benshaltung und der Produktion, überstürztes und zielloses Em»
vorschnellen! der Preise, Kapitalknappheit und Kreditnot sind
Sturmzeichen, die voraus schauende Entscheidungen erfordern, sott
len nicht zu allem übrigen Elend noch Produktionsrückgang mH
Arbeitslosigkeit treten. Mehr als je erfordert fetzt die Zeit starke
Nerverr und besonnenes Handeln.
Marksturz und Genossenschafte«.
Berlin, 16. Aug. Die „Vosstsche Zeitung" berichtet über die
neue Teuerungsaktion der Arbeitnehmer folgendes: Die Spitzen-
verbände der Arbeitnehmerorganisationen haben sich in den letzten
Tagen mehrfach mit den Forderungen der Staatsangesteltten be-
schäftigt. Man hört, daß sie heute mit dem Reichswirtschasts-
minister Schmidt die Lage erörtern werden und anschließend
daran zu Beschlüssen gelangen wollen, die am Donnerstag der
Neichsregierung vorgelegt werden sollen. Es wird sich zunächst
nur um Forderungen der Staatsangesteltten und Staatsarbeiter
handeln, die aber erfahrungsgemäß nur den Auftakt zu Forderun-
gen der Angestellten und Arbeiter in den Privatbetrieben bilder«.
Man hört ferner, daß die Spitzenverbände der Gewerkschaften der
Regierung auch gewisse Maßnahmen zur Bekämpfung der Teuerung
Vorschlägen wollen, die auf eine Einschränkung der freien Wirtschaft
und teilweiser« Rückkehr zur Zwangswirtschaft, vor allem aber zu
einer Drosselung der Einfuhr führen sollen.
Feanzöfstfche Preffestimmen über den
Konferenzabbruch.
Paris, 15. Aug. Die Morgenvlätter behandeln im allge-
meinen den Abbruch der Konferenz als eine zwar ernste
Angelegenheit, die aber nach den Erklärungen Potncares noch
lange nicht einen Bruch der Entente bedeute.
„Echo de Patts" erwartet die Entscheidung über das künftige
Vorgehen Frankreichs vom morgiger« Ministerrat. Sollte sich
der Reparationsausichuß für einen Zahlungsaufschub aussprechen,
oder zu keiner Entscheidung kommen, so wird die französische Re-
gierung sofort die von Millerand Sei seiner Amtsübernahme
am 6. Februar 1920 ausgestellten Richtlinien befolgen. Das Blatt
glaubt weiter sagen zu können, daß die Belgier noch nicht alle
Hoffnung ausgegeben haben, im Reparationsausschuß zu einer«
Kompromiß zu gelangen. England könne nicht ohrre den Kontinent
leben, aber auch nicht ohne oder gegen Frankreich.
Das „Journal" nennt den Zusammenbruch der Konfererrz ein
Geständnis der Ohnmacht und schiebt die ganze Schuld
auf Lloyd George, der eine Aussprache über Balfours
Note sabotiert habe. Die nationalistische „Libre Parole"
überschreibt ihren Artikel „Bravo Poincars!" Da Italien und
Belgien niemals offen für Frankreich und gegen England Partei
ergreifen würden, müsse sich Frankreich seine volle Handlungs-
freiheit wieder nehmen.
Die „Action francaise" schiebt es angeblichen englischen Ein-
flüssen in Deutschland zu, daß sich die Lage so verschlechtert hat.
Alle Maßnahmen, die Poincars vsrgeschlagen habe, feie,« in
Berlin nicht so wirksam gewesen, wie eine einzige Wittlich energische
englische Rots
 
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