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Volkszeitung: Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung des ganzen badischen Unterlandes (Bezirke Heidelberg bis Wertheim) (4) — 1922 (Mai bis August)

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https://doi.org/10.11588/diglit.48723#0573
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Tageszeitung für die Werktätige Bevölkerung der Amtsbezirke Heidelberg, Wiesloch, Sinsheim, Eppingen, Eberbach, Mosbach, Buchen,
Adelsheim, Boarberg, Tauberbischofsheim und Wertheim.

Bezugspreis: Monatlich einschl. Trägerlohn 26.— Mk., Anzeigenpreise:
Die einspaltige Petitzeile (36 mm breit) 3.— Mk., Reklame-Anzeigen
(98 mm breit) 8.— Mk. Bei Wiederholungen Nachlaß nach Tarif.
Geheimmittelanzeigen werden nicht ausgenommen.
Geschästsstnnden: 8—'/,6 Uhr. Sprechstunden der Redaktion: 11—l2Uhr.
Postscheckkonto Karlsruhe Nr. 22 577. Tel.-Adr.: Volkszeitung Heidelbergs

Heidelberg, Dienstag, 27. Juni 1922

Nr. 146 * 4. Jahrgang

Verantwort).: Für innere u. äußere Politik, Volkswirtschaft u. Feuilleton:
Dr. E. Kraus; Kommunales, soziale Rundschau u. Lokales: I. B.: Dr.
E. Kraus; für die Anzeigen: A. Friedmann, sämtl. in Heidelberg.
Druck u. Verlag derUnterbamschsn Verlagsanstalt G.m.b. H-, Heidelberg.
Geschäftsstelle: Schröderstraßs 39.
Fernsprecher: Anzeigen-Annahms 2673, Redaktion 2618.

Protestkundgebungen im ganzen Reich.
Aus der Suche nach den Mördern. — Wichtige Verhaftungen. — Heute Trauerfeier
im Reichstag.

Trauerkundgbbungen.
12 Uhr mittags Stillegung des Zugverkehrs.
Berlin, 26. Juni. (Dmhtmeldung.) Amtlich. Wegen
der am 27. Juni 12 Uhr stattfiudenden Trauerfeier für den er-
mordeten Retchsminister Rathenau wird zur ausdrucksvollen
Bekundung der Anteilnahme der Reichsbahnen
punkt 12 Uhr mittags auf 5 Minuten
der gesamte Zugsverkehr auf allen Stationen und Strecken still
liegen.
Die Angaben von anderslautenden Zetten für diese
Stillegung find ungültig. Die mit den Reichsslaggen ausgestat-
tetc» Amtsgeäude flaggen am 27. Juni auf halbmast.
Ueberführung, Trauerfeier und Beisetzung.
B e r l i n, 26. Juni. (Priv.-Tel.) Die Leiche Dr. RathenauS
wird in der kommenden Nacht aus der Villa Grünewald nach dem
Reichstag übergeführt und dort aufgebahrt, wo morgen mittag
u m 12 U h r die T r a u e r f e t er abgehalten wird. Die Trauerrede
nm Sarg wird Reichskanzler Dr. Wirth halten. Dan» wird der
Sarg an einer Ehrenkompagnie der Reichswehr vor-
über über den Königsplatz herumgesührt werden.
Hier endet die öffentliche Trauerfeier und von da ab
will die Familie den Toten für sich allein haben. Die Bei-
setzung findet in der Familiengruft in Oberschönweide
statt, wo bereits Emil Rathenau, der Begründer der Allgemeinen
Elektrizitätsgesellschaft, inmitten seines Werkes ruht.
Aus Anlaß der Beerdigung flaggen morgen die Behörden
im ganzen Reich halbmast.
Berlin, 26. Juni. Als Trauerkundgebung für den ermor-
deten Reichsminister des Aeußeren Dr. Rathenau hat, wie im
Reichstage am Montag mitgeteilt wurde, der R eichs minister
die Anordnung getroffen, daß am Dienstag nachmittag 12 Uhr der
Bureau- und Werkstättendienst ruhen soll. Telegraph und Fernspre-
cher Verkehren, sowie der Eisenbahnbetrieb sollen aufrecht erhalten
werden. Soweit es der Dienst erlaubt, sollen die Beamten beurlaubt
werden.
Ausnahmezustand in Thüringen.
Jena, 26. Juni. Das thüringische Staatsministerium hat
Uber Thüringen den Ausnahmezustand verhängt. Zur Verfolgung
der Mörder werden die Züge in Jena von der hiesigen Kriminal-
polizei untersucht und streckenweise mitbefahre». Sämtliche Reisende,
die den Bahnsteig passieren, müssen sich ausweisen und ihr Reise-
gepäck vorzeigen. Auch werden alle Kraftwagen in Thüringen an-
halten und untersucht.
Generalstreik in Essen.
Essen, 26. Juni. In Essen haben alle drei sozialistischen Par-
teien und Gewerkschaften einen 24stttndigenGene ral streik
beschlossen. Von morgen früh 6 Uhr bis Mittwoch morgen 6 Uhr
befinden sich sämtliche Arbeiter usw. im Ausstand.
Während des Generalstreikes finden gemeinsame De-
monstrationen statt.
Zusammenstöße in Hamburg.
Hamburg, 26. Juni. (Priv.-Tel.) Die beiden sozialisti-
schen Parteien hatten für heute nachmittag die Arbeiter-
schaft von "Groß-Hamburg zu einer zweistündige» Arbeitsrilhe
Slim Andenken an den ermordeten Minister Rathenau und zu einer
gemeinsamen Kundgebung für die Erhaltung der Republik auf-
gefordert, auch die Beamten und Angestellten waren eingeladen, sich
SU beteiligen. Punkt 3 Uhr stand der gesamte Betrieb der Hoch-
und Straßenbahnen still, und ungeheure Massen von Arbeitern
und M-gestellten strömten nach dem Heiligengeistfeltz, wo nunmehr
die bekanntesten sozialistischen Redner beider Parteien wirkungs-
volle Anklagen gegen die Treibereien der reaktionären Geheim-
bündler richteten. Aus allen Reden klang die Mahnung, Ord-
nung zu halten und sich zum geschlossenen Kampf gegen die Reak-
tion zu wappnen. Die Demonstration schloß mit einem kraftvollen
Bekenntnis der Arbeiterschaft zur deutschen Republik. In muster-
hafter Ordnung zogen die Massen wieder ab.
> Leider kam es gegen Ende der Demonstration doch noch zu
einem Zwischenfall, der leicht unabsehbare Folgen hätte
bähen können. In der Nähe des Bismarck-Denkmals hatte, wie
Hamburger „Achtuhr-Abend-Blatt" berichtet, entgegen der
l n o r - n tt n g des Sen a t s eine Abteilung Sipo mit Ge-
bühren und Maschinengewehren Aufstellung genommen uns ein
Schild mit der Aufschrift „Halt! Wer nicht weitergeht, auf dm
wiptz geschossen!" ausgepflanzt. Dies wirkte auf die bis dahin in
Ruhe sich auflösende Menge aufreizend. Es kam zu einem
Angriff aus die Sipo-Abteilung, in dessen Verlauf mehrere
Schüsse abgefeuert wurden. Soweit bis jetzt fest zu stellen ist,
wurden eine Person getötet und eine andere schwer sowie zwei bis
drei weitere leichter verletzt. Die Schuld an dem Vorfall soll, wie
bon verschiedenen Seiten bestätigt wird, ein Sipo-Offizier tragen,
vcr offenbar den Kopf verloren und ohne zwingende Notwendigkeit
»en Befehl zum Feuern gegeben hat.

Lloyd George über die Ermordung RathenauS.
London, 26. Juni. In einer Ansprache, die er gestern mittag
gelegentlich eines Methodisten-Gottesdienstes gehalten hat, hat
Lloyd George bemerkenswerte Aentzerungen über die Ermor-
dung N a t h e n-a u s und die Zulassung Deutschlands zum Völ-
kerbund gemacht. Rathenau, so erklärte Lloyd George, sei einer
der fähigsten Köpfe Europas gewesen. Er habe sich mit lobens-
wertem Eifer bemüht, die Beziehungen zwischen Deutschland und
den Nationen, mit denen es sich im Kriege befunden habe, zu bes-
sern. Das sei einer der Gründe gewesen, warum er ermordet
worden sei. Er, Lloyd George, könne nur seine tiefste Entrüstung
über dieses Attentat aussprechen und die Hoffnung ausdrücken,
daß Deutschland nicht zu büßen haben werde für das Verbrechen,
das Hm durch die Ermordung eines seiner besten Söhne angetan
wurde, lieber die Aufnahme Deutschlands in den Völkerbund
äußerte er sich wie folgt: Es müsse endlich dahin kommen, daß
ein friedlicher Geist alle Nationen erfülle. Wenn es nicht endlich
dazu komme, daß die Völker sich energisch vom Kriege avwcnden,
dann wäre der Eintritt in den Völkerbund für die meisten Länder
nur das Mittel, nm sich durch Jntriguen alle möglichen Vorteile
für den Kriegsfall zu sichern. England wünsche alle Rationen in
dem Völkerbund vereint zu sehen. Deshalb wünsche er, daß auch
Deutschland zugelassen werde. Wenn ein entsprechender Antrag
gestellt würde, würden die Vertreter der englischen Regierung ibre
Stimme dafür abgeben.' AVer auch die Vereinigten Staaten müs-
sen im Völkerbund den ihnen gebührenden Platz einnehmen und
desgleichen dürfte Rußland, sobald es feine Irrtümer eingewhen
habe, nicht länger darin fehlen.

Das Beileid der Russen.
Berlin, 26. Juni. Heute mittag um 12 Uhr sprach der Ver-
treter der Sowjetrsgierung in Berlin, Krestinski, im Auswär-
tigen Amte beim Letter der „Ost-Abteilung", Mal zahn, vor,
um im Namen der Sowtetregierung sein Beileid anläßlich der Er-
mordung Rathenaus auszusprechen.

Die Trauerfeier der italienischen Kammer.

Rom, 26. Juni. Die italie n ische Kammer gedachte zu
Beginn Hier heutigen Sitzung Rathenaus, wobei alle an der
internattonalen Versöhnung und Befreiung mitarveiteuiden Ele-
mente hervortraten. Ministerpräsident Facta war eigens erschie-
nen, um auch in Montecitorio das Bedauern der Regierung über
die Ermordung des deutschen Staatsmannes auszudrüüen und
für Rathenaus Gerstesgaben, Mäßigung und Versöhnlichkeit Zeug-
nis abzule-gen, wie er sie in G enua persönlich kennengelernt habe.
Der Sozialist Modigliani feierte den Ermordeten als Denker
und Schriftsteller und schlug vor, dem Reichstag das Beileid der
italienischen Kammer zu übermitteln. Migliori, der in der
Popolari-Fwkiion die Versöhnungstendenzen führt, beklagte
darauf das Verschwndsn eines ehrlichen Baumeisters am Wieder-

aufbau und drückte sein Vertrauen auf Völkerfrieden und interna-

tionale Gerechtigkeit aus. Der Kommunist Graziadei bezeich-

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und die davon Kenntnis hatten, daß dieser im Bureau der deutsche
nationalen Volkspartei weilte, beauftragt, Flesch sofort wieder in
Hast zu nehmen. — Zu der Verhaftung KarlTillessenA
sagte Dr. Weiß, dieser, wie schon mttgetetlt nicht erst auf die Rede
Wels hin, sondern auf Grund schweren Belastungsmaterials, das
der Polizei zugegangen war, festgenommen worden sei. Es Haven
sich nämlich verschiedene Zeugen gemeldet, die Tillessen am
M o nta g tn B erl in gesehen haben wollen. Als also für Tilles-
sen der Verdacht der Täterschaft auftauchte, wurden für diesen
sofort telegraphisch die Grenzen gesperrt und außerdem sämtliche
Städte und Ortschaften in der Umgebung Flensburgs, wohin Tilles-
sens Spur führte, benachrichtigt. Tillessens Vernehmung wird von
entscheidender Bedeutung für die wetteren Nachforschungen sein.
Man wird nun zunächst Tillessen dem Oberförster, der bekanntlich
eine genaue Beschreibung der Täter abgegeben hat, gegenüberstellen.
Durch die Aussagen des Oberförsters haben Sachverständig^
bereits feststellen können, daß die Täter in einem Opelautomobil
und zwar in einem älteren, großen Tourenwagen geflohen sind«
Es werden nun bei allen Garagenbesitzern Nachforschungen über
einen solchen Wagen angestellt. — Zum Schluffe sagte Dr. Weiß
noch, daß no chsehr viele polizeiliche Maßnahmen im Gange seien,
über die er aber im Augenblick noch nichts sagen könne
KapitimleutnanL Hoffmann nnd Karl Tillessen
Verhaftet.
München, 26. Juni. Von der Staaisanwattschaft Berlin
und von der Staaisanwattschaft Kassel ist gestern ein Telegramm
eingrlanfen, worin Kapitänlentnant Hossmann als verdächtig
des Attentats auf Schctdemann und der Beteiligung an der
Ermordung Rathenaus bezeichnet wird. Hofsmann ist darauf-
hin heute vormittag festgenommen worden. Hoffmann besteitet,
mit beiden Taten das geringste zu tun zu Haven und beruft sich ins-
besondere darauf, daß er am Tage des Attentats auf Scheidemann
bei seilten Eltern zur Teilnahme an der Hochzeit seiner Schwester
geweilt habe.
Berlin, 26. Juni. Auf Veranlassung der Abteilung 1 a des
Berlimr Polizeipräsidiums ist auf Grund der Rede des Abg.
Wels im Laufe gcs gestrigen Tages der Kapitänlentnant Karl
Tillessenin Flensburg verhaftet worden. Karl Tillessen ist der
ältere Bruder des Oberleutnants a. D. Heinrich Tillessen, der des
Morde San Erzverger schwer verdächtig ist. Tillessen wird im Laufe
des heutigen Tages nach Berlin gebracht werden. Ebenso alle in
der Mordsache fest genommenen Personen zur genauen Untersuchung
des Falles der Berliner Behörde vorgesührt werden.
Verhaftungen in Frankfurt a. M.?
Berlin, 26. Juni. Nach Informationen, die der „B. Z." von
gut unterrichteter Seite gemacht worden sind, entspreche die von dem
Abg. Wels im Reichstag vorgetragenen Mitteilungen über die
Spuren der Mörder Rathenaus den Tatsachen. Die Spuren
scheine» tatsächlich nach Frankfurt a. M. zu führen, wo seit längerer
Zeit eine Ortsgruppe der Organisation „Consul" besteht, deren
Führer bereits im A «sammenhang mit dem ErzSerger-
mord genannt wurde. Einzelne, u. a. ein Leutnant H e i n z, sind
damals verhaftet, aber wieder feetgelassen worden, weil der Nach-
weis einer Mittäterschaft oder eitler Mitwisserschaft nicht zu erbrin-
ge» war.
Eine wichtige Verhaftung iu Helsingfors.
Helsingsors, 27. Juni. Auf Antrag der deutschen Gesandt-
schaft nahm die Polizei Helsingfors aus dem gestern eingelausenen
Dampfer Rügen drei unter Verpacht der Beteili-
gung an dem Mord an Rathenau stehende Per-
sonen fest, die sich für engilische Matrosen ausgaven, di«
nach Wiborg rinterwegs feien. Die Untersuchungen dauern fort.

Der Kairzler bis auf weiteres Außenminister.
Berlin, 26. Juni. (Priv.-Tel.) Der Reichspräsident
Hal, wie jetzt amtli ch mitgeteilt wird, den Reichskanzler Dr.
Wirth mr der Wahrnehmung der Geschäfte des Außenministers
Lis auf weiteres beauftragt.
Kabinettssitzung über das Schulgesetz.
Berlin, 26Jnni. (Priv.-Tel.) Das Retchskabinett hat
sich heute nachmittag unter dem Vorsitz des Reichspräsiden-
ten den Gesetzentwurf zum Schutze der Republik beraten. Das
Kabinett wird die Beratungen morgen nachmittag 4 Uhr fortsetzen.
Alsbald nach der Beschlußfassung des Kabinetts soll, wie wir hö-
ren, der Entwurf den ges etz g eb end en Kö rp ers ch afte n zur
Erledigung zugeführt werden.
8tägige Vertagung des eRichstages.
Berlin, 27. Juni. Der Reichtsag fand sich am Montag abend
um 8 Uhr im großen Saale des Hauptausschusses zu einer Sitzung
zusammen und nahm die Vorlage über ein deutsch-polnisches Ab-
kommen ohne Aussprache in allen drei Lesungen an. Das Haus
vertagte sich hieraus.
Der Aeltestenrat des Reichstages hat gestern nachmittag be-
schlossen, daß in dieser Woche nach am Mittwoch, Freitag und
 
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