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Volkszeitung: Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung des ganzen badischen Unterlandes (Bezirke Heidelberg bis Wertheim) (4) — 1922 (Mai bis August)

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Nr. 141 - Nr. 150 (21. Juni - 1. Juli)
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Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung der Amtsbezirke Heidelberg, Wiesloch, Sinsheim, Eppingen, Eberbach, Mosbach, Buchen,
* Adelsheim, Boaberg, Tauberbischofsheim und Wertheim.

Bezugspreis: Monatlich einschl. Trägerlohn 32.— Ml-, Anzeigenpreise:
Die einspaltige Petitzeile (36 mm breit) 3.— Mk., Reklame-Anzeigen
(93 mm breit) 8.— Mk. Bei Wiederholungen Nachlaß nach Tarif.
Geheimmittelanzeigen werden nicht ausgenommen.
Geschäftsstunden: 8—'/s6 Uhr. Sprechstunden derRedaktion: 11—12 Uhr.
Postscheckkonto Karlsruhe Nr. 22S77. Tel.-Adr.: Volkszeitung Heidelberg.

Heidelberg, Samstag, 1. Juli 1922
Nr. ISO * 4. Jahrgang

Verantwort!.: Für innere u. äußere Politik, Volkswirtschaft u. Feuilleton?
Dr. E. Kraus; Kommunales,soziale Rundschau ».Lokales: J.V.: Dr.
E. Kraus; für die Anzeigen: A. Friedmann, sämtl. in Heidelberg.
Druck «.Verlag der Unterbadischen Verlagsanstalt G.m.b.H., Heidelberg.
Geschäftsstelle: Schröderstraße 39.
Fernsprecher: Anzeigsn-Annahme 2673, Redaktion 2613.

Zur Lage.
Kr. Heidelberg, den 1. Juli.
Die Enthüllungeil über die langvorvereitete und weitverzweigte
Verschwörung gegen Nathenau, den „Kandidaten des Auslandes",
wie ihn der Führer des Deutschvölkischen Schutz- und Trntzbundes
nannte, über die politische Mordorganisation, genannt Organisation
„L." und hervorgegangen aus der Brigade Ehrhardt, über die en-
gen Beziehungen aller dieser Hetz- und Mordorganisationen mit den
Prominenten Trägern des alten Shstems und Führern der heutigen
monarchistischen Propaganda Helsferich, Westarp, Jagow, Luden-
dorffu. a. m., zeigen, was alles nach dem Mord an Erz-
berger versäumt worden ist, um die deutsche Republik zu sichern
gegen die hirnverbrannten und vor seiner noch so gemeinen Ge-
walttat zurückschrcckende Umsturzpropanganda von rechts. Es wird
immer deutlicher, daß wir es mit einem wohlorganisierten politi-
schen Mordsystem zu tun haben, das seit Jahren in Deutschland ar-
beitet, überall seine Filialen, Spitzel und Handlanger hat und in
Verbindung Mit einer Reihe anderer Organisationen wie dem
^eulschvölkschen Schutz- Und Trutzbund, dem Bund der Aufrechten,
Seutschbund, Deutscher Ossiziersbund und Deutschnalionalen Ju-
gendbund und getragen von der Deutschnationalen Parlaments-,
Versammlungs- und Pressedentagogie sich diejenige Atmosphäre
schasst, in der allein ihr Mörder und Mordtaten gedeihen können.
Wäre man bereits narb dem Mord an Erzberger all diesen Dingen
nachgegangen, Hütte man die Fäden, die man auch damals schon we-
nigstens telweise in der Hand hatte, weit genug verfolgt, der. Mord
au Rathenau wäre nicht möglich gewesen, die deutsche Republik
wäre vor einem derart ungeheuren Schlag bewahrt geblieben. Um-
w notwendiger ist jetzt, das; diesmal rücksichtslos durchgegrisfen
vird. Die erfreulichen Verhaftungen und Enthüllungen, die bisher
n Berlin und Hamburg gelungen sind, berechtigen zu der Hoffnung,
aast in ganz kurzer Zeit eine völlige Aufklärung des Mordes und
aller seiner Bc Ziehungen möglch sein wird. Das erste ist natürlich,
das; alle die Personen, die auch nur im geringsten im Verdacht ste-
hen, direkt oder indirekt mit diesem oder vorangegangenen Morden
in Verbindung zu stehen, bis zur völligen Durchführung der Unter-
suchung ohne Gnad und Varmherzigkektt hinter Schloß und Riegel
gesetzt werden. Dabei darf gegenüber diesen Offizieren, Grafen,
Freihxrrn, Studenten und Gymnasiasten kein Jota mehr Entgegen-
kommen und Rücksichtnahme getätigt werden ivie gegenüber den
kommunistischen Arbeitern aus denk Ruhrgebiet und Mitteldeutsch-
land. AVer die Verfolgung der Personen, die Verhaftung der Mör-
der und Mordkomplizen allein tuts nicht, ebenso unnachsichtlich muß
ge gen all e O rg an i s a t i o n e n vsrgegaugen werden, die auch
nur im entferntesten mit politischer Mörderpropaganda in Verbin-
dung stehen. Bereits ist dazu durch eine neue ergänzende Verord-
nung der Reichsregiernng die vorläufige Grmrdlage geschaffen wor-
den, die endgültige Grundlage zu allen diesen Maßnahmen kann
nur das Gesetz zum Schutze der Republik bringen. Seit
Montag sind im Neichskabinelt die Beratungen darüber im Gange,
aber noch ist der Reichstag nicht damit befaßt worden, da man erst
die Genehmigung der Ministerpräsidenten und des Reichsrats ein-
bolen will. Und bereits beginnt auch schon die Minierarbett gegen
das Gesetz, man will es nicht nur solange wie möglich verschleppen,
iik der stillen Hoffnung, vielleicht ganz darum herumkommen zu kön-
nen, »ein, man will es auch durch alle möglichen Klauseln und Kau-
telen derart verwässern, daß es in seiner Handhabung und Durch-
führung seinen ursprünglichen Zweck nicht mehr erreicht. Dagegen
mutz sich die mächtige Einheitsfront des ganzen deutschen Prole-
tariats mit allen politischen und wirtschaftlichen Mitteln zur Wehr
scheu. Wir verlangen klaren und eindeutigen Schutz für die Re-
publik und ihre Minister, schärfste Paragraphen gegen alle politischen
Mörder und Mordorganisationen, Helfershelfer und Geldgeber, ge-
gen Beamte, die ihr Amt gegen die Republik mißbrauchen oder sich
weigern, den Eid auf die Weimarer Verfassung zu leisten, insbeson-
dere aber sofortige Umgestaltung der Reichswehr und aller
Reichsorgane zu zuverlässigen Schutztruppen der Republik und so-
fortige Entlassung aller Offizier^ die in punkto Verfassungsgesinnung
nicht ganz hasenrein sind. Alles das sind M in i m a lso r d er u n-
gen, von denen die Regierung kein Jota zurückweichen darf, will
sie sich nicht selbst lügen strafen und lächerlich machen.
Es ist durchaus möglich ,datz der Kampf um das Schutzgesetz der
Republik in Verbindung mit dem Kamps um die Getreideumlage
in den nächsten Tagen zu einer schiveren innerpolitischen Krise füh-
ren kann, verbunden mit einer Auflösung des Reichstages und Neu-
wahlen. Wir Sozialdemokraten haben bisher schweren Herzens
Koalitionspolitik getrieben, nicht aus Freude an ihr oder
an Ministersessels sondern um des Staates u. der Volksgemeinschaft
willen. Aber diese Koalitionspolitik hat ihre Grenzen, eS kamt der
Moment kommen, wo wir in der Opposition stärker sind als in der
Regierung. Wenn aus den Reihen der bürgerlichen

Koalttionsparteien heraus Widerstände kommen, die das Schutzge-
setz der Republik mit den Forderungen, die wir oben skizziert haben,
gefährden und wenn dieselben bürgerlichen Koalttionsparteien, die
in allen wesentlichen außen- und innerpolitischen Fragen aus unsere
Mitarbeit angewiesen sind, weiterhin in elementaren Wirtschafts-
und Finanzfragen gegen uns mit der monarchistischen und groß-
kapitalistischen Rechten einen Einheitsblock bilden — dann ist eben
Schluß mit der Koalitionspolitik.dann sind wir ge-
zwungen, direkt an das arbeitende Volk zu appellieren.

Deutscher Reichstag.
Die Getreideumlage mit Wechselnden
Mehrheiten angenommen.
Berlin, 36. Juni.
Nach Erledigung einiger Kleiner Anfragen wurde heute zunächst
das Gesetz betr. die Tenerungsmatznahmen für dte Mi-
lttärrentner angenommen. Angenommen wurde ein sozial-
demokratischer Antrag, wonach der Härteparagraph, der auch Leicht-
beschädigten und erwerbsfähigen Witwen unter Umständen die Zu-
schüsse zuspricht, aus einer Kann- in eine Sollvorschrift verwandelt
wird. Ebenso wird angenommen eine sozialdemokratische Entschlie-
ßung, bei einem Steigen des Brotp reifes die Zuschüsse zu
erhöhe».
Es folgt die
S. Lesung der Getreidenmlage.
Die Abstimmung, die nach einer längeren Aussprache vorgenommen
wird, ergibt folgendes Bild:
In der A bstimmung wird 8 1 nach deut Kompromitzantrag
der Regierungsparteien und der Unabhängigen Sozialdemokraten
gegen die Stimmen der Rechten, der Kommunisten und der Bayeri-
schen Voltspartei angenommen. Danach bleibt es bet dem
Umlagesoll von 2H Millionen Tonnen.
Eine große Zahl von Abänderuugsanträgen zu den
einzelnen Bestimmungen der Vorlage wird nach stundenlangen Er-
örterungen abgelehnt. Das Haus beschließt lediglich, daß die
Versorgung mit billigerem Brot nur auf Antrag eintritt und davon
diejenigen Personen ausgeschlossen sind, deren Einkommcnsverhält-
nisfe ein Bedürfnis dazu nicht erkennen lassen.
Die Prcisbemessung gelangt nach dem Kompromitzantrag der
Regierungsparteien und der Unabhängigen Sozialdemokraten zur
Annahme. Danach beträgt der Preis für das erste Drittel der Um-
lage — abzuliesern bis zum 31. Oktober 1922 — fürRoggen 6966
Mark, für Weizen 7400 Mk., sür Gerste 6760 M k. und für
Hafer 6000 M k. pro Tonne. Das zweite Drittel der Umlage ist
bis zum 15. Januar, das letzte Drittel bis zum 28. Februar 1923 an
die Reichsgetreidestelle abzusühren. Für beide Drittel setzt die
Reichsregieruug die Preise aus der Grundlage der sür das erste
Drittel geltenden Preise nach Anhörung des Ausschusses
fest, der nach den Vorschlägen des Ausschusses zusammengesetzt ist.
Für die von der Erhöhung der Preise gelieferten Menge des zwei-
ten oder dritten Drittels ist der Preisunterschied nachzuzahlen.
Die übrigen Teile der Vorlage werden in der Ausschußfassung
angenom m e n.
Damit ist gegen 10 Uhr nachts die zweite Lesung erledigt. —
Am Samstag ll Uhr soll die dritte Beratung des Ge-
treideumlagegesetzes vorgenommen und die Beratung des
Arbeitsnachwetsgesetzes fortgesetzt werden.

Die Ministerpräsidenten für das Schutzgesetz.
Schnelle Erledigurig im Reichsrat zugesagt.
Berkin, 30. Juni. Irr der Konferenz der Ministerpräsiden-
ten der Länder mit der Retchsregierung, die gestern nachmittag
stattfand, sprach sich, wie ein amtlicher Bericht mitteilt, dieMeh r-
heit der erschienenen Ländervertreter für eine gesetzliche Fassung
der zum Teil durch die Verordnung des Reichspräsidenten geregel-
ten Bestimmungen zum Schlitze der Republik aus. Ferner erklärte
sich die Mehrheit bereit, Mr Reichsrat auf die geschäftsord-
mrngsmätzige Frist zu verzichten, die für die Behandlung von Ge-
setzentwürfen vorgesehen ist, und sofort in eine Beratung des Ge-
setzentwurfes zum Schutze der Republik einzutretem ES ist dem-
gemäß zu erwarten, datz der Gesetzentwurf schon Anfang
nächsterWochedemRetchstagzugeyc» wird. Die Be-
ratungen der Reichsregierung nrit den Ministerpräsidenten der Län-
der werden morgen fortgesetzt.
Am Dienstag ab 2 Uhr Arbeitsruhe.
Demonstration zum Schutze der Republik.
Berlin, 30. Juni. (Priv.-Tel.) Die Spitzenorganisatiouen
der drei sozialistisch en Parteien, des Allge in einen
Deutschen Gewerkschaftsbundes und des As «-Bun-
des werden morgen in einem gemeinsamen Ausruf zur Ar-
ruhe am kommende» Dienstag nachmittag auffordern. Die
Arbeit soll im ganzen Reiche spätestens um 2 Uhr nachmittags nie-
dergelegt werden, der Stratzenbahnbetrteb von 1 bis 5 Uhr nachmit-
tags und der Eisenbahnverkehr von S vis 3ZL Uhr nachmittags
ruhen. Am Nachmittag sollen in allen Städten gortze Kundgebun-
gen in Form von Versammlungen, an die sich Umzüge anschließen,
stattfinden. Der Zweck dieser Kundgebung ist, fitr die Forderungen
der obengenannte« Spitzenorgantsattonen zum Gesetz für den
Schutz der Republik etnzutreten. Um dies zu ermöglichen,
sollen unter den Teilnehmern diese Forderungen im Druck verteilt
werden, um im Anschluß an die Versammlungen Abstimmun-

gen durchführen zu können. Die Gewerkschaften erklären, entschlos-
sen zu sein, die von ihnen gestellten Forderungen mit allen Mitteln
durchsetzen zu wollen.
Die Zusammensetzung des SLaatsgerichLshofes.
Berlin, 1. Juli. Der Reichspräsident hat zu Mitglie-
dern der StaatAgcrichtshoses znm Schutze der Republik ernannt;
Ten Senatspräsidenten beim Reichsgericht Dr. Hageß als Vor-
sitzenden, den württembergischen Gesandten in Berlin Htl.
denbrand, die Reichstagsabgeordneten Verbandsvorsitzenid!«
Jaeckel in Berlin-Grünau, Schriftleiter Erkelenz in Berlin
Baumschulweg mrd Reichskanzler a. D. Fehrenbach, sowie die
Reichsgerichtsräte Döhn und Dr. Baumgarten. — Zu Stell-
vertretern sind ernannt: der Senats-prWdeitt beim Reichsgericht
Dr. Schmidt, die Reichstagsabgg. Reichsminister a. D. Wis-
tel, Verbands-Vorsitzender Brandes in Stuttgart und Schrisc-
leiter I o o s - München-Gladbach, sowie den Reichsgsrichtsrai
Teiler; ferner find als Stellvertreter in Aussicht gonomm-en:
Unii-Versttätsprofcssor van Caller und Reichsgerichtsr-at N'ied -
n e r. Von beiden ist jedoch eine AeutzeruW, ob sie das Amt anneh-
men, noch nicht eingcgangen.
Die Mordbuben.
, LLUil. im-. Günther und sein Freudeskrcis.
lieber den verhafteten Teilnehmer an dem Mordkomplott Stutz,
jur. Willi Günther wird dem „Vorwärts" von unterrichteter Seite
mitgeteilr, daß Günther, der zwar Sind. jur. und in der Friedrich-
Wilhelm-Universität auch immatrikuliert sei, den Hörsal in de»
neun Semestern seines Studiums höchstens dreimal gesehen habe.
Seine ganze Zeit habe er darauf verwandt, „der nationalen Sache
zu dienen". Während des Krieges sei er zunächst Freiwilliger beim
Düsseldorfer Ulanenregimeut, später bei einem Trainbataillon ge-
wesen nnd nach der Revolution als Unteroffizier entlassen worden,
Von da an habe er den Anschluß an ehemalige Größen des alten
Regimes gesucht. So sei er Privatsckretär des Generals Luden-
dorff gewesen, dessen rechte Hand er gewesen und dessen Vertrauens-
mann er auch heute noch sei. Fer ner habe er Verkehr mit den ersten
Kreisen der nationalen Bewegung gepflogen. Er sei ein- und aus-
gegangen bei den Vizeadmiralen v. Stumm und v. Knorr und habe
in engster Verbindung mit Helsferich, Westarp und v. Jagow ge-
standen. Vor einiger Zeit habe er den „Deutschen Studentendienst"
gegründet zu Kem Zweck, unbemittelten „natiorml gesinnten" Stu-
dierenden finanzielle Unterstützung angedeihen zu lassen.
Nach Mitteilungen des „Vorwärts" soll Günther auch ein Büro
in den Räumen der „Deutschen Tageszeitung" eingerichtet haben
und sich in die Leitung dieses Dienstes mit einem gewissen unter
dem Verdacht der Beihilfe an der Ermordung Rathenaus verhaf-
teten Bocklitz geteilt haben. Nebenbei sei er Mitarbeiter der
„Deutschen Tageszeitung" gewesen, und zwar vis zu feiner Verhaf-
tung. Die ihm zur Verfügung stehenden Räume seien ihm zwar
vor einiger Zeit entzogen worden, als sich herausstellte, daß er unbs-
fugterweise Kopfformulare der „Deutschen Tageszeitung" benutzte,
um bei Agrariern und in Aristokratenkretsen Gelder sür seine
Zwecke zu erhalten, die ihm auch reichlich zuflossen und die er mit
seinen Kumpanen in Wein, Likören und dergleichen anlegte. Im
übrigen stehe Günther auch stark im Verdacht, seine Hand bei dem
Erzverger Mord im Spiel gehabt zu haben. Nach der Ermordung
Erzbergers habe er Berlin verlassen, angeblich um nach Parten-
kirchen zu fahren. Er sei damals mit einem Auslairdspaß ver-
sehen gewesen, der nicht aus seinen Namen lautete. Kurz nach der
Tat in Griesbach sei Günther in der Schweiz aufgetaucht, ohne
daß ein Grund für sein dortiges Verweilen vorhanden gewesen sei.
Günther sei auch mit dem Großadmiral v. Tirpitz bekannt gewesen,
der sich seit der Revolution in der Schweiz aushalte.
Herr Flesch, der Begrüßet Helfferichs.
Zu der am Montag im Büro der Deutschnattonalen Volkspartei
erfolgten Wiederverhaftung des angeblichen sind. jur. lind Marine-
leutnants a. D. Fritz Werner Flesch — des gleichen Mannes, der
eine halbe Stunde nach der Ermordung Rathenaus Herrn Helsferich
den Kranz mit schwarz-wetß-roter Schleife überbrachte — die diesen
politischen Abenteurer und seine Umgebung in erstaunlicher Weise
beleuchten.
Flesch ist 22 Jahrs all und mosaischer Konfession. Das
hat ihn nicht gehindert, gleich nach der Revolution die Nolle eines
wüsten antisemitischen Hetzredners zu übernehmen. Bei den Ja-
nuar- und Märzunruhen 1919 war sein ständiger Aufcnihall das
Eden-Hotel, Wo er sich mit der Bespitzelung Politisch linksstehender
Personen und Organisationen beschäftigte. Schon dort spielte er
sich als Offizier auf, obwohl seine mittärische Laufbahn nicht über
die eines Schreibers bei einer Marinelandfliegerabteilung yinaus-
gegangen ist.
Flesch war bereiets in die Matrosennngelegenheit Marloh ver-
wickelt. Zu Marloh hatte er die engsten Beziehungen. Bet Aus-
bruch des Kapp-Putsches tauchten Flesch nnd Marloh auch plötzlich
vereint auf und befehligten am halleschen Tor einen Teil der Ehr-
hardt-Brigade. Flesch wurde nach dem Putsch einige Male ver-
haftet, aber immer wieder «ms freien Futz gesetzt, obwohl er sich selbst
der Beziehung zu allerhand dunklen Taten brüstete.
Nach dem Kapp-Putsch gründete Flesch die Ortsgruppe Berlin-
Süd des Deutschvölkischen Jugendvundcs, dessen Vorsitzender er
längere Zett war. Erst als seine nwsaische Konfession ans Tages-
lich kam, mutzte er seinen Posten niederlegen.
Flesch ging dann nach Brasilien und brachte es bei den
dort bestehenden rechtsradikalen Organisationen der Ausländs-
deutschen zu hohen Ehren. Als ihr „Vertreter" betrat er vor etwa
acht Wochen wieder den heimatlichen Boden, mit reichlichen Geld-
Mittel« ausgerüstet, die ihm den Aufenthalt im Hotel Fttrstenhof
ermöglichten.
Eine halbe Stunde nach der Ermordung Rathenaus überbrachte
er dann Herrn Helsferich deu Kranz mit schwarz-weiß-roter
 
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