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Volkszeitung: Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung des ganzen badischen Unterlandes (Bezirke Heidelberg bis Wertheim) (4) — 1922 (Mai bis August)

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Nr. 141 - Nr. 150 (21. Juni - 1. Juli)
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Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung der Amtsbezirke Heidelberg, Wiesloch, Sinsheim, Eppinger», Eberbach, Mosbach, Buchen,

Adelsheim, Boxberg, Tauberbischossheim und Wertheim.

Bezugspreis: Monatlich einschl. Trägerlohn 26.— Mk., Anzeigenpreise:
Nie einspaltige Petitzeile (86 mm breit) 3.— MI., Reklame-Anzeigen
(38 mm breit) 8.— Mk. Bei Wiederholungen Nachlaß nach Tarif.
Geheimmittelanzeigen werden nicht ausgenommen.
Geschäftsstunden: 8—^6 Uhr. Sprechstunden derRedaktion: 11—12Uhr.
Postscheckkonto Karlsruhe Nr. 228/7. Tel.-Adr.: Volkszeitung Heidelberg.

Heidelberg, Donnerstag, 22. Juni 1922
Nr. 142 * 4. Jahrgang

Verantwort!.: Für innere u. äußere Politik, Volkswirtschaft n. Feuilleton:
Dr. E. Kraus; Kommunales, soziale Rundschau u. Lokales: I. V.: Dr.
E. Kraus; für die Anzeigen: A. Friedmann, sämtl. in Heidelberg.
Druck u. Verlag der Unterbadischsn Verlagsanstalt G.M.H.H., Heidelberg.
Geschäftsstelle: Schröderstraßs 39.
Fernsprecher: Anzeigen-Annahme 2673, Redaktion 2618.

Die Reparationspolitik vor dem Reichstag.
Die Deutschnationalen gegen Rathenau und die Sachleistungen. — Rathenan und Hermes
sprechen. — Zurückweisung der französsischen Uebergriffe im Rheinland und Saargebiet.

Die Verhandlungen mit dem
GsranLLekomitee.
»Die Ausgaben für Oper, Theater und andere künstlerische Zweck«
sind mit der Wirtschaftslage Deutschlands nicht vereinbar."
London, 21. Juni. Karl von Wygand meldet dem »New-
hork American" aus Berlin, daß wie in wohltnformterten alliierten
Kreisen verlautet, die interalliierte Garantiekommisston für die Sa-
nierung der deutschen Reichsfinanzen radikale Aenderungen im
deutschen Staatshaushalt für nötig hält. Die bevorstehenden Be-
sprechungen der Garantiekommisston mit der deutschen Regierung
werden sich nm die Einzelheiten des zur Kontrolle der deutschen
Finanzen zu schaffenden Apparates drehen. Maßgebende inter-
alliierte Kreise sind der Ansicht, daß ein Teil der zahlreichen staat-
lichen Unterstützungen, die gegenwärtig für Opern, Theater und
andere künstlerische Zwecke verwendet werden, mit der gegenwärti-
gen Wirtschaftslage Deutschlands nicht vereinbar sind. Weiter soll
in diesen Kreisen auch die Ansicht vorherrsche», der gegenwärtige
Fehlbetrag der deutschen Reichseisenbahnverwaltung könnte um
9 Milliarden vermindert werden, wenn ein Teil des geplanten
Ausbaues des Eisenbahnnetzes, der als überflüssig bezeichnet wer-
den könne, unter dem Zwange der Wirtschaftslage vom Programme
gestrichen werden würde. Der Rest des Fehlbetrags könnte durch
eine innere Anleihe gedeckt werden, bei der jedoch das Prin-
zip der jederzeit einlösvaren Schatzscheine strenge vermieden wer-
den »Nüsse, um einer weiteren Inflation vorzubeugen. In alliier-
ten Ftnanzkreisen glaube inan auch, daß die von der Garantiekom-
misston für nötig gehaltene praktische Revision des deutschen
Staatshaushaltes zwar keine bedeutende Kurssteigerung der Mark
erzielen werde, demgegenüber aber wahrscheinlich zu einer Stabili-
sierung des Markkurses führen würde.
Berli«, 22. Juni. Bei den Verhandlungen mit dem Garack-
tielomitee, die, wie angekündigt, gestern nachmittag begannen, wur-
den vier Ausschüsse gebildet, und zwar ein Ausschuß für
Etnnahmenund Ausgaben, ein zweiter für die Frage der
Kapitalflucht, ein dritter für die Arbeiten am Problem derschwe -
benden Schulden und ein vierter für die Statistik. Die deut-
schen Vertreter werden den Kommissionen des Komitees ihre Vor-
schläge unterbreiten, die dann in diesen Kommtsstonssitzungen er-
örtert werden.
Die Neuwahl des ReichspräfidenLen.
Berlin, 22. Juni. Das Reichskabinett trat gestern nach-
mittag unter dem Vorsitz des Reichskanzlers zu einer Sitzung zu-
sammen Die Vorlage des Reichsfinanzmtnister. über die Er-
höhung der Beamtengehiilter, die zirka 20 Prozent beträgt und am
1. Juni in Kraft tritt wurde angenommen. Sodann beschäftigte
sich das Kabinett mit der Neuwahl des Reichspräsidenten. Der
Reichskanzler machte davon Mitteilung, daß er bereits in nächster
Zeit »nit den Parteien in Besprechungen über die Festsetzung eines
Wahltermins eintreten wird.
Die von einer Korrespondenz verbreitete Nachricht, das; noch
in dieser Sitzungsperiode dem Reichstag ein Gesetzentwurf zugehen
wird, der die näheren Bestimmungen über die Neuwahlen enthalten
soll, ist, Wie die Test-Union von gut unterrichteter Seite erfährt,
irrig. Eines solchen Gesetzes bedarf es nicht mehr, nachdem be-
reits eine Vorlage voin 4. Mai 1926, die die näheren Ausführungs-
bestimmungen über die Wahl enthält, gesetzliche Kraft erlangt hat.
Es bleibt jetzt nur mehr übrig, daß der Reichstag den Termin
festsetzt.

Deutscher Reichstag.
Reparationsfragen.
Berlin, den 21. Juni.
Am Regierungstische Reichskanzler Dr. Wirth und Kom-
missare.
Auf der Tagesordnung steht die zweite Lesung des Gesetz-
entwurfes über das Bemelman-, das Wiesbadener und
das G ill et ab ko mm en, sowie die Vereinbarungen über dis
Ausführung von Reparationssachleistungen. Sechs Interpellationen
werden mit der Aussprache verbunden, und zwar eine Interpella-
tion Arnstadt (D.N.) über die Ratifizierung der Wiesbadener
Protokolle ohne die Zustimmung des Reichstags und eine Inter-
pellation Stresemann (D.VP.) über die Neutralisation der
Rheinlande durch England und Frankreich, eine Interpellation
Ert spien (U.S.P.) über die Ergebnisse der Verhandlungen mit
der Reparationskommission, eine Interpellation Dr. Rauscher
(Ztr.) über die Einstellung bzw. Zerstörung von Eisenvahnbauten
im besetzten rheinischen Gebiet, sowie eine Interpellation Marx
(Ztr.) und Barth (Komm.) über die Zustände im Saargebiet.
Abg. Dernburg (Dem.) berichtet über die Verhandlungen
des Auswärtigen Ausschusses, der gegen die Stimmen der beiden
Rechtsparteien die Reparattonsablommen gebilligt hat.
Abg. Dr. Reichert (D.N.) begründet darauf die Inter-
pellation, die gegen die Wiesbadener Beschlüsse Einspruch erhebt
«ud bei denen man den Reichstag völlig bei Seite geschoben hätte.
Vas Londoner Ultimatum sei undurchführbar und die Politik der

Regierung führe zum Ruin. Der größte Fehler an der jetzigen
Politik ist der, daß der Welt der Eindruck gemacht wird, als könnte
das deutsche Volk noch mehr leisten. Rathenau lst in Wiesbaden
tüchtig eingefeist worden. (Zuruf des Abg. Bernstein: Sie hätten
es Vesser gemacht?) Sicherlich, wir hätten es den Franzosen sehr
leicht gemacht. Der Pump, zu dem sich Deutschland da verstanden
hat, soll, lvie auch die Sozialdemokraten erklären, nur zur Stärkung
des französischen Militarismus dienen. Das Wiesbadener Ab-
kommen fördert nur den Ausverkauf Deutschlands, während eine
Ermäßigung des Tributs notwendig ist.
Abg. Moldenhauer (D.VP.) begründet eine Interpellation
der Deutschen Volkspartet betr. die angebliche Neutralisierung der
Rheinlande. Die ganze Welt »nutz auf diese Gefahr ausmerksam
gemacht werden. Ohne eine erhebliche Verminderung der Besatzung
ist eine Lösung des Reparationsproblems überhaupt nicht denkbar.
Die gesamten Besatzungskosten haben sich allein vis Ende März
1522 aus rund 5)H Milliarden Goldmark belaufen und 14 Mil-
liarden Papier in ar k. Dazu kommen die Sonderkosten für
die Besatzungskosten. Der Redner schildert daraus die seelische und
die wirtschaftliche Not der besetzten Gebiete, und verlangt Abhilfe.
Jede französische Kompagnie, die am Rheine steht, verhindert all-
jährlich den Aufbau eines französischen Dorfes. Der Redner ver-
weist dann auch auf die Exp a nstons b estreb u n gen der
französischen Presse. Frankreich wolle im Falle einer Zurückziehung
der Besatznngstruppen andere Garantien fordern. Frankreich strebe
nach der Rheingrenze. Die Separatisten im Rheinlande, die unter
französischem Schutze stehen, treten immer frecher auf. Der Redner
tritt darauf diesen hochverräterischen Bestrebungen mit aller Schärfe
entgegen, er kenne die Treibereien ihrer Führer, vor allein des
Herrn Smeet, der von den französischen Kommandanten in diesem
Falle zu Rate gezogen werde und geschützt werde. Der Redner
schließt mit einem Trenbekenntnis der Rheinlande zum deutschen
Vaterlande.
Abg. Dr. Levy (U.S.P.) fordert entsprechend einer Inter-
pellation seiner Partei Auskunft über die letzten Reparationsver-
handlnugen. Die stärkste Waffe der Regierung müsse das Ver-
trauen des Reichstags sein. Seine Partei werde die Er-
füllung der Regierung unterstützen, wenn die Lasten nicht allein
deur Proletariat aufgelastet werden.
Abg. Dr. Nauscher (Ztr.) erhebt darauf Einspruch gegen die
Ententenote, die die Zerstörung von Eisenvahnbauten
tm besetzten rheinischen Gebiete verlangt. Sinnlos und brutal sei
der Vernichtungswille der Entente, dessen kalten Hauch man zum
ersten Male am Tage des Waffenstillstandes gespürt habe. Dabei
haben die deutschen Verkehrsmittel jeden Militärischen Wert ver-
loren. Trotzdem wolle man die Erschließung des linksrheinischen
Kohlengebietes und Braunkohlengebtetes in der Nähe von Köln
unmöglich machen. An der Haltung der Rheinländer könne sich
ganz Deutschland ein Beispiel nehmen.
Abg. Dr. Boll (Ztr.) schildert daraus die Zustände im Saar-
gebiet, wo ein Vernichtungsfeldzug gegen das Deutschtum eingesetzt
hat. Große Empörung herrsche dort bei der ganzen Bevölkerung,
weil man deutsche Beamte des Landes verwiesen und Ausländer
hereingezsgen habe. Der Friedensvertrag werde von der Saar-
regierung dauernd verletzt. Eine skrupellose Propaganda sei am
Werke, um die Bevölkerung zu zermürben und das Land für eine
Annexion reif zu machen. Es wird sogar ganz offen ausgesprochen,
daß man den Anschluß von Oesterreich an Deutsch-
land billigen wolle, wenn das Saargeviet an Frankreich falle.
Man wolle also die Saarländer verschachern. (Rufe: Pfui, Hände
weg vom deutschen Land!) Der Völkerbundsrat verletze seine Ehre,
wenn er gegen die Saarregierung nicht einschreite. Das deutsche
Volk werde Die Saarbewohner niemals im Stiche lassen. (Beifall.)
Darauf beantwortet der Staatssekretär vom Wiederaufbaumi-
nisterium die Interpellation über das Wiesbadener Abkommen.
Er erklärte, daß der Auswärtige Ausschuß den Standpunkt der
Regierung geteilt habe, und daß die Zustimmung des Reichstags
nicht notwendig war.
Außenminister Dr. Rathenau
beantwortet darauf die anderen Fragen. Wegen der Neutralisierung
der Rheinlands habe die Regierung keinerlei Nachrichten erhalten.
Die Reichsregierung würde dafür niemals zu haben sein. Niemals
würden die Rhetnlande preisgegeben werden, die unerschütterlich
am angestammten Vaterlande sesthalten. (Beifall.) Mit Bezug aus
die Eisenbahnbauten tm besetzten Gebiete habe die Botschafterkon-
ferenz wirklich sestgestellt, daß die Einstellung der Bauten für
Deutschland eine Ersparnis bedeute, durch die die finanzielle Lage
Deutschlands eine Besserung erfahren würde. (Zuruf: Blutiger
Hohn!) Die Retchsregterung, die doch selbst jede Gelegenheit für
Ersparnisse wahrntmmt, vermag die Anschauungen der Botschafter-
konserenz nicht zu teilen, weil bet einer Einstellung dieser Etsen-
bahnbauten auch alle bisher verausgabten Millionen nutzlos ver-
schwendet wären. Die Eisenbahnen, die militärischer Natur sind,
sind übrigens bereits längst zerstört worden. Es ist eine Selbst-
verständlichkeit, daß neue Anlagen dieser Natur angesichts der all-
gemeinen politischen Lage und angesichts der deutschen Finanzen
nicht mehr geschaffen werden. Die deutsche Regierung ist nicht ver-
pflichtet. Einrichtungen zu zerstören oder deren Bau einzustellen,
wenn die Botschafterkonserenz glaubt, daß diese Einrichtungen mili-

tärische« Zwecken dienstbar gemacht werden könnte«. Die Reichs-
regierung wird diese Forderungen auch mit allem Nachdruck be-
kämpfen und sie wird beweisen, daß die Forderungen der Entente
schwere wirtschaftliche Schäden Hervorrufen werden. Einige der
neuen Linien sollten sogar die schnelle Lieferung der deutschen Re-
parationskohle erleichtern. Es ist zu hoffen, daß die Fordernnge«
der Entente aufgehoben werden. Der Minister bespricht dann
die Zustände im Saargebtet
und stellt fest, daß die Saarbewohner und das Saargebiet deutsch
sind. Die Rechte der Selbstbestimmung werden im Saargebiet ver-
letzt. Die Idee des Völkerbundes wird entwürdigt. Für dis
Saarländer ist es eitle schwere Probe, wenn sie 18 Jahre lang ein«
solch schwere Bürde ertragen sollen. Die wirtschaftliche Lage des
Saargebietes ist durch die Maßnahmen der Saarregierung schwe-
ren Schäden ausgesetzt. Die Regierung wird alles tun, um das
schwere Los der Saarländer zu erleichtern. Der Aufenthalt der
französischer; Truppen und die Existenz französischer Gendarmen
dort sind nicht zu rechtfertigen. Die politische Gesinnung der Be-
amten wird ständig überwacht. (Zuruf: Pfui Teufel!) Die Ein-
richtung der französischen Kriegsgerichte widerspricht dem Vertrag.
Die Massenausweisungen entbehren jeder Rechtsgrundlage. Die
Saarländer werden im Auslande durch Frankreich vertreten. Mau
hat Deutschland sogar zugemutet, es zuzulassen, daß die Saarländer
außerhalb des Saargevtetes ebenfalls durch Frankreich vertreten
werden. Der Minister weist dann nach, daß auch auf dem Gebiete
des Schulwesens viele Vertragswidrigkettelt vorgekornmen sind.
Es zeige sich dann das typische Bild einer Fremdherrschaft. Die
Bevölkerung erlebe Enttäuschung über Enttäuschung. Die Gut-
achten der Kreistage wären überhaupt nicht mehr berücksichtigt wor-
den und die Bevölkerung tm Saargebtet stehe sich ohne Vertrauen
gegenüber. Die Saarländer halten treu zürn angestammten Vater-
lande. Die Retchsregterung ist bemüht, ihnen in jeder Hinsicht zu
helfen.
Neber die Verhandlungen mit der Reparationskommission be-
richtet daraus
Reichsminister Dr. Hermes:
Die Reparationskommission hat die Gewährung des von der
Regierung beantragten Zahlungsaufschubs für das Kalenderjahr
1922 von einer Reihe Bedingungen abhängig gemacht, für deren
Annahme der 31. Mat als Termin festgesetzt wurde. Das Ergebnis
dieser Prüfung sollte entweder in einer Bestätigung des provisori-
schen Aufschubs oder in einer Unwirksamkeitserklärung der in
Cannes vereinbarten Zahlungsbedingungen bestehen. Da eiir No-
tenwechsel die Lage nicht völlig zu klären vermochte, so fanden Mitte
Mai Besprechungen statt. In diesen Beratungen hat es sich ledig-
lich um die Erörterung der schwebenden Fragen gehandelt mit dem
Ziel, eine Grundlage für eine Verständigung zu schaffen. Die Ab-
machungen selbst sind ausführlich in den Noten der Reichsregierung
an die Reparattonskommisston enthalten, die ihrem vollen Inhalt
nach dem Reichstag mitgeteilt worden sind. Mit der Note vorn
28. Mat 1922 hat die deutsche Regierung zu Den-Bedingungen der
Reparationskommission vom 21. März Stellung genommen. Die
Ausgaben des Reiches sind nach den letzten Schätzungen vorgelegt
und darauf hingewiesen worden, daß bei den gewaltigen Fehlbe-
trägen im Haushalt das Anwachsen der schwebenden Schuld nur
verhindert würde, wenn Deutschland eine
äußere Anleihe
erhalte. In dieser Voraussetzung hat die deutsche Regierung in
der Note vom 22. Mat feste Vorschläge gemacht. Danach würde
zunächst vom Betrage der schwebenden Schuld die Summe abzu-
ziehen sein, welche sie zur
Beschaffung ausländischer Zahlungsmittel
verwendet hat. Der verbleibende Mehrbetrag sollte in einer ande-
ren Kreditform beschafft werden. Erst wenn dies nicht gelingen
würde, sollte ev. ein Ausbau des Steuersystems in Betracht gezogen
werden. Aber gerade diese Maßnahme war davon abhängig ge-
macht, daß in angemessener Frist eine Unterstützung durch eine
auswärtige Anleihe erfolgen würde. Die Anleiheverhandlungcn
sind vertagt worden. Ich hoffe, daß sie bald wieder ausgenommen
Werden. Aus einzelne Steuern ist in Parts nicht eing?gangen wor-
den. Dem Abg. Levi will ich noch erwidern, daß diese Besprechun-
gen sich auch nicht auf die Fragen erstreckten, die in der Inter-
pellation Crispien erwähnt worden sind. Auf die Erwerbslosen-
fürsorge, auf den Achtstundentag, auf die soziale Fürsorge ist mit
keinem Wort eingegange» worden. Nach der Vertagung der An-
leiheverhandlungen hat die Regierung eine Entschließung noch nicht
gefaßt, welche Schritte zu ergreifen sind, wenn die sämtlichen er-
wähnten Voraussetzungen nicht zutresfen sollten. Wegen der Ka-
pitalflucht usw. sollen Wettere Verhandlungen mit dein Garantie-
komitee stattfinden. Das Garantiekomitee wird die Souveränität
Deutschlands nicht antasten. Auch der geregelte Gang des Verwal-
tungsapparates wird nicht gestört werden. Die Autonomie der
Reichsbank ist durch Reichsgesetz vom 6. Mai dieses Jahres ge-
regelt. Ueber die Forderungen, die seitens der Reparationskom-
mission in dieser Frage erhoben werden, werden weitere Verhand-
lungen zu führen sein. Auf die Note der deutschen Regierung vorn
28. Mai 1922 hat die Reparattonskommisston festgestellt, 1. daß die
 
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