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Volkszeitung: Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung des ganzen badischen Unterlandes (Bezirke Heidelberg bis Wertheim) (4) — 1922 (Mai bis August)

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Nr. 101 - Nr. 110 (2. Mai - 12. Mai)
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lksze»iung

Tageszeitung für die Werktätige Bevölkerung der Amtsbezirke Heidelberg, Wiesloch, Sinsheim, Eppingen, Eberbach, Mosbach, Buchen,

Adelsheim, Boxberg, Tauberbischofsheim und Wertheim.
1— . ' ......—.. .^WMM1«MSWMSV--S-S-!W»E

Bezugspreis: Monatlich einschl. Trägerlohn 20.— Ml-, Anzeigenpreise:
Die einspaltige Petitzeile (36 mm breit) 3.— Mk., Reklame-Anzeigen
(93 mm breit) 8.— Mk. Bei Wiederholungen Nachlaß nach Tarif.
Geheimnnttelanzeigen werden nicht ausgenommen.
Geschäftskunden: 8—'/z6 Uhr. Sprechstunden derRedaktion: 11—12Uhr.
P ostscheSkonto Karlsruhe Nr. 22 577. Tel.-Adr.: Volkszeitung Heidelberg.

Heidelberg, Dienstag, 2. Mai 1822
Nr. 181 * 4. Jahrgang

Verantwort!.: Für innere u. äußere Politik, Volkswirtschaft u. Feuilleton:
Dr. E. Kraus; für Kommunales, soziale Rundschau und Lokale«
O. Deibel; für die Anzeigen H. Horch ler, sämtliche in Heidelberg.
Druck u. Verlag der Unterbadischen Verlagsanstalt G.m.b.H., Heidelberg.
Geschäftsstelle: Schröderstraßs 39.
Fernsprecher: Anzeigen-Annahme 2673, Redaktion 2618.

M in Asm in llWkll FlW.
Barthou Noch in Genua. — Die KrediLaugeboLe der Westmachte au Rußland. —
Englisch-französische Wiederannäherung?

* Heidelberg, den 2. Mal.
Alle seit Samstag über Genua eingelausenen Berichte zeigen,
das; die Rußlandsrage wieder in Len Vordergrund der Kon-
ferenzarvetten getreten ist. Die Russen haben durch einen Brief an
den Vorsitzenden dagegen protestiert, daß man sie so lange aus Ant-
wort auf ihr Angebot warten laste und gleichzeitig in sehr sarkasti-
scher Weise dagegen protestiert, daß man dauernd ohne sie „unter
sich" verhandle. Wenn die nachstehende Meldung richtig ist, so
Haben sich in den Sonntags- und Montagssitzungen die Mächte der
groben und kleinen Entente sowie die Neutralen über die Antwort
an die Russen geeinigt, aber selbst wenn dieselbe heilte noch der
russischen Delegation überreicht wird, so wird doch schwerlich vor
Ende dieser Woche irgend eine Entscheidung fallen können. Nach
einigen Meldungen, die natürlich im Moment nicht nachgeprüst
werden können, sollen sich die Franzosen stark dem cnglisch-itatteni-
schen Standpunkt t« der russischen Frage genähert haben, wogegen
Lloyd George anderseits in der Burgfriedensfrage sowie in dem
Plan der Konferenz der Versailler Vertragsmächte starke Konzessio-
nen an Poincarö gemacht habe. Tatsache ist nur, datz Barthou
bis jetzt noch nicht nach Paris abgereist ist, es wird sogar behauptet,
daß Lloyd George selbst nach Paris reisen will, um sich mit Poin-
care auszusprechen, was uns nicht gerade sehr hoffnungsvoll stim-
men dürste, da es jedenfalls einer neuen Kapitulation des eng-
lischen Premier vor der französischen Machtvollst! gleichkäme.
Die russische Delegation hat in den letzten Tagen viel mit
Noten gearbeitet. Neven der oben erwähnten, die an den Vor-
sitzenden der Konferenz gerichtet war, setzte Tschitscherin in
einer solchen an Barthou den Franzosen auseinander, datz der
deutsch-russische! Rapallovertrag keinerlei militaristische oder poli-
tische Geheimvestimnmngen mit der Spitze gegen Frankreich ent-
halte. Das Abkommen von Rapallo sei nach der Absicht der russi-
schen Politik nur der Beginn einer Reihe von Abmachungen, die
das allgemeine Abkommen ergänzen sollet;, das die Mächte in
Genua mit Rußland erstreben. Auf diesen Brief hat der Chef der
französischen Delegation erklärt, daß er den Brief noch am Sonn-
tag abend an Potncarä Weitergeleitei habe und datz er
die Aufrichtigkeit dieses Schreiben- nicht anzweifle. Frankreich
fühle gegenüber dem ehemaligen russischen Verbündeten treue
Freundschaft.
Das Memorandum an die Russen fsrtrggEsteM.
Genua, 2. Mai. In der gestrigen Nachmittagssitzung der
Vertreter der einladenden Mächte, an der auch Polen, Schwe-
den, Rumänien und die Schweiz teilnahm, wurde das
Memorandum an die Rusten vollständig ausgearbeitet
und angenommen.

Rußlands beitragen. Alle auf der Konferenz vertretenen Länder
haben den Willen gezeigt, sich daran zu beteiligen. Sobald die
ersten Pioniere Erfolg gehabt haben, werden ihnen andere folgen.
Von verschiedenen Ländern sind Bestimmungen getroffen, von
Lenen Rußland Nutzen haben kann, sobald mit ihm ein Abkommen
abgeschlossen worden ist, das den in dieser Einleitung folgenden
Bestimmungen entspricht. Verschiedene europäische Länder haben
die Einrichtung eines internationalen Konsortiums mit
SO Millionen Pfund Sterling
beschlossen, um die Unternehmungen zu finanzieren, die dem Wie-
deraufbau Rußlands dienen sollen. Hinter diesen Kapitalien stehen
die finanziellen Hilfsmittel jedes Landes. Verschiedene Länder
sind bereit, unmittelbar jedem ihrer Staatsangehörigen beträcht-
liche Darlehen zu gewähren, der in Rußland Handel treiben
will. Zu diesen staatlichen Krediten müssen sich die privaten
gesellen
In England garantiert das Gesetz über die Erleichterung
des Handels Kapital und Zinsen denjenigen finanziellen Unter-
nehmungen, die über See und im eigenen Lande bestehen. Wenn
die Sowjetregierung die Unternehmungen ermutigt, kann dieses
Gesetz auf Rußland angewandt werden. Die in Betracht kommende
Summe beträgt 25. Mill. Lstrl. Ferner kann die englische Regie-
rung noch 15 Mill. Lstrl. für derartige Unternehmungen zur Ver-
fügung stellen. Frankreich beschloß in Cannes, sich in derselben
Höhe wie England am Konsortium zu beteiliget». Es kann Ruß-
land Sämereien, Maschinen, technisches Personal zur Verfügung
stellen. Ferner kann Frankreich 1200 Lokonwtiven, 25000
Güterwagen und 2500 Personenwagen liefern. Italien zeich-
nete 20 Prozent des Kapitals und ist bereit, alle Unternehmungen
zu unterstützen, die der Wiederherstellung der Verkehrswege dienen,
und ferner den Verkauf russischer Erzeugnisse zu organisieren.
Japan hat einen Kredit von 8 Millionen Jen für die russisch-
japanische Handelsgesellschaft bewilligt. Die belgische Regie-
rung hat einen Kredit von 250 Millionen bewilligt zur Ausfuhr-
erleichterung. Sie will ferner den belgischen Ftnanzleuten gestatten,
sich mit 20 Prozent am Konsortium zu beteiligen. Wenn die in
Rußland getroffenen Einrichtungen das Vertrauen wiederhergsstellt
haben, werden sie in Belgien außerordentlich große Summen zur
Wiedereinrichtung der belgischen Fabriken und Bergwerke in Ruß-
land finden.
Zum Wiederaufbau ist Zett erforderlich, aber es ist ein wich-
tiger Anfang gemacht. Sobald der erste erfolgreiche Anstoß gegeben
ist, und wenn sich zeigt, datz der Weg gesichert ist, werden andere
folgen.
In der heutigen Verhandlung wurden ferner die Bestimmun-
gen bezüglich des Verbotes der Propaganda angenommen. Be-
züglich der Kriegsschulden besteht aber noch ein englisch-franzö-
sischer Gegensatz. Die Engländer sind für eine Verminderung,
die Franzosen lediglich für das Moratori u in. Hierüber
wird in einer Redaktionskommission beraten, um eine Einigung
zu finden. Es ist ferner über die Eigentums frage eins
Formel vorgeschlagen, über die Montag weiter beraten wird.
Das Memorandum ist bis jetzt den Russen noch nicht übergeben
worden.

Die Mntgurrgsforrnel Mer Rußland.
Genua, den 30. April.
Gestern vormittag berieten die Mächte den endgültigen Ent-
wurf der Antwort auf das russische Me morand urn,
wobei dem entgegenkommenden englisch-italienischen Entwurf der
schärfere französische gegenüberstand. Die Einleitung des Memo-
randums, die sich mit der Notwendigkeit der wirtschaftlichen Wie-
derherstellung Rußlands beschäftigt und die Frage des Finanz«
konsortiums behandelt, wurde angenommen, ebenso Art. 1
(Verpflichtung für Rußland, von jeder umstürzlerischen Propaganda
Abstand zu nehmen). Um 1 Uhr fand eine Mittagspause statt.
In der Nachmittagssitzung wurde die einleitende
Antwort an die russische Delegation angenommen. Sie
besagt in ihrem wesentlichen Inhalt folgendes: Rußland sei in
der Vergangenheit ein wichtiges Glied des europäischen Wirt-
schaftssystems gewesen. Heute ist es jedoch völlig erschöpft. Dies
hat die Schwierigkeiten, unter denen die Welt leidet, erhöht. Wenn
auch der Ausfall der russischen Gctreidelieferungen allmählich aus-
geglichen wurde, so stellen doch Elend und Hungersnot in Rußland
eine Bedrohung Europas dar, die die Mächte zu beseitigen streben.
Der Wiederaufbau Rußlands erfordert den Beistand
des Kapitals und der Handelserfahrungen der
westlichen Länder, wenn die Angehörigen dieser Länder die
Sicherheit haben, daß sie ihre ehemaligen Unternehmungen wieder
betreiben und neu schaffen können, daß ferner ihr Besitz und ihre
Rechte geschützt werden, wenn sie ruhig wieder ihre Erfahrungen,
ihr Kapital und ihre Arbeit znr Verfügung stellen.
Rußland bietet große Möglichkeiten. Sein Zusammenbruch
hat seine Hilfsmittel labmgelegt, aber nicht vernichtet. Die russische
Landwirtschaft mutz wieder hergestellt werden, seine Berg-
werke müssen wieder eröffnet werden, seine Fabriken müssen
wieder arbeiten. Aber augenblicklich bedarf Rußland der Lebens-
mittel, Kleidung, Arzneien, landwirtschaftlichen Maschinen nsw.
Alles das kann es von den Industrieländern geliefert bekommen
sobald die Sicherheit wiederhcrgestcllk und die Schulden an-
erkannt sind. Jedes, Land kann erfolgreich zum Wiederaujban

Der 1. Mai im Reich.
Berlin.
Berlin, 1. Mat. Die heutige Maifeier der sozialistischen
Parteien gestaltete sich trotz Negenwetters zu einer Massen-
kundgebung, wie man sie bisher hier kaum gesehen hatte. Es
beteiligten sich über 200 000 Menschen an der Feier, so daß der
Platz um das Schloß nicht ausreichte und die Umgebung, darunter
ein Teil der Straße Unter den Linden für die Feier in Anspruch
genommen wurde. Mit der Ouvertüre 1812 von Tschaikowsky setzte
die Feier ein und nach Vorträgen von Sängervereinigungen spra-
chen von etwa 30 Stellen aus Redner der verschiedenen sozialisti-
schen Gruppen. Die Feier, die in einen Ruf aus die Internationale
ausklangk-ging ingrStzierOrdnun g vor sich. Das Geschäfts-
leben war heute nicht unterbrochen. Sämtliche Verkehrsmittel
waren gleichfalls in Betrieb, in vielen größeren Industriebetriebe»
war dagegen Arbeitsruhe. Namentlich beteiligte,; sich hieran die
Buchdrucker. Infolgedessen erscheinen heute abend und mor-
gen keine Zeitungen.
Frankfurt a. M.
Die Maifeier in Frankfurt a. M. gestaltete sich zu einer
machtvollen Kundgebung der organisierten Arbeiterschaft. Unter
Führung des Gewerkschaftskartells und des Afabundes einigten
sich die drei Arbeiterparteien zu einer gemeinsamen Demon-
stration. Morgens 10 Uhr fand auf den» Opernplatz eine riesige
Versammlung statt, bei der Redner der drei verschiedenen Parteien
zu den Massen sprachen. Von hier aus bildete sich ein gewaltiger
Demonstrationszug durch die Hauptstraßen der Stadt, dessen Vor-
beimarsch wett über eine Stunde währte. An der Demonstration
nahmen ungefähr 80—100 000 Feiernde teil. Die Arbeitsruhe war
in Frankfurt a. M. fast allgemein durchgeführt. Auch die städt.
Betriebe und Verwaltungen feierte» zum größten Teil, trotzdem die
bürgerliche Mehrheit der Stadtverordnetenversammlung eine» An-
trag der sozialdemokratischen Fraktion auf Arbeitsruhe abgelebitt
tzarir.

Schwere Zusammenstöße in Leipzig.
Leipzig, 1. Mai. Bei der Leipziger Mai-Demonstratio»
kam es heute gegen Mittag vor der Universität auf dem Augustus-
platze zu einem blutigen Zwischenfall. Die Arbeiter be-
gaben sich nach zahlreichen Versammlungen in den verschiedenen
Stadtteilen am Bormittag in geschlossenem Zug nach dem Augustus-
platze, wo sine gemeinsame öffentliche Demonstration Mer
sozialistischen Parteien stattfand. Auf der am Augustusplatze be-
findlichen Universität war nach Anordnung der sächsischen Regie-
rung die Reichsflagge gehißt. Als die Demonstration gegen
12 Uhr vormittags ihr Ende erreichte, wurde plötzlich, anscheinend
von Studenten, auf dem Universttätsgebüude die Reichsflägge her-
untergeholt und dafür die Nniversitätsflaggs auf Halbmast gehißt.
Dieser Vorgang rief unter de»» Demonstranten große Erregung her-
vor. Die Menge versuchte in die Universität einzudringen, deren
Tore jedoch geschlossen waren. Obwohl einige Arbeiterführer aus
die aufgeregte Menge beruhigend einsprachen, gelang es doch
einigen Arbeitern, durch ein Geitentor in das UrrtversttStsgevLude
einzudringen und aus das Dach zu gelangen. Von den Einge-
dnmgenen »vurde die Universitätsflagge vom Maste gerissen und
aus die Straße geschleudert, wo sie von Demonstranten zerrissen
»vurde. Als die in das UniversttStsgevkude eingedrungencn Ar-
Leiter sich wieder auf die Straße zurückbegeben wollten, wurden sie
im Innern der Universität von Schutzleuten angehalten. Es
kam dort zu eine,« Handgemenge, wobei die Schutzleute von der
blanken Waffe Gebrauch machten und eine Anzahl der Arbeiter
zum Teil schwer verletzten. Die Verletzten wurden in ein
»»eben der Universität befindliches Cafe gebracht und von Sama-
ritern verbünde»». Der Zwischenfall hat große Erregung unter der
Arbeiterschaft hervorgerufen. Eine große Menge vor der Univer-
sität versuchte, sich der an dem Zwischenfalle beteiligten Schutzleute
und Studenten zu bemächtigen.
München.
M ünchen, 2. Mat. Die Maifeier der sozialdemokratischen
Parteien in München ist ordnungsmäßig verlausen. Auf der The-
restenwiefe fand eine gemeinsame Kundgebung statt, zu der die
einzelnen Sektionen der Stadtteile »ntt Fahnen und Plakaten in
geschlossenem Zug kamen. Der französische Sozialist Grum -
bach hielt eine kurze Ansprache, in der er die Grüße des fran -
zösischenProletariats überbrachte und die Hoffnung aus-
sprach, daß der Sozialismus und das internationale Proletariat
in dem heutigen Wirrwarr der kapitalistischen Weltwirtschaft den
Sieg erringen werde. Zum Schluß zogen die Teilnehmer nach
dem Ostfriedhof, wo ein Denkmal für die Revolutions -
gefallenen enthüllt wurde. Der Verkehr auf den Straßen
entwickelte sich in gewohnter Weise. Alle Zeitungen mit Aus-
nahme der sozialdemokratischer» Blätter sind in gewohnter Weise
erschienen.

Die WürzbAPger FmKnznrinifterlvnfrrenA.
Hermes über die Finanzlage.
Würzburg, 28. April. Auf Einladung des Neichsministers
der Finanzen trat heute in Würzburg eine Konferenz zusammen,
an der die Finanzminister aller Länder Deutschlands und von den
größten Ländern auch die Innenminister teilnahmen. Auf der
Tagesordnung stehen die wichtigen Fragen des Finanzausgleichs
zwischen Reich, Lauder» und Gemeinden. Reichsfinanzminister
Hermes eröffnete die Konferenz mit einer Ansprache,, in der er
ausführte:
Die Länder und mit ihnen die Gemeinden lebensfähig zu
erhalten, ist nicht bloß die verfassungsmäßige Pflicht, sondern eine
unmittelbare Notwendigkeit des Reiches. Nicht minder aber sind
Lie Lauder, die Gerneinden angewiesen, auf den Bestand und die
Leistungsfähigkeit des Reiches. Als Notgemeinschast ist das Reich
allen seiner» Gliedern nötiger denn je. Wie in» Reichstag ausge-
führt, wird der fast untragbare Druck der wirtschaftlichen und po-
litischen Lage, der auf dem Reich und seiner Fiuanzgebarung lastet,
sich notwendig weiter fortsetzen und auswirken, auch tn den Ländern
und Gemeinden. Es wird von Interesse sein, wenn ich mitteile,»
kann, Laß nach einem vorläufigen Abschluß des Rechnungsjahres
1S21 die Einnahmen des Reiches aus Steuern mW Abgaben an-
nähernd SO Milliarden betragen haben, was gegenüber einem Vor-
anschlags von nur 56,6 Milliarden ein Mehr von etwa 60 Prozent
bedeutet. (Woran natürlich lediglich die Geldentwertung
und Teuerung schuld sind, nicht eine besonders energische Fi-
nanzpolitik. Die Schriftleitung.) Die Einkommensteuer ist
daran mit rund 28 Milliarden beteiligt, gegenüber einem Etat-
anschlage von ursprünglich 12 Milliarden, später 20 Milliarden,
und die Um satz steuer mit fast 12 Milliarden gegenüber einem
Etatsanschlage von ursprünglich 5,4, später 9 Milliarden. Wenn
dieses Ergebnis auch zum Teile auf Lie Geldentwertung
zurückzuführen ist, so stellt es anderseits doch einen sichtbaren Be-
weis dafür dar, daß die Finänzverwaltung des Reiches nunmeyr
stetig läuft. Man darf hiernach die sichere Hoffnung hegen, datz es
nicht lange mehr dauert, bis auch die letzten Schwierigkeiten der
Umstellung überwunden sein werden. Im Ernste dem; heute Wohl
niemand mehr daran, den Abbau der eigenen FinanzverwEung
des Reiches zu fordert», oder den Vorrang des Reiches
aus steuerlichem Gebiete grundsätzlich zu bcanstanverr.
Umso stärker mache» sich die Bestrebungen geltend, die eine Revi-
sion des geltcnLcn Rechtes über Finanzausgleich zwischen Reich,
Ländern und Gerneinden in wichtigem Punkten verlangen. Es sind
vor allem die Gemeinden, die hier besonders weitgehende An-
sprüche erheben. Wenn die Länder irr dieser Beziehung lediglich
eine gewisse Zurückhaltung bewahrt habe», so glaube ich, darin der»
Ausdruck der Tatsache erblicken zu dürfet!, daß die Finanzlage der
Länder zum mindesten dem Verhältnis zu derjenigen des Reiches
mit vereinzelten Rusnaynreu immerhin noch erträgsich genannt
werden kann. Ein Schuldenstand pro Kopf der Bevölkerung von
60.8 Mk- in Preußen und 23L Mk. in Badern kann, in jedem IM»
 
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