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Volkszeitung: Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung des ganzen badischen Unterlandes (Bezirke Heidelberg bis Wertheim) (4) — 1922 (Mai bis August)

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Nr. 141 - Nr. 150 (21. Juni - 1. Juli)
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https://doi.org/10.11588/diglit.48723#0279
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Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung der Amtsbezirke Heidelberg, Wiesloch, Sinsheim, Eppingen, Eberbach, Mosbach, Buchen,
Adelsheim, Boaberg, Tauberbifchofsheim und Wertheim.

Bezugspreis: Monatlich einschl. Trägerlahn 26.— Mk-, Anzeigenpreise:
Die einspaltige Petitzeile (36 mm breit) 3.— Mk., Reklame-Anzeigen
<88 mm breit) 8.— Mk. Bei Wiederholungen Nachlaß nach Tarif.
Geheimnnttelanzeigen werden nicht ausgenommen.
Geschüstsstunden: 8—'/.,6 Uhr. Sprechstunden der Redaktion: 11—12 Uhr.
Postscheckkonto Karlsruhe Nr. 22377. Tel.-Adr.: Volkszeitung Heidelberg.

Heidelberg, Donnerstag, 29. Juni 1922
Nr. 148 * 4. Jahrgang

Verantwort!.: Für innere u. äußere Politik, Volkswirtschaft u. Feuilleton:
Dr. E. Kraus; Kommunales, soziale Rundschau ».Lokales: I. V.: Dr.
E. Kraus; für die Anzeigen: A. Friedmann, sämtl. in Heidelberg.
Druck u. Verlag der Unterbadischen Verlagsanstalt G. m. b. H., Heidelberg.
Geschäftsstelle: Schröderstraße 39.
Fernsprecher: Anzeigen-Annahms 2673, Redaktion 2613.

MkMlWkMMeWW
SP. Berlin, 28. Juni. (Priv.-Tel.) DerVorstanddes
Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsvundes hat
in Ausführung des Beschlusses des Leipziger Gewerk-
schaftskongresses sich mit dem Vorstand des Asabu Il-
des und der drei sozialistischen Parteien in Verbin-
dung gesetzt. In gemeinschaftlichen Beratungen sind von den
Unterzeichneten folgende Forderungen beschlossen worden:
An die Reich srcgierung und den Reichstag:
Das Gesetz zum Schutz der Republik muß enthalten:
Sofortiges Verbot und strenge Bestrafung jeder monarchisti-
schen Kundgebung in Wort, Bild und Tat; Bestrafung auch
derjenigen, die solche Agitation oder Angriffe auf die Republik
oder ihre Organisationen irgendwie verherrlichen, beloh-
nen oder begünstigen; Verbot und sofortige Auslösung aller
Monarchistischen oder antirepubltkanischen Verbindungen;
Verbot der monarchistischen Fahnen und Farbe n; so-
fortige Beseitigung aller monarchistischen Embleme in den öffent-
lichen Gebäuden und Anstalten; Bestrafung jeden An-
griffs in Tat, Wort oder Bild auf die republikanischen Farben
und Fahnen; strenge Vorschriften für Säuberung der Re-
gierungsstellen und Behörden einschließlich der Rei ch s-
wehr und des Gerichts von allen monarchistischen und anti-
republikanischen Elementen; Aushebung derjenige» Rechte, die dics-
srr Säuberung entgegenstehe».
Verbot des WassentragenS außerhalb des Dienstes;
Bervotdes Uniformtragens ehemaliger Offiziere; Unter-
sagung weiterer Ernennung von Reserveoffizieren; Ein-
setzung eines a u ß e r o r d e n t li ch e n G e ri ch t s h o f e s in
Berlin, dessen Kammer aus je eine,» Richter und sechs Laienrichtern
bestehen, die vom Reichspräsidenten zu ernennen sind; Uebertragung
der Anklage-Erhebung an einen vom Reichsjustizministerium zu er-
nennenden r ep n v l i k a n i s ch en Re ich s k o mm is s ar; Schaf-
fung einer Reichst x e < u t i ve, insbesondere einer ReichsMmi-
uatpolizei; Vorschriften zur Erleichterung der Verhaf t n n g sol-
cher Personen, die gegen Gesetze zum Schutz der Republik ver-
stoßen; Bestimmungen über Beschlagnahme und Einziehung
des Vermögens der Verurteilten, sowie Entziehung der Pen-
sion und Bezüge. Die Geltungsdauer des Gesetzes ist zu-
nächst auf mindestens zwei Jahre festgesetzt. Vom Reichstag
erwarten wir, daß er dieses Gesetz in kürzester Frist verabschie-
d e t und nicht früher auseinandergeyt, bis es in Kraft getreten
ist.
Unabhängig davon fordern wir sofortige Amnestie im
Reiche und in den Ländern aller wegen politischer Vergehe» Ver-
urteilter, mit Ausnahme derjenigen, die im Sinne dieses Gesetzes
strafbare Handlungen begangen haben. Amnestie auch für die aus
Anlaß des Eisenbahner ft reiks zur Verantwortung Gezo-
genen, Einstellung aller aus demselben Anlaß eingeleiteten Diszi-
plinarverfahren. Die politischen Arbeiterparteien ha-
ben sich verpflichtet, diese Forderungen gemeinsam durchzusetzen und
alle Maßnahme»» der Regierung znr Erreichung dieses Zieles zu
unterstützen.
Von den Gewerkschaftsmitglieder»» und Beam-
te,», von allen Arbeitnehmern Deutschlands, verlangen wir jetzt
eine absolute Einigkeit, geschlossene Disziplin und Bereitschaft
zur Unterstützung unseres Vorgehens, sobald wir dazu aufruscn,
Boi» de» Gewerkschaften und Arbeiterparteien
des Auslandes, die uns wiederholt ihre Unterstützung znr
Erhaltung der Deutschen Republik zugestchcrt haben, fordern wir
jetzt eine starke Einwirkung auf ihre Regierungen in
der Richtung, daß die Entente jetzt vor» ihrer Gewaltpolitik
gegen das deutsche Volk, die den Nationalisten und Mo-
narchisten immer neue Agitattonswaffen geliefert hat, endlich ab-
läßt.
An alle republikanischen Organisationen richten
»vir die Aufforderung, sich unseren Forderungen anzuschltcßen und
auch ihre Kraft für die Durchführung einzusetzen.
Zur Beschlußfassung über dieweiteren Maßnahmen und die
Mitwirkung der gesamten Arbeitnehmerschaft sind die beiden Bun-
desausschüsse des Allgem. Deutschen Gewerk-
fchaftsbundes zu einer ordentliche,» Sitzung nach Berlin
berufen worden.
Berlin, 27. Juni 1S22.
Allgemeiner Deutscher Gcwerkfchaftsbund: Leipart, Graßmanu —
Allgerneiner freier Angcstetttcnbnnd; Aufhiiufer. Urban. — Sozial-
demokratische Partei Deutschlands: Müller. Bram». — Unabhängige
Sozialdemokratische Partei Deutschlands: Crispien. Dittmann. -
Kommunistische Partei Deutschlands: Meyer. Konen.
*
Wir freuen uns außerordentlich über die Klarheit und Schärfe
Mit der hier die Forderungen der sozialistischen Arbeiterschaft for-
muliert worden sind. Die Einheitsfront, die hier zwischen
den drei sozialistischen Parteien, dem A.D.G.B. und der Afa zum
Schutze der Republik und zum entschiedenen Kampfe gegen die Re-
aktion gebildet worden ist, ist unüberwindlich, solange sie überhaupt
besteht. Und sie muß bestehen, bis die obigen Forderungen restlos
durchgesührt worden sind. Die politisch und gewerkschaftlich orga-
nisierten Massen müssen ihre Gleichgültigkeit ihren Jndtfserentts-
mus aufgeben, sie müssen scharf darüber Wachen, daß die Führer
sich nun auch für die Durchsetzung dieser Forderungen einsetzen.
Es hat keinen Sinn, wie das so oft geschieht, immer nur alles von
den Führern zu erwarten nnd auf die Führer zu schimpfen, wenn
es nicht so geht, wie man es gern haben möchte. Die Arbei-
te r s ch a f t h a t d t e F ü h r e r, d i e s t e v e r d t e n tl Der Mord
an Nathenau war nur möglich, weil nach dem Mord an Erzberger
die proletarische,» Masse,» wieder einer unglaublichen Gleichgültig-

keit »»nd Wurstigkeit anheimne,allen sind. Nach wie vor abonnieren
sie in ihrer großen Mehrhsft diebttrgerlichePresse, ihren
größten Politischen und wirtschaftlichen Todfeind und bei den Wah-
len, insbesondere bei der letzten Landtags Wahl, war insbe-
sondere die Wahlbeteiligung des Proletariats geradezu entsetzlich
flau. Dadurch haben die Arbeiter sich mitschuldig gemacht am
Wiedererstarken der Reaktion, die uns in ihrer Rührigkeit, Ge-
schäftigkeit und Energie ein wahres Musterbeispiel politischer Be-
triebsamkeit sein kann. Wenn alle Republikaner besonders die Ar-
beiterschaft, sich so um die Republik, ihren Ausbau und ihre Si-
cherung bemühen und betätigen würden, wie das das die deutsch-

nationale, deutschvölkische und antisemitische Reaktion um ihre
Ideen tut, wahrlich es stände besser um uns.
Es kommt jetzt alles auf die Durchführung der Verordnungen
der Reichsregierung und der obiger» Forderungen an. Wir dürfen
nicht die Hände in den Schoß legen und diese Durchführung allein
den Regierungen und unseren Genossen in den Parlamenten über-
lassen, wir selbst, das Volk, wir müsse»» die Kontrolle, und wenn
es sein mutz, auch die Durchführung ft» die Hand nehmen. Wir
haben feierlich gelobt. Wir wollen nicht mehr nur Worte, wir
wollen Laten.

Auf den Spuren der Mörder!

Mitglieder der Organisation „C" und
Brigade Ehrhardt.
Das Mörder Automobil gefunden.
Berlin, 28. Juni. Von der Abteilung l a des Berliner Po-
lizeipräsidiums wurde heute vormittag folgende Meldung ausge-
geben: Der Kraftwagen, der von den Mördern des Außenmini-
sters Rathcnau vermutlich bei der Ausführung der Tat benutzt
worden ist, ist gestern von der Berliner politischen Polizei ermittelt
und slchergestellt worden.
Die Personalien der Mörder Dr. Rathenaus.
Berlin, 29. Juni. Rach dem die Abteilung I a des Berliner
Polizeipräsidiums bereits gestern den zur Ermordung Rathenaus
benutzte» Kraftwagen ermittelt und im Polizeipräsidium sicher-
gestellt hatte, ist es jetzt gelungen, die Mordtat in vollstem
Urn fange ausz »kläre« und die Täter fest zustellen.
Die Täter sind 1. Ernst Werner T e ch o w, 21 Jahre alt, in Berlin
geboren, zuletzt in Berlin wohnhaft; 1,78 Meter groß, dunkelblondes
gescheiteltes Haar, voller Mund, bartlos, rundes Kinn, gesunde
frische gebräunte Gesttchsfarbe. Kleidung: Grauer Jakettanzug,
.langes Beinkleid, weißer Filzhut. 2. Hermann Fischer (auch
Vogel genannt, Spitzname Pcchner) letzter Aufenthaltsort Flöha
(Sachse«), auchEhemnitz. Nicht älter als 25 Jahre, 1,75—1,78
Meter groß, hellblond, Helle Sttrnbranen, bartloses, plattes, schma-
les aber gesundes Gesicht, schlanke Gestalt, sächsische Mundart. Klei-
dum: Blauer, Zreihiger Sakko-Anzug, gelbe Halbschuhe, gelber Re-
genurantel, weißer Umlegkragen, lange Kravatte. 3. Knauer (auch
Körner und Kern genannt), gleichfalls nicht älter als 25 Jahre, 1,73
bis 1,75 Meter groß, hellblond, hohe Stirn, blaue Augen, Sattel-
nase, spitzes Kinn, breites Gesicht, gebräunte gesunde Gesichtsfarbe,
kräftige breitschultrige Gestalt, Mecklenburger Dialekt. Kleidung:
Blauer, 2 reihiger Sakko-Anzug, schwarze Stiefel, weißer Steh-
kragen, kleine schwarze Kravatte, Filzhut.
Der erwähnte Knauer war während des Kapp-
Putfches bei der damaligen KappschenStaatswache. —
Festgcnommen find die drei Täter bis jetzt noch nicht. Sie haben
sich aus Berlin entfernt. Da sie nach den persönliche,» Feststellun-
gen z. Zt. der Tat nicht über große Geldmittel verfügte,» und auch
keilte Pässe hatte»», ist damit zu rechnen, datzdieTSterstchim
Inland« aushalte»». Techow ist am Samstag abend mit
dem D-Zug 8 Uhr 35 Mi«, nach Halle abgefahren, die beider» ander»»
haben vermutlich ain Dienstag mittag Berlin verlassen und sich
nach Norden begeben. Eine Anzahl weiterer Personen, die der
Mittäterschaft überführt sind, wurden von der Berliner politischen
Polizei festgenommen. Die drei genannten Täter gehören
derOrgantfattonKonsnlan und waren früher Angehörige
der Brigade Erhard.
Neue Enthüllungen bevorstehend.
Berlin, 29. Juni. Im Hinblick auf die außerordentlichen
Ermittelungen der Polizei, gewährte der Chef der Berliner politi-
schen Polizei Oberregierungsrat Dr. Weitz dem Mitarbeiter des
„Berliner Tagblattes" noch in vorgerückter Stunde eine Unter-
redung, in der sich Dr. Weitz besonders über die Gründe auslietz,
die ihn zu der Preisgabe der Namen der Mördr veranlaßt haben.
Dr. Weitz erklärte, daß ihm die Täter nicht erst seit gestern bekannt
wären, daß er aber ihre Namen solange geheim halten wollte, wie
er rnit der Möglichkeit rechnen konnte» die Mörder in Berlin zu ver-
haften. Erst gestern abend, als die Nachforschungen nach den Tä-
tern ergaben, daß sie alle drei Berlin verlassen haben, entschloß er
sich, ihre Namen der Oefsentlichkeit preiszugeven. Nun rechnet er
»nit Rücksicht auf die Empörung, die die Mordtat in allen Kreisen
der deutschen Bevölkerung ausgelöst hat mit -er Höchstbeteilig,»ng
-es Publikums an der Aufklärung des Verbrechens. Wenn auch
sämtliche Grenzen für die Täter gesperrt sind, wenn auch ihr Sig-
nalement auf allen Polizeistationen des deutschen Reiches vorliegt,
so ist es doch dringend erforderlich, daß das Publikum selbst mit
auf die Mörder fahndet, um ihnen auch so die letzte Möglichkeit
einer Flucht ins Ausland zu nehmen. Auf diese Weise hofft man
auch den Unterschlupf der Mörder irgendwo aus denk platten
Lande zu verhindern. Schon im Verlauf des heutige,» Vormittags,
so erklärte Dr. Weiß, dürste die politische Polizei mit noch weiteren
Enthüllungen, die für die Mitarbeit des Publikums von großer
Bedeutung sind, vor die Oefsentlichkeit treten.

Dkl MM MM« j» MU.
Das VerLrauensVoLrrm für die Regierung.
(Der ausführliche Bericht der Montag-Nachmittags-Sitzung.)
Präsident Wrttemaun eröffnet die Sitzung um 5.10 Uhr. DaS
Haus und die Tribünen des Hauses sind dicht besetzt.
Eingegangen ist eine kommunistische Interpellation, wie der
deutschnattonalen-auttsemUischen Mordhetze ein Ende bereitet wer-
den kann.
Die deutschnationale Interpellation gegen den „Volksfreund"
wegen des Attentats mit Blausäure gegen Scheidemann
Abg. Dr. Mayer-Karlsruhe (D.N.): Das Attentat auf Schei-
demann ist noch nicht aufgeklärt. Man kennt die Urheber nicht.
Man deBtete jedoch wie auf Kommando auf Vie Deuischnationalen.
Die Zeitungen der Koalierten überboten sich in dieser Unterstellung.
Unter den Blättern mit schärfsten Wendungen befand sich der
„Volksfreund". In» „Volksfreund" wird von der skrupellosen
Hetze Leutschnattonaler Blätter gegen Scheidemann gesprochen. Es
wird gesagt, nationalistische Mordbuben finden die Unterstützung
der deuischnationalen Partei. In einer Kundgebung der sozial-
demokratischen Partei sind ähnliche Redewendungen enthalten.
Es wird vom Treiben deutschnationaler Mörderbanden gesprochen.
Solche Auspeitschung sinnloser Leidenschaften bringen unser Volk
noch um. (Spöttische Heiterkeit links.) Darum haben wir diese An-
frage gestellt. Wir Haven zur badischen Regierung das Vertrauen,
das; sie unparteiisch ist. Diesem sträflichen Treiben mutz der Boden
entzogen werden. Wir denken an einen Apell an die Vernunft, an
die Gerechtigkeit, an die Selbstbesinnung. (Spöttische Heiterkeit
links.) Bewiesen ist gegen die Deutschnationalen nichts, und es
kann auch nichts bewiesen werden. (Zwischenruf links: Ihr Un-
schuldslämmer.) Auch die deutsche Schuld am Kriege ist nicht be-
wiesen, sondern eine Lüge. (Abg. Bock (Komm.): Das glauben Sis
ja selbst nicht.) Das deutsche Volk ist ein Opfer geworden (Abg.
Frau Unger (USP ): Der Wölfe in» Schafspelz), ein Opfer der
Lüge. Wir mißbilligen den Angriff auf Scheidemann (Heiterkeit
links.) Man muß uns glauben. Die Negierung mutz beruhigen-
wirken. (Abg. Maier-Heideliberg (Soz.): Wenn man euch vors
Gericht stellen würde so kämet ihr ins Zuchthaus.) Unsere Anfra-
ge war zeitgemäß. (Abg. Bock (Komm.): Zeitgemäß war sie nicht.)
Der Staat mutz moralisch wirken.
Innenminister Remmele.
In diesen ernsten Tagen war die jetzige Rede eine Provokation.
Wir fragten uns in der Regierung, mit welchen Gefühlen die
Deutschnaiionalen diese Anfrage stellten und wie sie das Vorgehen
des Staatsanwalts gegen den „Volksfreund" verlangten. Dabei
wird von der eben gehörten Parteirichtung ständig gegen die Re-
gierung gehetzt. Und zwar in einer Weise, datz man fragt,
wie lange sich die Regierung dies gefallen läßt.
Wir haben bis heute in den letzten Wochen eine Zeit durchlebt, Wir
vor den» Kapp-Putsch und vor dem Erzberger-Mord. Die Vor-
gänge in Bayern und bei den Johan isfeiern zeigen, was
die Deutschnationalen erwarten. Wir haben mit vieler Not und
Mühe die Vorgänge von 1918 überwunden und waren bestrebt,
die Volkseinheit zu erhalten. Mit zusammengebissenen Zäh-
nen sah das Volk die alte Reichsftagge hängen. Die neue Reichs-
flagge wurde jedoch heruntergeholt. Der evangelische Kirchenrah
der das Wohlwollen der Regierung nötig hat, hängt beim Verlust
Oberschlesiens die schwarz-weiß-rote Fahne heraus. (Abg. Mayer-
Karlsruhe: Wollen sie gegen die evangelische Kirche Hetzen?) Nein,
ich Hetze nicht. Aber ich spreche die Wahrheit. Abg. Hertle vonk
Landbund hielt es für nötig, dem Reichspräsidenten und dem Mi-
nister Remmele Nntüchtigkeit vorzuwerfeu, weil sie nur die Volks-
schule besuchten. So wird gehetzt. Zum Vorgehen gegen den
„Volksfreund" wegen des Artikels ist die Regierung gar nicht im
Stande. Es ist interessant, datz die Ermordung Erzbergers erfolg-
te nach einer autzerpolitischen Hetze der Deutschnationalen. Genau
so ging es beim Mord an Rathenau nach der Hetze Helfserichs.
Schwache Personen erliegen leicht dieser deutschnationalen Hetze.
Die Mitel für die Mordhetze werden, das mutz gesagt werden, durch
Sammlungen der Industrie aufgebracht. Im kaiserlichen Deutsch-
land kämpfte die Arbeiterschaft jahrzehntelang um Gleichberechti-
gung. Sie wurde verfolgt und gemaßregelt. Aber nie griff sie zu
ungesetzlichen Mitteln. Trotz Sozialistengesetz damals, keine Ent-
artung der Sitten. Durch diese Mordhetze steht die Republik kn
großer Gefahr. Dte deutschnationale Anfrage zeigt, wie stark man
sich bet den Deutschnattonalen fühlt. Wenn der „Volksfreund" den
Deutschnationalen ins Gewissen redet, so ist dies eine Sache der
Beteiligten! Für die Regierung bestehl kein Anlaß zum Einschrei-
ten. Sie Regierung bat noch nie nach dem Vertrauen der Deutsch-
nationalen gegeizt, sie geizte aber auch nicht nach dem Verträum de«
 
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