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Volkszeitung: Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung des ganzen badischen Unterlandes (Bezirke Heidelberg bis Wertheim) (4) — 1922 (Mai bis August)

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Nr. 171 - Nr. 180 (26. Juli - 5. August)
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Tageszeitung für die Werktätige Bevölkerung der Amtsbezirke Heidelberg, Wiesloch, Sinsheim, Eppingen, Eberbach, Mosbach, Buchen,
Adelsheim, Bömberg, Tauberbischofsheim und Wertheim.

Bezugspreis: Monatlich einschl. Trägerlohn 32.— Mk., Anzeigenpreise:
Die einspaltige Petitzeile (36 mm breit) 3.— Mk., Reklame-Anzeigen
(kL mm breit) 8.— Mk. Bei Wiederholungen Nachlatz nach Tarif.
Geheimmittelanzeigen werden nicht ausgenommen.
Geichästsstunden: 8—'/-6 Uhr. Sprechstunden derRedaktion: 1l—12 Uhr.
Postscheckkonto Karlsruhe Nr. 22S77. Tel.-Adr.: Volkszeitung Heidelberg.

Heidelberg, Samstag, 29. Juli 1922
Nr. 174 * 4. Jahrgang

Verantwort!.: Für innere u. äußere Politik, Volkswirtschaft n. Feuilleton:
Dr.E. Kraus; für Kommunales, soziale Rundschau und Lokales:
O-Geibel; für die Anzeigen: A. Friedmann, sämtl. in Heidelberg.
Druck «.Verlag derUnterbaoischsn Verlagsanstalt G.m.b.H., Heidelberg.
Geschäftsstelle: Schröderstratze 39.
Fernsprecher: Anzeigen-Annahms 2673, Redaktion 2613.

Zur Lage.
Kr. Heidelberg, den 29. Juki.
Was wir sofort nach dem Rathenaumord voraussahen und als
das Schlimmste für unser gegenwärtiges Schicksal befürchteten, ist
eingetreten: eine Verschärfung und erneute Zuspitzung der inner-
politischen Parteikämpfe und dadurch eine gefährliche und bedenk-
liche Schwächung unserer austenpolitischen Front. Eben erst hat
die deutsche Regierung unter dem Druck der neuesten Valutakata-
strophe ihr zweites Stundungsgesuch an die Entente gerichtet. Noch
ist eine Antwort nicht erfolgt, Hangen und Bangen in schwebender
Pein ist heute unser Los, ein gut Teil unserer wirtschaftlichen Zu-
kunft wird von dieser Antwort abhängig sein. Seit etwa 10 Tagen
geht ein intensiver Brief-, Noten- und Meinungswechsel zwischen
Paris und London hin und her, ohne datz es bisher gelungen ist,
die diametral gegensätzlichen Standpunkte Lloyd Georges und
Poincares in der Reparationssrage auf einen Generalnenner zu
bringen. Noch ist das Datum der neuen Londoner Alliiertenkonfe-
renz unbestimmt, sie ist durch die recht langwierige italienische Re-
gierungskrise wieder in Frage gestellt. Umso notwendiger Wäre
gerade im gegenwärtigen Augenblick eine möglichst grosse politische
Geschlossenheit im Innern, es müßte unter allen Umständen alles
vermieden werden, was auch nur entfernt die außenpolitische
Stellung der Negierung zu schwächen und unseren Auslandskredit
-zu schädigen geeignet ist. Schon wiederholt.haben wir darauf hin-
gewiesen, daß auch im Ausland, und zwar nicht nur bet den Neu-
tralen, Kräfte am Werke sind, die dem Schicksal und der Not Deutsch-
lands weitgehend gerecht zu werden suchen, und die alles daran-
setzen, die vergiftete Atmosphäre von Versailles zu reinigen und
zu säubern. Die zur Zeit in London tagende Internationale
Friedenskonferenz und die Haltung der englischen Dele-
gation aus ihr ist ein neuer Beweis dafür.
Aber immer wieder wird all diese demokratisch-pazifistische
Pionierarbeit für Deutschland geschwächt und zunichte gemacht
durch die Reaktion im Innern, die ja begreiflicherweise kein Jnter-
7sse daran Hat. daß unter dem neuen System unsere Lage sich
irgendwie bessere. Der Mord an Rakhenau, in dem die verblende-
ten Mörder und die verhetzten Studenten von Salza, die deren
schwarz-weitz-rctt bekränzte Särge zum Grabe geleiteten, eine „na-
tionale" Heldentat sahen, Haven uns fast völlig wieder um das
außenpolitische Prestige gebracht, das wir uns in geduldiger und
mühevoller Arbeit vor und in Genua errungen hatten. Man sollte
glauben, datz es angesichts dieser Situation für jeden Deutschen, der
auf gesunden Menschenverstand Anspruch erhebt, nur eines gäbe:
Unterstützung der Regierung in ihrem Kampf gegen die reaktionären
Mörderbanden, gegen alle Verhetzung und Vergiftung der politi-
schen Atmosphäre durch blinden Fanatismus. Aus dieser Erkennt-
nis heraus ist auch die überwältigende Zweidrittelmehrheit von
St rese mann bis Crispten im Reichstag für das Schutz-
gesetz der Republik zustande gekommen. Und darnm ist das, was
Bayern nunmehr macht, nicht nur ein harmloser staatsrechtlicher
Kampf mn eine mehr oder minder große föderalistische Selbständig-
keit, sondern Hochverrat am Reiche und an der Weimarer Ver-
fassung, es ist eine furchtbare Erschütterung der innen- und außen-
politischen Stellung der Reichsregierung, es ist die Vorbereitung.
Ermutigung und Unterstützung der monarchistischen Konterrevo-
lution und damit ein ungeheures Verbrechen am ganzen deutschen
Volk. Wir werden wieder alle miteinander schwer büßen müssen
für diese Extratouren der Münchener Reaktionäre, die nicht müde
werden, immer wieder auf ihre „bayerische Eigenart" zu pochen,
obwohl doch jedes Kind weiß, datz es nicht die bayerischen Volks-
genossen sind, die diese antideutsche, vaterlandsverräterische Politik
machen, sondern die depossedierten und deklassierten preußischen
Generäle, Barone und Junker, die unter dem Schutze der bayeri-
schen „Ordnnngs zelle" L IL Kahr-Pöhner die Rückkehr
des alten Systems vorbereiten. Wie stark auch die Politik
des Grasen Lerche nseld von der extremsten Reaktion und
ihrer Ideologie beherrscht wird, zeigt dessen Rede im bayerischen
Landtag, mit der er seine reiwsfeindliche Politik zu begründen
suchte. Sie deckt sich in ihren Vorwürfen gegen die Schutzgesetze
des Reichstags fast im Wortlaut mit der Terminologie der von
uns gestern zitierten „Heimattandbriefe" der bayerischen Orgesch.
Man wirft den Gesetzen Klassenherrschaft, Bolschewismus, scham-
lose Einseitigkeit vor und das alles, trotzdem zwei Drittel des
Reichstags einschließlich der Deutschen Bolkspartei und alle Staaten
desMeichsrats außer Bayern ihnen zugestimmt haben. Es blieb
der berüchtigten „Süddeutschen Zeitung" Vorbehalten, diese baye-
rische Politik als „Kampf für Deutschland", als „heilige Mission
für unser geliebtes deutsches Vaterland" zu Preisen. Diese Worte
sprechen für sich!! ....
Die Reichsregierung bat ibren auch von nichtdemokratischek
Fachjuristen anerkannten und gebilligten Rechtsstandpnukt mit er-
freulicher Schürfe und Eindeutigteit gegen Bayern dargelegt,.es
scheint, daß sie gewillt ist, den nach Art. 13 der Reichsverfassung
zuständigen Staatsgcrichtshof zunächst sprechen zu lassen. So klug
an sich die vorsichtige und konziliante Art zn bewerten ist, mit der
Reichspräsident und regierung die deiikate Angelegenheit behandeln
- man möchte ja Wohl ein energischeres Durchstreifen wünschen,
ko lote es etwa gegen die Räterepublik in München geschehen ist,
aber angesichts der nun einmal (leider!) vorhandenen macht-
politischen Lage dürste Wohl kaum ein anderes Vorgehen politisch
in Frage kommen! , wir dürfen uns doch nicht darüber täuschen,
das; die Gefahr immer noch eine ganz ungeheure ist und daß das
Problem amu nicht damit gelöst sein wird, daß mau etwa unter
der Voraussetzung, daß Bayern seine Sonderverordumrg zurück-
ziehr, für. Bayern beim Staaigerichtshof einen besondere« bayeri-
schen Senat cinricmet und ihm zu sichert, das; auch beim Inkraft-
treten des Retcb.Nciniinaipolizeigesetzes durch Schaffung einer be-
sonderen baye'lischen Abteilung enlgegilukomnlt. Was heute Bayern
recht ist, las?» morgen feder andere Staat als für sich billig ver-

langen. Das ist der Anfang vom Ende des Einheitsstaates, wie
er zur Freude aller wahrhaften Demokraten und Republikaner in
Weimar zu bauen begonnen worden ist. Erringt diese bayerische
Politik nennenswerte Erfolge, dann bedeutet das die Rückwärts-
drehung der ganzen einheitsstaatlichen Entwicklung der letzten 3 st?
Jahre, die Rückkehr zum Bundesstaat seligen Angedenkens oder
gar zum uoch loseren Gefüge des Staatenbundes. Schon wehren
sich ja auch andere Staaten, sichtlich nicht ohne Einfluß des baye-
rischen Beispiels, gegen jeden weiteren Ausbau der einheitsstaat-
lichen Tendenzen. Ist es nicht lächerlich und direkt eine große
groteske Tragikomödie, datz Baden ausgerechnet im gegenwär-
tigen Moment, wo das Reich um seine innen- und außenpolitische
Existenz ringt, nichts besseres zu tun Weitz, als beim Reichsrat da-
gegen zu protestieren, datz die Karlsruher Eisenbahngencraldirrktion
in Zukunft Reichseisenbahndtrektion heißen soll!! Das wäre gewiß
eine ^furchtbare Schädigung der ftämmischen Eigenart des badi-
schen Volkes, kaum zu überleben. Wir protestieren auf das ent-
schiedenste gegen diese Kantönlipolttik übelster Sorte
und bedauern nur, daß solche Dinge von einer Regierung gemacht
werden, in der auch Sozialdemokraten sitzen. Entweder werden
diese einfach überstimmt oder aber — Gott sei's geklagt! — sie sind
in diesen Fragen ebenso enghorizontig wie die spießigen Bürger-
lichen, für letzteres würde die skandalöse Vogelstraußpolitik in der
württembergisch-badischen Vereinigungssrag« sprechen. Wahrlich,
es ist weit mit uns Deutschen gekommen!
Der Brief des Reichspräsidenten
an den Grafen Lerchenfeld.
München, 28. Juli. Reichspräsident Ebert hat an den
bayerischen Ministerpräsidenten Grafen von Lerchenfeld folgendes
Schreiben gerichtet:
Hochverehrter Herr Ministerpräsident!
Die Stellungnahme der bayerischen Regierung gegenüber dein
Gesetze zum Schutze der Republik erfüllt mich mit ernster Sorge
nutz'z.mn.m .stich, Jhuur loksentzeL mstzmetlrk: Dir von der baye-
rischen Regierung zu diesem Gesetze erlassene Verordnung steht
nach meiner und der Reichsregierung Auffassung und Ueberzeugnng
in Wider sPruch zu der Reichs Verfassung. Sie stellt
eine schwere Störung der deutschen Rcichseinheit
dar, die bei ähnlichen Schritten auch anderer Länder den Bestand
des Reiches gefährden müsse. Aus meiner Aufgabe als Hüter
der ReichSverfaffung und des RcichSgedankens erwächst mir daher
die Pflicht, gemäß Art. 48 der Reichsverfassung auf die Auf-
hebung der bayerischen Verordnung Hinz uw ir-
k e n. Ich möchte mich zu diesem, mir durch die Verfassung gewiese-
nen Schritte erst dann entschließen, wenn ich die Ucüerzeugung ge-
winne, datz auch die letzten Mittel zu einer Verständigung und
schnellen Beilegung dieses Konfliktes erschöpft sind. Ich bitte Sie
daher, sehr geehrter Herr Ministerpräsident, im Interesse unseres
deutsche« Volkes und Landes, das uns beiden yleichermatzen am
Herzen liegt, nochmals in Erwägungen eiwzutreten, ob es nicht
möglich erscheint. Ihnen und mir diese» mir so unerwünschten
Schritt zn ersparen. Ich benutze diese Gelegenheit, um gegenüber
den in Bayer» ausgetauchten Befürchtungen mit allen, Nachdruck zu
betonen, datz die Auffassung durchaus irrig ist, in dem Gesetze
werde dir systematische Beseitigung der bayerischen Hoheitsrechie
eingeleitet. Die aus der schwersten Not in der Gegenwart gebore-
nen und nur für einen gemessenen Zeitraum geltende,r Bestimmun-
gen sind Levensnotwendigkeiten unseres bedrohten staatlichen Da-
seins. Sie sollen und können aber in ihrem Vollzug in keines
Weife den staatlichen Charakter der einzelnen Länder veeinträch
tige», der in der ReichSverfaffung fest begründet, gerade die Stärke
des Reiches darstellt und dessen Wahrung während der Dauer
«reiner Amtsführung ich mir zur besonderen Aufgabe gemacht habe.
Zur beschleunigtenKlärungdrr innen- und außenpolitisch
gleichermaßen gefährdeten Lage und angesichts der mir aus der
ReichSverfaffung obliegenden Verpflichtung darf ich mir die Bitte
erlaube», mir i» tunlichster Bälde Ihre Antwort zugtheu zu lassen.
Mit den, Ausdruck meiner aufrichtigen Hochschätzung
sehr ergebener gez. Evert.

Die Verhandlungen Liber den Mord an
Ratbenau.
Die Gerichte arbeiten gegeneinander statt miteinander.
Berlin, 28. Juli. Amtlich. Ein Teil der Tagespresse be-
richtete, daß die Verhandlung in der Mordsache Rakhenau im Ok-
tober vor dem Staatsgerichtshos stattfinde. Die Mitteilung
ist irrig. Gegenwärtig ist der vom Staatsgerichtshof eingesetzte
Untersuchungsrichter mit der Bearbeitung der Angelegen-
heit beschäftigt. Wenn sich auch noch kein genauer Termin für die
Hauptverhandlung bestimmen läßt, wird man mit Sicherheit damit
rechnen können, daß die Verhandlung bereits im September
stattfindet. Der von der Berliner politischen Polizei wegen Be-
günstigung sestgenommene Mieter der Bürg Saaleck, Schrift-
stel l e r S t e i n, sowie der ebenfalls wegen Begünstigung von der
Berliner Polizei sestgenommene Kapitänleutnant Wolfgang Diet-
rich aus Erfurt wurden nicht vorn Untersuchungsrichter des
Slaatsgerichtshoses, sondern von dem zuständigen Berliner
Amtsrichter aus freien Fuß gesetzt. Der Oberreichsanwalt

ordnete sofort, als er von der Freilassung Kenntnis erhielt, die
neuerliche Festnahme Steins und Dietrichs an. Daraufhin wurde
Stein, der sich noch in Berlin aufhielt, am Freitag von der Berliner
Polizei wiederum festgenommen»

Wieder einer Ablehnung.
Das deutsche Gesuch um Herabsetzung der Barzah-
lung e n im Ausgleichsverfahren von 2 Millionen Pfund Sterling
(40 Millionen Goldmark) auf 500 00« Pfund (10 Millionen) ist von
Frankreich schroff abgelehnt worden.

Badische Politik.
Die Zufarnmenlunfk der südwestdeutschen
Staatspräsidenten.
Karlsruhe, 28. IM. Die Staatspräsidenten von Würt-
temberg, Baden und Hessen traten heute, Freitag, den 28. Juli
1922, in Bruchsal zu einer Beratung über die durch die Verord-
nung der bayerischen Regierung vom 24. Juli 1922 geschaffenen
Lage zusammen. Sie gelangten zu einer übereinstimmen-
den Beurteilung der Situation und werden zunächst ihren
Kabinetten Bericht erstatte«.
Abgeordnete Fra« Unger am rechten Platz.
Auch in Baden scheinen sich die Verhältnisse bei den Unab-
hängigen zu klären. Wenigstens gilt diese Klärung für die Ver-
tretung der Unabhängigen Sozialdemokratie im Badischen Landtag.
Abg. Frau Unger hat sich nämlich, wie wir hören, entschlossen,
der kommunistischen Partei veizutreten. Zu verwundern ist dies
nicht. Denn das Herz der temperamentvollen Vertreterin Lahrs
fühlte sich sicher schon lange vorn Sowjetstern angezogen. Nun Hai
sie die Konsequenzen gezogen. Was den Abg. FreidH os von
der Unabhängigen Sozialdemokratie betrifft, so scheint er nicht ab-
geneigt zu sein, nach dem Vorbild des Reiches und anderer Länder
mit der Sozialdemokratischen Partei eine Arbeitsgemeinschaft ein-
gehen zu wollen.
Wsr ist der Verfasser des Geheimberichts,
des XIV. k. ?
Der „Bad. Beob." schreibt m feiner «estrigen Nummer:
Die Interpellation der deutsch-nationalen Landtagsfraiktton
hat die Veröffentlichung des gesamten Gcöermberichts durch den
Herrn Finanzmimster im badischen Landtag zur Folge gehabt,
Usber den Inhalt des Berichts war im gangen Landtag nur eine
Meinung: Lüge, Verleumdung, Gemeinheit. Nach dieser rest-
losen Verurteilung des bösartigen Machwerks besteht auch ein
starkes Interesse für die Beantwortmug der Frage: Wer ist für
den Geheimbericht verantwortlich? Aus dem Seekreis ist jüngst
an den Staatspräsidenten die offene Anfrage gerichtet worden, ob
das Gerücht sich bewahrheite, daß als Verfasser der Ministerialrat
im Ministerium des Kultus und Unterrichts, Dr. Bartning in
Frage komme. Der Herr Knltusrninister hat daraus unseres Wis-
sens eine Antwort nicht gegeben. Er hat allerdings jüngst im
badischen Landtag einmal erklärt, daß er nicht auf alles eine Ant-
wort gebe. Im vorliegenden Fall wird er sich indes aber schon
gefallen lassen müssen, daß aus dem Schweigen Schlüsse gezogen
weiden. Keine Antwort ist ja auch eine. Wer schweigt, erklärt ost
dadurch seine Zustimmung.
Der Geheimbericht trägt als Unterschrift den' Namen des
Obersten Aleseld. Eß scheint alber, datz dieser von dem Bericht
nicht mehr viel wissen und die Schuld auf den Verfasser Abschieden
will. Das eine ist jedenfalls richtig, datz Oberst Alsfeld Heu Bericht
lediglich unterzeichnet hat. Gan; kann er sich damit der Verant-
wortung keineswegs entzichen. Immerhin aber wird zuzugeben
fkln, daß die Hauptverantwortung den Verfasser des LügeNberichi»
trifft. Die Ermittlung desselben dürste nach der Bekanntgabe des
gesamten Berichts irichl mehr schwer fallen. Der Geheimbericht
entstammt der Abteilung des Stellv. Generalkommandos 14. A.
K. iw-Abwehr. An der Spitze desselben stand Hauptmann Bart-
uing, der heutige Ministerialrat im KultusrniMtcrinm. An ihm
liegt es »tun, sich zu äußern, nachdem die Vermutung für seine Ur-
heberschaft sich schärtet hat. Jedenfalls muß Stellungnahme kei-
nerseits gefordert werden. Wir sind gespannt, ob die Vermutung
des Abg. Strobel sich bewahrheitet, daß der Oberst und der Haupt-
mann von der Absendung des Lügenverichts nach Berlin absolut
keine Ahnung hatten, daß vielmehr ein „Obergefreiter", dessen
heutiger Aufenthalt nicht mehr festzustellen ist, die Verleumdungen
erfunden hat.
Hier muß Farbe bekannt werden. 'An der Aufklärung der
Dache scheint uns das größte Interesse der Herr Kultusminister zu
habe«. Wir können uns nicht denken, daß er riskieren will, etwa
das Geschick des Oberst Ulesold zu letten nnd eines Tages sich vor
die Tatsache gestellt zu sehen, datz er einen Lügenbericht unterschrie-
ben hat, den ihm, abgefaßt von einem „Suba'lternschreiber", sein
Referent vorgelegt hat.
Aber auch der Grundsatz des Abg. Nia rum gewinnt jetzt an
Bedeutung: „Wir müssen verhindern, datz die Träger des alte»
Systems im neuen Staat wieder das Steuerruder des Staates tu
die Hände bekommen." Uentzerer Parteiw schiel, ein- oder auch
mehrmÄs vorgenommen, ist noch wicht ohne weiteres eine Gewähr
für tiefgründigen Gesinnungswechsel. Das Gebot der Stunde ist
daher unbedingte Klärung der Saattage. Entweder ist Herr Dr.
Bartning nicht der Verfasser des gemeinen Lttgenberichts, dann
mutz seine gefährdete Ehre in aller Ocfjenilichkeit wieder hevgestellt
Werden, oder aber Herr Bartning ist für dcn Berittst verantwort-
lich, dann wird er die Konsequenzen Stellen müssen. Die vom
Herrn Kultusminister bisher bequemte Methode des Schweigens
geht fürder nicht mehr an.
 
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