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Dr.E. Kraus; für Kommunales, soziale Rundschau und Lokales:
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Killinger freigesprochen.
Die Anklage des Staatsanwalts. — Ein unverständliches Urteil.
* Heidelberg, den 14. Juni.
Unverständlich! Das war unser erster Eindruck, als wir lasen,
das; die Geschworenen in Offenburg nach diesen fünftägigen
Verhandlungen und nach diesem Plaidoyer des Staatsanwalts
Bürger in einer kurzen Beratung von kaum 10 Minuten die beiden
ihnen vorgelegten Schuldfragen verneinten und den Angeklagten
freisprachen. Wohl konnte man auf eine Verneinung der ersten
Schuldfrage gefaßt sein, da unseres Erachtens ganz stichhaltige
Beweise dafür, daß Killinger vorher vom Mord an Erzverger
gewußt und dafür seinen Beistand zugesagt hat, nicht erbracht wer-
den konnten. Damit wollen wir nicht sagen, daß dem nicht etwa
doch so sei, aber es wäre begreiflich gewesen, daß den Geschwore-
nen das Beweismaterial zur Bejahung dieser außerordentlich
schweren Schuldsrage nicht überzeugend genug erschien. Ganz sicher
aber haben wir eine volle Bejahung der zweiten EventuaSsrage nach
Vegstnstigung erwartet, dafür schienen uns im Laufe der
Verhandlungen und durch die verschiedensten Zeugenaussagen doch
genügend Beweise erbracht zu sein. - Mit Recht hat auch der
Staatsanwalt zum mindesten den Tatbestand der Begünstigung als
gegeben angesehen. Anders die Geschworenen, aus sie scheinen die
beiden Reden der Verteidiger mehr Eindruck gemacht zu haben als
die Rede des Staatsanwalts. Insbesondere hat es der zweite
Verteidiger Dr. Schlelein-München anscheinend glanzend ver-
standen, die reine „vaterländische" (!) Gesinnung Killingers ins
entsprechende Licht zu rücken, nur aus diesem vaterländischen In-
teresse habe er sich der „ungerecht verdächtigten" Geheimorganisa-
tion e angsschlossen. Auch eine entsprechend einseitig aufge-
banschte Darstellung der Münchener Rätezeit hat scheinbar
ihren Eindruck auf die Geschworenen nicht verfehlt.
Nun, die Akten sind ja noch nicht endgültig geschlossen, auch
die Schuldsrage Killingers wird durch den demnächst stattfindenden
Münchener Prozeß gegen die Geheimorganisation 0 und, falls
Schulz und Thillessen, die eigentlichen Mörder Erzbergers, doch
noch aufgegrtffen werden sollten, auch im Prozeß gegen diese neu
beleuchtet und nochmals ausgcrollt werden. Das darf man doch
Wohl bei aller Unbefriedigtheit über das Offenburger Urteil als
positives und unumstößliches Ergebnis dieses Prozesses buchen,
daß es geiungcn ist, Schnlznnd Thillessen einwandfrei als
die Mörder Erzbergcrs festzustellen. Die Arbeit, die hier von:
Gericht, der Staatsanwaltschaft und Polizei, geleistet worden ist,
berdient unsere volle Anerkennung, sie hat der Zuverlässigkeit und
Gründlichkeit unserer badischen Justiz ein neues ehrendes Zeugnis
ausgestellt. Wenn im Münchener Prozeß ebenso gearbeitet wird,
dann mutz cS allmählich gelingen, der Mörherzentrale hab-
haft zu werden, von der ans alle die politischen Morde der letzten
Bahre ihren Ausgang genommen haben.
P.v. Offenv urg, den 13. Juni. Eig. Drahtb.)
Zu Beginn der heutigen Sitzung, die vormittags )49 Uhr ihren
Anfang nahm, wird noch einmal über den Brief des Zeugen
Müller gesprochen, der schon gestern eine große Rolle gespielt
bat. Müller lehnt es nach wie vor ab, der Verfasser dieses Briefes
Zu sein, während der Sachverständige ihn mit aller Bestimmtheit
als den Schreiber ansieht. Der Untersuchungsrichter wird gehört,
uni anzugeben, wie er dem Zeugen diktiert habe.
„ Dann wurde der letzte Zeuge vernommen. Der Student
Vrtnce gehört, wie der Angeklagte, Schulz und Tillessen, seit
längerer Zeit auch zur „Organisation L", wo er in Abteilung -V
gearbeitet hat. Seine Arbeit bestand darin, bolschewistische
Nachrichten zu sammeln. Er gibt an, Schulz »roch nach
dem Morde in München gesehen zu haben. Bei seinen früheren
Vernehmungen hat er sich anders ausgesprochen. Er führt den
Gegensatz in seinen Aeußerungen darauf zurück, daß er sich damals
mgte, es sei doch nicht nötig, gleich die Wahrheit zu sagen. In de»
Monaten Mat, Juni und Juli 1921 hat er mit Tillessen zusammen
w einer Pension gewohnt und fei am 1. August ausgezogen, weil
ste ihm zu teuer war. Er erinnert sich daran, daß einmal drei
Koffer gekauft wurden, von denen er auch einen gekauft hat: wozu
die anderen Koffer benutzt wurden, ist ihm nicht bekannt. Er wird
gefragt, welche Bewandtnis es mit einem Verzeichnis von 24
wagen Leuten habe, dem die Geburtsdaten beigefügt sind. Der
«enge lehnt eine Beantwortung dieser Frage ab. Das Gericht
vsfchlietzt, ihn nicht zu vereidigen und beruft sich dabet aus
die gleichen Gründe, die bereits bet Ablehnung der Vereidigung
oei Mitgliedern der „Organisation O" maßgebend waren.
Der Staatsanwalt verlangt nunmehr die Vernehmung
des Untersuchungsrichters darüber, was der Zeuge Karl Tillessen,
der Bruder des Heinrich Tillessen, Sei der Vernehmung über seinen
Bruder erzählte. Die Verteidigung bittet, diesen Antrag abzu-
lehnen, weil dieser Zeuge das Recht hätte, seine Aussagen zu ver-
weigern. Das Gericht beschließt die
Vernehmung des Untersuchungsrichters.
Darnach hat Karl Tillessen seinen Bruder als einen zurückgezogenen
Menschen geschildert, der durch die politische Entwicklung in
Deutschland vollkommen zerrüttet war. Er bezeichnete ihn als
Men Fanatiker. In Regensburg hatte er sich mit Schulz voll-
uandtg zurückgezogen. Besondere Erbitterung entstand damals bei
dw Segen die Freimaurerei, welcher er die Schuld am Zusammen-
»ruch Deutschlands zuschrieb. Der Untersuchungsrichter erinnert
«>lch daran, daß ein von ihm vernommener Zeuge erklärt habe,
Schulz und Tillessen seien der Meinung gewesen, man könne nur
vurch Mord und Totschlag zu neuen Verhältnissen in Deutschland
wmmen. Der geflohene Tillessen hatte ein Sparguthaben von un-
scsahr 5000 Mark, von dem am 20. Juli 1921 zum letzten Male
ein Betrag abgehoben wurde. Der Bruder erklärt, es wäre ihm
schleierhaft, woher sein Bruder für die von ihm unternommenen
«er,en das Geld habe. Der als Zeuge anwesende Karl Tillessen
erklärt, daß mit den Worten „Mord und Totschlag" gemeint sei, es
müsse zu einer Auseinandersetzung zwischen Nationalen und Inter-
nationalen kommen, die natürlich nur mit den Waffen ans gefochten
werden könne.
Die Schuldfragen.
Staatsanwalt und Verteidigung verzichten auf andere Be-
weismittel, wodurch um 10 Uhr die Beweisaufnahme geschlossen
werden kann. Der Vorsitzende verliest sodann die an die
Geschworenen zu stellenden Fragen, die folgenden Wortlaut haben:
1. Ist der Angeklagte Manfred v. Killinger schuldig, dem Kauf-
manu Heinrich Schulz und dem Oberleutnant Heinrich
Tillessen, nachdem diese den Reichstagsabgeordasten Matth.
Erzberger am 26. August 1921 bei Griesbach gemsinschastlich
durch mehrere Pistolenschüsse vorsätzlich und mit Uoberlegung
getötet hatten, wissentlich Beistand geleistet zu
naben, um sie der Bestrafung zu entziehen und den Tätern
dresen Beistand vor Begehung der Tat zugrsagt
zu haben?
2. Für den Fall der Verneinung von Frage 1: Ist der An-
geklagte Manfred v. Killinger schuldig, dem Kaufmann
Heinrich Schulz und dem Oberleutnant Heinrich Tillessen,
nachdem diese den Retchstagsavgeordneten Matthias Erz-
berger am 26. August 1921 bei Griesbach gemeinschaftlich
durch mehrere Pistolenschüsse vorsätzlich und mit Ueberlegung
getötet hatten, wissentlich Beistand geleistet zu
h a b e n, um sie der Bestrafung zu entziehen?
Das Plaidoyer des StaaLsrmrvKlts.
Um 10 Uhr begann
das Plaidsyer des Staatsanwalts Burger.
Er verwies einleitend aus Vie ungeheure politische Erregung,
Welche die Mordtat von Griesbach im deutschen Bott vervoraerusen
habe. Wir sind Richter und können nur nach strafrechtlichen Erwä-
gungen die Frage prüfen: Wer hat Erzberger ermovdert, waren
S ch u 1 z und Tillessen die Mörder und hat der Angeklagte die
Beihilfe geleistet? Es werde Sache der politischen Parteien
fein, Not Nische Schlüsse aus den Verhandlungen zu ziehen.
Es sitzt auf der Anklagebank kein Schulz und kein Tillessen, es
wird deswegen ein Spruch gegen diese verlangt. Wenn sie er-
griffen werden sollten, dann wird gegen sie ein selbständiges Ver-
fahren verhandelt weichen und ein selbständiger Spruch wird dann
zu fällen sein. Aber es gibt keine Beihilfe ohne Mordtat. Es ist
deshalb nicht nur der Beweis der Beihilfe zu erbringen, sondern
logisch und juristisch auch ein Beweis, daß vorher Der Mord
begangen worden ist. Bevor Sie (zu den Geschworenen gewandt)
die Frage der Beihilfe prüfen, müssen Sie sich als Grundlage für
den Spruch die Frage Vorlogen, sind Schulz und Tillessen über-
führt. In sehr detaillierter Schilderung faßte Staatsanwalt B u r-
ger bann alle Daten, Zeugenaussagen und sonstige Beweisstücke
zusammen, welche Die Verhandlung über die Täterschaft Des
Schulz und Tillessen erbracht hat, wobei er hervorhevt, daß aus
kleinen Anfängen sich d as Bew eis mat erial gegen Schulz un d Dil-
lcssen mehr und mehr verstärkt habe, bis einschließlich
der Verdacht zum sichersten Beweis geworden sei.
Der Staatsanwalt nimmt nun in seinem Plaidoyer die ganze
Beweisaufnahme vor. Er verfolgt genau den Weg, Der durch die
Zeugenaussagen festgestellt wurde, Den Die Täter gemacht haben
vor -dem Verbrechen und nachher, bis sie zur Flucht kamen. Die
Reise nach Berlin zum Besuch hat ein schnelles Ende gesunden.
Schulz und Tillessen wollten auf Der Ferienreise, Die angeblich nach
dem Thüringer Wald führen sollte, nach einmal Die Mutter von
Schulz in SaialselD besuchen. Sie haben aber diesen Besuch ab-
gesagt und sich damit entschuldigt, datz ein Dringendes Tele-
gramm sie nach Mü nchen zurückgerusen habe. Bis zum 18. Au-
gust sttild sie Dann in Stuttgart gewesen. Die 3 Tage des Stuttgar-
ter Aufenthalts sind aufgeklärt, aber die Wirtin, bei der sie wohn-
ten, erklärt, daß Die Herren jeden Morgen frühzeitig weggegangcn
und erst abends wiedrrgekehrt seien. Es ist also sehr leicht mög-
lich, Daß sie in dieser Zett einen kurzen Besuch in München gemacht
haben.
Von Stuttgart sind sie nach B e u ron gefahren und Damit
beginnt
der letzte Teil der Verfolgung Erzvergers.
In Beuron, wo sie in der Erzavtei Auskunft über Erzbergers
Aufenthalt haben wollten, wurden sie nach dem Hotel Waldeck ver-
wiesen. Im Hotel Waldeck trafen sie aber ohne ihren Willen die
dort anwesende Frau Dr. Wacker, die an Derr Tilleschen Kindern
Mutterstelle vertreten hatte, und Die DMessen genau bekannt war.
Sie wurden von dieser Zeugin sestgehaltsn, tonnten sich nicht wei-
ter erkundigen und wurden von ihr auch nach der Bahn gebracht.
Sie reisten nach Ulm. In Ulm sind Schulz und Tillessen plötzlich
unter falschem Namen aufgetaucht. Hier kamen Bergner und
Friese auf einmal zum Vorschein. Hier war es auch möglich, durch
Die falsche Angabe, ein Zentrrlms'MgsorDneter wünsche Erzbergecs
Wohnort zu erfahren, telephonisch aus Dem Kloster Beuron die
Nachricht zü erhalten, Erzverger befinde sich in> einem Sanatorium
im Renchtal.
Sofort sind die beiden nach dem Renchtal gefahren. In
Oppenau sind Bergen und Riese angekommen, Haven im „Hir
schcn" Wohnung genommen und haben am nächsten Tage, an dem
es ganz außergewöhnlich stark regnete, zu Hause bleiben müssen.
Am Mittwoch sind sie auf die Suche nach Erzverger gegangen und
sind in Griesbach auf seine Spur gestoßen. Sie kamen abends
zurück, verlangten ihre Rechnung, bezahlten und erklärten, am
nächsten Tage das Zimmer aufzugeven, wenn sie bis 4 Uhr nicht
zurück kein würden. AVer stie kamen erst später und sind dann
noch einen Tag geblieben. Die sind am Mittwoch in Griesbach ge
sehen worden, man hat am Donnerstag ihre Anwesenheit fest
gestellt und am Freitag morgen wurde daun zwe
fellos von ihnen die Tat begangen.
An diesem Tage hat Erzberger, der sonst immer nur mit den
Pater S edler und mit seiner Frau und Tochter spazieren ging.
zum ersten Mal einen Spaziergang die KnäebisstWße hinauf uw
tornmnmen mit nur einem Begleiter. Dieser eine Begleiter ist Del
Parteifreund und Rcichst-a-gsavgeordnete Diez gewesen, der bei
dem Attentat zugegen war.
Die letzten Fragen in der Beweisaufnahme an die Zen-
gen -aus Der Organisation C, Die mit Schulz und Tillessen täglich
zusammen waren, gingen dahin, sestzustellen, ob einer von beider!
jemals eine Brille oder ein anderes Augenglas getragen hat
Nun hat aber das Zimmermädchen im Hotel „Hirschen" aus den
Zimmer beim Reinigen eine Brille gefunden, und sie hat aus;erden
eine Flasche mit „Anreol", das ist ein Haarfärblmgsmittel, gesehen
Wozu haben die beiden Leute, so fragt Der Staatsanwalt, die sic!
unter falschem Namen eingetragen hatten, Haarsärbemittel uni
eine Brille, die sie nicht brauchten-, bet sich geführt? Nur, nm fick
bei der Jagd auf Erzberger unkenntlich machen zu können.
Seit Dem 18. August ist
der letzte Trieb auf Erzverger
angesetzt worden und am 26. August hat Das Opfer tot im W-aldi
am Kniebis gelegen. Nach der Tat und nach der Flucht hat Schulz
mehrere Briefe nach Hause geschrieben. Zn Dem Brief, Den beid!
gemeinsam an Die StaaiSantvallschasL in Offenburg schrieben
haben sie erklärt, Daß sie vor der Dal nicht gewußt hätten: w o>
rum es sich handelt. Das mag ihnen stauben, wer will!
Wer derartige Vorbereitungen und Sicherh-eitsmaßro
gern unternimmt, wie Diese beiden Leute, Der führt Böses in
Schild. In einem Brief an Die Mutter ist ausdrücklich von du
Tat gesprochen worden, und wenn auch späterhin einmal Davor
gesprochen wird, daß sie selbst Die Tat nicht verübt Haven, daß sst
aber Den Verdacht auf sich ruhen lassen müssen, um nicht ander!
in Verdacht kommen zu lassen, so wird das eigene Geständ-
n i s der Mutter und den Geschwistern gegenüber Wohl für sich spre-
chen.
Warum ist die Anklage gegen von Killinger erhoben worden
fragte Der Staatsanwalt Wetter und sagte, daß er mit Schulz uni
Tillessen zweifellos in engem Vertrauensverhältnis gestanden hab,
in einer Sache, die großes Vertrauen erfordere. Er erwähnte da!
Zusammentreffen des Angeklagten mit Schulz und Tilesseu in
Englischen Garten, das Unterstellen!der Koffer der beiden in seine!
Wohnung und das Avholen Les Schulz aus Dessen Wohnung an
9, September.
Diese Tatsachen seien
außerordentlich belastend.
Was für einen Zweck hatte es, daß sie ihre Koffer zu Killiuge?
brachten? Es ist gesagt worden, daß das öfter geschehen sei bet
bevorstehender Abreise von Mitgliedern Der Organisation C. Elul
Zeugin hat Das auch bestätigt. Mer -dieses Moment entfällt ganz.
Schulz und Tillessen wollten nächt fort. Am Montag hatten
sie jedenfalls nicht Die Absicht und brachten die Koffer zum Ange-
klagten. Dann reiften sie am Mittwoch ab, nachdem sie ähre Kosse?
wieder geholt hatten.
Schulz und Tillessen hatten allen Anlaß, ihre Koffer nicht fin-
den zu lassen, sie hatten Haarfarbe und eine Brille bei sich, um sich
zu entstellen. Der Brief des Schulz an seine Mütter ist in M ü n -
chen am 12. September in den Briefkasten geworfen worden, also
zu einer Zett, wo Schulz zweifellos nicht mehr in München war,
Die Weisung des Schulz an seine Mutter, Briefe usw. „nicht
an meine Adresse, sondern an von .Killinger" ist eben falls v e-»
lastend. Der Name Des Empfängers erscheint gar nicht tu dsk
Anschrift. Warum Diese Geheimniskrämerei?
Wenn gestanden hätte „Per Adresse von Killiltger", das wäre
erklärlich gewesen. Der Angeklagte sagt nun, Diese Anordnung
müsse Schulz ohne sein Wissen getroffen haben. Das wird von
der Staatsanwaltschaft bezweifelt. Wenn Schulz und Tillessen Das'
getan hätte» ohne Wissen und Willen Des Angeklagten, so wäre
das ein Vertrauensmißbrauch schlimmster Art gewesen nach Den
Ehrbegriffen, die in diesen Kreisen Herrschen.
Der Staatsanwalt kommt zu dem Schluß,
daß über die Täterschaft von Schulz und Tillessen keinZweifel
besteht. Sie sind Erzverger nachgegangen wie Bluthunds. Der
Angeklagte hat nach der Tat die Begünstigung began-
gen und falls die erste Frage, datz er vor Begehung der Tat davon
Kenntnis hatte, verneint werden sollte, so ist doch die zweite Frage
der Begünstigung zweifelsfrei erwiesen.
Die VerLeidigring. — Das Urteil.
Um !42 Uhr beginnt der eine der beiden Verteidiger, Rechts-
anwalt Krieg-Offenburg seine Rede, in der vor allem der von
der Staatsanwaltschaft geführte Indizienbeweis sowohl gegen
Schulz und Thillessen wie auch gegen Killinger als lückenhaft
und unschlüssig bezeichnet wird. Der Verteidiger verweist
darauf, daß es gerade heute 9 Monate seien, datz Killinger sich in
Untersuchungshast befinde. Er erwarte von den Geschworenen,
datz sie beide Schuldfragen verneinen.
Darauf wird die Verhandlung bis 4 Uhr nachmittags vertagt.
In der Nachmittagssttzung geht der zweite Verteidiger Schle-
iern- München vor allem auch auf das Vorleben -es Angeklagten
ei«. Er schildert ihn als einen einwandfreien Menschen,
dem nur das Wohl des deutschen Volkes vor Augen schwebe. Es
kommt noch einmal zu einer Gegenrede des Staatsanwalts und
einer Erwiderung durch den Rechtsanwalt Dr. Krieg.
Nach der Rechtsbelehrung durch den Vorsitzenden zogen sich
Vic Geschworenen gegen 5 Uhr zurück. Nach ganz kurzer Beratung
verkünden sie den Wahrspruch, durch den
beide Schuldsragen verneint
werde«. Der Angeklagte Killinger war demnach unter Ueberbük»
p-.rg der Kosten aus die Staatskasse von der gegen ihn erhobenen
klage freizusprechen. — Eine große Menschenmenge begrüßte vor
-em Gericht den Freigesprochenen, der tm Kreise seiner Freunde
das Gerichtsgebäude im Automobil verlies-
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Killinger freigesprochen.
Die Anklage des Staatsanwalts. — Ein unverständliches Urteil.
* Heidelberg, den 14. Juni.
Unverständlich! Das war unser erster Eindruck, als wir lasen,
das; die Geschworenen in Offenburg nach diesen fünftägigen
Verhandlungen und nach diesem Plaidoyer des Staatsanwalts
Bürger in einer kurzen Beratung von kaum 10 Minuten die beiden
ihnen vorgelegten Schuldfragen verneinten und den Angeklagten
freisprachen. Wohl konnte man auf eine Verneinung der ersten
Schuldfrage gefaßt sein, da unseres Erachtens ganz stichhaltige
Beweise dafür, daß Killinger vorher vom Mord an Erzverger
gewußt und dafür seinen Beistand zugesagt hat, nicht erbracht wer-
den konnten. Damit wollen wir nicht sagen, daß dem nicht etwa
doch so sei, aber es wäre begreiflich gewesen, daß den Geschwore-
nen das Beweismaterial zur Bejahung dieser außerordentlich
schweren Schuldsrage nicht überzeugend genug erschien. Ganz sicher
aber haben wir eine volle Bejahung der zweiten EventuaSsrage nach
Vegstnstigung erwartet, dafür schienen uns im Laufe der
Verhandlungen und durch die verschiedensten Zeugenaussagen doch
genügend Beweise erbracht zu sein. - Mit Recht hat auch der
Staatsanwalt zum mindesten den Tatbestand der Begünstigung als
gegeben angesehen. Anders die Geschworenen, aus sie scheinen die
beiden Reden der Verteidiger mehr Eindruck gemacht zu haben als
die Rede des Staatsanwalts. Insbesondere hat es der zweite
Verteidiger Dr. Schlelein-München anscheinend glanzend ver-
standen, die reine „vaterländische" (!) Gesinnung Killingers ins
entsprechende Licht zu rücken, nur aus diesem vaterländischen In-
teresse habe er sich der „ungerecht verdächtigten" Geheimorganisa-
tion e angsschlossen. Auch eine entsprechend einseitig aufge-
banschte Darstellung der Münchener Rätezeit hat scheinbar
ihren Eindruck auf die Geschworenen nicht verfehlt.
Nun, die Akten sind ja noch nicht endgültig geschlossen, auch
die Schuldsrage Killingers wird durch den demnächst stattfindenden
Münchener Prozeß gegen die Geheimorganisation 0 und, falls
Schulz und Thillessen, die eigentlichen Mörder Erzbergers, doch
noch aufgegrtffen werden sollten, auch im Prozeß gegen diese neu
beleuchtet und nochmals ausgcrollt werden. Das darf man doch
Wohl bei aller Unbefriedigtheit über das Offenburger Urteil als
positives und unumstößliches Ergebnis dieses Prozesses buchen,
daß es geiungcn ist, Schnlznnd Thillessen einwandfrei als
die Mörder Erzbergcrs festzustellen. Die Arbeit, die hier von:
Gericht, der Staatsanwaltschaft und Polizei, geleistet worden ist,
berdient unsere volle Anerkennung, sie hat der Zuverlässigkeit und
Gründlichkeit unserer badischen Justiz ein neues ehrendes Zeugnis
ausgestellt. Wenn im Münchener Prozeß ebenso gearbeitet wird,
dann mutz cS allmählich gelingen, der Mörherzentrale hab-
haft zu werden, von der ans alle die politischen Morde der letzten
Bahre ihren Ausgang genommen haben.
P.v. Offenv urg, den 13. Juni. Eig. Drahtb.)
Zu Beginn der heutigen Sitzung, die vormittags )49 Uhr ihren
Anfang nahm, wird noch einmal über den Brief des Zeugen
Müller gesprochen, der schon gestern eine große Rolle gespielt
bat. Müller lehnt es nach wie vor ab, der Verfasser dieses Briefes
Zu sein, während der Sachverständige ihn mit aller Bestimmtheit
als den Schreiber ansieht. Der Untersuchungsrichter wird gehört,
uni anzugeben, wie er dem Zeugen diktiert habe.
„ Dann wurde der letzte Zeuge vernommen. Der Student
Vrtnce gehört, wie der Angeklagte, Schulz und Tillessen, seit
längerer Zeit auch zur „Organisation L", wo er in Abteilung -V
gearbeitet hat. Seine Arbeit bestand darin, bolschewistische
Nachrichten zu sammeln. Er gibt an, Schulz »roch nach
dem Morde in München gesehen zu haben. Bei seinen früheren
Vernehmungen hat er sich anders ausgesprochen. Er führt den
Gegensatz in seinen Aeußerungen darauf zurück, daß er sich damals
mgte, es sei doch nicht nötig, gleich die Wahrheit zu sagen. In de»
Monaten Mat, Juni und Juli 1921 hat er mit Tillessen zusammen
w einer Pension gewohnt und fei am 1. August ausgezogen, weil
ste ihm zu teuer war. Er erinnert sich daran, daß einmal drei
Koffer gekauft wurden, von denen er auch einen gekauft hat: wozu
die anderen Koffer benutzt wurden, ist ihm nicht bekannt. Er wird
gefragt, welche Bewandtnis es mit einem Verzeichnis von 24
wagen Leuten habe, dem die Geburtsdaten beigefügt sind. Der
«enge lehnt eine Beantwortung dieser Frage ab. Das Gericht
vsfchlietzt, ihn nicht zu vereidigen und beruft sich dabet aus
die gleichen Gründe, die bereits bet Ablehnung der Vereidigung
oei Mitgliedern der „Organisation O" maßgebend waren.
Der Staatsanwalt verlangt nunmehr die Vernehmung
des Untersuchungsrichters darüber, was der Zeuge Karl Tillessen,
der Bruder des Heinrich Tillessen, Sei der Vernehmung über seinen
Bruder erzählte. Die Verteidigung bittet, diesen Antrag abzu-
lehnen, weil dieser Zeuge das Recht hätte, seine Aussagen zu ver-
weigern. Das Gericht beschließt die
Vernehmung des Untersuchungsrichters.
Darnach hat Karl Tillessen seinen Bruder als einen zurückgezogenen
Menschen geschildert, der durch die politische Entwicklung in
Deutschland vollkommen zerrüttet war. Er bezeichnete ihn als
Men Fanatiker. In Regensburg hatte er sich mit Schulz voll-
uandtg zurückgezogen. Besondere Erbitterung entstand damals bei
dw Segen die Freimaurerei, welcher er die Schuld am Zusammen-
»ruch Deutschlands zuschrieb. Der Untersuchungsrichter erinnert
«>lch daran, daß ein von ihm vernommener Zeuge erklärt habe,
Schulz und Tillessen seien der Meinung gewesen, man könne nur
vurch Mord und Totschlag zu neuen Verhältnissen in Deutschland
wmmen. Der geflohene Tillessen hatte ein Sparguthaben von un-
scsahr 5000 Mark, von dem am 20. Juli 1921 zum letzten Male
ein Betrag abgehoben wurde. Der Bruder erklärt, es wäre ihm
schleierhaft, woher sein Bruder für die von ihm unternommenen
«er,en das Geld habe. Der als Zeuge anwesende Karl Tillessen
erklärt, daß mit den Worten „Mord und Totschlag" gemeint sei, es
müsse zu einer Auseinandersetzung zwischen Nationalen und Inter-
nationalen kommen, die natürlich nur mit den Waffen ans gefochten
werden könne.
Die Schuldfragen.
Staatsanwalt und Verteidigung verzichten auf andere Be-
weismittel, wodurch um 10 Uhr die Beweisaufnahme geschlossen
werden kann. Der Vorsitzende verliest sodann die an die
Geschworenen zu stellenden Fragen, die folgenden Wortlaut haben:
1. Ist der Angeklagte Manfred v. Killinger schuldig, dem Kauf-
manu Heinrich Schulz und dem Oberleutnant Heinrich
Tillessen, nachdem diese den Reichstagsabgeordasten Matth.
Erzberger am 26. August 1921 bei Griesbach gemsinschastlich
durch mehrere Pistolenschüsse vorsätzlich und mit Uoberlegung
getötet hatten, wissentlich Beistand geleistet zu
naben, um sie der Bestrafung zu entziehen und den Tätern
dresen Beistand vor Begehung der Tat zugrsagt
zu haben?
2. Für den Fall der Verneinung von Frage 1: Ist der An-
geklagte Manfred v. Killinger schuldig, dem Kaufmann
Heinrich Schulz und dem Oberleutnant Heinrich Tillessen,
nachdem diese den Retchstagsavgeordneten Matthias Erz-
berger am 26. August 1921 bei Griesbach gemeinschaftlich
durch mehrere Pistolenschüsse vorsätzlich und mit Ueberlegung
getötet hatten, wissentlich Beistand geleistet zu
h a b e n, um sie der Bestrafung zu entziehen?
Das Plaidoyer des StaaLsrmrvKlts.
Um 10 Uhr begann
das Plaidsyer des Staatsanwalts Burger.
Er verwies einleitend aus Vie ungeheure politische Erregung,
Welche die Mordtat von Griesbach im deutschen Bott vervoraerusen
habe. Wir sind Richter und können nur nach strafrechtlichen Erwä-
gungen die Frage prüfen: Wer hat Erzberger ermovdert, waren
S ch u 1 z und Tillessen die Mörder und hat der Angeklagte die
Beihilfe geleistet? Es werde Sache der politischen Parteien
fein, Not Nische Schlüsse aus den Verhandlungen zu ziehen.
Es sitzt auf der Anklagebank kein Schulz und kein Tillessen, es
wird deswegen ein Spruch gegen diese verlangt. Wenn sie er-
griffen werden sollten, dann wird gegen sie ein selbständiges Ver-
fahren verhandelt weichen und ein selbständiger Spruch wird dann
zu fällen sein. Aber es gibt keine Beihilfe ohne Mordtat. Es ist
deshalb nicht nur der Beweis der Beihilfe zu erbringen, sondern
logisch und juristisch auch ein Beweis, daß vorher Der Mord
begangen worden ist. Bevor Sie (zu den Geschworenen gewandt)
die Frage der Beihilfe prüfen, müssen Sie sich als Grundlage für
den Spruch die Frage Vorlogen, sind Schulz und Tillessen über-
führt. In sehr detaillierter Schilderung faßte Staatsanwalt B u r-
ger bann alle Daten, Zeugenaussagen und sonstige Beweisstücke
zusammen, welche Die Verhandlung über die Täterschaft Des
Schulz und Tillessen erbracht hat, wobei er hervorhevt, daß aus
kleinen Anfängen sich d as Bew eis mat erial gegen Schulz un d Dil-
lcssen mehr und mehr verstärkt habe, bis einschließlich
der Verdacht zum sichersten Beweis geworden sei.
Der Staatsanwalt nimmt nun in seinem Plaidoyer die ganze
Beweisaufnahme vor. Er verfolgt genau den Weg, Der durch die
Zeugenaussagen festgestellt wurde, Den Die Täter gemacht haben
vor -dem Verbrechen und nachher, bis sie zur Flucht kamen. Die
Reise nach Berlin zum Besuch hat ein schnelles Ende gesunden.
Schulz und Tillessen wollten auf Der Ferienreise, Die angeblich nach
dem Thüringer Wald führen sollte, nach einmal Die Mutter von
Schulz in SaialselD besuchen. Sie haben aber diesen Besuch ab-
gesagt und sich damit entschuldigt, datz ein Dringendes Tele-
gramm sie nach Mü nchen zurückgerusen habe. Bis zum 18. Au-
gust sttild sie Dann in Stuttgart gewesen. Die 3 Tage des Stuttgar-
ter Aufenthalts sind aufgeklärt, aber die Wirtin, bei der sie wohn-
ten, erklärt, daß Die Herren jeden Morgen frühzeitig weggegangcn
und erst abends wiedrrgekehrt seien. Es ist also sehr leicht mög-
lich, Daß sie in dieser Zett einen kurzen Besuch in München gemacht
haben.
Von Stuttgart sind sie nach B e u ron gefahren und Damit
beginnt
der letzte Teil der Verfolgung Erzvergers.
In Beuron, wo sie in der Erzavtei Auskunft über Erzbergers
Aufenthalt haben wollten, wurden sie nach dem Hotel Waldeck ver-
wiesen. Im Hotel Waldeck trafen sie aber ohne ihren Willen die
dort anwesende Frau Dr. Wacker, die an Derr Tilleschen Kindern
Mutterstelle vertreten hatte, und Die DMessen genau bekannt war.
Sie wurden von dieser Zeugin sestgehaltsn, tonnten sich nicht wei-
ter erkundigen und wurden von ihr auch nach der Bahn gebracht.
Sie reisten nach Ulm. In Ulm sind Schulz und Tillessen plötzlich
unter falschem Namen aufgetaucht. Hier kamen Bergner und
Friese auf einmal zum Vorschein. Hier war es auch möglich, durch
Die falsche Angabe, ein Zentrrlms'MgsorDneter wünsche Erzbergecs
Wohnort zu erfahren, telephonisch aus Dem Kloster Beuron die
Nachricht zü erhalten, Erzverger befinde sich in> einem Sanatorium
im Renchtal.
Sofort sind die beiden nach dem Renchtal gefahren. In
Oppenau sind Bergen und Riese angekommen, Haven im „Hir
schcn" Wohnung genommen und haben am nächsten Tage, an dem
es ganz außergewöhnlich stark regnete, zu Hause bleiben müssen.
Am Mittwoch sind sie auf die Suche nach Erzverger gegangen und
sind in Griesbach auf seine Spur gestoßen. Sie kamen abends
zurück, verlangten ihre Rechnung, bezahlten und erklärten, am
nächsten Tage das Zimmer aufzugeven, wenn sie bis 4 Uhr nicht
zurück kein würden. AVer stie kamen erst später und sind dann
noch einen Tag geblieben. Die sind am Mittwoch in Griesbach ge
sehen worden, man hat am Donnerstag ihre Anwesenheit fest
gestellt und am Freitag morgen wurde daun zwe
fellos von ihnen die Tat begangen.
An diesem Tage hat Erzberger, der sonst immer nur mit den
Pater S edler und mit seiner Frau und Tochter spazieren ging.
zum ersten Mal einen Spaziergang die KnäebisstWße hinauf uw
tornmnmen mit nur einem Begleiter. Dieser eine Begleiter ist Del
Parteifreund und Rcichst-a-gsavgeordnete Diez gewesen, der bei
dem Attentat zugegen war.
Die letzten Fragen in der Beweisaufnahme an die Zen-
gen -aus Der Organisation C, Die mit Schulz und Tillessen täglich
zusammen waren, gingen dahin, sestzustellen, ob einer von beider!
jemals eine Brille oder ein anderes Augenglas getragen hat
Nun hat aber das Zimmermädchen im Hotel „Hirschen" aus den
Zimmer beim Reinigen eine Brille gefunden, und sie hat aus;erden
eine Flasche mit „Anreol", das ist ein Haarfärblmgsmittel, gesehen
Wozu haben die beiden Leute, so fragt Der Staatsanwalt, die sic!
unter falschem Namen eingetragen hatten, Haarsärbemittel uni
eine Brille, die sie nicht brauchten-, bet sich geführt? Nur, nm fick
bei der Jagd auf Erzberger unkenntlich machen zu können.
Seit Dem 18. August ist
der letzte Trieb auf Erzverger
angesetzt worden und am 26. August hat Das Opfer tot im W-aldi
am Kniebis gelegen. Nach der Tat und nach der Flucht hat Schulz
mehrere Briefe nach Hause geschrieben. Zn Dem Brief, Den beid!
gemeinsam an Die StaaiSantvallschasL in Offenburg schrieben
haben sie erklärt, Daß sie vor der Dal nicht gewußt hätten: w o>
rum es sich handelt. Das mag ihnen stauben, wer will!
Wer derartige Vorbereitungen und Sicherh-eitsmaßro
gern unternimmt, wie Diese beiden Leute, Der führt Böses in
Schild. In einem Brief an Die Mutter ist ausdrücklich von du
Tat gesprochen worden, und wenn auch späterhin einmal Davor
gesprochen wird, daß sie selbst Die Tat nicht verübt Haven, daß sst
aber Den Verdacht auf sich ruhen lassen müssen, um nicht ander!
in Verdacht kommen zu lassen, so wird das eigene Geständ-
n i s der Mutter und den Geschwistern gegenüber Wohl für sich spre-
chen.
Warum ist die Anklage gegen von Killinger erhoben worden
fragte Der Staatsanwalt Wetter und sagte, daß er mit Schulz uni
Tillessen zweifellos in engem Vertrauensverhältnis gestanden hab,
in einer Sache, die großes Vertrauen erfordere. Er erwähnte da!
Zusammentreffen des Angeklagten mit Schulz und Tilesseu in
Englischen Garten, das Unterstellen!der Koffer der beiden in seine!
Wohnung und das Avholen Les Schulz aus Dessen Wohnung an
9, September.
Diese Tatsachen seien
außerordentlich belastend.
Was für einen Zweck hatte es, daß sie ihre Koffer zu Killiuge?
brachten? Es ist gesagt worden, daß das öfter geschehen sei bet
bevorstehender Abreise von Mitgliedern Der Organisation C. Elul
Zeugin hat Das auch bestätigt. Mer -dieses Moment entfällt ganz.
Schulz und Tillessen wollten nächt fort. Am Montag hatten
sie jedenfalls nicht Die Absicht und brachten die Koffer zum Ange-
klagten. Dann reiften sie am Mittwoch ab, nachdem sie ähre Kosse?
wieder geholt hatten.
Schulz und Tillessen hatten allen Anlaß, ihre Koffer nicht fin-
den zu lassen, sie hatten Haarfarbe und eine Brille bei sich, um sich
zu entstellen. Der Brief des Schulz an seine Mütter ist in M ü n -
chen am 12. September in den Briefkasten geworfen worden, also
zu einer Zett, wo Schulz zweifellos nicht mehr in München war,
Die Weisung des Schulz an seine Mutter, Briefe usw. „nicht
an meine Adresse, sondern an von .Killinger" ist eben falls v e-»
lastend. Der Name Des Empfängers erscheint gar nicht tu dsk
Anschrift. Warum Diese Geheimniskrämerei?
Wenn gestanden hätte „Per Adresse von Killiltger", das wäre
erklärlich gewesen. Der Angeklagte sagt nun, Diese Anordnung
müsse Schulz ohne sein Wissen getroffen haben. Das wird von
der Staatsanwaltschaft bezweifelt. Wenn Schulz und Tillessen Das'
getan hätte» ohne Wissen und Willen Des Angeklagten, so wäre
das ein Vertrauensmißbrauch schlimmster Art gewesen nach Den
Ehrbegriffen, die in diesen Kreisen Herrschen.
Der Staatsanwalt kommt zu dem Schluß,
daß über die Täterschaft von Schulz und Tillessen keinZweifel
besteht. Sie sind Erzverger nachgegangen wie Bluthunds. Der
Angeklagte hat nach der Tat die Begünstigung began-
gen und falls die erste Frage, datz er vor Begehung der Tat davon
Kenntnis hatte, verneint werden sollte, so ist doch die zweite Frage
der Begünstigung zweifelsfrei erwiesen.
Die VerLeidigring. — Das Urteil.
Um !42 Uhr beginnt der eine der beiden Verteidiger, Rechts-
anwalt Krieg-Offenburg seine Rede, in der vor allem der von
der Staatsanwaltschaft geführte Indizienbeweis sowohl gegen
Schulz und Thillessen wie auch gegen Killinger als lückenhaft
und unschlüssig bezeichnet wird. Der Verteidiger verweist
darauf, daß es gerade heute 9 Monate seien, datz Killinger sich in
Untersuchungshast befinde. Er erwarte von den Geschworenen,
datz sie beide Schuldfragen verneinen.
Darauf wird die Verhandlung bis 4 Uhr nachmittags vertagt.
In der Nachmittagssttzung geht der zweite Verteidiger Schle-
iern- München vor allem auch auf das Vorleben -es Angeklagten
ei«. Er schildert ihn als einen einwandfreien Menschen,
dem nur das Wohl des deutschen Volkes vor Augen schwebe. Es
kommt noch einmal zu einer Gegenrede des Staatsanwalts und
einer Erwiderung durch den Rechtsanwalt Dr. Krieg.
Nach der Rechtsbelehrung durch den Vorsitzenden zogen sich
Vic Geschworenen gegen 5 Uhr zurück. Nach ganz kurzer Beratung
verkünden sie den Wahrspruch, durch den
beide Schuldsragen verneint
werde«. Der Angeklagte Killinger war demnach unter Ueberbük»
p-.rg der Kosten aus die Staatskasse von der gegen ihn erhobenen
klage freizusprechen. — Eine große Menschenmenge begrüßte vor
-em Gericht den Freigesprochenen, der tm Kreise seiner Freunde
das Gerichtsgebäude im Automobil verlies-