Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Volkszeitung: Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung des ganzen badischen Unterlandes (Bezirke Heidelberg bis Wertheim) (4) — 1922 (Mai bis August)

DOI Kapitel:
Nr. 111 - Nr. 120 (13. Mai - 24. Mai)
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.48723#0081
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext

Tageszeitung für die Werktätige Bevölkerung der Amtsbezirke Heidelberg, Wiesloch, Sinsheim, Eppingen, Eberbach, Mosbach, Buchen,

Adelsheim, Boaeberg, Tauberbischofrheim und Wertheim.

Bezugspreis: Monatlich einschl. TrSgerlohn 20.- Mk-, AnzergenpreisA
Die emspaltiae Petitzeils (96 mm breit) 3.— Mk., Reklame-Anzeigen
(SS mm breit) 8.- Mk. Bei Wiederholungen Nachlaß nach Tarif.
Geheimmittelanzeigen werden nicht ausgenommen.
Geschäftsstunden: 8—'/-6 Uhr. Sprechstunden der Redaktion: N-12 Uhr.
Postscheckkonto Karlsruhe Nr. 22577. Tel.-Adr.: Volkszeitung Heidelberg.

Heidelberg, Mittwoch, 17. Mai 1922
Nr. 114 * 4. Jahrgang

Verantwort!.: Für innere u. äußere Politik, Volkswirtschaft u. Feuilleton:
Dr. E. Kraus; für Kommunales, soziale Rundschau und Lokales:
O.Geibel; fiir ins Anzeigen A. Friedmann, samt!, in Heidelberg.
Druck u. Verlag derUnterbadischen Verlagsanstalt G. m. b. H., Heidelberg.
Geschäftsstelle: Schroderstraße 39.
Fernsprecher: Anzeigen-Annahme 2673, Redaktion 2813.
-«««SSS», » - ..

KWUW U Wen« SlW KMmz IIW.

Genua.
In der gestrigen Sitzung der politischen Unterkonnnisston haben
die Russen ihren Standpunkt zu dem Vorschlag der Einberufung
der Sonderkommifston nach dem Haag ausetnandergesetzt. Man ist
zn einer prinzipiellen Einigung gekommen, die aber noch einige
Punkte, so bezüglich der Zusammensetzung der Kommission wie
auch bezüglich der Anwendung des Frtedenspaktes offen gelassen
hat und es der Kommission als wünschenswert hat erscheinen
lassen, die weitere Diskussion um 24 Stunden zu vertagen. Die
Russen werden ihre endgültige Antwort morgen vormittag über-
reichen. Wird diese Antwort, wie man allgemein anntmmt, eine
bejahende sein, so ist vorgesehen, daß die Plenarsitzung der Kon-
ferenz schon am Nachmittag abgehalten werden könnte.
Der Verlauf der Sitzung.
Genua, 16. Mat. Heute vormittag 10.30 Uhr trat die Unter-
kommission der ersten Kommission unter dem Vorsitz de Factas
zusammen, um der russischen Delegation die Beschlüsse der andere»
in -er Unterkommisston vertretene»« Mächte bekanntzugeben. Der
Inhalt des gestern veröffentlichten Dokuments wurde verlesen.
Hierauf stellte Tschitscherin eine Reihe von Fragen über
die verschiedenen Klauseln, um sich über ihre Tragweite Klarheit
zu verschaffen. Er fragte u. a., warum Deutschland von der
Sachverständigenkommission ausgeschlossen worden sei.
Antwort: Weil Deutschland bereits einen Vertrag mit Ruß-
land abgeschlossen habe.
Tschitscherin fragte ferner, welche Mächte mit der Sow-
jetregierung bezüglich des abzuschließenden Abkommens in Ver-
bindung treten wenden.
Antwort: Diese Angelegenheit werde von der in Aussicht stehen-
den Kommission übernommen.
Tschitscherin fragte hierauf, wie es mit der äs jure-An-
encmnmg vLr Smojerregtenmg stehe.
Es wurde erwidert, das sei eine Angelegenheit der einzei-
nen Regierungen, sobald die Arbeiten der verschiedenen
Kommissionen abgeschlossen feien.
Tschitscherin fragte, ob alle Mächte durch die Mehrheits-
beschlüsse gebunden werden würden.
Antwort: Hierüber werden die Kommissionen zu ent-
scheiden haben.
Tschitscherin fragt, warum der Haag als Versammlungs-
ort für die Kommissionen gewählt worden sei.
Antwort: Man sei bereit, andere Vorschläge entgegen-
runehmen.
Tschitscherin fragt, ob der Burgfrieden nur während
der Arbeiten der geplanten Kommissionen dauern werde oder bis
die Grenzen endgültig festgesetzt seien.
Antwort: Diese Angelegenheit könne diskutiert werden.
Tschitscherin fragt, ob in Genua ein Schriftstück bezüglich
des Vorfriedens oder ein Pakt abgeschlossen und unterzeichnet wer-
den würde.
Antwort: Ja.
Tschitscherin kam sodann auf die Lage in Osts tb tri en
zu sprechen. Es entspann sich eine lebhafte Debatte zwischen ihm
und Jshji, in die Lloyd George schließlich etngriff, indem er be-
merkte, es würde gut sein, wenn der Vorfriedenspakt bereits in
der gegenwärtigen Sitzung zur Anwendung käme. Hierauf sagte
Tschitscherin, es seien 24 Stunden erforderlich, der russischen
Delegation Gelegenheit zu geben, die Vorschläge sorgfältig zu
prüfen. Dieses Ersuchen wurde genehmigt.
Hieraus wurde die Sitzung der Unterkommission auf morgen
Donnerstag 10.30 Uhr vertagt.
Die Haltung der Vereinigten Staaten.
Newyork, 16. Mai. In der „World" wird zu der Haltung
der Vereinigten Staaten mitgeteilt, der Präsident Harding sei
Zunächst einer Beteiltgung Amerikas an der Sachverstän-
digenkonferenz im Haag geneigt gewesen; er sei jedoch unsicher
geworden durch Beratungen mit Hoover und Hughes, die aus
vorherigen Annahme der amerikanischen Richtlinien b standen
Deswegen werde man eine Beteiligung vorläufig ablshnen. In
dessen ist die Presse im allgemeinen einer Beteiligung Ame-
rikas am europäischen Wiederaufbau günstig.
Rückkehr des Ministers Schmid«.
Berlin, 16. Mai. Für die Rückkehr der deutschen Del-ganon
aus Genua sind, da der Abschluß der.Beratungen nicht feststcbt. noch
leine bestimmten Verfügungen getroffen. Reich.swirtschaftö'.niuister
Schmidt wird schon am Mittwoch abreisen, um bet der Beratung
seines Etats im Reichstag anwesend zu sein.
Die Abreise der Delegierte».
Genua, 16. Mat. Die Delegationen machen sich reisefertig.
Die Franzosen wollen am Donnerstag abreisen. Lloyd George
und seine Mitarbeiter wahrscheinlich am Samstag. Die russische
Delegation wird wahrscheinlich noch einige Tage nach der Konferenz
in Genua verbleiben, um mit den Randstaaten noch Verhandlungen
zu Pflegen.
*
Das russische Hungerprovlem vor den» Völkerbund.
Genf, 1k. Mat. Der Völkerbundsrat beschäftigte sich i»
seiner heutigen Sitzung mit der traurigen Lage Rußlands und
einem norwegischen Antrag, etne Unterkommisston zu ernennen, die
über die Hungersnot und deren Folgen sehr genaue Aufklärungen
beschaffen soll. Frithjof Nansen, der bekannte Forscher und
Delegierter Norwegens beim Völkerbund, schilderte in ergreifenden
Worten den Hunger und die Seuchen in Rußland und ersuchte den
Völkerbund direkt, stier zu steifen und zu lindern. Demi eine Lin-

derung der Hungerkatastrophe bedeute einen Wiederaufbau Ruß-
lands und ein wiederaufgerichtetes Rußland eine Hebung der Pro-
duktton und diese wieder die Verminderung der Arbeitslosigkeit in
den übrigen Ländern Europas. Viel mehr als die Konferenz von
Genua sei der Völkerbund berufen, hier einzugreifen.
Lord Balfour und nach Hm der französische Vertreter
Bourgeois, ferner der italienische und belgische Vertreter ver-
traten die Auffassung, daß die Konferenz von Genua die Aufgabe
habe, sich mit den russischen Problemen zu beschäftigen und diese
daher auch den norwegischen Antrag behandeln solle, zumal ja
Rußland keine direkten Beziehungen zum Völkerbund unterhalte.
Der Vvlkerbundsrat erklärte sich mit den Ausführungen Balfours
einverstanden, die Frage der russischen Hungersnot der Konferenz
zu überweisen. Dieses wird auch geschehen.

Aerchere und innere Anleihe Deutschlands.
Paris, 16. Mat. Heute wir- voraussichtlich die Entscheidung
darüber fallen, ob der Wiedergutmachungsausschuß mit dem Reichs-
finanzminister Dr. Hermes in offizielle Verhandlungen eintreten
wird oder ob der bisherige offiziöse Meinungsaustausch nach Auf-
fassung der Verbündeten als twch nicht befriedigend betrachtet wer-
den muß, in welchem Falle Hermes erst neue Instruktionen von
der RetchsregieruNg einholen müßte. Der „Matin" glaubt ver-
sichern zu können, daß die Eröffnungen des Reichssinanzministers
alles in allem zufriedenstellend erschienen. Hennes habe nach dem
„Matin" besonders die Frage der Wiederherstellung des Gleich-
gewichtes im Reichsbudget behandelt. Das Blatt erwähnt in die-
sem Zusammenhang, daß der Anleiheausschuß auf Ersuchen Mor-
gans erst am 24. Mat zusammentrttt.
Das Cablogramm will festgestellt haben, daß die englischen und
belgischen Mitglieder des Wiedergutmachungsausschusses eine Ver-
ständigung mit Hermes für möglich haltet«. Die deutschen Erklä-
rungen beruhen auf zwei Hypothesen, deren Verwirklichung nicht
einzig und allein vom guten Willen -er deutschen Regierung ab-
hängt, nämlich dem ev. Erfolg einer internationalen Anleihe Mi-
aus dem Ergebnis der inneren Zwangsanleihe.

Prefseempfans beim Finanzminister.
Parts, 17. Mai. Reichssinanzminister Dr. Hermes hat
gestern abend die deutschen Pressevertreter in Paris über seine bis-
herige Tätigkeit unterrichtet und bestätigt, daß seit Samstag private
Besprechungen mit einigen Mitgliedern der Reparationskommission
stattgefunden haben, aber lediglich eine Fühlungsnahme bezweckten
und die eigentlichen Verhandlungen mit der Kommission bis jetzt
noch nicht erfolgt seien. Zu dein Besuche bei dem englischen, ita-
lienischen und belgischen Delegierten von vorgestern ist nur noch
nachzuholen, daß bet der Unterredung mit dem Belgier auch der
zweite belgische Delegierte, Bemelman, anwesend war, der durch
seine Berliner Verhandlungen bekannt geworden ist. Uever der»
Inhalt der gestern dem Präsidenten Dubois unterbreiteten deut-
schen Vorschläge, über die Dubois inzwischen mit dem Minister-
präsidenten Poincarö Besprechungen geführt hat, erklärte Minister
Dr. Hermes, daß sie hauptsächlich auf die jetzige Umgestaltung des
Reichshaushaltes sowie die Zwangsanlethe Bezug genommen
haben. Die einzelnen Besprechungen mit den Delegierten der Re-
parattonskommtsston werden in den kommenden Tagen noch fort-
gesetzt werden.

Die RepamtiorrSkommilfion über dte neue deutsche Zahlung.

orvs die Beratung oeS Psstetats
neu einige kleine Anfragen erledigt,
-neS Internste beansprucht. Sie
nmuug, wonach auf den« Dampfer
Lloyd im Hamburger Hasen 60000

Paris, 16. Mai. Die Reparationskommission veröffentlicht
etne offizielle Note, die erklärt, -atz Deutschland am 15. Mai auf
der vor« der Garantiekommission bezeichneten Bank eine Zahlung
von ungefähr 50 Millionen Goldmark geleistet habe, als zweite
monatliche Teilzahlung, die Deutschland nach den Bestimmungen
der Reparationskommission zu erfüllen hat. Die erste Teilzahlung
von ungefähr 18 Millionen Goldmark war am 15. April erfolgt.
Im Anschluß an diese Note wir- bemerkt, daß infolge des gegen-
wärtigen Kurses der Wert dieser Zahlung von uugeskyr 50 Mil-
iber 50 Millionen


Tonnen Z c i i u n gsd r» ck p a p i e r ruft -er Bestimmung nach

Sü - ame r i <' a verladen sein sollten. Die Anfrage, die von kom-
munistischer Seite ausging, forderte vor« der Regierung Maß-
nahmen gegen einen derartigen Valutaausverkauf zum
Nachteil der sowieso unter der wucherischen Papierpreistreiberei
leidenden Arbeiterpresse. Dte Antwort vom Negierungstisch
stellte zunächst fest, daß auch in der zugrundeliegenden Meldung
nicht von 60000, sondern von 6000 Tonnen die Rede gewesen war
und erklärte weiter, daß durch Nachforschung festgestellt wurde, daß
der Dampfer nur 325 Tonnen schwedisches Papier und kein
deutsches an Bord hatte.
Zum Postetat sprach zunächst als erster Redner Ab.g. Leicht
(Bahr. Vp.). In einer kurzen Zwischenbemerkung widersprach der
Reichspostminister Giesverts dem Verlangen nach allge-
meiner Sonntagsruhe, gegen das von der ländlichen Be-
völkerung schärfster Widerspruch zu erwarten wäre. Der Bauer,
der in der Woche keine Zeit für seine Zeitung habe, wolle sie am
Sonntag früh bekommen. Den Klagen wegen der ungerechtfertigten
N e b en geb tt h ren sagte der Minister Berücksichtigung zu; wenn

es angängig fei, sollten sie Wegfällen. Dem Autoverkehr,
namentlich dem Kleinautoverkehr für Vie Landbe-
stellung, stünden noch große Aufgaben bevor.
A«tf eine Anfrage erklärte sich der Minister bereit, den
Bedürfnissen der Zeitungen
nach Möglichkeit entgegenzukommen. (Hoffentlich bleibt es nicht
beim Versprechen. Die Red.)
Nachdem dann die Entschließung der Unabhängigen, die dte
Entfern» ngderaltenHoheitszeich en fordert, mit den
Stimmen der Linken und einiger Demokraten angenornmen
war, wurve das Gehalt des Ministers bewilligt.
Der Post- und Telegraphenhaushalt wurde dann bewilligt,
ebenso der Haushalt der Reichs druck erst, deren Erweite-
rungsbedttrfnisse Minister Giesberts betonte. Ein Ergänzungsetat
über Beamtengehälter wurde dem Hauptausschutz überwiesen und,
nachdem die Behandlung des Haushaltes für das Reichsarbeits-
mintsterium auf Mittwoch vertagt war, war die Tagesordnung
erschöpft.
MSMM Mh MMWW.
Von Pros. Dr. W. Peters (Mannheim).
Wir geben hier zu dieser außerordentlich wich-
tigen kulturgeschichtlichen Gegenwartsfrage dem Ver-
treter der Philosophie und Pädagogik an der Han-
delshochschule Mannheim das Wort. Die wesentlichen
Forderungen Peters' decken sich mit de» Richtlinien,
die soeben Der 2. sozialdemokratische Lehrertag in
Hamburg ausgestellt hat, sowie mit der« Ausführungey
der badischen Sozialdemokraten aus der badische»
Landesschulkonserenz und im Landtag.
Die Schrtftleitung.
Seitdem die neue Reichsversassung die Grundsätze der neuen
Lehrerbildung sestgelegt hat, geht ein Kampf um deren
Neugestaltung. Er spielt sich bald in breiter Oeffentlichkett ab,
S«lÄ hinter den Kulissen; er wogt hin und her und scheint nur dann
zeitweilig zmn Stillstand zu kommen, wenn — nichts geschieht.
Dte Widerstände gegen die einfachste Lösung der Lehrerbildungs-
frage: die Verlegung derselben an die bestehenden Hochschulen,
stammen vor« Menschen aller politische» Gesinnungen und aller
Weltanschauungen. Es ist erstaunlich, wie komplizierte Umwege
der Menschengeist erfindet, wenn er den naheliegenden geraden Weg
nicht gehen will. Daß finanzielle Bedenken der Neuordnung
der Lehrerbildung entgegenstehen, ist oft genug widerlegt wor-
den. Denn im Augenblick und in der nächsten Zukunft kostet die
neue Lehrerbildung nicht mehr als dk alte. Wen» es sich aber
um das wichtigste Kulturproblem des Volksstaates handelt, dürfte
mm« auch nicht vor Kosten zurückschrecken.
Mar« fürchtet, daß dte wirtschaftlich schwächeren Be-
völkeruilgsschichten nicht mehr tn der Lage sein werden, ihre Söhne
den, Lehrerberuf zuzuführen, wem« die Lehrerbildung air der Hoch-
schule erfolgt. Das Hochschulstudium ist teuer, die Lehrerbildung
an den Seminaren kostet wenig oder gar nichts. Sie ist natür-
lich nur deshalb billig, weil der Staat hinreichend große Zü-
sch ü s s e für dte Heranbildung seiner Lehrer leistet. Ob aber diese
Zuschüsse für die Heranbildung in« Seminar in Heidelberg und
Karlsruhe oder an der Karlsruher und Heidelberger Hochschule
geleistet werden, ist im finanziellen Effekt gleichgültig. Studien-
bethilfen werden ft« Zukunft nicht bloß die Lehrerstudenten
brauchen. Ein Blick auf die verzweifelten und vielfach dennoch
fruchtlose!« Anstrengungen vieler Studierender, sich dte Mittel zur
Durchführung ihres Studiums zu beschaffen, zeigt, -aß der Staat
hier wird eingreifen müssen, wenn er nicht das Studium zu einer
Domäne der begüterten Klaffen machen will.
Mai« meint auch, dte Hochschulbildung könnte der Boden-
ständtgkeitdes LehrersAbbruch tun. Der an der Hoch-
schule herangebildete Lehrer werde in der Stadt bleiben und das
Land «neiden. Mai« hört nichts davon, daß das Land Mangel an
Geistlichen und Aerzten hat, obwohl diese an der Hochschule
herangebildet werden. Angebot und Nachfrage werden auch die
Besetzung der Lehrerstellen auf dem Land und in der Stadt regeln,
genau so, wie das heute geschieht. Die überwiegende Mehrheit der
badischen Lchrerbilsungs-Anstalten befindet sich an Orten, an denen
es auch noch eine aridere höhere Schule gibt. Ob die Söhne des
Landes, die Lehrer werden wollen, das Lehrerseminar oder die
andere Schule besuchen, ist für ihre Bodenständigkeit gleichgültig.
Die Mehrheit der Orte mit Lehrerseminaren sind zugleich Hoch-
schulorte. Die Nötigung, Hochschulbildung zu erwerben, wird des-
halb die künftigen Lehrer keineswegs in weite Fernen führen
«nüssen (was — nebenbei bemerkt — auch dem Volkslehrer nicht
schaden könnte).
Am wenigsten begründet scheint mir aber dte Furcht mancher
Leute, der Lehrer könnte den« arbeitenden Volke durch
seine Heranbildung an der Hochschule entfremdet werden. Ge-
wiß wird der Bildungs-Abstand zwischen ihm und dem Volke ver-
größert werden. Doch diese Vergröberung der Bildnngsspammng
zwischen Lehrer und Volk hat einzig und allein den Zweck, sich
selbst zu überwinden. Der besser gebildete Lehrer soll zur Ver-
ringerung der Spannung beitragen. Die nächste Generation, die
er heranbildet, soll de» Gegensatz zwischen Gebildeten und Un-
gebildeten nicht mehr kennen. Die Scheidung der Volksgenossen
in zwei Lager, die einander vielfach so fremd wie zwei Welten
gegenüberftehen, soll durch die bessere Volksbildung ü ber w u n
den werden.
Das ist der springende Punkt der ganze» Lehrerbildungsfrage.
Jedermann weiß, wie die wirkliche Demokratie auf Gedeih unk
Verderb von« Bildungsstand des Volkes abhängt, wie das sittlich?
Vcrantivortlichkeitsgefühl des Einzelner« und Vie wirtschaftlicht
Leistungsfähigkeit des Ganzen durch deu Bildungsstand des Volkes
o-siimmt werden. Doch nicht jeder ist sich klar darüber, daß Btt-
 
Annotationen