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Volkszeitung: Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung des ganzen badischen Unterlandes (Bezirke Heidelberg bis Wertheim) (4) — 1922 (Mai bis August)

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Nr. 161 - Nr. 170 (14. Juli - 25. Juli)
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Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung der Amtsbezirke Heidelberg, Wiesloch, Sinsheim, Eppingen, Gberbach, Mosbach, Buchen,

_ Adelsheim, Boaberg, Tauberbischofsheim und Wertheim.
Bezugspreis: Monatlich einschl. Trägerlohn 32.— Mk., Anzeigenpreise:
Die einspaltige Petitzeile (36 mm breit) 3.— Mk., Reklame-Anzeigen
(98 mm breit) 8.— Mk. Bei Wiederholungen Nachlaß nach Tarif.
Geheimnttttelanzeigen werden nicht ausgenommen.
Eeschästsstunden: 8—'/s6 Uhr. Sprechstunden derRedaktion: 11—12Uhr.
Postscheckkonto Karlsruhe Nr. 22577. Tel.-Adr.: Volkszeitung Heidelberg.
Heidelberg, Samstag, 15. Juli 1922
Nr. 162 * 4. Jahrgang
Verantwort!.: Für innere u. äußere Politik, Volkswirtschaft u. Feuilleton :
Dr. E. Kraus: für Kommunales, soziale Rundschau und Lokales:
O.Geibel; für die Anzeigen: A. Friedmann, sämtl. in Heidelberg.
Druck u. Verlag derUntsrbadischsn Verlagsanstalt G. m. b. H., Heidelberg.
Geschäftsstelle: Schröderstraße 39.
Fernsprecher: Anzeigsn-Aunahms 2873, Redaktion 2313.

Zur Lage,
Kr. Heidelberg, den 15. Juli.
Die neueste Währungskatastrophe, die den Dollar vorübergehend
auf nahezu 600 Mk. hinauftrieb und die Mark bis zu 0,80 Prozent
ihres Friedenswertes entwertete, ist die schlimmste, die bisher unsere
deutsche Volkswirtschaft betroffen hat. Sie läßt die Devisenhausse
des November 1921 weit, sehr weit hinter sich zurück, ihre sozial-
wirtschaftlichen Folgen sind ganz ungeheuer und heute im einzelnen
noch gar nicht zu übersehen. Diese entsetzliche Geldentwertung und
die Hand in Hand mit ihr gehende wahnsinnige Preissteigerung
mus; alle besitzlosen Lohn- und Gehaltsempfänger in ganz kurzer
Zeit in eine verzweifelte Situation bringen. Die infolge der soeben
ganz gewaltig gestiegenen Rohstoffpreise zu erwartende Teuerung
der nächsten Monate, die Preise, die im kommenden Herbst für
Kohle, Holz, Brot. Kartoffeln und Licht bezahlt werden müssen,
lassen an innerpolttischen und sozialen Spannungen jetzt schon das
Schlimmste befürchten. Dazu kommt die große außenpolitische Ge-
fahr dieser Finanzkrise. Alle unsere Berechnungen über die Lei-
stung der Reparattonsverpflichtttngen, die Bilanzierung des Etats
und die Sanierung der Finanzen durch Stabilisierung und Abbau
der schwebenden Schuld sind wieder über den Haufen geworfem
Aufs neue hat sich die deutsche Regierung gezwungen gesehen, die
Entente um Stundung unserer Barzahlungen zu bitten. Von der
Antwort auf dieses Gesuch, von der weiteren Entwicklung der
Reparations- und Anleihefrage hängt es wesentlich ab, ob wir
nicht in ganz kurzer Zeit österreichischen Verelendungszuständen
entgegentreiben.
Es ist selbstverständlich, daß angesichts solch trostloser Zustände
.uuner wieder die Frage nach den Ursachen, nach den Schuldigen
austaucht, ja sie mutz gerade von uns sozialistisch eingestellten Wirt-
schafts- und Gesellschastskritikern stets aufs neu gestellt werden.
Dabei mutz immer wieder auf den unseligen Vertrag von Versailles,
aus das ökonomisch unmögliche Ultimatum von London hingewiesen
werden, auf die verbrecherische Hartnäckigkeit, mit der die heute in
Frankreich regierenden Kreise sich gegen jede vernünftige Revision
der Reparation stemmen, setzten Endes zu ihrem eigenen Nachteil.
Als die deutsche Regierung sich im vorigen November um eine
Anleihe in London bemühte, lautete die Antwort der englischen
Hochfinanz: Unmöglich, solange die Rcparationshypothek von 132
Milliarden Goldmark auf der deutschen Wirtschaft ruht; Genau
ebenso lautete die Antwort der internationalen Bankiers aus ihrer
ergebnislosen Anleihekonferenz in Paris. Und doch wäre es falsch,
immer nur diese Ursachen von außen, die Schuld der „anderen" zu
sehen. Auch bei uns selbst tragen gewisse Kreise ihr gerüttelt Matz
Schuld daran, datz es so weit mit uns kommen mutzte. Die Erz-
berger- und Rathenaumörder und ihre Gesinnungsgenossen, die die
Politische Mordatmosphäre Tag für Tag erzeugen, sind mindestens
ebenso Verräter am deutschen Volk und Verbrecher an der deutschen
Wirtschaft wie die Clemenceau, Poincarö, Tardieu u. a. Dazu
kommt die Sabotage, welche die kapitalistischen Kreise und Parteien
an der deutschen Finanzpolitik treiben, die dafür sorgen, datz jeder
Versuch einer durchgreifenden Finanzreform eben einfach scheiterte
oder mindestens solange verschleppt wurde, bis sie illusorisch war.
Diese Herrschaften erklären immer wieder: „Wir haben keine Lust,
für die Entente zu zahlen", sie wissen aber nicht oder wollen nicht
wissen, datz dann eben die breiten Massen des arbeitenden Volkes
durch Geldentwertung, Teuerung und soziale Verelendung zahlen
müssen. Die Sabotage begann im Kampf gegen die Finanzreform
Erzbergers, sie wurde unter dessen Nachfolgern fortgesetzt, erst gegen
die Durchführung des Reichsnotopfers und jetzt seit 6 Monaten
gegen die Zwangsanleihe. Wenn die Steuervorlagen,
die im vorigen Sommer Dr. Wirth als Reichsfinanzminister dem
Reichstag vorlegte, rasch und energisch zur Durchführung gebracht
worden wären, wäre beim damaligen Valuta- und Preisstand
eine wenigstens teilweise Sanierung unserer Finanzen möglich
gewesen. Heute ist sie mit dem ganzen Steuerkompromiss einschließ-
lich Zwangsanlethe einfach nicht mehr möglich. Alle durchgreifen-
den Schritte, die eine Heranziehung des agrarischen und indu-
striellen Goldwertebesitzes bezweckten, sind unmöglich gemacht wor-
den, weder vom Jndustriekredit noch von einer Beteiligung des
Reiches an den Industriegewinnen hat man noch irgend etwas
gehört. Was Wunder, wenn das Proletariat endlich die Lust ver-
liert, eine solche Politik, die ihm nur neues Elend bringt, weiter
mitzumachen und sich dann noch systematisch die besten Führer Weg-
knallen zu lassen!
Alles das mutz man entsprechend würdigen, wenn man das,
was zur Zeit politisch vorgeht, richtig beurteilen will. Eine Kern-
frage der Innenpolitik, die diese Woche aufgeworfen wurde, ist
die der Koalitionserweiterung nach links, sie ist bis
heute noch ungelöst. Die Tatsache, datz die freien Gewerkschaften
im Bunde mit den beiden sozialdemokratischen Parteien bestimmte
Forderungen an den Reichskanzler gerichtet haben, hat ein Zentral-
problem der neudeutschen Demokratie aufgeworfen. Prompt haben
die bürgerlichen Parteien ans diesen Schritt mit der „Ablehnung
jeder gewerkschaftlichen Nebenregierung" geantwortet, schon malen
sie ihren ängstlichen Spießern das Gespenst der bolschewistischen
Diktatur u. a. m. an die Wand. Nun ist es ja selbstverständlich,
datz die staatsrechtliche politische Vertretung des deutschen Volkes
uur der Reichstag ist und datz ihm allein die Regierung staatsrecht-
lch verantwortlich ist. Aber damit ist zumal in heutiger Zeit nicht
besagt, das; die Organisationen der Wirtschaft insbesondere aber
Srotze soziale Interessenvertretungen keine Möglichkeit haben sollen,
ihren Einfluß auf die politische Willensbildung geltend zu machen.
Hier liegt das Problem der „schöpferischen" Demokratie an Stelle
der rein formalen: deren staatsrechtliche Form mutz erst noch gefun-
den werden. Es ist doch so, daß die programmatische und tatsäch-
liche Aktionskraft der politischen Parteien oft recht wesentlich von
der Stoßkraft der hinter ihnen stehenden Wirtschaftsmächte bestimmt
wird. Das ist der Fall, wenftdie bürgerlichen Parteien bei Agrar-

öder Finanzfragen, die Landwirtschaft, den Reichsverband der
deutschen Industrie, die Banken für ihre Sache mobil machen und
ebenso, wenn die sozialistischen Parteien die Organisationen des
Proletariats ausrufen, um die Politik nach einer bestimmten Rich-
tung zu ztvingen. Hier den richtigen Weg zu finden, ist das zen-
trale Problem der politischen Führung ganz großen
Stils. Schließlich ist es die Aufgabe des Kabinetts und insbeson-
dere seines politischen Chefs, des Kanzlers, nicht nur die oft recht
zufälligen Avstimmungsgruppierungen im Parlament zu sehen
sondern — und das heute mehr denn je — auch die politischen
und wirtschaftlich-sozialen Mächtegruppierungen draußen und ihre
Beziehungen zur Situation im Parlament. Und darum Wäre es
u. E. völlig verkehrt, wenn jetzt etwa der Reichskanzler sich durch
das bürgerliche Geschrei von der gewerkschaftlichen Nebenregierung
ins Boxhorn jagen ließe und nun etwa glaubte, über die Forde-
rungen der Gewerkschaften, welche diese ja zusammen mit den
beiden sozialdemokratischen Parteien gestellt haben, einfach zur
Tagesordnung übergehen zu können. Ein solcher Mangel an Poli-
tischem Führertum und Weitblick könnte in der gegenwärtigen so
sehr gespannten Situation schwere innenpolitische und wirtschaft-
liche Krisen zur Folge haben. Not tut jetzt eine mutige und ener-
gische republikanisch-demokratische Kräftekonzen-
tratton, die nur durch Hereinnahme der U.S.P. in die jetzige
Koalition realisiert wird. Werden Reichskanzler und Reichspräsi-
dent die Feuerzeichen der Stunde verstehen und ihnen folgen? . . .
Bildung einer Arbeitsgemeinschaft der beiden
sozialdemokratischen Reichstagsfraktionen.
Berlin, 15. Juli. Die sozialdemokratische Reichs-
tagsfraktion und die Reichstagssraktion der Unabhängigen
haben am Freitag abend nach Besprechung der beiderseitigen Frak-
tionsvorstände in getrennter Sitzung den übereinstimmenden Be-
schluß gefaßt, sich zu einer Arbeitsgemeinschaft der sozial-
demokratischen Reichstagsfraktionen zusammenzufchlicßen. Dieser
Beschluß wird im Laufe des Samstags der Regierung und den
Reichstagsparteien offiziell mitgrteilt werden.
Zur innenpolitischen Lage
meldet die Telunion:
Berlin, 15. Juli. Die Verhandlungen über die Regie-
ruugserweiterung sind im Laufe des gestrigen Tages nichtvor -
Wärtsgekommen. Sie werden erst dann in ein akutes Sta-
dium eintreten, wenn der Reichspräsident in Berlin ein-
getroffen ist. Man nimmt in parlamentarischen Kreisen an, datz
der Präsident nach dem Vortrag des Reichskanzlers auch noch die
Parteiführer hören wird, ehe Beschlüsse gefaßt werden. Noch
immer besteht der Plan der Berufung eines den Unabhängigen und
eines der Volkspartei nahestehenden Ministers, wenn auch der Plan
der Berufung eines den Unabhängigen und eines der Volkspartei
von feiten der Volkspartei keine Förderung, im Gegenteil ziem-
lich eindeutige Ablehnung gesunden hat. Die genaue Festlegung
eines Arbeitsplanes für den Reichstag in der heutigen Sitzung des
Aeltestenausfchusses, wobei der Tagungsschluß für Dienstag vor-
gesehen ist, läßt darauf schließen, datz die Parteiführer mit einer
ungehemmten Verabschiedung der in Beratung befindlichen Gesetze
rechnen. Hieraus jedoch Schlüsse auf eine ebenso rasche und glatte
Erledigung der schwebenden Regierungsumbildung zu ziehen, wäre
falsch, zumal der „Vorwärts" heute abend neuerdings seinen
Standpunkt dahin präzisiert, datz für die Sozialdemokratie eine
Koalitionspolitik gegen die Unabhängigen nicht mehr möglich sei.
Die bürgerlichen Koalitionsparteien stehen nach wie vor einer ein-
seitigen Regierungsumbildung negativ gegenüber. Die Entschei-
dung wird wahrscheinlich im Laufe des heutigen Tages fallen,
wenn auch Ueberraschungen nicht ausgeschlossen find.

Die Verfolgung der Rathenau-Mörder.
Gardelegen, 13. Juni. (Eig. Drahtbericht.) Alles in allein
ist man seit Dienstag nicht vorwärts gekommen. Der einzige we-
senAiche Fortschritt liegt in der Alarmierung der Bevöl-
kerung ganz Mittel d,e u tschlan d s, aus deren Mitte eine
Mille von Meldungen bet der hiesigen Zentralstelle oinlaufen, die
sorgfältig nachgeprüft werden, soweit ihre Belanglosigkeit oder Wi-
derfinnigkeit sich nicht gleich von selbst ergibt. Es bestehen nur
zwei Möglichkeiten: entweder haben die Mörder Unterschlupf bei
Gesinnungsgenoffen auf einem entlegenen Gutshof oder Forsthaus
in der Altmark gefunden oder sie sind bereits längst über die
Altmark hinaus und nähern sich Süd d e u ts ch! an >d. Was die
andere Möglichkeit anbelangt, so wird neuerdings noch eine
Spur verfolgt auf Grund von Meldungen, die am gestrigen
Spätnachmittag emliefen. Ist es dagegen den Mördern gelun-
gen, aus der für sie besonders gefährlichen Gegend von Garde-
legen herauszukommen, dann erscheint eine gleiche Aktion zur Be-
nachrichtigung und Aufrüttelung der Bevölkerung- wie sie in der
Altmark durch Aufrrrfe, Flugblätter usw. unternommen wurde, jetzt
für die Gegenden, die an Bayern grenzen, also Sachsen und
Thüringen im größten Matzstabe dringend geboten. Sie ist
übrigens sowohl in Thüringen Wie auch in Braunschweig im
Gange. Es zeigte sich übrigens bet der Verfolgung der inzwischen
als falsch erkannten Spur nach Thale, datz die Bevölkerung von
Industriegebieten ein viel regeres Interesse an der Fahndung arft-
weist als die Landbevölkerung in der Altmark. Nur so erklärt sich
die Wervaffchend schnelle Aufklärung dieser falschen Spur, die mehr
als 100 Kilometer lang verfolgt wurde. ES braucht hier Wohl
nicht besonders betont zu werden, datz alles daran gefetzt werden
mutz, die Mörder an einem Ueberschreiten der bayerischen Grenz«
zu verhindern und warum. Bei dieser Gelegenheit sei auch er-
wähnt, daß die braunschweigische und die Thüringer
Regierung im besten Einvernehmen mit der Berliner Polizei zu-
sammenmrbeiten, und daß sie eine Verhaftung der Mörder ans

ihrem Gebiet durch Berliner Kommissare nicht als eine „Ver-
letzung ihrer Hoheitsrechte" und als einen „Schlag gegen den
Reichsgedanken" betrachten würden.
Oschersleben, 13. Juli. (Eig. Drahtbericht.) Die gesamte
Berliner Bevölkerung, mit Ausnahme der deutschvölkischen Mör-
devfrmude, wird mit Enttäuschung die Kunde vernehmen,
daß auch die Spur Oebtsfelde-Schöniugen-Thale mit negativem
Ergebnis aufgeklärt wurde. Die zwei verfolgten Radfahrer wur-
den noch heute nacht in Thale erreicht, wo sie in der Jungherberge
abgestiegen waren, und festgenommen. Ihre Kleidung, ihr Auf-
sehen und auch ihre Handschrift entsprachen ziemlich genau denen
der Mörder, doch konnten sich die beiden Festgnommeneir als z w e i
jungeLehrer namens Klappenbuvg und Meinicke aus Dannen-
berg a. d. E. ausweisen. Sie hatten sich auch unter ihrem richtigen
Namen eingetragen.
Verhaftung wegen Unterstützung der Rathenau Mörder.
Berli n, 14. Juli. InWismar sind mehrere Verhaftungen
vorgenommen worden. Es wird angenommen, zum Teil ist dies
auch schon festgestellt, datz die Mörder in Wismar mit Rädern und
Geldmitteln versehen worden find. Daß sie Geldmittel gehabt ha-
ben, beweist der Einkauf neuer Garderobenstücke, den sie in Len-
zen vornehmen konnten. Die Flucht erscheint aber ganz ohne Plan
erfolgt zu sein. Außer in Wismar sind auf einem Klostergut in
der Nähe von Wismar, ferner in Neu-Katies und auch in Lenzen
mehrere Personen verhaftet worden, die Lurch Gewährung von
Unterkunft, durch Rat oder sonstwie den flüchtigen Mördern weiter-
geholfen haben.
. ... ..
Deutscher Reichstag.
Berlin, den 14. Juli.
Am Negierungstisch: Reichswirtschaftsminister Dr. Schmidt,
Reichsjustizminister Radbruch.
Präsident Loe b e eröffnet die Sitzung um 3.20 Uhr.
Zur Beratung steht ein Gesetzentwurf über den Ausschluß eines
Teiles des Kieler Hofens aus dem Zollgebiet. Die Stadt Kiel will
den Hafen zu einem Großhandelshafen und zum Ansangs-
und Endpunkt der Ostseeschiffahrt einrichten. Dazu bedarf jedoch
die Stadt eines Zollausschlußgebietes für den Umschlag und für
die Stapelung von ausländischen Gütern, ohne eine zollamtliche
Abfertigung. Nach einer Aussprache, in der die Abgg. Dr. Ober-
fohren (DN.), Eggerpedt (Soz.), Güldemeister (DVP.), Koch (Dem.)
und Korthaus (Ztr.) für die Vorlage etntraten und Retchswirt-
schaftsminister Schmidt darauf hinweist, daß die Regierung bemüht
gewesen sei, die Vorlage zu fördern, wird diese verabschiedet.
Zur Beratung steht weiter die zweite Lesung des Einspruchs
des Reichsrates gegen einen Reichstagsbeschluß betr. das Gesetz
über Teuerungsmatznahmen für Militärrentner. Dem Reichsrat
erschien eine Erhöhung der Einkommens grenze auf das dreifache
der Erwervsloscnunterstützung zu hoch. Der Reichstag schloß sich
der Meinung des Berichterstatters Abg. Streiter (D.VP.) an, der
erklärte, datz die Berechnung nach der Erwerbslosenunterstützung
in Wegfall gekommen fei.
Ein Antrag Abg. Müller Franken (Soz.), Marx (Ztr.) und
Dr. Petersen (Dem ), den 11. August, den Tag, an welchem die
Weimarer Verfassung verabschiedet worden sei, als staatlichen
Feiertag anzuerkennen, geht an den Rechtsausschutz.
Der Gesetzentwurf über Maßnahmen gegen die wirtschaft-
liche Notder Presse wird an den volkswirtschaftlichen Aus-
schutz verwiesen.
Es folgt dann die erste Lesung des Entwurfes eines Disztpli-
nargesetzes für die Wehrmacht. Abg. Hünlich (Soz.) fordert
Ausschutzberatung. Ein Vertreter des Reichswehrministeriums
erklärt, daß Me Wünsche der Heereskammer bei der Durcharbeitung
der Vorlage weitgehend berücksichtigt worden sind.
Zur Beratung steht dann die zweite Lesung des Gesetzent-
wurfes über die Bekanntmachung von Verurteilungen wegen Preis-
treibereien, Schleichhandel, verbotener Ausfuhr lebenswichtiger
Gegenstände und unzulässigen Handels. Bet vorsätzlicher Zuwider-
handlung gegen diese Strafbestimmungen wird, wenn auf Geld-
strafe von mindestens 50 OVO Mk. oder auf eine Freiheitsstrafe von
mindestens 3 Monaten erkannt worden ist, das Urteil öffentlich
bekannt gemacht und auch in den Geschäftsräumen des Täters an-
geschlagen wird.
Ein Kompromißantrag Marx (Ztr.), Dr. Becker-Hessen (D.VP.)
und Petersen (Dem.) fordert, daß der Preis dann keinen über-
mäßigen Gewinn darstellen soll, wenn er der Marktlage entspricht
und wenn die amtlich festgesetzten Marktpreise eingehallen werden,
sofern nicht durch Schwierigkeiten in der,Warenbeschaffung oder
durch unlautere Machenschaften eine Notlage geschaffen ist. Ais
Grundlage für eine unzulässige Preisstellung soll der Wieder-
beschaffungspreis nebst Geschäftsunkosten dann dienen, wenn die
Bildung eines Marktpreises ausgeschlossen ist.
Reichsjustizminister Dr. Nadbr'uch bittet, den Konlpromitz-
antrag abzulehnen und die Ausschutzfassuug ausrechtzuerhalten. Die
Annahme des Ausschutzantrags würde die Wiederaufnahme von
Verfahren erleichtern. Jede auch nur scheinbare Lockerung der
Wucherbestimmungen in dieser Zett der ungeheuren Preissteige-
rungen Wirke gefährlich und müsse vermieden werden.
Der Gesetzentwurf wird darauf in zweiter Lesung angenommen.
Die Abstimmung über die Entschließung und den Kompromitzmttrag
wird bet der driften Lesung stattfinden.
Dann vertagt sich das Haus auf Samstag 2 Uhr: Reichskrimi-
nalpoltzeigesetz, Beamtenpflichtgesetz
Schluß -48 Uhr.
*
Das Beamtengesetz im Ausschuß in zweiter Lesung erledigt.
Berlin, tt. Juli. Der Rechtsausschutz des Reichstags er-
ledigte in seiner heutigen Sitzung den Gesetzentwurf über die Pflich-
ten der Beamten zum Schutze der Republik in zweiter Lesmr-. Ein
 
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