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Volkszeitung: Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung des ganzen badischen Unterlandes (Bezirke Heidelberg bis Wertheim) (4) — 1922 (Mai bis August)

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Nr. 191 - Nr. 200 (18. August - 29. August)
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Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung der Amtsbezirke Heidelberg, Wiesloch, Sinsheim, Eppingen, Eberbach, Mosbach, Buchen,
Adelsheim, Boseberg, Tauberbischofsheim und Wertheim'_ __—

Heidelberg, Mittwoch, 23. August 1922
Nr. 196 * 4. Jahrgang

Bezugspreis: Monatlich einschl. Trägerlohn 42.—- Mk-, Anzeigenpreise:
Die einspaltige Petitzeile (36 mm breit) 4.50 Mk., Reklame-Anzeigen
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O.Geibel; für die Anzeigen: A. Friedmann, fämtl. in Heidelberg.
Druck u, Verlag der Unterbadischen Verlaqsanstalt G.m.b.H., Heidelberg.
Geschäftsstelle: Schröderstraße 39.
Fernsprecher: Anzeigen-Annahms 2673, Redaktion 2313.

MAM»WMÄMW. -
Bradbury mit Mauclere beim Reichskanzler.
Berlin, 23. Aug. Die Einzelbesprechnngen zwischen den in
Berlin weilenden Delegierten der RcparaiionskontmissioN und den
Vertretern der zuständigen Reichsbehörden sind gestern zu einem
gewissen vorläufigen Abschlüsse gekommen. Die Herren Brad-
bury und Mauclere Haven von sämtlichen beteiligten Ressorts
ausgiebige Informationen erhalten und sind darauf gestern nach-
mittag vom Reichskanzler Dr. Wirth zu eurer neuerlichen Be-
sprechung empfangen worden, in deren Verlauf die Moratoriums-
frage zum Gegenstand einer ebenso gründlichen wie grundsätzlichen
Erörterung gemacht wurde. Die Unterredung verlief in durchaus
normalen Formen. Dr. Wirth legte auf bestimmte Frage» der
Seiden Delegierten hin nochmals den bekannten ablehnenden Stand-
punkt der deutschen Regierung zur Frage der von Frankreich auf
der Londoner Konferenz gewünschten produktiven Pfänder dar uns
die Delegation nahm hiervon Kenntnis. Damit darf das erste
Stadium der Berliner Reparationsverhandlungcn als abgeschlossen
gelten. Vorläufig steht noch »licht fest, wann die nächste Zusammen-
kunft der Herren BradSurh und Mauclere mit den deutschen Repa-
rationsvertretern stattfinden »oird. Für heute vormittag ist ledig-
lich eine Chrfbesprechung in der Reichskanzlei anberaumt.
Die Lage wird allgemein als sehr ernst beurteilt. Wenn auch
bisher keinerlei bestimmte Forderungen an die Reichsregicrung
gestellt worden sind, so darf doch der Umstand nicht außer Acht ge-
lassen werden, dass im Grunde seit der Londoner Konferenz in
sachlicher und prinzipieller Beziehung kein Schritt vorwärts getan
werden konnte. Bei der iutrausigeauten Haltung des Kabinetts Po-
iucare erscheint eine Einigung auf Mittlerer Linie miss höchste er-
schwert. Das Reparationsprovlem wird solange der Zankapfel
Europas bleiben, als es nicht aus dem Fahrwasser politischer in
das nüchterner finanzieller Diskussionen übergeleitet werden kann.
Auch diesmal wieder droht die Gefahr eines Aufschubes der Ent-
scheidung um Wochen, wenn nicht gar um Monate; was das für die
deutsche Wirtschaft zu bedeuten hätte, bedarf keiner Auseinander
setzung. Die Aussicht auf die allgemein geplante Reparationskon-
serenz in Brüssel im kommenden November ist in der gegenwärtigen
Krise ein recht magerer Trost, denn es versteht sich von selbst, daß
ci,t neues Provisorium lediglich eine Verschärfung zur Folge haben
könnte.
Bevgarbeiterinterrmtivrmle rmd
Reparationskommissiou.
Berlin, 28. Aug. Eine Vertretung der Bergarbetterinter-
»mcionale, bestehend aus te einen» Engländer, Franzosen, Belgier
und Deutschen, wird sich entsprechend einem Beschlüsse des Inter-
nationalen Bergarbeiterkongresses von Frankfurt a. M. demnächst
nach Paris begeben, um der Reparationskommtssion Bericht über
die deutsche Kohlenlage zu erstatten. Die Bergarbeitervertreter
treffen vorher in Bochum zusammen, um das deutsche Material zu
Prüfen und zusammenzustellen. Der Zweck dieser Aktion ist, eine
Milderung der Bestimmungen über die Lieferung deutscher Nepa-
rationskohle zu erziehlen.
Die Haltung Belgiens in der Reparations-
frage.
Paris, 22. Aug. Havas veröffentlicht AVer die Haltung Bel-
giens in der Reparationsfrage eine ziemlich gewundene Note aus
Brüssel, in der es heißt, Belgien sei vor allein für eine Verein-
barung, Weiche die Fragen umfaßt, welche Vie Welt jetzt bewegen,
snämMch «das ReparationsProWem, das Problem der Regelung der
alliierten Schulden und Die Frage der internationalen Anleihe,
durch Me Europa wieder bergest eilt werden soll.
Zur Poincares Rede.
Berliner Blätterstimmeu.
Berlin, 22. Aug. Die gesamte Berliner Presse gewahrt der
neuesten Rede Poincares in Bar-le-Duc den breitesten Raum. Die
Mehrzahl der Blätter verzichtet zwar auf einen Kommentar, doch
kommt schon iil den Ueberschristen zum Ausdruck, was von den
alten Phrasen und Lügen, wie sich die „Kreuzzeitung" ausdrttckt, zu
halten ist. Das „Bert. Tagebl." sagt: „Ein wie wohlwollender
Gläubiger Frankreich ist, zeigt sein ganzes bisheriges Verhalten
und auch jetzt wieder die Tatsache, daß Herr PoiucarL an seinen
produktiven Pfändern festhält. Die ganze Rede läuft in eine Ent-
stellung der offenkundigen Wahrheit aus." Nach der „Tagt. Rund-
schau" scheint Poincare unter alle,» Umständen gewillt, wenn die
Verhandlungen in Berlin init einem ihm unerwünschten Ergebnis
abschließen, den völligen Bruch mit England zu vollziehen, um
Deutschland gegenüber unbeschränkte Handlungsfreiheit zu ge-
lt» innen.
Französische Blätterstimmen.
Paris, 22. Aug. Es war vorauszuschen, daß die gestrige
Rede Poincares im allgemeinen den Beifall der Presse sowohl
rechts a!S links finden würde, LMU sie enthiÄt alle Argumente, die
N^Miei wären, auf beiden Seite»» eine gewisse BefriediMMg zu er-
Das oppositionelle „Oeuvre" schreibt z. B. heute morgen:

„Herr Poincare Hai gestern in Bar-le-Duc smgesehen, wenn auch
allerdings etwas spät, Daß Die große Rolle Der Wieoeranfbauarveit,
die s. Zt. Wilson vergeblich versuchte und die auch Lloyd George
zu übernehmen nicht imstande war, ebenso gut von Frankreich Hätte
hätte gespielt werden können. Er hat gestern angedeutet, Vas; Das
eine hohe Aufgabe wäre, die er erträumen könnte. Allerdings ist er
zu Vieser außerordentlichen Anstrengung weder durch seine Ver-
sangenHeit noch durch seinen Mut besanvers geeignet. Aber gestern
haben aus seinen» Munde zwei verschiedene Menschen gesprochen:
l. der lothringische eigensinnige Advokat und unversöhnliche Prin-
zipienreiter, 2. ein Staatsmann, der sich über Vie internationale
Solidarität selbst klar geworden ist, Vie zukünftig die Völker ver-
binden soll nd ohne Vie kein Fortschritt möglich ist. Wie wollen
sich nun diese zwei Menschen verständigen?"
Von Der nationalistischsn Presse erklärt Das „Echo de Paris".
Daß jetzt der Konkurs jeder Kollektivaktion proklamiert sei. Es sei
jetzt der Augenblick gekommen, nm mit jener verhängnisvollen
JVeoMe zu brechen. Man habe einen ehrgeizigen Völkerbund und
eine souveräne Reparationskommission geschaffen. Wer Das feien
leere Dekorationen, Vie schlecht von Egoismus Des Einzelnen ver-
steckt hätten. Es habe sich hente erwiesen, Daß durch eine Kollektiv-
aktion übechMpt keine der großen Aufgaben, Vie heute gelöst wer-
den sollen, fortgeschritten seien.
Die „Action Francaife": Herr Poinoars Gat für Frankreich
Vas Rocht auf eine französische Politik festgestellt. Diese PoMik be-
steht zuerst Darin, unsere Reparationen Durch positive Garantien zu
erlangen. Dieses Ende der Gangen Kette mlutz vor allem sestgehallen
werden.
Der „Homme iibre": Bis zum heutigen Tage Hai Frankreich
zu Deutschland nur Lurch die mehr oder weniger verdächtige Ver-
mittlung EnglanDs gesprochen. Diesmal hat Frankreich seine Ab-
sicht Durch eine französische Stimme zum Ausdruck gebracht. Frauk-
rcich. isi nun endlich aller Umsisiweife mWp geworden. Das ist der
gegenwärtige Geisteszustand.
Die „Victoike": Wenn nach dieser Rode es zwischen Paris
und London zum Bruch kommt, Dann ist wirklich Lloyd George
daran schuld.
Die „Ere Nouvelles" schreibt: Die neue Rede von Bar-le-Duc
ist ein sehr klarer Hinweis auf Den Willsn des Quai v'Orseh. Herr
Poincare hat konstatiert, daß Der Vertrag eine grundsätzliche Un-
gcrechtigkott enthält, Die dazu führt, daß bei der Rpearationskom-
missiou und bei interalliierten Konferenzen Frankreich.sich der
Mehrheit beugen »nutz. RichtsDestoweniger Hat es Die prompte rmd
regelmäßige Ausführung dieses Vertrags verlangt, Der der Grund-
pfeiler der französischen Politik bleibt.
Der „Petit ParisieN" schreibt: Es ist nötig, noch einmal zu ver-
sichern, daß der Ministerpräsident in seiner Rode ganz und gar Das
Nattonalgesnhl zum Ausdruck gebracht hat. Trotz ihrer Festigkeit
ist Vie neue Rode von Bar-le-Duc sehr mäßig, sehr höflich und im
Grunde England gegenüber so herzlich gehalten, daß sie unfehlbar
Wnsits des Kanals einen gewissen Eindruck mache!» muß. Mit ein
Wenig gutem Willen seitens unserer englischen Freunde, mit einer
kleinen Anstrengung seitens des Reichskanzslers, uns für das Mo-
ratorium solide Sicherheit zu Reten, werden wir zu der Genewl-
ltquiDierung der interalliierten Schulden gelangen, ohne Vie alle
Bemühungen um den europäischen Wiederaufbau nutzlos sind.
Englische RMterstimmen.
London, 22. Aug. Die englischen Pressekommeulare über
Poincarss Rede siitv alles weniger Kls freundlich. Selbst Dir „Ti-
mes" meinen, die Anspielungen auf Die englische Politik seien mehr
eine Einladung an England, sich zuriickzuzichen, anstatt Vie Wege
zu einer Verständigung zu bahnen. Die „Westminster Gazette"
sagt: Produktive Pfänder zu verlangen und dafür ein Moratorium
zu gewähren, heiße mit der linken Hand Vas wegzunehmen, das
man mit Der rechten gegeben hat. Einem insolventen Schuldner
»Nüsse man Beistand leisten, Dürfe ihm alber nicht Vie letzte Hilfs-
quelle nehmen. Das Regierungsblatt „Daily Chronicle" sagt, Vie
Rode, die voll bitterer Worte und Anspielungen gewesen sei, wäre
nicht dazu angetan, die Mißstimmung zwischen England und Frank-
reich zir beseitigen. „Daily Telegraph" ist schon zufrieden damit,
daß Pomcars nichts gesagt habe, was das Verhältnis noch mehr
trüben könnte. Nur die besonders franzosensreundliche „Mocniwg-
Post" schließt sich der französische,» These Kn; daß Vas neue Deutsch-
land nach seinen alten Methoden durch schlechten Willen den Wie-
deraufbau Europas verzögere.

Die Lösung der bayrischen Krise.
München, 22. Aug. Die Koalitionsparteien werden hellte
nachmittag in einer gemeinsamen Sitzung über die neuen Bespre-
chungen in Berlin beraten. Man glaubt, daß an der Zustimmung
der Koalitionsparteien zum Ergebnis der Berliner Verhandlungen
nicht mehr zu zweifeln ist. Die Bekanntgabe der Koalitionsbeschlüsse
wird friv heute abend oder Mittwoch vormittag erwartet.
Einigung zwischen Bayern und dem Reich.
Berlin, 23. Aug. Wie wir hören, hat der bayerische Ge-
sandte in Berkin, Dr. vonPrege r, noch gestern abend dem Reichs-
kanzler Dr. Wirth »nitgeteilt, daß der bayerische Ministerrat und
die Koalitionsparteien den? Inhalte der letzten Berliner Unterhal-
tung wre Zustimmung gegeoen hatten. Die Aushebung der baye-
rischen Verordnung würde in Kürze ersoigM

Die Einigung.
Von PaulLevi.
Unsere Leser wird es gewiß interessieren, wie sich
der frühere Vorsitzende der Kommunistischen Partei
und jetzige Führer der Unabhängigen PaulLev» zur
Einigung stellt. Um es gleich vorweg zu nehmen:
Levi hielt die Einigungsaktion für überstürzt: nach-
dem sie aber einmal in Fluß gekommen ist, stellt er sich
»nit dem ihn» eigenen Tatsachensinn »nit beiden Beinen
auf ihre»» Boden. So hat er vor einigen Wochen dann
in jener denkwürdigen Versammlung der Berliner
USP.-Funktionüre senr alten Haudegen Ledebour,
der Gegner der- Einigung ist, eine zerschmetternde Nie-
derlage beigebracht. 1100 Stimmen kamen auf Levis
Einigungsresolution — ein Fähnlein von ganzen 100
Unentwegte», hielt zu Ledebour. Die Artikelreihe, die
Wir mit sachlich unwesentlichen Kürzungen aus der
Zeitschrift „Unser Weg" übernehmen, ist glänzend ge-
schrieben und erreicht ihre»» Höhepunkt an scharf-
sinniger Zergliederung und ätzender Satire, wo die
Politik der deutschen Kommunist sten be-
handelt wird, die ja Levi als ihr vormaliger Führer
ganz besonders gut kennt.
Die Redakt.
!.
Die bürgerliche»» Parteien streben eine Arbeitsgemeinschaft an
und es ist nicht avzusehen, daß sie dieses Ziel nicht erreichen Wer-
den .. . Nicht nur, daß die Betäubung und Resignation der Bour-
geoisie Von 1918 vorüber ist. Sie beginnt nach so etwas wie eitler
eigenen Weltanschauung zu suchen. Zwar weis; sie nicht genau, wo-
her die nehmen, aber als Ersatz dient ihr vorläufig das Negativum,
die Feststellung, daß der „Marxismus bankerott sei". Uns ist in
dieser Hinsicht außerordentlich lehrreich ein Artikel, den »n diesen
Tagen ein Redakteur der „Frankfurter Zeitung" schrieb, der noch vor
zwei Jahren redete „wie ein Sozialdemokrat". Das ist jetzt alles
vorüber. Ohne große Idee und ohne weiteres Weltbild hat die
Bourgeoisie zwei Dinge behalten, mit denen sie vorderhand ihr Da-
sein fristet: die Lust am Geldverdienen und den Willen z«M
Herrsche n.
... Damit, daß die Bourgeoisie sich jetzt konsolidiert, hat sie in
der gegen sie gerichteten Revolution diesen Prozeß unterbrochen.
Wir sind guten Muts und sagen: unterbrochen und »licht: zu Ende
gebracht. Dem» das; der geistigen Konsolidierung das Positivum
fehlt und ihr das Negativum eignet, zeigt das Wesen des Vor-
ganges. Aber sei ihn» wie »hm wolle: die Tatsache an sich besteht:
Die Bourgeoisie „fühlt sich" und die hat auch weitere Schichte»» Ein-
fluß auszuüben begonnen. Wir weisen vor allem auf die Bauer» Hilt
und möchten heute die Frage nur aufwerfen und nicht erörtern,
ob die Politik, die die sozialistischen Parteien den Bauern gegen-
über in den letzten Jahren getrieben haben, die richtige war.
II.
Die Sammlung der Bourgeoisie bedeutet für das Proletariat die
Liquidation der sozialdemokratischen Politik der vergangenen!
Jahre. . . . Die bürgerliche Arbeitsgemeinschaft wird das Ende
dieser Politik bedeuten; denn mögen die Väter der bürgerlichen Ar-
beitsgemeinschaft es tausendfach beieuem und mögen sie sogar ihre
Beteuerung ernstlich meinen: die bürgerliche Arbeitsgemeinschaft
wird der Anttsozialistenblock werden. Das muß sie naiurgeschtchtlich.
Sie will eine bürgerliche Arbeitsgenleinschaft sein und kann das
nur, indem sie das dem Bürgertum Eigentliche »»nd das Vern Pro-
letariat Entgegenstehende hervorhebt. Tut sie das, dann ist der
Antisozialistenblock da. Das kann jemand verkennen, der an ge-
schichtliche Logik glaubt und das verkenne» auch in den Reihen des
Bürgertums nur wenige . . .
„Es ist phantastisch — heißt es in jenen» Artikel der „Frank-
furter Zeitung": Zur gleiche!» Zeit, in der der marxistische So-
zialismus sich innerlich zersetzt, erhebt das „Bürgertum" die
Fahne des Klassenkampses".
Für uns, die wir im Klassenkamps »richt irgend eine Erfindung
von Marx oder eines andere»» böse»» Juden sehen, sonder», das ewige
Atmen der menschlichen Gesellschaft so, wie Ebbe und Flut des Welt-
meeres, ist Vas ganz und gar »richt Verwunderliches. Nach der — in»
Weltmaßstab gesehen — Niederlage der Proletarischen Klasse, die
sie durch den Krieg, wegen des Krieges und nach den, Kriege er-
litten hat, ist es nicht phantastisch, sondern rwtwendig, daß die Bour-
geoisie ihrerseits verlorene Posten wiederzunehmen, eingenommene
Posten auszubaueu versucht. Sie bekennt sich zum Seienden, zu
Klassenkamps: sie entfaltet die „Fahne des Klassenkampses", so wie
der militärisch Starke sich zum Kriege bekennt.
Ul.
Für das Proletariat gilt es, die Folge»» aus dieser Tatsache zu
ziehen, d. h. also ans der Tatsache, daß die Krise des Kapitalismus
nicht die letzte und diese Welle der Revolution nicht die höchste ge-
wesen ist. Diese Folgen mußten und müßten in allen Ländern ge-
zogen werden. Sie wurde zuerst und am nachhaltigsten in Ruß-
land gezogen. Wir billigen nicht, wie sie in Rußland gezogen
worden sind, aber alles, was in Rußland seit der Peripetie geschah,
ist auch subjektiv nur begreifbar dann, wenn man sich vor Äugest
hält, daß ein Wirklichkeitsmensch so ersten Ranges wie Lenin die
Tatsache steht, daß ans absehbare Jahre die Revolution stillsteht
und daß es gilt, sich das Haus für die Zeit zu bauen... Das Pro-
blem, zu lösen, ist unsere Aufgabe jetzt in Deutschland.
Zunächst das eine: politisch bleibt für die Arbeiterklasse ist
Deutschland in den nächsten Jahren voran die Sicherung der
Republik. Es kann kein Unterschied sein zwischen der Frage der
Erringung einer noch nicht bestehenden und der Verteidigung einer
errungenen Republik. Es ist vielleicht zeitgemätz, daran zu er-
innern, welche Vedemung Engels der demokratischen Republik
gibt.
„Wenn etwas feststeht — schreibt er in seiner Kritik des sozial-
demokratischen ProgrammentwuM vor» 1891 — so ist es dies«
 
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