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Volkszeitung: Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung des ganzen badischen Unterlandes (Bezirke Heidelberg bis Wertheim) (4) — 1922 (Mai bis August)

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Nr. 111 - Nr. 120 (13. Mai - 24. Mai)
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https://doi.org/10.11588/diglit.48723#0117
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zu Oesterreich, jenem verfallenden, tzmeMch morschen Sraatsge-
VMe.
Der Redner sogt zum Schluffe zufchnm erfassend, Naß, obwohl
Haller selbst ein überzeugter Monarchist ist, Werke wie dessen Buch
über die Aera Bülow Dolchstöße gegen die Monarchie darstellen,
indem sie zeigen, daß die Monarchie an sich vielleicht keine unsitt-
liche Staatsform ist, aber sich !doch in der Praxis meist so auswirkt.
Was sich hier vor unseren Musen entrollt, ist trübste, infamste Ka-
binettspolttik. Wir müssen unsererseits dafür sorgen, daß die hi-
storische Wahrheit über die VorkriegsPerioden sich Bahn bricht.
Mit dem Lichte wissenschaftlicher Forschung mutz überall in jene
dunKsn Vorgänge hineingÄeuchtet werden. Nur so können wir
einer besseren Zukunft die Wege ebnen.
WSs hier Studienrat Richter Wer die deutsch-englische Poli-
tik MKMrt, wird vollauf bestätigt durch die neuesten Veröffent-
lichungen über die Versuche Ballins, einen Ausgleich mit England
herbeizuführen.
Ballt n Hat in einem ausKhklichen Brief au Ti r Pitz vom
1. Oktober 1914, in dem er als seine politische ZukunftshoffmrM
einen Ausgleichsfrieden mit England darstellte, die Gedanken-
gänge, die ihn veranlaßten, sine Entscheidungsschlacht zur See zu
verhindern, in den folgenden Ausführungen zusammeuWsatztt
„Die erfolgreiche Gestaltung des Friedens wird nicht viel we-
niger schwer sein wie die glückliche Durchführung des Krieges.
Diesen Weltkrieg kann man meiner Meinung nach in sechs Mona-
ten mit den gleichen Resultaten beenden, wie man sie nach zwölf
Monaten zu erlangen vermag. Ich meine, daß, wenn wir nicht in
einigen Monaten die Grundlage für unsere Enffchädigungsforder-
ung geschaffen hadert, die Aussichten im weiteren Verlauf der
Dinge sich für uns auch nicht viel sicherer gestalten würden. Was
wir anstreben müßten, ist eine Reugruppierung in der Form eines
Bündnisses Deutschland-England—Frankreich. Dieses Bündnis
wird zu hüben sein, sobald wir Frankreich und Belgien zu Boden
gerungen haben, und sobald Sie sich entschlossen haben, mit Eng-
land eine Verständigung über den Flottonbau herbeizuführen. Ich

Weib, daß Ihnen dieser Gedanke wenig sympathisch ist, aber ohne
eine Ueberetnkunst mit Bezug auf die Flotte werden Sie die Eng-
länder niemals zu einem vernünftigen Friedensschluss bringe«
können. Einen vernünftigen Friodensschluß nenne ich ein solches
Abkommen, mit welchem Deutschland und England ehrenvoll nach
Hanfs gehen können, und welches bei der einen noch bei der or-
deren Nation einen Hätz zurückläßt, der den Boden schon bereitet
für den nächsten Krieg.
Die französische Novauche-Jdee konnte mau 44 Jahre laug
Wohl ertragen, denn man hatte nur mit einem Haufen nationali-
stischer Schreier zu tun. Eine englische Revanche-Idee würde da-
gegen der Zukunft unserer Volkswirtschaft und unseres Artteils
am Weltverkehr ganz ausserordentlich abträglich sein. Ich Habe
schon lange den Eindruck gehabt, daß die Zett der Ueber-Droad-
noughts zur Neige geht, und ich Habs mal Herrn von Müller ge-
fragt, ob es denn nicht denkbar wäre, daß man ein Flottenahkom-
men in der Form diskutierte, daß lediglich die Summe des Geldes
festgesetzt wird, welche jede der beiden Regierungen für die Zwecke
ihres Kriegsschiffbaues jährlich ausseben wolle, und daß es jeder
der vertragschließenden Parteien überlassen bliebe, Wer welchen
Typ von Kriegssahrzengen sie die vereinbarte Summe verteilen
will. England kämpft in ebenso hohem Matze, wenn nicht in noch
höherem, um seine Existenz wie wir. Die Existenz Englands als
Weltmacht ist aber abhängig von einer mindestens numerischen
UeberLegenheit seiner Flotte.
Ich bin überzeugt, daß — immer vorausgesetzt, falls es uns
gelingt, Frankreich und Belgien zu Boden zu ringen — Englands
Forderungen mit Bezug auf die Ueberlegenheit im Flottenbau
sehr mässige sei« werden, und ich kann von meiner Ansicht nicht
loslassen, daß ein faires Abkommen mit Bezug auf den Kriegs-
schiff-Ausbau für Deutschland ebenso wichtig ist, wie für England.
Ich hoffe, dass Sie die Flotte nicht einsetzen werden."
Aber die deutsche PoliM des Men Systems war weder vor
dem Krieg noch im Krieg velehrbar. Die Folgen haben »vir jetzt
zu tragen und in jahrzehntelanger Mühseliger Arbeit wieder «ut-

umachett.
M MM »IM I» MM «M
Das Reichskabwstt und die ReparaLionsfrage. — Eine Rede Bonar Laws. —
Eine Einigung mit der ReparationsZomMisston zustandegekommen.

Die Ratifizierung.
Riga, 23. Mai. (D A 3.) Das Zentralexetutivkomitee in
Moskau hat nach der Berichterstattung des russischen Sowjstdele-
gierten für Genua Joffe über de» deutsch-russischen Vertrag von
Rapallo den Bericht genehmigt und den Vertrag ratifiziert.
Die Beratungen im ReichskabiuetL.
Berlin, 23. Mai. (D. A. Z.) Das Reichskabinett hat die ge-
stern abend unterbrochene Beratung über die Lage in der Repara-
tionsfrage am heutigen Vorruittag fortgesetzt und wird sich heute
ebenfalls wieder mit der AnMsgenheit beschäftigen. Ueber dem
Stand der vom Reichsfiuanzminister Dr. Hermes mit den Mit-
gliedern der Reparattonskommisston in Paris geführten Verh-and-
lumgen wird von amtlicher Seite, und zwar von Deutschland und
anscheinend auch gegnerischer Seite strengstes Siillschweigeu be-
wahrt. Much über den materiellen Inhalt der gegenwärtig im
Reichskabinett zur Diskussion stehenden Fragen liegen nähere
Mitteilungen nicht Vor.
Die Einigung.
Paris, 24. Mat. Die amtl. Stellen und die Presse in Paris
bestätigen gestern abend die Meldung der „Chicago Tribüne", dass
eine Einigung zwischen Hermes und der Reparationskommlsston
zustandegekommen fei. Aus welche Punkte mm» sich geeinigt habe,
ist noch nicht bekannt. Die Mission von Dr. Hermes ist damit vor-
läufig abgeschlossen. Der Reichsminister wird wahrscheinlich Mitt-
woch abend »rach Berlin zurückkehren.
Bonar Laws Rede.
London, 23. Mai. lieber das Verhältnis zwischen England
und Frankreich sprach gestern abend Bonar Law auf einem
Bankett im Viktoria-Hotel, bet dem u. a. auch Lloyd George,
Derby, Asquith sowie der französische Botschafter in Laudon
anwesend waren. Bonar Law sagte u. a.: Eine Lockerung der
Baude, die England und Frankreich seit dem Kriege verknüpfen,
wäre ein Unglück nicht nur für England wie für Frankreich, son-
dern auch für den ganzen europäischen Frieden. In England be-
gehe man den größten Fehler, »venu man die Freundschaft der ehe-
maligen Feinde suchen würde. Zur Aufrechterhaltung der Entente
zwischen den beiden Ländern sei es notwendig, daß iw beiden
Ländern den berechtigten Ansprüchen und Verhältnissen des an-
dern Landes Rücksicht und Verständnis entgegengebracht und
Klarheit Wer die gegenseitige Auffassung geschaffen werde. We.m
England Palästina und Mesopotamien erhalten habe, so habe
Frankreich ja Syrien bekommen, und wenn man England vor-
hatte, daß es durch den Krieg sine Reihe von Kolonien erhalten
habe, so habe ja auch Frankreich in Afrika mehr als eine halbe
Million Quadratkilometer bekoumlen. An die Drohung vom sran-
zösdschen Militarismus glaube er nicht; dem» Frankreich werde
sicherlich nicht das Opfer vergessen, die es mit dem Tode von
Millionen gebracht habe. Was die Repamtionsfmge angehe, so
sei auch er der Meinung, daß Deutschland bezahlen müsse, was es
leisten könne. Aber daß Deutschland alle Kriegskosten bezahlen
könne, wie behauptet worden sei, wäre eins UWnöglichkeit. Der

französischen Anschauung, daß Frankreich Sonderakrionen gegen
Deuffchland vornehmen könne, müsse er, so peinlich sine Erörter-
ung dieser Angelegenheit vor der OeffenMchkeit auch sei, entgegen-
balten, daß, wenn Frankreich Sin solches Recht aus dem Versailler
Vertrag herleitet, die andern Alliierten ebenfalls dasselbe Recht
beanspruchen können. Eine solche Politik führe nur dazu, das
Spiel der früheren Feinds nachznaHmen. Ebenso wie es während
des Krieges gelang, die zwischen Frankreich und England beste-
henden Möiuun'gsverschiedenhetten zu beseitigen, so glaube er, daß
auch jetzt, wenn auf beiden Seiten der notwendige gute Wille vor-
handen sei, die beftchewden Schwierigkeiten beseitigt werden könn-
ten.
«>
Lloyd George geht nicht nach dem Haag.
London, 23. Mai. Wie Chamberlaln gestern im Unter-
haus mittsitte, wird Lloyd Georgs ander Konferenz im Haag
nicht persönlich teilnehmen.
Ministerrat i« Paris.
Paris, 23. Mai. D. A. Z.) Unter Vorsitz des Präsidenten
Miller and trat heute morgen ^7 Uhr das französische Kabi-
nett zu einer wichtigen Sitzung zusammen. Barth ou wird
hierbei seinen Bericht über Genua erstatten und darauf der Mint-
sterrat sich mit den Beschlüsse!» von Genua eingehend befassen.
Voraussichtlich wird dieser Mtnisterrat Mich eine endgültige Ent-
scheidung über die Beteiligung Frankreichs an der Haager Konfe-
renz herbeifflhren.
Zur Bankier-Konferenz in Paris.
Paris, 23. Mai. Das „Echo Les Paris" erfährt aus London:
In Londoner Fiuanzkreisen setzt man große Hoffnungen auf die
Pariser Banlier-Konferenz, die über die internationale Repara-
tionsanleihe zu entscheiden hat. Man sei der Ansicht, Latz, wenn
eine solche Anleihe beschlossen werde, damit zur Herstellung des
Vertrauens in Europa beigetragen werde und daß man damit
einer Entwicklung zu normalen Verhältnissen näher komme. In-
dessen macht maw darauf aufmerksam, daß gestern der Markkurs
aus 1380 für das Pfund Sterling gesunken sei. Mau schreibt die-
sen neuen Niedergang der Spekulation zu, die sich angesichts des
Termins zum 31. Mai völligen Lauf lasse.

Die Teilung Oberschlefisns.
Kattowitz, 23. Mai. Nach einer Warschauer Meldung wird
sich die Kommission für auswärtige Angelegenheiten am Mittwoch
mit dem Genfer Vertrag befassen. Minister Oldowski, dessen Rück-
kehr in diesen Tagen erwartet wird, wird ausführlich Bericht er-
statten. Die Ratifikation des Abkommens durch den „Sejm" wird
in der Plenarsitzung am Freitag erfolgen. Die Ueberleitungsver-
handlungen sind nach der „Kattowitzer Zeitung" soweit fortge-
schritten, daß die Uebernahme, die sich strichweise vollziehen wird,
ungefähr fest besetzt werden kann, wenn keinerlei unvorhergesehene
Störungen eintreten. Die Uebsrgabe wird demnach Mitte Juni
beginnen und Ende Juni vollendet sein. Voraussichtlich an«
ersten Tage der Uebergabe wird das Eisenbahnwesen poluisch-
Oberschlesiens tu polnische Verwaltung übergeleitet werden. Am
gleichen Tage beginnt der Einmarsch Les polnischen Militärs in



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Bahnarbeff
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ed. der VottE

Tageszeitung für die Werktätige Bevölkerung -er Amtsbezirke Heidelberg, Wiesloch, Sinsheim, Epp in gen, Eberbsch, Mosbach, Buchen,


Adelsheim, Boxberg, Tauberbischofsheim und Wertheim.

§A"tzspreis: Monatlich einschl. Trägerlohn 20.— Mk., Anzeigenpreise:
K einspaltige Petitzeile (36 mm breit) 3.- Mk., Reklame-Anzeigen
' o mm breit) 8.— Mk. Bei Wiederholungen Nachlaß nach Tarif.
. Geheimmitteianzeigen werden nicht ausgenommen.
mWostsstimden: 8—'/,6 Uhr. Sprechstunden derRedaktion: 11—12Uhr.
^MchEonto^attsrrch^ff^2^7^ell-Ad^^kolkszsttungH^delberg.

Heidelberg, Mittwoch, 24. Mai 1922
Nr. 12V * 4. Jahrgang

Verantwortl.: Für innere u. äußere Politik, Volkswirtschaft «.Feuilleton:
Dr. E. Kraus; für Kommunales, soziale Rundschau und Lokales:
O. Geibel; sür die Anzeigen A. Friedmann, sämtl. in Heidelberg.
Druck u. Verlag der Unterbadischen Verlagsanstalt G. m. b. H., Heidelberg.
Geschäftsstelle: Schröderstraßs 39.
Fernsprecher: Anzeigen-Ammhme 2673, Redaktion 2348.

Die Aera Bülow im Lichte der
neusten Forschung.
Ueber dieses wichtige Thema referierte in voriger Woche in
Pnrtetversaiumtuug in Heilbronn unser dortiger Gen.
Dtudienrat Richter. Unter Zugrundelegung einer jüngst er-
'chienenen, hervorragenden Abhandlung des Tübinger konserva-
ve« Historikers Johannes Haller über diese bisher in ziem-
ttches Dunkel gehüllte Periode der neueren deutschen Geschichte
i^Ehnete der Redner ein übersichtliches, präzises Bild von der
uuviekluug der antzenpolitischen Konstellationen während Bülows
-ianizlertätigkett. Aus den Gedankeugängen Richters heben wir
hervor:
.... Professor Haller, der unstreitig zu den ersten deutschen
--tstorikem gehört, ließ zu Anfang des Krieges ein Buch Wer „Die
ittmchen des Weltkriegs" erscheinen, welches eine vollständig ein-
ui tilge, chauvinistisch orientierte Arbeit dar stellt. In seiuein noue-
mn Werk über dis Aera Bülow hat Haller in Anbetracht der
mille des inzwischen zutage geförderten Materials seine Arüschaumr-
mm m wesentlichen Punkten gründlich revidiert.
Was bringt uns das Buch Hallers? Betauntlich ist der Fürst
Bulow im Jahre 1909 ff» Fragen der inneren Politik von» Zeu-
trnni gestürzt worden. Er hat ein Werk über „Deutsche Politik"
bcschriciben, in dem er versichert, daß die politische Lags Dcutsch-
mnds bei seins»»» Abgang »veil besser gestanden sei als böi seiuein
Antritt. BMow behauptet, es sei ihm gelungen, die deutsche Flotte
einer achtunggebietenden Stärke heranznbWen und in der bos-
Michen Krise vorn Jahre 1909 das Einkreisungsuetz zu zerreißen,
-wl B eth mairn-H oklw egs LebensSriM finde» »vir
^ug um Zug das genaue Gegenteil dessen, was Fürst Bülow sagt,
-ehierer legt die Verschlechterung der politischen Verhältnisse dem
Herr,! v. Belhmann-Hollweg zur Last; er wirst ihm iusbesonderS
i9ii erfolgicn „Pantherfprung" nach Agadir und die Nicht-
ffachtu^g verschiedener Minduisangebote Spaniens, Schwedens
Japans vor. Ganz besonders scharf wendet sich Fürst Bülow
die Fatakitätscheorie, daß der Weltkrieg mit Naturno twen-
tnAett a-usbrechon m ußte.
HMer weist indes nach, dass die Schuld bei Bülow liegt und
Vcthmann-Hollweg die unglückseligen Folgen dieser Aera zu tra-
gen hatte. Zur Zeit der bosnischen Krise sind Frankreich und Gng-
m!d infolge der deutschen Kriegsdrohung an Rußland zwar M-
kNÄgswichen, aber sie wurden dadurch nicht entmutigt, sondern im
^wgentM erst recht erbittert gegen Deutschland. Die Ein-
ttecsung verschärfte sich.
Das Ergebnis der Aera Bülsw ist also überaus uiederdrük-
-ntd; wie kam es zu dieser Entwicklung? Darüber geben nns die
Menloireu Otto Hammans und des Frei-
berrn p. Eckardsteiu Ausschluß. Deuifchland hat in den
paaren 1905 und 1906 eine Politik gemacht, die diesen Namen gar
mcht verdient. Kaiser und Kanzler wollte,» ein Bündnis segen
England und Nordamerika schliesse». Deshalb sand 1905 eine Zu-
WmuiöMmst »nlt dein Zaren statt, der seine Einwilligung gab;
auch Frankreich sollte einbezogen werden. Zn Weicher Zett
dctrieb das Auswärtige Amt eine Politik, die sich in voll-
uandigen Gegensatz zu Frankreich stellte! Am 8. April
.404 war nämlich zwischen FraNkre i ch >u n d Engla » d ein
-min-dnis geschlossen worden, wodurch Marokko als zur französi-
uoen Inte,esse«sphäre bezeichnet wurde. Dis deutsche Regierung
Mmmte -den, zu, ja, der Kaiser sagte später, er billige dies, da er
cecue Interessent» Marokko habe.
Plötzlich landete Wilhelm II. 1905 in Tanger und stachelte
den dortigen reformseindlichm Sultan gegen Frankreich aus. Der
rnegKhetzende französische Minister D etc ässe wollte damals Kriegs-
ichiffe nach Marokko schicken, doch er mutzte «Wanken. Das franzö-
mchs Ministerium Rouvier, das eitlen durchaus pazifistischen und
deutschfreundlichen Einschlag hatte, war zu weitestem Entgegen-
wmmen und sogar zu einem Bündnis mit Deutschland bereit. Die
-»olM des Kaisers schien am Ziel zu sein. Aber im Ausivär-
ffgen Amt durchkreuzte mau all diese Pläne wieder durch den
cn einer Konferenz in Algeciras. Diese hirnverbrannte
Politik war das Werk eines gewissen Geheimrats v. H ol -
u ein, Der nach dem Urteil Bismarcks und seines Sohnes gei -
> es krank war. So erlitte»« wir in Algeciras eine schwere Nie-
rrlage, Frankreich dagegen einen vollen Erfolg. Die Revanche-
Mimnung in Frankreich wuchs; zwischen England und Frankreich
"wde eine „Entente cordinle" geschlossen.
Auch mit England verfeindete sich Deutschland mehr und
»br. Fürst Bülow hak als Grund dieses politischen Gegensatzes
eu enMfcheu Handeksneid konstruiert. Daß das eine hohle
Phrase ist, ersieht man schon daraus, daß im selben Mahre (1887),
wkchE der Kamps Englands gegen deutsche Waren durch Ein-
«chrung der Bezeichnung „Made in Germany" einsetzte, zwischen
^outschlcind und England ein Geheimabkommen znm Schutze von
.nvnstantinopel getroffen »vuldel Der Grund des deutsch-englischen
Gegensatzes lag nicht hier, sonder» vielmehr im Bau der deutschen
«chlnchtslotte. Dies »var das Werk des Großadmirals Tirpitz.
tM uiEand war ein so entschiedener Gegner der Flottenpolitik
uowsseu, als der Mann, den die Rechtsparteien immer gerne sür
um allein beanspruchen: Bismarck!
diese Weise entstand die englische Einkreisungspolitik, die
wc , wie Haller selbst zugibt, keine kriegerischen Tendenzen ver-
ulgte. England, Frankreich und Rußland ließen die besten Gc'le-
^rieg vorttbergöhM. Fürst Bülow muß dafür der-
c.mvoriijch gcnmcht werden, dass die durch drei Jahre fortgesetzten
Bundmsangebote Englands — Angebote, wie sie England noch
r i- emsm anderen Staat gen,acht hatte — von Selten Deutschlands
Mhrantwortet blieben. Im Grunde wars ja auch eine Art H o t -
" e i u Z. U,r Hirngespinsten eines krankhaft veranlagten Men-
ichrn wurden die besten Chancen, die glücklichsten weltpolitische»
uw»-«Marianen einfach zuittchte! Statt init England ein Bündnis
«»»Zusehen, stand Deutschland mit WwW-nter »NKelmMutreue"
 
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