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Volkszeitung: Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung des ganzen badischen Unterlandes (Bezirke Heidelberg bis Wertheim) (4) — 1922 (Mai bis August)

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Nr. 161 - Nr. 170 (14. Juli - 25. Juli)
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Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung der Amtsbezirks Heidelberg, Wiesloch, Sinsheim, Eppingen, Eöerbach, Mosbsch, Buchen,
Adelsheim, Boaberg, Tanberbifchofsheim und Wertheim.

Bezugspreis: Monatlich einschl. Trägerlohn 32.— Mk.» Anzeigenpreise:
Die einspaltige Petitzeile (36 mm breit) 3.— Ml., Reklame-Anzeigen
(88 mm breit) 8.— Mk. Bei Wiederholungen Nachlaß nach Tarif.
Geheinnmttelanzeigsn werden nicht angenommen.
Eeschästsstnnden: 8—'/,6 Uhr. Sprechstunden derRedaktion: 11—12 Uhr.
Postscheckkonto Karlsruhe Nr. 22577. Tel.-Adr.: Volkszeitung Heidelberg.

Heidelberg, Samstag, 22. Juli 1922
Nr. 168 * 4. Jahrgang

Verantwortl.: Für innere u. äußere Politik, Volkswirtschaft u. Feuilleton
Dr.E. Kraus; für Kommunales, soziale Rundschau und Lokales
O.Geibel; für die Anzeigen: A. Friedmann, sämtl. in Heidelberg
Truck u. Verlag der Unterbadischen Verlagsanstalt G. m. b. H., Heidelberg
Geschäftsstelle: Schröderstraße 39.
Fernsprecher: Anzeigen-Annahms 2673, Redaktion 2313.

Zur Lage.
Kr. Heidelberg, den 22. Juli.
Die parlamentarische Krise der letzten Wochen, die am Diens-
tag dieser Woche wieder einmal für längere Zeit vertagt worden
ist, hat eine ganze Reihe interessantester parteipolitischer Probleme
ausgerollt, deren weitere Entwicklung auf den Gang der deutschen
Innen- und Außenpolitik wesentlich einwirken wird. Für uns
steht natürlich an erster Stelle die Arbeitsgemeinschaft der sozial-
demokratischen und unabhängigen Reichstagssraktion, herausge-
wachsen aus dem geschlossenen «nd einmütigen Zusammenarbeiten
an dem Schutzgesctz der Republik. Wenn es trotz heftiger Kämpfe
und großer Widerstände gelungen ist, das Schutzgesetz zu einem
brauchbaren Jndstrument im Kampfe gegen die reaktionäre Umsturz-
und Mordbewegung zu machen und es so auszugestalten, daß auch
die beiden Sozialdemokratien ihm zustimmen konnten, so ist das
nur dieser engen Zusammenarbeit der beiden Fraktionen zu ver-
danken. Dieser eine Fall zeigt, wie stark wir gewesen wären und
Was alles hätte erreicht werden können, wenn auch die ganzen
letzten Jahre hindurch ebenso einträglich zusammengearbeitet wor-
den wäre! Und das wäre möglich gewesen, wenn die U.S.P.
schon vor zwei, mindestens aber Vor einem Jahre sich ebenso ein-
deutig zur demokratischen Politik bekannt und auf den Schutz der
Republik konzentriert hätte wie heute. Vieles ist versäumt worden,
manches Wohl unwiederbringlich. Trotzdem ist es jetzt nicht zu
spät, wenn der Weg, der in den letzten Wochen eingeschlagen wurde,
auch weiterhin beschritten wird. Die beiden Parteitage der S.P.D.
rrnd der U.S.P werden jetzt darüber zu entscheiden haben, ob die
Arbeitsgemeinschaft zu einer völligen Fraktionsgemeinschast und
zu einer organisatorischen Wiedervereinigung der beiden Sozial-
demokratien ausgebaut werden soll. Wir wollen den Entscheidun-
gen nicht vorgreifen, wir meinen aber, es sollte alles getan werden,
um die Einigung wirklich zustande zu bringen. Die Mehrheit der
in den beiden Parteien organisierten Genossen will zweifellos die
Einigung, sie sehen keinen Grund zur Trennung mehr und sie wür-
den es wirklich nicht verstehen, wenn die eingeleiteten Verhand-
lungen auch diesmal ergebnislos verlaufen würden. Soweit man
sehen kann, begrüßt die führende Presse der Unabhängigen mit
ganz wenigen Ausnahmen die eingeschlagene Einigungspolitik,
ebenso eine Reihe von Zcutralleitungen der Landesorgantsationsn
der U.S.P. Auch die Mitgliedschaften unserer Partei haben sich,
soweit sie das Problem diskutiert haben, f ü r die Förderung der
Einigung mit allen Mitteln ausgesprochen, und zwar im Interesse
der Gesundung der Arbeiterbewegung und der Verstärkung unseres
Einflusses in der Koalitionspolitik.
Man hätte nun meinen sollen, daß die bürgerlichen Parteien
die sozialdemokratische Arbeitsgemeinschaft begrüßen würden, be-
deutet sie doch die Gewinnung der U.S.P. für die Positive Mit-
arbeit am Staat und damit eine nicht hoch genug einzuschätzende
Schwächung des Linksradikalismus. So müßten sie urteilen, wenn
sie staatspolitisch dächten, so haben auch u. a. die „Frankfurter
Zeitung", die „Neue Züricher Zeitung", Georg Bernhard in der
„Vossischen Zeitung" geurteilt. Die Reichstagsfraktionen der bür-
menschluß der beiden sozialdemokratischen Fraktionen in erster Linie
parteipolitisch, bürgerlich, antisozialiftisch. Sie sehen im Zusam-
menschluß der Veden sozialdemokratischen Fraktionen in erster Linie
eine Gefahr für den liberalisttsch-kapitalistischen Charakter ihrer
Dcinokratie, sie fiirch ten d ie „so z iale" D e mo k ra ti e. Und
darum haben sie die sozialdemokratische Arbeitsgemeinschaft mit
ihrem Plan einer bürgerlichen Arbeitsgemeinschaft
beantwortet. Die Verhandlungen über dieser Bürgerblock sind
noch nicht beendet, es läßt sich darum heute auch noch nicht ab-
schließend über ihn urteilen. Zwei Richtungen im bürgerlichen
Lager haben sich dieses Planes bemächtigt und suchen seine Aus-
gestaltung in ganz bestimmte Bahnen zu lenken. Die rechten Flügel
der in Frage kommenden Parteien — Zentrum, Demokraten, Deut-
sche Volkspartei und auf Wunsch der letzteren evtl, noch die bayeri-
sche Volkspartet — möchten die Gelegenheit benützen, um ihre Par-
teien soweit als möglich von der Sozialdemokratie loszulösen und
einen antisozialisttschen Block aller Bürgerlichen zu schmieden. Es
ist klar, daß die Verwirklichung dieses Planes den Einfluß der
großkapitalistisch-agrarischen Gruppen bedeutend stärken und Demo-
kratie und christliche Arbeiterbewegung in ihrem Einfluß aus die
bürgerliche Koalitionspolitik beträchtlich schwächen würde. Die
andere Richtung Will lediglich eine gewisse „Flurbereinigung" der
verschiedenen bürgerlichen Parteien, eine Zusammenfassung ihrer
politischen Akttonskraft, ohne aber sich direkt gegen die Koalitions-
Politik mit der Sozialdemokratie zu richten. Ein Vertreter dieser
Richtung ist der Reichsarbeits Minister Dr. Brauns,
der soeben in einem beachtenswerten Artikel der „Germania" der
Zentrumspolttik ganz neue Wege zu weisen sucht. Dr. Brauns
spricht von der „n ichtsozialtstischeingestelltenMehr-
beit des deutschen Volkes" (!), die aber verfassungstreu,
demokratisch und auch entschlossen sei, den sozialen Forderungen
der Zeit Rechnung zu tragen. Dr. Brauns setzt sich auf Grund
dieser Voraussetzungen für eine wesentliche Vereinfachung und Ver-
einheitlichung des bürgerlichen Parteiwesens ein, für die Kristalli-
sierung einer bürgerlichen Arbeitsgemeinschaft, die aber vom Na-
tionalismus Peinlich abgegrenzt sein Müßte, für eine in keiner
Weise mehr konfessionell gebundene, breitebürgerliche ver-
fassungstreue Mittelpartei. Dieser Plan würde na-
türlich eine direkt ideale Gesundung unseres deutschen Parteiwesens
nach englischem Muster bedeuten, es ist aber nicht abzusehen, wie
in absehbarer Zeit die starken Gegensätzlichkeiten der vier vor allem
in Betracht kommenden Parteien politisch unter einen Hut zu
bringen sein sollen; wir halten das für viel schwerer, schon aus
Gründen der parteigeschichtltchen Vergangenheit heraus, als die
Wiedervereinigung der beiden sozialdemokratischen Parteien. Aber
zweifellos sind hier parteipolitische Entwicklungen Im Gange, die
unsere Aufmerksamkeit verdienen.

Noch einige Worte über die beiden parteipolitischen Extreme.
Auch in der D euts chnatt o na le n Partei hat der Mord
an Rathenau zu einer heftigen Krise geführt. Der Avg. Dr.
Düringer, der noch in der ersten Lesung des Schutzgesetzes für
die Deutschnationalen sprach, ist inzwischen aus seiner Reichstags-
fraktion ausgetreten, offenbar, weil er sich schämt, die provozierende
Demagogie der Helfserich, Graefe und Genossen länger Mit zu ver-
treten. Der teutschvölkische Hetzapostel Henntng ist vom deutsch-
nationalen Parteiausschutz aus der Fraktion ausgeschlossen worden,
infolge davon haben Wull e und Graefe ihren Austritt erklärt.
Wenn man auch im Verlauf dieser Entwicklungen keine prinzipielle
Aenderung in der Position der Deutschnationalen erwarten darf,
so könnten doch auch sie zur Gesundung der deutschen Politik wesent-
liches beitragen, wem« sie materiell und ideell einen sehr scharfen
und deutlichen Trennungsstrich gegen den Rechtsvolschewismus
ziehen würden. Auf der äußersten Linken sind die Kommu-
nisten aus der Einheitsfront des Proletariats abgesprungen, sie
haben mit den Deutschnationalen zusammen gegen das Schutzgesetz
der Republik gestimmt und damit ihre Verkennung der geschicht-
lichen Situation aus die Spitze getrieben. Damit ist es für jeden
deutlich geworden, daß in absehbarer Zukunft eine politische Zu-
sammenarbeit mit der K.P.D. für uns einfach ein Ding der Unmög-
lichkeit ist. Umso notwendiger ist die Festigung der sozialdemokra-
tischen Front, sie muß dastehen wie ein Fels im Meer der partei-
politischen Irrungen und Wirrungen der nächsten Wochen und
Monate.

Kritische Lage in Bayern.
Bayerns Einspruch avgelehnt. — Die Stellungnahme der Parteien.
— Rücktritt der Regierung und Auflösung des Landtags?
Berlin, 21. Juli. Der Reichsrat stimmte in seiner gest-
rigen Sitzung den vom Reichstag beschlossenen Steuervor-
lagen und den mit dem Schutz der Republik zusammenhängenden
Gesetzen zu. Als Vertreter Bayems erklärte Staatsrat Dr. von
Wolf, Bayern halte seinen Einspruch gegen das Gesetz zum
Schutze der Republik, das Retchskriminalpolizelgesetz, das Amnestie-
gesetz und das Gesetz über die Pflichten der Beamten zum Schutze
der Republik auch nach den vom Reichstag beschlossenen Aendr
rungen aufrecht. Von Vertretern anderer Länder wurde der E t n-
spruchBayernsnichtunter stützt, die Gesetze sind also
rechtsgültig geworden.
München, 21. Juli. Nunmehr liegt bereits der Wortlaut
der heutigen Entscheidung nicht nur der Bayerischen Volks-
partei, sondern auch der Demokratischen Partei vor.
Die parteiamtliche Notiz aus der Bayerischen Volkspartei lautet:
Der Landesausschuß der Bayerischen Volkspartei tagte am Frei-
tag, den 21. Juli, unter dem Vorsitze des Parteivorsttzenden Speck-
Müuchen. Die Versammlung war aus allen Teilen des Landes
äußerst zahlreich besucht. In Anwesenheit des Ministerpräsidenten
Grafen Lerchenfeld und der anderen vier der Partei an-
gehörenden Staatsminister wurden am Vormittag und am Nach-
mittag eingehende Beratungen über die politische Lage gepflogen.
Der Landesausschuß ist zu dem einhelligen Entschlüsse gekommen,
mit allen gesetzlichen und parlamentarischen Mitteln den Stand-
punkt Bayerns aus das entschiedenste zu wahren. Dem Minister-
präsidenten und den übrigen Ministern der Reichstags- und Land-
tagsfraktion der Bayerischen Volkspartet wurde einstimmig das
vollste Vertrauen ausgesprochen.
Die Verlautbarung derDemokratischenPartei besagt:
Der Landesausschutz der Deutschdemokratischen Partei in Bayern
hat in seiner heutigen, aus allen Teilen Bayerns überaus stark
besuchten Sitzung einstimmig die bisherige Haltung der demokrati-
schen Landtagsfraktton gebilligt, ebenso hat er einstimmig die von
der Fraktion in der Süddeutschen Demokratischen Korrespondenz
erlassene Kundgebung zur gegenwärtigen politischen Lage gutge-
heitzen. Damit sind die Richtlinien auch für das weitere Verhalten
der Fraktion und -er Partei gegeben.
Zum Verständnis dieser demokratischen Entschließung ist an-
zufügen, daß in der erwähnten Kundgebung der Demokratischen
Landtagsfraktton gegen jede Politik Stellung genommen war,
Bayern verfaffnngs- und rechtsbrüchig zu machen, daß aber ander-
seits eine völlig unparteiische Durchführung der neuen Gesetze ge-
fordert würde, so daß niemand in die Lage komme, über einseitige
ausnahmerechtliche Benachteiligung politischer Ueberzeugung und
Gesinnung geschehen werde.
Heute abend wird nun auch di« Bayerische Mittelpartei
(Deutschnattonale Partei) noch zur Lage Stellung nehmen.
München, 21. Juli. Die Landesversammlung der Bayeri-
schen Volkspartei, die heute tm bayerischen Landtag über die durch
die Annahme der Republik-Schutzordnung im Reichstag für Bayern
geschaffene Lage eingehend beriet, ging bereits heute nachmittag
5 Uhr zu Ende. Das Ergebnis der Verhandlungen war, daß so-
wohl der bayerischen Staatsregierung wie der Fraktion der Baye-
rischen Volkspartei einstimmig das vollste Vertrauen ausgesprochen
und ebenso einstimmig beschlossen wurde, der Anwendung des
erwähnten Gesetzes in Bayern aufs entschiedenste mit allen parla-
mentarischen Mitteln Widerstand zu leisten. Durch diesen Beschluß
der Bayerischen Volkspartet, mit dem sich nunmehr die übrigen
Parteien heute abend und in den nächsten Tagen zu beschäftigen
haben werden, ist die AuflösungdesBayerischen Land-
tags und die Befragung der Wählerschaft wahrscheinlich geworden.
Nürnberg, 20. Juli. Der Bezirksvorstand der Sozial«
demokrattschen Partei Frankens erläßt heute an der
Spitze der „Fränkischen Tagespost" in fetter Schrift einen Aufruf
„An die Republikaner und Republikanerinnen", in dem es nach
einige« einleitende» Sätzen heißt:
„Wir wisse», daß unter der Maske der Vertretung bayerischer
Sonderinteressen und bayerischer Landeseigentümlichkeiien die
Ludendorff, die Bauer, die Ehrhardt den Gegensatz
zwischen Bayern und dem Reich pflegen. Wir wissen.

daß die von der Kost des „Miesbacher Anzeiger" und ähnlicher Zei-
tungen Genährten keine höhere Aufgabe sehen, als das Urbild der
Sittlichkeit, den Kronprinzen Rupprecht, zum Landesvater Bayerns
zu machen. Arbeiter Frankens, seid auf der Hut! Seid
ruhig und lühl und nüchtern. Die Männer, denen Ihr das Ber-
irauen geschenkt habt, werden Euch aufrusen, nicht zuWorten,
sondernzu Taten, zum Eintreten mit Eurer ganzen Persön-
lichkeit, zum Einstellen Mer unserer Kräfte und Organisationen für
die in Bayern immer wieder aufs Neue bedrohte, in den Kot ge-
zogene und gefährdete deutsche Republik. Wir werden uns, wenn
die Vorbereitungen der Gegenrevolutionäre zur Tat gedeihen soll-
ten, so verhalten, daß uns die Sympathien aller Republikaner in
Bayern und im Reich und aller, die geordnete Entwicklung und die
Gesundung unseres Volkes erstreben, sicher sein sollen. Wir sind
bereit, die wirklichen Vorkämpfer der Republik zu sein. Wir sind
sicher, daß wir in der Abwehr der Monarchie in Franken
nicht allein flehen werden, daß jeder, der die alten Zustände und
Kriegsgefahren nicht zurückführen will, mit uns Schulter an
Schulter kampfbereit sein wird."
„Der Sozialdemokrat", das Organ der Unabhängigen
sozialdemokratischen Partei, bespricht die Lage in Bayern unter
der Ueverschrift „Die Revolution von oben", und gelangt dabei zu
diesem Schluß:
„Wir richten die Aufforderung an unsere Parteigenossen, die
kurze Zeit zu benutzen «nd alle Anstrengungen zu machen, um sich
in Alarmzustand zu versetze». Es geht um mehr, als nur um eine
Neuwahl, es geht umdenBestandderdeutschenRepu-
bltk. Darüber hinaus müssen wir auf alles, auch auf das
Schwerste, gefaßt sein."
Berlin, 21. Juli. Zu der in ausfällig offiziöse«
Form verbreiteten Meldung der „Bayerischen Staatszeitung"
über die Rückberufuug der bayerischen Truppen vom Truppen-
übungsplatz Ohrdruf und Munzingen erfahren wir vom Reichs-
wehrministertum, daß dte Zurückziehung der bayerische»
Truppen auf Grund eir, s Antrags der bayerischen Re-
gierung erfolgte, der sich auf Artikel 17 des Reichswehrgesetzes
stützt. Wie wir hören, ist zu einem solchen Antrag eine Begrün-
dung nicht erforderlich. Gleichzeitig wird aus dem Reichs-
weh rministerium die Nachricht, daß die Einstellung oberschlesischer
Selbstschutzleute in die Reichswehr erfolgen soll, als unwahrscheiin
lich bezeichnet.
Berlin, 21. Juli. Dte Rttckberufung sämtlicher bayerischer
Truppe», die auf außerbayerischen Truppenübungsplätzen ihre
Sommerüöungen abhielten, hat großes Aufsehen erregt. Ueber die
Beweggründe der bayerischen Regierung zu dieser Rück-
berufung hört nun eine Nachrichtenstelle von gut unterrichteter
Seite, daß man in München mit dem Rücktritt der Regie-
rung Lerche nfeld infolge der Annahme der Gesetze zum
Schutze der Republik rechnete und daran anschließend Unruhen
rechtsgerichteter Elemente befürchtete, um Herrn
von Kahr wieder zum Ministerpräsidenten zu proklamieren.
Solchen Unruhen gegenüber habe man in München bayerische
Reichswehr zur Verfügung haben wollen.
Der Auswärtige Ausschuß über die
Finanzkontrolle.
Berti n, 22. Juli. Ueber die Sitzung Ides Auswärtigen Aus-
schusses des Reichstages, der sich mit den Forderungen der Ga-
rantiekommifsion befaßte, berichtet das „8-UHr-Abeudblaft" fol-
gende Ginzelhettew: In dieser Sitzung «g der Brief des Garan-
tieiomttees an den Reichskanzler im vollen Wortlaut vor und
wurde nach einigen einleitenden Worten des Vorsitzenden des
Ausschusses Dr. Stresemann vom Reichsftnang Minister noch-
mals kurz erläutert. In der darauffolgenden Debatte stellte sich
Henaus, daß die meisten Mitglieder des Ausschusses noch vorläufig
der Meinung waren, daß dte VerhandluMen der Regierung mit
der Garantiokomnftssion noch nicht abgeschlossen seien und erst
UM) Befragung des Ausschusses abgeschlossen würden. Mit ewi-
ger Uebervaschunig hat man daher tm Ausschuß davon Kenutniis
genommen, daß die Verhandlungen vollkommen abgeschlossen sind.
Die Debatte war ziemlich lebhaft. Von den deutsch-
natiwi'MM ergriff Abg. Dr. Helfserich das Wort und richtete
scharfe Angriffe gegen dte Regierung, während der Unabhängige
Breitschsid und der MehrheftssozMist Stampfer die Rechte der
Regierung zu verteidigen suchten. Auch der Reichskanzler ergriff
tmL aufe der Debatte das Wort zu einer kurzen Erklärung.
*
Die Neuwahl des Reichspräsidenten.
Berlin, 22. Juli. Wie der „Verl. Lokalanz." hört, beabsich-
tigt die demokratische Fraktion einen Antrag oinzubringeu, die
Amtsperiode des Reichspräsidenten um 2 Jahre zu verlängern.
Dte demokratische Fraktion hat sich bereits mit der bürgerlichen
Arbeitsgemeinschaft in Verbindung gesetzt. Voraussichtlich wer-
den das eZntrum und die deutsche Volkspartei den demokratische»
Antrag unterstützen.
- «k
Keil—Bazille.
Stuttgart, 21. Juli. Wegen der Von dem Reichs tagsab-
geordneten und württembergischeu Arhoitsminister Keil in der
Reichstagssitzung vom 20. Juli gegen den deutschuaiimialsn
Reichsiagsabgeordneten Bazille erhobenen Beschuldigungen hat
die Fraktion der Bürgerpartei (Deutschnationale Partei) im würt-
tembevgischsn Landtag den Antrag auf Amtsentlassung des Mini-
sters Keil wegen gröblichen Mißbrauch s seines Amtes gestellt. Der
Abgeordnete Bazille hat bei der StaatsanwaltsHaft Stuttgart ei»
Strafverfahren gegen sich selbst unter Verzicht auf seine Fmuuttät
als Reichs und Landtags«Hgeol>dnetcr beantragt. Ferner eine»
Antrag auf Einleitung des DiszipliirarverMreus gegen sich beim
württömbergtschen StaaisnltnUermm gestellt.
 
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