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Volkszeitung: Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung des ganzen badischen Unterlandes (Bezirke Heidelberg bis Wertheim) (4) — 1922 (Mai bis August)

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Nr. 131 - Nr. 140 (8. Juni - 20. Juni)
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Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung der Amtsbezirke Heidelberg, Wiesloch, Sinsheim, Eppingen, Eberbach, Mosbach, Buchen,

Adelsheim, Boxberg, Tauberbischofsheim und Wertheim.

Heidelberg, Dienstag, 13. Juni 1S22
Nr. 13S * 4. Jahrgang

Verantwort!.: Für innere u. äußere Politik, Volkswirtschaft u. Feuilleton:
Dr.E. Kraus; für Kommunales, soziale Rundschau und Lokales:
O. Beidel; für die Anzeigen A. Friedmann, sämtl. in Heidelberg.
Druck u. Verlag der Unterbadischen Verlagsanstalt G. m. b. H., Heidelberg.
Geschäftsstelle: Schröderstraße 39.
Fernsprecher: Anzeigen-Annahme 2873, Redaktion 2313.

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1 Dollar

320 Mark.

Heute Stellungnahme der RerchsregierZmg Zum Verlauf der Pariser
Anleiheuerhandlungen.

M

as nun

s

l<r. Heidelberg, den 13. Juni.
Diese Frage, die wir uns in den letzten Jahren wiederholt in
«itscheidungsschweren Stunden vorgelegt haben, mus; auch jetzt
wieder gestellt werden, nachdem das Scheiternder Pariser
Anlethekonferenz uns vor eine neue schwierige Situation
ocstellt hat. Mit Recht schreibt die „Frks. Ztg." in ihrem gestrigen
Abendblatt: „Hätten wir Zeit, diese Feststellungen der internatio-
nalen Finanzlente sich ruhig auswirken zu lassen, so könnten wir
stir unser Volk und für die deutsche Regierung und ihre Politik
wirklich hon einem Siege sprechen. Aster wir haben diese Zeit
nicht, w ir b ra uche n d ie Anle ih e, und daß wir diese Anleihe
ictzt wieder noch nicht erhalten, ist für uns ein Ereignis von höch-
stem Ernste, das unsere Lage und die Lage Europas neuerdings
öcsährdet. Dieser Gefahr müssen wir jetzt ins Ange sehen und ihr,
soweit es an uns ist, begegnen." Bereits hat die Börse die ableh-
nende Antwort des Morgapkomitees mit einem neuen sprunghaften
Steigen der Auslandsdevisen beantwortet, der Dollar stieg
nns 320 und darüber, auch die Produktenbörse verzeichnet
bereits wesentliche Preissteigerungen, insbesondere für Weizen und
Roggen. Und die Folgen? Ein rapides Steigen der Rohstoss-
streise, weiteres starkes Anwachsen der Grotzhandelsindexziffer, neue
Verteuerung der Lebenshaltung, Geldentwertung und trotz der
Pariser Abmachungen und Versprechungen des deutschen Finanz-
winisters neue Schulden- und Inslationsw ir 1 schast
Kes Reiches. Der alte unglückliche Kreislauf von Valuta
— Inflation — Preis — Lohn, in den wir seit Jahren
gebannt sind, beginnt aufs neue und der Leidtragende ist dabei
natürlich wieder das arbeitende Volk, der Konsument, der der
Konjunkturentwicklung hilflos ausgeliefert ist.
Wir haben bereits gestern aus dasjenige Moment hingewiesen,
das uns das positiv Wertvolle in dem für uns zunächst materiell
böllig negativen Gutachten des Morgankomitees zu sein scheint:
die Isolierung Frankreichs, bzw. der Poincarepolitik. Denn das
muß man ja bei aller reaktionären Frankreichhetze, die zur Zeit aus
Wohl begreiflichen Gründen in Deutschland betrieben wird, immer
im Auge behalten, Potncare ist nicht Frankreich und der nationale
Block nicht das französische Volk. So sehr auch wir Sozialdemo-
kraten den französischen Chauvinismus und Militarismus be-
kämpfen, die Politik der Potncare und Tardieu, die Europa nicht
Zur Ruhe kommen läßt und die es auch jetzt ivteder verhindert Hai,
das; ein nennenswerter Teil der deutschen Entschädigungssumme
für Frankreich sofort flüssig gemacht wurde, ebensosehr wünschen
wir Verständigung und Zusammenarbeit mit dem vernünftigen
Teil des französischen Volkes, mit den Pazifistischen Intellektuellen,
Mit der Arbeiterschaft und mit denen, die ökonomisch denken Knnen,
die wissen, das; Deutschland und Frankreich auf Gedeih und Ver-
derb miteinander verbunden sind. Und weil wir im Interesse
dieses Teiles des französischen Volkes den Bankerott der Poincarö-
stolilik wollen, je eher je lieber, darum freuen wir uns über den
Standpunkt der internationalen Finanz, der eine ganz entschiedene
und für die Zukunft bedeutsame Absage an diese Politik bedeutet
und damit eine nicht zu unterschätzende moralische Unterstützung
der deutschen bedingten, d. h. an die ökonomische Leistungsfähig-
kett unserer Wirtschaft gebnndenen Ersüllungspolitik. Es nützt uns
alles nichts, wir müssen die Dinge betrachten, wie sie sind, von der
Wurzel her, d. i. radikal und in größeren organischen Zusammen-
hängen, und da stellt sich auch diese Antwort des Anleihekomitees,
die wohl die persönlichste Auffassung Morgans zum Ausdruck
dringen dürste, als ein wirklicher Erfolg unserer Erfüllungspolitik
dar und das trotz alles Geschreies und Gekeifers von rechts und
dou ,iuks her. In Cannes nach der mühsamen Zahlung der
ersten Goldmilliarde der erste Abbau unserer Londoner Reparations-
schuld von 3,3 auf 2,2 Goldmilliarden und jetzt die offizielle For-
derung der internationalen Hochfinanz nach wesentlicher Herab-
setzung der deutschen Gesamtschuld und Revision der politischen
Atmosphäre von Versailles: das sind, abgesehen von der Konferenz
von Genua, zwei deutlich sichtbare Entwicklungsetappen, deren
weitere Etappen der Abbau der Londoner Schuld-
ste m m e und die äußere Anleihe und deren Ende die Revi-
sion des Versailler Vertrags sein werden. Und in diesen weitaus-
Mcifenden Gesamtzusammcnbang eingestellt mutz das eine grund-
legende Urteil über die deutsche Politik lauten: geradlinige Fort-
setzung der deutschen Ersüllungspolitik, ohne Wanken, mit Geduld
und eisernen Nerven, das mutz zugleich die außenpolitische Leitidee
w'u, der die gesamte Innenpolitik nntergeordnet sein mutz.
Man wird nicht behaupten wollen, daß die Sozialdemokratie
tu den letzten vier Jahren nicht ihre gesamte Politik dieser außen-
politischen Zwangslage untergeordnet hat, im Gegenteil, es gibt
genossen in unseren Reihen, die nicht ganz ohne eine gewisse Be-
rechtigung sagen, daß hier sogar des Guten zuviel getan worden
wn Ganz anders aber steht es mit denen, die im Gegensatz zur
Arbeiterschaft immer wieder die nationale Gesinnung für sich ge-
pachtet zu haben vorgeben. Was soll man dazu sagen, wenn man
neht, wie Reichspräsident Ebert sich jetzt gleichsam wie
e.n Dieb in der Nacht nach München zur Gewerveschau schleichen
Muß, wie die „vaterländischen Vereine und Verbände Münchens"
Mnen offenen Brief an den Reichspräsidenten richte», tu dem sie
Mm ihren Mißmut über sein Erscheinen ausdrücken und ihm sagen.

„wir hätten es lieber gesehen, wenn Sie es als taktvoll erachtet
I hätten, der Einladung (des bayerischen Ministerpräsidenten Ler-
j chenseldl Die Schristltg.) nicht Folge zu leisten." Ist das nicht
unerhört, nicht Hochverrat schlimmster Sorte? Aber so etwas ist
auch wirklich nur in Deutschland möglich. Oder glaubt irgend
jemand, daß ein Franzose oder Engländer es wagen würde, dem
Repräsentanten seines Staates derart zu begegnen und zumal in
einer politischen Situation wie der, in welcher Deutschland sich
heute befindet? Aber das sind nicht die einzigen Feinde, ja noch
nicht einmal die schlimmsten, die wir im eigenen Lande haben.
Viel schlimmer ist das kapitalistische Ausbeutertum, das sich an der
sozialen Not des arbeitenden Bottes mästet. Die unsinnig hohen
Preise und die katastrophale Geldentwertung, unter denen die be-
sitzlosen Massen so furchtbar zu leiden haben, sind nicht nur auf
Valuta und Reparation zurückzuführen, sondern mindestens eben-
sosehr aus die Nimmersatte Profitgier des Industrie- und Boden-
kapitals, aus ein gewissenloses Börsenspekulantentnm, das mit der
Not des Volkes Handel treibt, auf das schmarotzende und unpro-
duktive Drohnentum, das die Badeorte bevölkert, mit Dirnen und
Mattressen in einer Nacht Tausende und Abertausende verjubelt
und Orgien feiert, die das Licht des Tages scheuen.
Seien wir uns klar darüber: Der Rückschlag, den unsere Wirt-
schaft durch das negative Ergebnis in Paris erleidet, wird neue
soziale Not einerseits und neue Spekulationswut anderseits, mtt
anderen Worten eine neue nicht ungefährliche Bcrschäriirng der
sozialen Gegensätze zur Folge Haven. Nachdem die Hilfe von
außen vorläufig vertagt ist, brauchen wir dringender denn je neue
finanz- und wirtschaftspolitische Anstrengungen im Innern. So-
zialisierung und Erfassung der Sachwerte: das werden die beiden
Faktoren sein, auf die wir jetzt erst recht wieder unsere ganze Kraft
zu konzentrieren haben, nicht aus Liebe zu Illusionen und Schlag-
worten, sondern weil unser Volk in Not ist und weil wir nicht
wollen, daß Staat und arbeitendes Volk nur so dahinstechen, wäh-
rend es den Goldwertbesitzern so gut geht wie nie. Ein kleines
Vorspiel dieser grundsätzlichen Kämpfe der nächsten Monate werden
wir demnächst bet der Zwangsanleihe erleben, die grotzen
sozialpolitischen Gesetze, die in Vorbereitung sind (Arbeitszeitgesetz,
Schlichtungsordnung u. a.) werden die Scheidung der Geister brin-
gen, bei alledem geht es letztlich um den sozialen Grundsinn der
Revolution von 1918.
Heute Kabinettsitzung.
Gestern Chefbesprechung in der Reichskanzlei.
Berlin, 13. Juni. In der Reichskanzlei fand gestern nach-
mittag eine Chefbesprechung statt: man befaßte sich mit der par-
lamentarischen Lage sowie mtt der Reparations-
frage. Der inzwischen eingetroffene Staatssekretär Bergmann
wird heute dem Retchskabinett über seine Eindrücke bei den Pariser
Verhandlungen Bericht erstatten. Für Mittwoch ist eine Sitzung
des Aeltestenausschusses vorgesehen.
Berlin, 13. Juni. Staatssekretär Bergmann ist gestern
abend aus Paris in Berlin ciugetroffen. In einer Kavinettssttzung,
die heute vormittag ^10 Uhr beginnt, wird er der Reichs
regierung über den Verlauf der Pariser Anlcihrvcrhaudlungen
berichten. Wann der Reichskanzler die Regierungserklä-
rung über die Verhandlungen mit der Rcparationskommisston
abgibt, wird sich erst in der morgigen Sitzung des Aeltestenaus-
schuffes des Reichstags entscheiden. Bei der Besprechung der Lage
wird in unterrichteten Kreisen darauf hingewiesen, daß die Auf-
rechterhaltung gewisser Zusagen, die in der letzten
Note gemacht wurden, im Interesse der Gesundung der deutschen
Finanzen notwendig sei. Die Reichsregierung wird insbesondere
prüfen, wie wett die von ihr beabsichtigten Maßnahmen durch den
Abbruch der Anleiheverhandlungen erschwert werden.
Das Garantiekomitee in Berlin.
Pa rts, 12. Juni. (Prtv.-Tel. der „Frks. Ztg.") Das Garantie-
komitee wird sichEndedieserWochenachBerlin begeben,
um dort mit den deutschen Behörden Wer die Einrichtung der Or-
ganisation der zum 31. Mai vereinbarten finanziellen Uebcr-
wachungsmaßnahmen zu verhandeln, wie dies in dem zwischen der
deutschen Regierung und der Reparattonskommission geführten
Notenwechsel vorgesehen war. Das Garanttekomitee besteht be-
kanntlich aus den betgeordneten Delegierten der Reparationskom-
mission sowie aus den Delegierten der Finanzabteilung der einzel-
nen Delegationen. Sein Präsident ist der französische Delegierte
MauclLre. Der Aufenthalt des Komitees in Berlin ist aus
vierzehn Tage berechnet.
Reichspräsident Ebert in München.
München, 12. Juni. Reichspräsident Ebert wurde bei seiner
Ankunft in München vom Ministerpräsidenten, dem Minister des
Innern, dem Reichslandwirtschastsminister, dem Landtagsprästden-
ten und dem Reichsgesandten empfangen. Bei der Ausfahrt aus
dem Bahnhof ertönten in die Begrüßungsruse der Menge auch
schrille Pfisfe. Die Polizei verhaftete einige Lärm-
mach e r. Im Ministerium des Aeutzeren fand eine offizielle Be-
grüßung des Reichspräsidenten durch Ministerpräsident Gras Ler-
chenfsld statt. Der Ministerpräsident gab der Erwartung
Ausdruck, daß die bayerischen Hohettsrechte von Reichs Wege»
gewahrt bleiben. Der Ministerpräsident wünschte auch, daß die

Anwesenheit des Reichspräsidenten in Bayern dazu beitragen möge,
das Band der Wertschätzung und des Vertrauens auf der sicheren
Grundlage der ersprießlichen Zusammenarbeit zu festigen. Reichs-
präsident Ebert erwiderte mit einem Dankeswort für die Ein-
ladung zur Gewerbeschau und versicherte, daß auch er großen Wert
auf ein Zusammenarbeiten der Reichsleitung mit der bayerische»
Regierung lege. Vom Ministerium des Aeußeren aus begab sich
Reichspräsident Ebert in Begleitung der Minister in das Land-
tagsgebäude. LandtagsprSstdent Königsbauer hielt eine An-
sprache, worin er versicherte, daß Bayern auf die Wiedergesundung
Deutschlands vertraue und ehrlich bemüht sei, seinen Teil am
Wiederaufbau zu leisten. Zu einer fruchtbaren Verwertung aller
Kräfte unseres Volkes gehöre aber seine Zusammengehörigkeit.
Reichspräsident Ebert sagte in seiner Gegenrede, daß kein ernst-
hafter Mensch in Bayern die nationale Zusammengehörigkeit leug-
nen werde und daß anderseits die maßgebenden Kräfte des Reiches
durchaus nicht gesonnen sind, Bayern die Betätigung seiner Eigen-
arten zu versagen, auf die es Anspruch hat.
München, 12. Juni. Reichspräsident Ebert stattete dein
Münchener Rathaus einen halbstündigen Besuch ab. Bürgermeister
Schmied entbot dem Reichspräsidenten in einer kurzen Ansprache
den Willkommengruß. Der Reichspräsident dankte für den Emp-
fang, gedachte -er Bedeutung der Deutschen Gewerveschau und trug
sich alsdann in das Gedenkbuch der Stadt München ein. Mit
großer Begleitung, darunter fast sämtlichen bayerischen Ministern,
begab sich der Reichspräsident hierauf zur Deutschen Ge-
werbe s ch a u, wo er von deren Präsidenten empfangen wurde,
der kurz die grundlegenden Gedanken der Gewerbeschau darlegte.
Reichspräsident Ebert dankte herzlich für die Einladung, bezeich-
nete die Gewerbeschau als eine Zusammenfassung der deutschen
Wertarbeit und sprach die Hoffnung aus, daß sie zur Wiederauf-
richtung unseres Vaterlandes beitragen möge. Nach etwa 2^-
stündigem Verweilen im Ausstellungsgelände begab sich der Reichs-
präsident, der Einladung des Grafen Lerchenfeld folgend, zur Frü'h-
stttckstasel beim Ministerpräsidenten, zu der auch die Mitglieder des
Staatsministeriums und andere Ehrengäste erschienen waren.
.Verhaftungen beim Münchener Reichspräsidenten-Besuch.
M ünchen, 12. Juni. Wegen ordnungswidrigen Verhaltens
bei der Ankunft des Reichspräsidenten tm Hauptbahnhos wurden
heute vormittag insgesamt zwölf Personen, die sich am
Pfeifen beteiligten oder dem Reichspräsidenten mtt roten Bade-
hosen zuwinkten, festgenommen. Beim polizeilichen Verhör gaben
sie zum Teil an, sie hätten ihren, Mißmut über den Besuch des
Reichspräsidenten Ausdruck geben wollen. Auch am Karlsplatz
kam es in der Menge zu Auseinandersetzungen, die von Schutz-
leuten zerstreut wurde. Bei der Ankunft des Reichspräsidenten vor
denk Rathaus ertönten wieder heftige Pfiffe. Ein Mann wurde
festgenommen. Berittene Schutzmannschaft drängte die Ansamm-
lung zurück. Bei der Abfahrt des Reichspräsidenten vor der Ge-
werbeschau wurde neuerdings gepfiffen. Wieder wurden einige
Demonstranten zur Feststellung ihrer Personalien festgenommeu.
Kapp gestorben.
Leipzig, 12. Juni. Die „Leipziger Neuesten Nachrichten-
melden, daß der Generallandschaftsdirektor a. D. Kapp, der sich
bekanntlich nach seiner Selbststeüung in einem Leipziger Kranken-
hause einer schweren Augenoperation unterziehen mußte, heute
morgen an den Folgen der Operation gestorben ist.

Ausland.
Vor einer politischen Umbildung in Amerika.
Paris, 12. Juni. Der „Newyork Herald" veröffentlich, einen
Artikel Simonds, der darauf hinweist, daß in Amerika, während-
dem die europäische Aufmerksamkeit sich ans die Reparationsfrage
beschränkt, zwei Wahlen von größter Bedeutung statt-
gefunden haben, denen zum mindesten eine politische Umwälzung
folgen wird und wahrscheinlich eine Spaltung der republikanischen
Partei herbeiftthren wird. Diese beiden Wahlen erfolgten in In-
dian und Pennsylvanien. In beiden Staaten wurde an Stelle der
bisherigen Gegner Roosevelts Kandidaten gewählt, die der Roose-
velt-Partei angehören. Es könnte nun die Frage gestellt werden,
ov sich die Ereignisse von 1912 wiederholen, wo unter der Führung
Roosevelts die Mehrheit der republikanischen Partei, nämlich die
jüngeren und fortschrittlichen Elemente, sich gegen Taft erhoben.
Die gegenwärtige Regierung Harding hat eine sehr große Ähn-
lichkeit mit der Regierung Taft, es wird an ihr in ganz ähnlicher
Weise Kritik geübt. In der letzten Zett haben die Diskussionen Wer
Zolltarif und Einkünfte überhaupt in auffallender Weise zugenom-
men. Es sei deshalb nicht unwahrscheinlich, daß man einer Wieder-
holung -es Parteikampfes von 1912 entgegensieht.
Das Fünfmächteabkommen von Washington.
Paris, 12. Juni. Einer „Times"«,eldung aus Washington
zufolge wird der amerikanische Senat am Dienstag in die
Diskussion des Flotten program ms eintreten und bei
dieser Gelegenheit unvermeidlich aus die Frage der Ratifizierung
des Fünfmächteabkommens über die Abrüstung zur See stoßen.
Die „Times" erklären dazu, daß die amerikanische Regierung schon
seit geraumer Zeit sondiere, um die Absicht der verschiedenen alli-
ierten Regierungen in dieser Angelegenheit zu erfahren; und daß
das Ergebnis bis jetzt wenig befriedigend sei. Iapa n hat die
amerikanische Regierung bereits davon verständigt, daß seine Hal-
tung von der der europäischen Mächte abhängig sein werde und
England und Italien haben angedeutet, daß sie ihre Haltung von
derjenigen Frankreichs abhängig mache». Frankreich hat sich bis
jetzt absolutes Stillschweigen auserlegl und man ist über seine Ab-
sichten vollständig im Unklaren. Jedenfalls erachten amerikanische
offizielle Kreise das Flottenabkommen und die Frage der deutschen
Anleihe als eng miteinander verbunden. Frankreich könne erst
 
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