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Volkszeitung: Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung des ganzen badischen Unterlandes (Bezirke Heidelberg bis Wertheim) (4) — 1922 (Mai bis August)

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Nr. 181 - Nr. 190 (7. August - 17. August)
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https://doi.org/10.11588/diglit.48723#0487
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Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung der Amtsbezirke Heidelberg, Wiesloch, Sinsheim, Eppingen, Eberbach, Mosbach, Buchen,


Adelsheim, Boseberg, Tauberbischofsheim und Wertheim.
. ...
Bezugspreis: Monatlich einschl. Trägerlohn 42.— Mk-, Anzeigenpreise:
Die einspaltige Petitzeile (36 mm breit) 4.50 Mk., Reklame-Anzeigen
(98 mm breit) 12.— Mk. Bei Wiederholungen Nachlaß nach Tarif.
Gehermmittelanzeigen werden nicht ausgenommen.
Geschäftsstunden: 8—V,6 Uhr. Sprechstunden derRedaktion: 11—12 Uhr.
Postscheckkonto Karlsruhe Nr. 22577. Tel.-Adr.: Volkszeitung Heidelberg.

Heidelberg, Montag, 14. August 1922
Nr. 187 » 4. Jahrgang

VerantworU.: Für innere u. äußere Politik, Volkswirtschaft ».Feuilleton:
I. V.: O. Geibel; für Kommunales, soziale Rundschau rr. Lokales:
O-Geibel; für dis Anzeigen: A. Friedmann, sämtl. in Heidelberg.
Druck u. Verlag derUntsrbadischen Berlagsanstalt G. m. b. H., Heidelberg.
Geschäftsstelle: Schröderstratze 39.
Fernsprecher: Anzsigen-Annahms 2673, Redaktion 2614.

MWM WW M AMM.

Deutscher Protest gegen die Retorsionen.
Berlin, 13. Aug. Der deutsche Botschafter in Paris hat der
französischen Regierung gestern abend im Auftrag der deutschen
Negierung folgende beiden Noten überreicht:
l. Die Ausgleichszahlungen.
„Mi Auftrag der Deutschen Regierung beehre ich mich, Ihnen
aus die Note vom 5. August d. I. folgendes mitzuteilen: Die deut-
sche Regierung mutz zu ihrem Bedauern seststellen, daß die franzö-
sische Regierung ihrem Wunsche, die weitere Behandlung der Aus-
gleichsangelegenheiten bis zu den in Aussicht stehenden Verhand-
lungen zurückzustellen, nicht entsprochen hat. Die von der französi-
schen Regierung mitgetetlten besonderen Maßnahmen finden im
Versailler Vertrag und den mit der deutschen Regierung getrosfe-
nne ergänzenden Abkommen, insbesondere in dem vom 10. Mai 1921
keine Grundlage und können auch mit den Regeln des Völkerrechtes
nicht begründet werden. 1. Die Weisung an die Ausgleichsämter
in Paris und Stratzburg, bis auf weiteres jede Bekanntgabe der
anerkannten deutschen Forderungen auszuschieben, widerspricht den
Positiven Bestimmungen des s 5 der Anlage zu Art. 296, in wel-
chem vorgesehen ist, daß das Schuldneramt binnen angemessener
Frist die anerkannten Forderungen bekanntzugeben hat. Unter
eitler angemessenen Frist kann nur eine Frist verstanden werden,
wie sie sich aus dem Geschäftsgang der Ausgleichsämter ergibt.
Eine Anweisung einer Regierung, jede Bekanntgabe von Anerkennt-
nissen an das gegnerische Ausgletchsamt bis auf weiteres zu unter-
lassen, ist daher mit dem Vertrag von Versailles nicht veretnbarlich
und steht mit dem Grundgedanken des auf dem Prinzip der Gegen-
seitigkeit beruhenden Ausgleichsverfahren in Widerspruch. 2. Die
vorläufige Einstellung der Zahlungen der durch Urteil des gemisch-
ten Schiedsgerichts feftgestellte» Entschädigungen aus dem Erlös
der Liquidation deutschen Eigentums in Frankreich widerspricht
dem Abkommen über die Bezahlung der Schadensbeträge aus Art.
2972 vom 26. 8. und 3. 9. 1921. Hierin hat sich die französische
Regierung verpflichtet, die in Art. 2972 vorgesehenen Entschädi-
gungen auf Grund von Urteilen des gemischten Schiedsgerichts-
hofes oder rechtsgültig abgeschlossenen Vergleichen aus dem bei
der Liquidation deutschen Eigentums erzielten Erlös zu bezahlen.
3. Die den französischen Ausgleichsämtern erteilte Anweisung, bis
auf weiteres den deutschen Ausgleichsämtern die Höhe der aus der
Liquidation deutschen Eigentums in Frankreich erzielten Erlöses
nicht mehr bekanntzugeben, macht die Durchführung des auf denk
Grundsätze der Gegenseitigkeit beruhenden Artikel 29714 des Ver-
trags Volt Versailles unmöglich. Diese Maßnahme widerspricht
ferner dem Art. II des Abkommens vom 31. 3. und 9. 4. 1921,
worin vorgesehen ist, Latz der Liquidationserlös Linnen einer be-
stimmten kurzen Frist dem Reichsausgleichsamt gutzuschreiben und
mitzuteilen sind. 4. In dem Abkommen vom 15. 11. 1919 hat sich
die französische Regierung verpflichtet, die Möbel und Kleidungs-
stücke der früher in Elsatz-Lothringen ansässig gewesenen Deutschen
freizugehen. Das Verbot weiterer Möbelausfuhren bedeutet eine
Verletzung dieses Abkommens, Volt der durchweg minderbemittelte
Staatsangehörige betroffen werden. Diese Maßnahme erscheint
der deutschen Regierung umso ungerechter, als sie die ihr nach dem
Abkomme,t obliegenden Leistungen zur festgesetzten Zeit vereinba-
rungsgemäß erfüllt hat. 5. Schließlich werden nicht näher bezeich-
nete Sicherheitsmaßnahmen in Elsatz-Lothringen in Aussicht ge-
stellt. Inzwischen hat das Generalkommissariat in Stratzburg den
deutschen Retchsangehörigen jede Verfügung über ihre Konten und
Depositen bet Banken und anderen Finanzinstttuten entzogen und
diese unter Zwangsverwaltung gestellt, gleichgültig zu welchem
Zeitpunkt sie errichtet worden sind. Soweit die Einzahlung nach
dem 10. Januar 1920 erfolgt sind, wird eine derartige Verordnung
durch den Vertrag von Versailles nicht mehr gedeckt, und bedeutet
eine schwere Verletzung des Grundsatzes der Unverletzbarkeit des
Privateigentums.
Die Deutsche Regierung hat mit ihrer Note vom 12. 7. d. I.
lediglich eine Abänderung eines bestehenden Vertrags beantragt,
dessen Lasten infolge der inzwischen eingetretenen Markentwertung
für die deutsche Nation unerträglich geworden waren. Die deutsche
Regierung hat hiermit nur die unvermeidliche Schlußfolgerung aus
einer Entwicklung gezogen, die unabhängig von ihrem Willen und
entgegen ihren Interessen eingetreten ist. Wenn die französische
Regierung das Stundungsgesuch, ohne die Fälligkeit der Verpflich-
tungen der deutschen Regierung abzuwarten, mit Zwangsmaßnah-
men beantwortet, die bestehende Verträge verletzen, so liegt hierin
ein schweres Unrecht. Im bin daher beauftragt, gegen diese Maß-
nahmen Verwahrung einzulegen und um deren schnellste Aufhebung
zu ersuchen. Sollte die französische Regierung auf ihrem Stand-
punkt beharren, so schlägt die deutsche Regierung vor, einem inter-
nationalen Schiedsgericht über die Rechtmäßigkeit der ergangenen
Verordnungen die Entscheidung zu übertragen."

2. Deutscher Protest gegen die Deutschen-
Ausweisungen aus Elsaß-Lothrmgen.
„Durch Verbalnote vom 11. 8. 1922 hat die französische Regie-
Pang der deutschen Botschaft mitgeteilt, daß sie sich in Ermangelung
von deutschen Zusicherungen hinsichtlich der am 15. 8. ds. Js. vom
Reichsausgleichamt zu bewirkenden Zahlungen und in Ermange-
lung eines Erfolges der bisherigen Retorsionen sich zu weiteren
Maßnahmen veranlaßt sehe und deshalb ihren Generalkommissar
in Straßburg Anweisung erteilt hätte, 500 deutsche Staatsangehö-
-ige bis zum 12. August ans Elsaß-Lothvinven auszuweissn. Die
Msgew-iesemn dürfen nur Handgepäck und den Gegenstandswert

von 10000 Mark für die Familie und 5000 M« für Unverheiratete
über 25 Jahren mitnehmen. Ihre Vermögen sollen vorläufig un-
ter ZwawgSverwaltung genommen werden. Die Ausweisung wei-
terer 500 deutscher Staatsangehöriger wird Vorbehalten. Die
deutsche Botschaft beehrt sich hierauf im Auftrage der Deutschen
Regierung das Folgende zu erwidern: Nach dem Grundsätze des
Völkerrechts ist es zwar jedem Staate unbenommen, einzelne Per-
sonen fremder Staatsangehörigkeit aus fremdenpotizeilichen Grün-
den aus seinem Gebiet ausweisen zu können. Massenausweisungen,
die hunderte von Angehörigen eines bestimmten Staates plötzlich
und unvorbereitet ihrer Existenz beraubt, widerspricht dagegen je-
dem völkerrechtlichen Herkommen und allen natürlichen menschli-
chen Rücksichten. Diese Maßnahmen mutz die Ausgewiesenen umso
härter treffen, als die französische Regierung ihnen fast 4 Jahre
lang nach. Aushören der Feindseligkeiten den Aufenthalt in Elsatz-
Lothringen gestattet und damit die Hoffnung in ihnen erweckt hat,
weiter in ihrer Heimat zu bleiben und ihrem Erwerb nachgshsn
zu können. Im Uebrigen ist ein innerer Zusammenhang zwischen
den Ausweisungen und der von der französischen Regierung zum
Aittaß genommenen AusgleichzaHlungen nicht auffindbar. Die
Geldbeträge, deren Mitnahme gestaltet ist, sind vollkommen unzu-
reichend. Der für eine ganze Familie festgesetzte Betrag von 10 000
Mk. entspricht z. Zt. dem Werte von 2^ Pfund Sterling oder 11)4
Dollars; die Ausgewiesenen werden somit tatsächlich als Bettler
auf die Straße geworfen.
Die deutsche Regierung legt gegen die getroffene und in Aus-
sicht gestellte Maßnahme der französischen Regierung nachdrücklichst
Verwahrung ein/'

London.
Der Kampf nm das Moratorium.
Paris, 13. Aug. „Petit Journal" betont, daß der französische
Vorschlag einer produktiven Kontrolle der staatlichen Gruben und
Wälder von allen nichtfranzösischen Sachverständigen abgelehnt
worden sei. Neber den englischen Moratoriumsvorschlag schreibt
das gleiche Blatt, alle nichtenglischen Delegierten hätten ihn „mit
Entsetzen" zurttckgewiesen. Die genauen Bedingungen, welche Eng-
land vorschlug, werden heute zum ersten Male ausführlich bekannt.
Sie lauten:
1. Ein provisorisches Moratorium wird Deutschland bis zum
31. Dezember dieses Jahres bewilligt.
2. Für die beiden folgenden Jahre 1923 und 1924 wird Deutsch-
land von jeder Barzahlung entbunden und wird ein Moratorium
genießen, das auch die festen Jahresraten für die Besatzungsarmeen
und die Kompensationszahlungen umfaßt. Es wird autzerdem
während dieser Zeit keine Kosten für die verschiedenen Missionen
und ihre Mitglieder zu zahlen haben.
3. Alles, was Deutschland zu zahlen haben wird, soll durch die
Erfassung der 26 Prozent beglichen werden. Außerdem kann die
Reparationskommtsston eine Zahl festsetzen, die hinter dem Ergeb-
nis Lieser Abgabe zurttckbleibt.
4. Der größte Teil dieser beweglichen Jahresraten soll zu Re-
parationen verwendet werden. Die Jahresrate kann autzerdem als
Pfand für eine internationale Anleihe dienen, die natürlich nur be-
ggrenzten Umfang Haven kann.
Nach dem „Petit Journal'' hat der englische Schatzkanzler Sir
Robert Home nach Schluß seines Exposes erklärt, daß, wenn er
seine Gedanken völlig zum Ausdruck bringen wollte, sagen müsse,
daß Deutschland nicht mir ein Moratorium für zwei, sondern ein
solches für zehn Jahre gewährt werde« müsse.
Ei« französisches Kommunique.
Paris, 14. Aug. Ein ausdrücklich als offiziös bezeichnetes
französisches Kommunique unternimmt es, die Erwartungen auf
eine nachgiebigere Haltung PotncarLs, die sich infolge der gestrigen
Londoner Berichte bedeutend verstärkt hätten, entschieden zu dämp-
fen. Das Kommunique erklärt, datz die Versicherung, datz die Un-
terredung zwischen Poinearü und Lloyd George besonders heftig
gewesen wäre, ebenso unrichtig sei wie die Meldung, wonach Poin-
care gestern sein Garantieprogramm ausgegeben habe. Der Mi-
nisterpräsident verharre in unveränderter Weise auf seinem Stand-
punkt, daß Deutschland nur unter der Bedingung sofortiger produk-
tiver Garantien ein Moratorium gewährt werden könne. In ihren
Gegenvorschlägen habe die englische Regierung bisher nur das
Prinzip dieser Garantien genehmigt, aber die Garantievorschläge
selbst hätte PoincarS als ungenügend befunden und eine definitive
Einigung sei infolgedessen bisher nicht erzielt worden.
Der englische und der französische Rechtsstandpunki.
L o n von, 14. Aug. Die Verhandlungen der Sachverständigen
über die Garantteforderungen hinsichtlich der staatlichen Bergwerke
und Forste im Rheinlands scheinen stark formaljuristischen Charak-
ter angenommen zu haben. Die Engländer vertreten den Stand-
punkt, datz der Frtedensvertrag der Alliierten zwar eine Hypothek
auf den gesamten Besitz des Reiches einräuM, datz nach englischem
Recht aber der Gläubiger nur im Falle einer Generalliquidation
vesugt sei, die Hand aus diese Pfänder zu legen. Er habe unter
keinen Umständen das Recht, einige Pfänder aus der Masse heraus-
zugreifen, um sie sich anzueignen oder sie irgendwie zu verwerten.
— Die Franzosen vertreten unter Berufung auf das römische Recht
den entgegengesetzten Standpunkt. Die Engländer machen ferner
geltend, daß bei der von PoincarS vorgeschlagenen Besitzergreifung
der Staatsgruben.u«d. Staatsforsten es sich nicht um die Bezahlung
eines Pfandes, sondern um ausgesprochene Sanktionen handle, die

nur dann zulässig seien, wenn die Reparationskommisflon zuvor
eine vorsätzliche Nichterfüllung von seiten Deutschlands konstatiert
habe.
Drohungen Frankreichs.
Paris, 14. Aug. Nach Meldungen aus London wird Lloyd
George am heutigen Montag früh von seinem Landsitz nach London
zurückkehren. Dann wird sofort die offizielle Sitzung beginnen.
Die Franzosen drohen bei einem Nichtentgegenkommen Lloyd Ge-
orges mit einem Bruch mit England. Unter Ausschluß Englands
werde man mit Deutschland und den übrigen Ländern Europas
Sonderabmachungen treffen. „Echo de Paris", „Matin" und an-
dere Blätter fordern Poiucarö auf, am Montag eine endgültige
Entscheidung herbetzusühren und falls England auf seiner Unnach--
giebigkeit beharre, zur vollen Handlungsfreiheit zurückzukehren.

Politische Uebersicht.
Das Protokoll der Bayernverhandlungen.
Berlin, 12. Aug. Die zwischen der Reichsrsgierung und
der bayrischen Siaatsregierung am 9. und 10. August erfolgten Be-
sprechungen hatten folgendes Ergebnis: Die bayrische Staatsre-
gierung erklärt sich bereit, die unter dem 24. Juli 1922 erlassene
Verordnung zum Schutze der Verfassung spätestens am 18. August
mit Wirkung vom selben Tage ab auszuheben. Dagegen erkltzrt
sich die Reichsregierung bereit, bei der Ausführung Des Schutzge-
setzes Des Beamten- und des Reichskrim inalPolizeigeietzes die Zu-
stänDigkM der einzelnen Länder durch Schaffung besonderer Sicher-
heiten zu schützen. Es ist ein Gesetz vorgesehen, wonach zur Ver-
handlung vor dem Staatsgerichishof nur solche Sachen gelangen-
deren Bedeutung erheblich ist. Wenn ihre Entscheidung durch
einen verfassungsmäßigen Gerichtshof Des Reiches angemessen er-
scheint, so wird die Sache den örtlichen Behörden überwiesen, waS
die Regel bilden soll, insbesondere dann, wenn sich das Interesse
an dem Gegenstand der Sache auf ein örtlich begrenztes Gebiet be-
schränkt. Soweit die Unterstützung Durch Die Polizeibehörde eines
anderen Landes nötig ist, sollen Die beiressenden Fälle vor dem
Landssgerichtshof verhandelt Werders. Eine Mitwirkung anderer
LMdesbchör'ven wird nur nach ErNverstänDnis mit Der betreffen-
den Stelle erfolgen. Bei Der Auswahl der MiWiöder Des Staats-
gerichtshofes sollen irn Besonderen Vie Interessen der Länder be-
rücksichtigt werden. Es werden mehrere Senate gebildet, deren
Sitzungen und Einteilungen nach den Bedürfnissen Der einzelnen
Länder geregelt wird. Zum Bea-mtengesetz wird bestimmt, Daß
die Aufhebung oder Verlegung eines Disziplinlargerichtshofes nicht
ohne das Einverständnis Der betreffenden Daudcsregierung, ft«
deren Bereich derselbe erreicht ist, erfolgen darf. Vor Ernennung
der Mitglieder Des Gerichtshofes sowie Der in richterlichen Stel-
lungen befindlichen Mitglieder der ReichsDisziplinarkammer wird
den Ländern Gelegenheit geboten, sich zur Zusammensetzung des
Gerichtshofes, Der für ihr Gebiet zuständig ist, zu äußern. Zum
Reichskriminalpolizeigesetz wird vorgesehen, Daß Die Landesregie-
rungen bei der Ausgestaltung der LaudeskriminarpMzeivehöwen
freie Hand haben, insbesondere Bestimmungen örtlicher Natur zu
erteilen. Ferner sollen Bestimmungen anderer Lan'deskrimiual-
polizeibshörden au Ortsbehörden nur mit Zustimmung des be-
treffenden LauDesiriminalpolizeianrtes erteilt werden können. Nur
bet „Gefahr im Verzüge" und besouveren Ausnahmen kann von
dem Grundsätze abgewichen werden, um eine schnelle Verfolgung
der Angelegenheiten zu ermöglichen» namentlich wenn ein dringen-
des Interesse des ganzen Reiches vorliegt und wenn eine möglichst
rasche Verfolgung auf andere Art nicht erreicht werden kann.
Ferner erklärte die Reichsregierung, daß durch Notwendigkeiten
der letzten Zeit, deren Folge die obigen Gesetze seien, bei den Län-
dern Den Eindruck hervorgerufen hätten, daß das Reich immer mehr
an einer vollkommenen Entrechtung Der einzelnen Länder und auf
Die Herstellung eines Einheitsstaates hinziele. Die äußeren Um-
stände hätten allerdings das Reich dazu gezwungen, seine Hoheits-
befugnisse in gewissen Dingen zu erweitern, aber niemals habe
das Reich Die Absicht gehabt, die Hoheit der einzelnen Staaten an-
zutasten. Das ReichskriminMPolizeigesetz und das Schutzgesetz
seien notwendig gewesen, aber hierdurch sollen die Polizei- und
Justizhoheitsrechte der deutschen Bundesstaaten nicht verringert
Werden. Ueber die verfassungsmäßigen Notwendigkeiten hinaus
werde das Reich niemals gehen.
Die Kritik der bayrischen Volkspartei
am Berliner Protokoll.
München, 14. Aug. Das Korrespondenzorgan der bayri-
schen Volkspartei nimmt in einer am Sonntag erschienenen beson-
deren Ausgabe zu dem Berliner Protokoll eingehend Stellung. Es
wird festgestellt, daß Gras Lerchenfeld einen achtbaren rind außer-
ordentlich dankenswerten Erfolg Dqvongetragen habe; dies Dürfe
aber lischt hindern, das Berliner Protokoll unter die kritische SanDr
zu nehmen. Beim Reichskriminalgesetz seien zweifellos sehr we-
sentliche Verbesserungen erzielt worden. Es dürfe aber nicht über-
sehen werden, daß grunDfäßltch ein Recht Des Reichskrimiualpoli-
zeiamtes zum unmittelbaren Einschreiten Bestehen bleibe. Im
Reichsbeamtengesetz seien erhebliche Besserungen und Milderungen
erzielt worden.— Den Kernpunkt des Streites und des Protokolls
LWe aber der im Republikschutzgesetz vorgesehene Staatsgcrichts-
hof. Vom bayerischen grundsätzlichen Rechtsstandpunkt aus sei
man für das Kompromiß eines süddeutschen Senates niemals zu
erwärmen- wenn man es überhaupt als annehmbar empfehlen
wolle, so könne Dies nur unter dem Gesichtskunkt geschehen, daß
das RepublikschNtzgefetz nur ein befristetes Schutzgesetz ohm dau-
ernde Wirkung sei. Trotz Dieser schwerwiegende» e ', hs.'Michen
Einwände sei aber, von Den bayerischen Ulitechändlem auch beim
 
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