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Volkszeitung: Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung des ganzen badischen Unterlandes (Bezirke Heidelberg bis Wertheim) (4) — 1922 (Mai bis August)

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Nr. 151 - Nr. 160 (3. Juli - 13. Juli)
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Mosbach, Buchen,

Heidelberg, Freitag, 7. Juli 1922
Nr. 165 * 4. Jahrgang

Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung der Amtsbezirke Heidelberg, Wiesloch, Sinsheim, Eppingen, Eberbach,
Adelsheim, Boaeberg, Tauberbischofsheim und Wertheim.

Bezugspreis: Monatlich einschl. TrSgerlohn 32.— Mk.» Anzeigenpreise:
Dir einspaltige Petitzeile (36 mm breit) 3.— Mk., Reklame-Anzeigen
(88 mm breit) 8.— Mk. Bei Wiederholungen Nachlaß nach Tarif.
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Geschäftsstunden: 8—'/,6 Uhr. Sprechstunden der Redaktion: 11—12UH«.
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Verantwort!.: Für innere u. äußere Politik, Volkswirtschaft u. Feuilletont
Dr. E. Kraus; Kommunales, soziale Rundschau ».Lokales: I. V.: Dr.
E. Kraus; für die Anzeigen: A. Friedmann, sämtl. in Heidelberg.
Druck u. Verlag der Unterbadischen Verlagsanstalt G. m. b. H., Heidelberg.
Geschäftsstelle: Schröderstratze 39.
Fernsprecher: Anzeigen-Annahms 2873, Redaktion 2813.

Das Schutzgesetz der Republik.
Die Beratungen im Rechtsausschutz.
Berlin, 6. Juli. Im Rechtsausschuß des Reichstags begann
heute die Beratung des Gesetzentwurfs zum Schutze der Republik.
Retchsjustizminister Dr. Radbruch führte die Gründe an, die für
die Reichsregierung maßgebend gewesen waren, statt der Form
einer Verordnung ein Gesetz zu wählen. Allein ein Gesetz gebe die
Möglichkeit, daß allmähliches Anheben einer neuen Gefahr wir-
kungsvoll abbröckeln zu können, während eine Verordnung mit dem
vorübergehenden Wegfall der Gefahr verfassungsmäßig wieder hin-
fällig werden müsse. Das Gesetz werde nicht einseitig nach rechts
angewendet, es werde gegen jeden Anwendung finden, der gegen die
verfassungsmäßige republikanische Staatssorm sei. Was die in
dem Gesetz enthaltende Todesstrafe betreffe, so habe sich der
Minister nur schwer dazu entschlossen. Das bedeute aber keine Posi-
tive grundsätzliche Stellungnahme zu dem Problem der Todesstrafe.
Solange das deutsche Strafsystem die Todesstrafe anerkenne, muffe
sic auch in das Gesetz zum Schutz der Republik übernommen werden.
Im Rechtsausschuß des Reichstages wies der Abg. Dr. Dü-
ringer (D.-N.) daraus hin, daß ihn die Ausführungen des
Reichsjustizministers nicht hätten überzeugen können. Eine Ver-
ordnung hätte den gleichen Zweck erfüllt wie ein Gesetz. Seine
Partei stehe den Anträgen des Zentrums im großen und ganzen
sympathisch gegenüber. Die Mehrheitssozialdemokraten beantragten
verschiedene Verschärfungen der Vorlage. So wollen sie u. a. in 8 1
auch Personen hineinnehmen, die einer Vereinigung angeüören, von
der sie den Uniständen nach annehmen müssen, daß es zu ihren Zie-
len gehört, Mitglieder einer im Amt befindlichen oder früheren
republikanischen Negierung zu töten. Das Gesetz soll sich nach den
Anträgen der Mehrheitssozialdemokraten nicht nur auf den Schutz
der „verfassungsmäßigen" republikanischen Staatsform beziehen,
sondern schlechthin auf den Schutz der republikanischen Staatsform
überhaupt. Die Mehrheitssozialdemokraten beantragen weiter, daß
bei Verurteilungen und Ausweisung von Ausländern nicht erfolgen
kann, sondern daß darauf erkannt wird. Ein weiterer Antrag
fordert, daß nur e i n Mitglied von 7 Mitgliedern des Staatsge-
richtshoses dem Reichsgericht angehört, während die andern 6 nicht
die Fähigkeit zum Ricbteramt zu haben brauchen. (Die Vorlage sah
drei Mitglieder des Reichsgerichts vor.) Abg. Dr. L e v i (Unabh.)
wies darauf hin, daß die Definition des Gesetzes nach allen Richtun-
gen hin zu eng sei.
Bayern beharrt aus der Ablehnung des Schutzgesetzes.
Miinchen, 6. Juli. Die „München-Augsburgische Abendztg."
meidet, daß in einer gestern abgehaltenen Ministerratssitzung der
Minister des Innern Dr. von Schweyer eingehend über das Ergeb-
nis seiner Berliner Reise berichtete. Der Ministerrat ist sich nach wie
vor darüber einig, daß Bayern die Ausnahmegesetze unmöglich an-
nehnien könne.
Das gleiche Blatt schreibt: Das Gerücht von einer Beurlaubung
des französischen Gesandten in München, Dard, an die sich seine
Entfernung vom Amte anschlösse, haben sich bis jetzt noch nicht be-
stätigt.
München, 6. Juli. Der Minister des Innern, Dr. Schweyer
erklärte heute im Landtage zu der ablehnenden Haltung der bayeri-
schen Regierung gegenüber dem republikanischen Schntzgesetz, daß
nach Ansicht der bayerischen Regierung gerade in der jetzigen Zeit
eine Politik der Mitte, der Ruhe und Ordnung getrieben
werden müsse. Das Gesetz zum Schutze der Republik aber sei so ge-
staltet, daß es eine tiefgehende Beunruhigung in weiten Kreisen der
Bevölkerung Hervorrufen müsse. Die Unruhe sei durch die wieder-
holten Demonstrationen der letzten Tage noch gewachsen. Heute seien
Sozialisten im Begriffe, e tn A u s n ah m e g e s etz zu schaffen, das
Über alles Dagewesene hinausgehe, eine Politisierung der Rechts-
pflege durch ein R ev o l u 1 t o n s t r i v u n a' und Uber das zur
Abwehr gesetzwidriger Handlungen notwendige Matz hinausreiche.
Die bayerische Regierung habe aber darauf gesehen, daß die Landes-
hoheit nicht in einer Weise geschmälert werde, wie es dieses Gesetz
mit sich bringe. Bayern im Reich und für das Reich. Diese Erklä-
rung des Ministers wurde auf der Rechten des Hauses mit leb-
haftem Beifall ausgenommen.
Die Pflicht der Beamten zum Schatz der
Republik.
Berlin, 6. Juli. Im Reichsrat wurde heute der Gesetz-
entwurf über die Pflicht der Beamten zum Schutz
der Republik in der Gesamtabstimmuns mit 49 gegen 16
Stimmen angenommen. Dafür stimmten das preußische
Staatsministcrium, die Vertreter der Stadt Berlin, die Vertreter
der Provinzen Westpreußen-Posen, Niederschlesten, Sachsen,
Schleswig-Holstein und Hannover, sowie die Vertreter aller
Länder mit Ausnahme Bayerns; außer Bayern stimm-
ten gegen das Gesetz die Vertreter der Provinzen Ostpreußen
Brandenburg, Pommern, Westfalen, Rheinprovinz, und Heffen-
Raffan; der Vertreter von Ovcrschlesien enthielt sich der Stimme.
Eine Mörderorganisation in Oldenburg.
Oldenburg, 6. Kuli. Im Verlaus tcr Unlerstichung deS
Attentats gegen Maximilian Harden hat sich in Berlin ergeben,
daß die Stadt Oldenburg als der Sih einer Berschwörerorgansta-
tiou anzusehen ist. Der verhaftete W Wei ch ert, der wegen fahr-
lässiger Tötung eines Kindes bereits zu längerer Gefängnisstrafe
verurteilt worden war, dem jedoch dann eine Bewährungsfrist zu-
gestanden wurde, hat ein Geständnis abgelegt. Daraus hat sich er-
geben, daß die Mittäter am Attentat gegen Harden und die Hin-
termänner in Oldenburg ansässig sind. Inzwischen sind Beamte des
öerliner Polizeipräsidiums nach Oldenburg entsandt worden^ die im

Laufe des gestrigen Tages eifrige Nachforschungen anstellten. Auch
einige Verhaftungen sind bereit- vorgenommen, so u. a. die des
Buchhändlers Albert Grenz, bet dem eine Haussuchung vorge-
nommen worden war, die überaus belastendes Material ans Ta-
geslicht förderte.
Die Wahrheit über den blutigen Zusammen-
stoß bei Voelpke.
Magdeburg, 5. Juli. (Eigener Drahtbericht d. Vorwärts.)
Die angestellten Ermittlungen lassen keinen Zweifel darüber, daß
die blutigen Vorkommnisse inDommerschenvurgbei Voelpke
auf das geradezu wahnwitzige Verhalten des Ver-
walt e r s des Gutes in Sommerschenburg, des ehemaligen Ritt-
meistersvonRofenverg, zurüüzusühren ist. Zwischen dem
Verwalter Rosenberg — Besitzer des Gutes ist Graf Gneisenau —
und der Bevölkerung der braunkohlenreichen Gegend um Sommer-
schenburg bestand schon lange ein sehr gespanntes Verhältnis in-
folge« des brutalen und rücksichtslosen Beneh-
me n s d e s R i t t m e t st e r s. Es ist einwandfrei festgestellt, auch
von amtlicher Seite, daß von dein Rittmeister, ohne daß er sich in
Not befand, das Feuer auf die Demonstranten eröffnet worden ist.
Geholfen haben ihm vabei auch der Gutsinspektor und un-
verstSndlichcrweise zwei Flurschutzveamte, die, wie von
einem Augenzeugen bereits dargestellt ist, von dem schloßartige«.
mit Mauern und schweren Eisentüren gesicherten Gutshose auf die
Demonstranten geschossen Haven, als eine Abordnung zur Unter-
handlung den Hof betrat.
Erlogen ist die vom Wolf-Bureau verbreitete
Behauptung, daß die Demonstranten bewaffnet
gewesen seien. Richtig ist, daß et» Trupp von einem
Schütze «Verein eines benachbarten Ortes 8 Gewehre holte und
mit dieser» Gewehren ist dann der Gutshos beschossen worden, wo-
bei Rosenberg verwundet worden ist. Ob auch einer der Flur-
schützen hierbei getroffen wurde, oder ob er von eine»« der Schützen
auf dem Gutshofe verletzt wurde, ist noch nicht festzustetten.
Der Angriff aus den Gutshof mit den Gewehren des Schützen-
vereins ist aber erst lange Zeit alsAntwort aus dr» Angriff des
Rittmeisters und seiner Spießgeselle» erfolgt. Unwahr ist auch
die Behauptung, daß die von Magdeburg gekommene Schutzpoli-
zei sofort bei ihrem Eintreffen in Sommerschenburg ent-
waffnet worden sei. Richtig ist vielmehr, daß die Polizei auf An-
forderung der Sommerschenburger Arbeiter erschien, um dem
schießwiitigen Rittmeister das Handwerk zu legen. Rosenberg Hai
es fertig gebracht, auf einen einzelnen Arbeiter, einen Witwer mit
mehrere« Kindern, der abends gegen 10 Uhr ahnungslos von
der Arbeit auf dem Nachhauseweg au dem Schloß Vorbeigehen
mutzte, eine Handgranate zu werfen, wodurch dem Mann der
halbe Kopf weggeriffen wurde. Nutzer ihm haben die Arbeiter noch
zwei andere Tote, darunter auch einen 13jährigen Jungen,
und 10 Verwundete zu beklagen. Ein Teil dieser Leute, darunter
auch der 13jährige Junge, wurden von den Kugeln getroffen, als
die Menge auf der Fl« cht vor den ersten Schüsse« begriffen war.
Der Schutzpolizei in Sommerschenburg Haven die Arbeiter kei-
nerlei Schwierigkeiten gemacht.
Das gegenseitige Einvernehmen wurde erst gestört, als aus
Helmstedt einige hundert Kommunisten erschiene«, die sofort über
die Schutzpolizei Herfiessen und sie entwaffneten. Das Schloß ist
dann von den Helmstedtern gestürmt und ausgeplttndert worden.
Einer der Flurschtttzen ist von den Helmstedtern erschlagen worden.
Rosenberg selbst wurde nach Ker ErstürmuM des Schlosses von
ArSeiArsamarttern in Schutz genommen und am Mittwoch nach-
mittag in einen: Krankenmito mobil in Sicherheit gebracht. Die
Aerzte hoffen, ihn am Leben erhalten zu können. Seine Frau und
seine Kinder wurden von Parteigenossen aus dem Schlosse geholt
und nach Magdeburg gebracht. Die Behauptung der bürgerlichen
Presse, daß auch das Leben« der Frau Rosenberg gefährdet gewe-
sei sei, ist falsch. Am Mittwoch abend War in Sommerschenburg
durch die Bemühungen der Arbeiter unter Führung einiger
Funktionäre der SPD. und USPD, die Ruhe wieder hergestettt
worden. Die Meldung von einem wilden Aufnchr in der Gegend
von Voelpke ist ganz unverantwortlich übertriebe»». Glatt erlogen
ist die Behauptung, daß Tausende von Arbeitern zum größten Teil
mit MMtärgewehren bewaffnet gewesen seien. In WiMichkeit
sind selbst die Waffen, welche der Schutzpolizei abgruommen worden
sind, auf Aufforderung der Parteifunktionäre beim Amtsvorsteber
in Sommerschenburg abgegeben worden.

Deutscher Reichstag.
Interpellationen. — Deutfchnationale und Deutsche Volkspartei für
Regimentsfeiern und Hindenburgparaden. — Wiederholte Lärm-
und Tumultfzenen.
tn. Berlin, den g. Juli 1922.
Am Rsgierun-gstischr Innenminister Köster, Reichszustizmimt-
ster Radbruch. Präsident Löbe eröffnet die Sitzung um 2 Uhr 29.
Aus der Tagesordnung stehen die bekannten vier Interpella-
tionen, die sich gegen antirepublikanische Kundgebungen richten.
Abg. Dr. Moses (ilniabh.) begründet die unabhängige Interpel-
lation. Die politischen Morde sind bisher immer nur durch Offi-
ziere und Studenten begangen worden. Jetzt sind auch die Gym-
nasiasten dazu getreten. Anscheinend hat die Reaktion das Atten-
tatpfiichlbge Alter um einige Jahre herabgesetzt. Die Deutschnatw-
nalen können diese Mörderbande nicht von ihren Rockschößrn ab-
schütteln. Der DeutschnaliionÄle PVWWKozent Dr. Schiffer in
Schöneberg sagte, Vie deuischuationale Volkspartei sei verpflichtet,
die Mörder Liebknechts und Rosa Luxemburgs zu unterstützen. Er
habe sie an die ReichStagsabgeordneten Schultz, Bvbmberg- und
Hennigs verwiesen. Der Redner wandle sich dann scharf gegen Vie
Universitäten und gegen die höheren Schulen, in denen der Geist
der AuUMMM. gegen M staatliche Autorität groß gezogen, werde.

Wenn eS nicht gelinge, mit den deutschnationalen Mörderbaudeu
fertig zu werden, so werde der offene Bürgerkrieg kommen.
Art. 18 der Reichsverfaffung.
Kurz nach 3 Uhr wird die Aussprache durch dieGefamtab,
sttmmung über den Gesetzentwurf zur Ausführung des Art. 18
der Reichsverfaffung (Neubildung von Ländern durch Volksabstim-
mung) unterbrochen. Die Vorlage wird dann gegen die Stimme«
der beide« Rechtsparteien angenommen.
Abg. Vogel-Franken (Soz.) begründet Dann eine mehrheits-
sozialistische Interpellation gegen die Rsgimenlsfeiern. Nicht die
Gesinnung soll gekurbelt werden, sondern den Mörderorganisatlo-
nen soll ein Ende gemacht werden. — Der bayerische Innenminister
hat angeordnet, daß ihm von allen Maßnahmen auf Grund der
Verordnung des Reichspräsidenten vor einer Ausführung Mittei-
lung zu machen ist. (Hört, hört, links.) Dies kann zur Folge haben,
daß Mörder gewarnt werden. In Bayern sammelt sich alles, waS
uns eine Revanche hinarveitet. Der Führer der bayrischen Volks-
partei, der Abg. Held, hat erklärt, das deutsche Volk sei für eine
Republik weder reff noch auch geeignet. Ein Oberst Geratet in
Bayern hat die Hoffnung ausgesprochen, daß die Franzosen schon
in wenigen Wochen aus der Pfalz herausgeworfon sein werden.
In Erlangen sind die Studenten von der Arttlleriefchnle ausgebil-
det worden. Dis Reichswehr ist ein Hort der Reaktion und der
fchwarz-weitz-roten Fahne.
Reichsjuflizminister Dr. Radbruch
erklärt: Von einem amtlichen Erlaß des bayrischen Innenministers
über seine Informierung von Maßnahmen auf Grund der Verord-
nung des Reichspräsidenten ist hier nichts bekannt. Dies wüvvr
auch im Gegensatz zur Rechtslage stehen. Man muß auch alles Ver-
ständnis haben für die Schwierigkeiten der bayerischen Regierung.
Major Schleicher antwortete dann tn Vertretung des erkrank-
ten Nieichsw ehrm misters Getzler aus die -Angriffe gegen die Reichs-
wehr und erklärt: Er könne nicht zu allen Einzelheiten Stellung
nehmen, die sich im übrigen anders zugetragen haben, als sie hiev
geschildert wurden. Die Beteiligung der Reichswehr an der Hin-
denburgehrung in Königsberg war vom Reichswehrminister geneh-
migt. Die Reichswehr hielt sich Dabei genau an die Vereinbarun-
gen, aber nicht bei dein Demonstrationszug, so daß es zu Zusam-
menstößen kam. Die Truppe wurde zur Notwehr gezwungen. Von
einer miverdächtigteni Seite wurde behauptet, daß der Angriff auf
die Reichswehr planmäßig vorbereitet war. (Lärm links.) Die
Gedenkfeiern sind übrigens fast durchweg ruhig verlaufen. Die-
hat auch der unabhängige sächsische Minister Lipinski anerkenne«
müssen. Das Recht der Meinungsfreiheit muß auch weiterbestchen.
Wenn man die schwarz-weitz-rote Fahne verbietet, daun ist es auch
gereiht, daß man die rote Fahne mit dem Sowjetstern nicht gestat-
tet. Die Regimentsseiern sollten eigentlich die Gegensätze im Volk«
beseitige« (!) Monarchistische Kundgebungen sind sie nicht. (Lärm!
liitks und Zuruf: Frechlinge, — Ordnungsruf.) Gegen Taktlosig-
keiten wird eingeschritten, im übrigen unterliegt die Frage eine-
völligen Verbotes der Teilnahme der Reichswehr an Regiments«
feiern der Prüfung des Gesamttabinetts.
Innenminister Dr. Köster
beantwortet darauf die Interpellation über die Selbstschutz«
organtsationen. Die Organisationen Roßbach und Oberland
sind schon früher aufgelöst worden. Das preußische Ministerium des
Innern hat auch den Berliner Selbstschutz, den Verband Alpenland
und das Hallesche Korps, ebenso den Verein Schlesischer Landwirts
die eine Fortsetzung von Roßbach waren, ausgelöst. Das Freikorps
Oberland hat sich in München wieder aufgetan. Der Breslaues
Staatsanwalt hat die Auslösung verlangt, die jedoch von den baye-
rischen Behörde,» abgelehnt worden ist. Nach der neuen Verordnung
werden da neue Schritte unternommen werden. Der Minister zählt
dann die rechtsgerichteten Organisationen auf, die alle aufgelöst
worden sind und die dann gegen ihre Auflösung Einspruch erho-
ben haben. Die Regierung wird weiter handeln. Ob jedoch
ihre Mittel ausreichen werden, um der Seuche der
geheimen Vereine ernsthaft zu Leibe zu gehen, wird die Zukunft
zeigen. Die Dinge müssen zentral und einheitlich behandelt wer-
den. Daher ist ein Reichs krimtnalpolizeigesetz de«
Reichsrat auch bereits zugegangen. Nicht alle Vereine sind aus
Bosheit entstanden, vielfach handelt es sich auch um die wirtschaft-
liche Not wurzellos gewordener Existenzen. Es ist daher auch
Fühlung genommen worden mit den Gewerkschaften und mit dem
Neichsverband der deutschen Industrie.
Die Besprechung der Interpellation wird be-
schlossen.
Abg. Cuno (D. Volkp.): Zu den Vorgängen in Ostpreußen
mutz ich sagen, daß Generalfeldmarschall von Hindenburg den be-
greiflichen Wunsch hatte, in seinem hohen Alter seine alte Heimat
noch einmal zu besuchen. Die Veranstaltungen waren durchaus
unpolitisch und der Besuch Hindenburgs war ein Triumphzug, wie
ivn das deutsche Land noch nie gesehen. Die beiden ersten Ver-
anstaltungen wurden auch von der Regierung als unpolitisch an-
gesehen, nur die große Huldigung wurde als parteipolitisch be-
zeichnet und es folgte dann der bekannte Erlaß, der Kopfschütteln
und Entrüstung hervorgerusen hat. Auf Grund welcher Berichte
aus Ostpreußen ist denn dieser Erlaß eigentlich zustande gekommen!
Man sollte doch den einzelnen Teilen das Verbleiben beim deut-
schen Reich nicht gar so schwer machen. (Sehr richtig bet der D.
Volksp.) Unerhört ist die Verhetzung der Linkspresse. Seit
wann überläßt ein Polizeipräsident die Ordnung aus der Straß«
den Gewerkschaften? Dafür ist doch die Polizei da. Das Blut
kommt auf das Sündenkonto der Verhetzung (Lärm links. Zu-
stimmung rechts.) Außer dem einen, haben auch noch zwei
weitere Angriffe auf die Reichswehr stattgsfunden. Das wirk
anscheinend verschwiegen. (Hört, hört rechts.) Ist es denn nicht
auffallend,, daß, wir uns hier.im Reichstag.und auch im Landtag
 
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