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Volkszeitung: Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung des ganzen badischen Unterlandes (Bezirke Heidelberg bis Wertheim) (4) — 1922 (Mai bis August)

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Nr. 171 - Nr. 180 (26. Juli - 5. August)
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Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung der Amtsbezirke Heidelberg, Wiesloch, Sinsheim, Eppingen, Eberbach, Mosbach, Buchen,


Adelsheim, Voßberg, Tauberbifchofsheim und Wertheim.

Bezugspreis: Monatlich einschl. Trägerlohn 42.— Mk., Anzeigenpreise:
Die einspaltige Petitzeile (86 mm breit) 4.50 Mk., Reklame-Anzeigen
(98 mm breit) 12.— Mk. Bei Wiederholungen Nachlaß nach Taris.
Eeheimmrttelanzeigen werden'nicht ausgenommen.
Eeschäftsstunden: 8—Vs6 Uhr. Sprechstunden der Redaktion: 11—12 Uhr.
Postscheckkonto Karlsruhe Nr. 22577. Tel.-Adr.: Volkszeitung Heidelberg.

Heidelberg, Samstag, 3. August 1922
Nr. 18V * 4. Jahrgang


Verantwort!.: Für innere u. äußere Politik, Volkswirtschaft u. Feuilleton:
Dr.E. Kraus; für Kommunales, soziale Rundschau und Lokales;
O. Weibel; für die Anzeigen: A. Friedmann, sämtl. in Heidelberg.
Druck ri. Verlag der Unterbadischen Verlagsanstalt G. m. b. H-, Heidelberg.
Geschäftsstelle: Schroderstraßs 3S.
Fernsprecher: Anzeigen-Annahme 2673, Redaktion 2343.

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Vorstand.

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rat reicht.

Zur Lage.
I<r. Heidelberg, den 5. August.
Die politische Lage hat in den letzten acht Tagen wieder einmal
eine ganz außerordentliche Zuspitzung ersahren. Zu der imur-
Politischen Krise der bayerischen Obstruktion gegen das Reich und
die Weimarer Reichsverfassung, deren dritter Jahrestag am kom-
menden 11. August festlich begangen werden soll, ist eine neue schwere
Krise der Erfttllungspolitik getreten. Bayern und Frankreich Haven
wieder einmal gemeinsam den Kamps gegen das Reich ausgenom-
men. Als der Mord an Rathenau und die bayerische Opposition
gegen das Schntzgesetz der Republik das Reich in seinen Grundfesten
zn erschüttern drohte, und eine neue furchtbare Währungskatastrophe,
die den Dollar auf nahezu 600 hinanstrieb, die Folge war, erklärte
sich das Reich zum zweitenmal zahlungsunfähig und bat um
Stundung der Reparationsbarzahlungen bis 1925. Gleichzeitig
sollten die Barzahlungen aus denEntfchädigungsansPrüchen Pri-
vater gestundet und die Zahlungen aus dem Ausgleichsverfahren
von monatlich 2 Millionen Pfund — 40 Millionen Goldmark auf
eine halbe Million — 10 Millionen Goldmark herabgesetzt werden.
Während dieses deutsche Gesuch in Belgien und England eine ziem-
lich ruhige und nüchterne Aufnahme sand, benützte der französische
Nimmersatte Chauvinismus die Gelegenheit zur wilden Hetze gegen
Deutschland, eine Hetze, in der sich Frankreich für all das Luft zu
machen suchte, was es seit Genua und der Pariser Bankierkonferenz
an politischer Kritik hatte dulden müssen. Ungeachtet der Tatsache,
daß die Frage der Ausgleichszahlungen eine gemeinsame Ange-
legenheit der gesamten Entente darstcllt, daß diese Zahlungen erst
am 15. August fällig sind, und natürlich aufs engste mit der Lei-
stung der Reparationszahlungen Zusammenhängen, protestierte
Poincare auf das schärfste gegen das deutsche Stundungs- und
Minderungsverlangen und forderte bis zum 5. August von Deutsch-
land bedingungslose Zusage der Zahlungen, widrigenfalls — — ja,
was dann kommen soll, hat Poincare nicht im einzelnen angegeben,
er sprach lediglich von „besonderen" Maßnahmen, was ja ein sehr
dehnbarer, aber auch 'nichtssagender Begriff ist. Diese -fr-mzHM?
Pressionspolitik hat in wenigen Tage;» die Position unserer Wirt-
schaft erneut verschlechtert und erschüttert. In jähem, nervösem Auf
und Ab ist der Dollar auf über 800 gestiegen und damit die Mark
auf den Wert eines halben Pfennigs gesunken. Und was das
allerschlimmste ist, sofort haben die wichtigsten Rohstoff- und Groß-
handelspreise sich dieser neuen Devisenhausse und Geldentwertung
anzupassen gestrebt und damit die Grundlagen zu einer neuen kata-
strophalen Preisrevolution gelegt, die das jetzige Preisniveau um
mindestens das Doppelte in die Höhe treiben wird.
Es ist in verschiedenen Blättern des In- und Auslandes ver-
sucht worden, die Drohung PoincarSs als taktische Druckpolitik zu
deuten, als ob Poincare sich damit eine möglichst günstige Position
gegenüber England auf der in der kommenden Woche stattsindenden
Londoner Konferenz schassen wollte. In der logischen Konseguenz
dieser Auffassung lag es dann, die englische Note über die inter-
alliierte Verschuldung, die von den englischen Schuldnern genau den
Betrag zurückverlangt, den Amerika von England fordern wird, als
taktischen Gegendruck Englands zu deuten, so das; also auch diesmal
Deutschland das Objekt ist, an dem und aus dessen Rücken
der grundsätzliche englisch-französische Gegensatz im Europa- und
Reparationsproblem ausgesochten wird. Es muß zugegeben wer-
den, daß diese Deutung viel für sich hat und daß es auch durchaus
richtig ist, die Ereignisse vergangenen Woche als Borfeldgefechrc
für die kommende Schlacht in London zu werten. In diesem Sinne
wird wohl auch die Reparattonsdebatte des englischen Unterhauses
am vorgestrigen Donnerstag zu verstehen sein, die sicherlich nicht
zufällig gerade jetzt stattgesunden bat. Trotz dieser stark taktisch-
diplomatischen Bedeutung der französischen Aktion wäre es aber
Torheit, den ganzen Ernst der Stunde für Deutschland übersehen
zu wollen und sich etiva leichtsinnig der Hoffnung auf den engli-
schen Gegendruck überlassen zu wollen. Wohl hat sich England für
Herabsetzung der Reparation und Zahlungsaufschub ausgesprochen.
Aber wer gibt uns die Garantie dafür, daß England mit seinem
Standpunkt auch durchdringen, ja daß es auch nur bis zuletzt auf
ihm beharren wird? Wie oft sind wir nicht schon von der englischen
Politik bitter enttäuscht worden, erinnert sei nur an Oberschlesien
und Genua! Wird England nicht wieder umfasten und gegen
Konzessionen im Orient uns der französischen Habgier preisgeben?
Was dann? So erfreulich natürlich an sich Englands Bereit-
schaft ist, seine» Schuldnern den Betrag zu erlassen, der über das
binnusgebt, was es an Amerika zu zahlen bat — für uns würde
das 8—900 Millionen Pfund ansmacben! — so liegt anderseits eine
Verschärfung der Situation doch darin, daß Frankreich nun In
seinen; Finanzdefizit noch die Schulden an England ausbringen soll.
Oder will England gerade dadurch eine Wendung der französischen
Reparationspolitik erzielen und wird es damit Erfolg Haven? . . .
Das Kabinett Wirth steht vor schweren Entscheidungen,
es ist nicht ausgeschlossen, so wenig wir es natürlich wünsche,» daß
es darüber zu Fall komme» wird. Wir haben es bereits gestern in
aller Deutlichkeit ausgesprochen, das; die bayerische Antwort keiner-
lei Lösung der innerpolitüchen Krise, sondern im Gegenteil gewisse
bedenkliche Verschärfungen bringt. Es erscheint uns sehr fraglich,
ob daran LcrchenfeldS Reise nach Berlin irgend etwas ändern wird,
denn selbst wenn er möchte, kann er nicht zurück, die Geister, die
Kahr uud er riesen, lassen ihn nicht mehr los. Daß ausgerechnet
in dieser» Moment das bayerische Kabinett nach rechts erweitert
wird, bedeutet eine neue schwere Provokation und Verschärfung
des Gegensatzes zur» Reich. Und trotzdem müssen wir vom Reich
verlangen, daß eö unter allen Umstünden und mit allen Mitteln
die Reichsversaffung gegen Bayern durchsetzt und daß es unter allen
Umständen jede Konzession an den bayerischen Verfassrmgsvruch
ablchnt. Noch schwerer wird für das Reich die außenpolitische Ent-
scheidung Frankreich gegenüber sein. Die Regierung hat zweimal
Hr „Unmöglich" erklärt, sie mutz jetzt auch dabei bleiben, wenn sie

nicht jede Autorität verlieren will, denn dieses Unmöglich resultiert
nicht aus Sabotage, sondern ans bestem Erfüllungswollen. Aber
was nicht möglich ist, ist eben nicht möglich, trotz Poincare, und
nachdem wir eben erst deut Garantiekomitee als neuen Beweis un-
seres Erfüllungswillens eine weitgehende Finanzkontrolle zuge-
sttmden haben, wäre ein weiteres Nachgeben unmöglich und unver-
antwortlich. Die fortgesetzte französische Ultimatums- und Diktat-
politik macht schließlich auch die ehrlichste Erfüllungspolitik unmög-
lich und wir haben heute gar kein Interesse daran, weiterhin einer
Politik Vorschub zu leisten, die selbst ein Caillaux als Verbrechen
und Verrat an Frankreich gevrandmarkt hat!

Die bayrische RechLskoakition gebildet.
Ausnahme der Drutschnationalen in die Regierung
M ü n chen, 4. Aug. Graf Lerchenfeld hat den Oberregierungs-
rat im Justizministerium, Dr. Franz Gürtler, zum bayerischen
Justizminister ernannt. Damit ist der Eintritt der Deut'schnationa-
len Bolkspartet, Bayerischen Mittrlpartei und der Deutschen Volts-
partei in die Regierungsioalition und in das Kabinett vollzogen.
M ü » chen, 4. Aug. Der heutige Tag brachte eine Erweite-
rung von Regierung und Koalition nach rechts, so daß beide jetzt
keine Linksbelastung mehr haben, da auch die Demokraten aus der
Regierung ausgeschteden sind. In der neuen Koalition ist die
Bayerische Volkspartei vertreten mit 65 Mandaten, Bayerische
Mittelpartei rind Deutsche Bolkspartet mi 20 und der Bauernbund
mit 12 Stimmen. So ist die neue Regierungsbasis mit 97 Man-
daten um 7 stärker als die alte, in der die Demokraten vertreten
waren. Die Verteilung der Ministerien ist so erfolgt, daß die Baye-
rische Volkspartei 6 inne hat, nämlich Präsidium, Aeußeres, Inne-
res, Kultus, Handel und Finanzen. Mittelpartei und Deutsche
Bolkspartet Justiz und Bauernbnnd Landwirtschaft. Das Gesamt-
kabinett bleibt, lediglich das,Justizministerium erhält in Dr. Fran;
Gürtler einen neuen Chef von Mittelpartei und Deutscher
Volkspartei.
das FinarWvsetz.
M ünchen, 4. Aug. Bei der Abstimmung über das Finanz-
gesetz zum bayerischen Staatshaushalt für 1921/22 gab Abg. T i m m
(Soz.) im Namen seiner Partei die Erklärung ab, datz sie gegen
das Finanzgesetz stimme. Nach den parlamentarischen
Grundsätzen wolle sie dadurch ihr schärfstes Mißtrauen gegen die
augenblickliche bayerische Staatsregierung zum Ausdruck bringen,
die in einer Zeit höchster politischer und wirtschaftlicher Not eine
die Rkichsrittüeit bedrohende, die Ziele Frankreichs fördernde, jede»
kulturellen Fortschritt verneinende Politik betreibe Präsident
Königbauer rief den Redner wegen der Bemerkung zur Ord-
nung, daß die Politik der bayerischen Staatsregierung die Ziels
Frankreichs fördere. Auch der Redner der Unabhängigen Sozial-
demokratie, Neumann, wurde, weil er sich den Ausführungen
des Abg. Timm volltnyalllich anfchlotz, zur Ordnung gerufen.
Verhaftung der Scheidemann-Attentäter?
Gleiwitz, 5. Aug. In Kleinalthammer bei Gleiwitz wur-
den am Donnerstag, den 3. August, die beiden Scheivemannatteu-
täter, die bekanntlich am 5. Juni das Blausäureattentat gegen
Scheideipann ausgeführt hatten, festgenommen. Die beiden Atten-
täter hatten sich unter den Namen Wurm und Halberin Klein-
althammer ausgehalten. Berliner Kriminalpolizei hatte die Spur
bis dorthin verfolgt und bewirkte nach Umstellung des gesamten
Dorfes mit Schupo und Landjägern die Festnahme der Seiden
Attentäter. Während Halber sofort verhaftet wurde, gelang es
W n r m, in feine Wohnung zu entkommen. Er wurde dort von
den ihm folgenden Beamten gestellt und gleichfalls verhaftet. Die
beiden Attentäter sind unter sicherer Bewachung nach Berlin ge-
bracht worden.
Berlin, 5. Aug. Wie die Telegraphenunion auf Anfrage
. bei der Abteilung 1.44. des Polizeipräsidiums erfährt, ist hier
nichts davon bekannt, datz die beiden Attentäter bei Glel-
wttz verhaftet und nach Berlin gebracht worden seien.

Ausland.
Die ersten französischen „Sanktionen".
Deutsche Ausweisungen aus dem Elsaß.
Paris, 4. Aug. Nach dem „Petit Pariften" beabsichtigt die
französische Regierung mit Rücksicht darauf» datz unverzüglich um-
fassende Maßnahmen zur Beseitigung der unhaltbaren Finanz-
politik Deutschlands ergriffen werden müssen, die beiden Kammern
nunmehr einzuberufen. Die „Information" teilt mit, daß Frank-
reich am 7. August die erste Sanktion anwenden werde.
Sie werde in der Ausweisung von 150 Reichsdeutschen aus Elfatz-
Lothringen und der Beschlagnahme ihres Privateigentums bestehen.
Eine zweite Sanktion soll in den nächsten Tagen erfolgen.
Der „Mali n" erfährt, daß in dem gestrigen Ministerrat noch-
mals festgestellt wurde, datz Frankreich nicht die Absicht habe, all-
gemein gegen die Deutschen in Elsaß-Lothringen vorzugehen und
ihre Ausweisung in so großem Matze wie von einem Teil der fran-
zösischen Presse behauptet wird, vorzunehmeu. Keinerlei Maß-
regeln werden gegen Deutsche ergriffen werden, ohne vorherige Be-
fragung der Lokalbehörden. Sanktionen könnten sich mr gegen
solche deutsche Elemente richten, die weder nützlich noch dem Depar-
tement sympathisch seien.

Englischer Antrag anf Zurückstellung der
Zwangsmaßnahmen?
Rotterdam, 4. Aug. Der „Courant" meldet aus Paris;
Dem Kabinettsrat am 3. Aug. lag außer dem Reparationsproblem
auch ein englischer Antrag vor, militärische und wirtschaft-
liche Zwangsmatznay men Deutschland gegenüber der Lo «-
doner Konferenz vorzubeyaltsn. Nach einem sehr
unklaren Bericht im „Journal des Devats" kann immerhin ange-
nommen werden, datz militärische Aktionen zum 5. August
zurückgestellt worden sind und datz die wirtschaftlichen Maß-
nahmen Präventivcharakter tragen werde», um in der Form Eng-
land entgegenzukommen. Eine Aufgabe der wirtschaftlichen Sank«
tionen ist, dem Bericht des „Journal des Debats" zufolge, nicht
ersucht worden.

Beschlüsse des französischen Ministerrats.
Part s, 3. AM. (Priv.-Tel.) Die Beschlttsse des M i -
n i st e r r a t s, der heute vormittag unter Vvrfitz des Präsidenten
Millerand stattfand, werden streng geheim gehaltem Der
amtliche Bericht sagt darüber nur folgendes: Ministerpräsi-
dent Poincare hat seine Kollegen über die Mordenden aus-
wärtigen Fragen und besonders über den Stand des Reparations-
problems und die Frage der interalliierten Schulden unterrichtet.
Der Ministerrat hat die Beschlüsse bestätigt, die er früher ein-
stimmig gefaßt hat und die er der englischen Regierung
in den bestehenden Londoner Besprechungen vorlegen wird.
In diesem Communiqus ist zweierlei bemerkens wert. Es be-
stätigt sich, daß im vorletzten MiMterrat grundsätzlich einstimmige
Beschlüsse zur Reparatisnssrage gefaßt worden find, wie
-er „Malin" in aufsehenerregenden Veröffentlichungen mitgeteilt
hatte. Das Bestehen solcher Beschlüsse Mar gestern abgeleugnet
worden mit dem Bemerken, Poincare habe dem Minis!errat nur
die Grnndzüge seines Programms vorgelegt, ohne daß es zu einer
Beschlutzfaffung gekommen wäre. Weiter ist auffallend, daß das
amtliche Kommunique nur von Erklärungen Frankreichs für dis
englische ReKicrung spricht, obgleich mich Italien und Bel-
gien bei den Londoner Besprechungen vertreten fein werden.
Man erinnert sich daran, datz die französische Regierung deutlich
zu erkennen gegeben hat, ihr fei eine speziell sranzösisch-englische
Aussprache erwünscht.
An zuständiger französischer Stelle wurde mir heute abend
erklärt, alle bisherigen Prcsfsmitieftungen über angebliche Pläne
-er französischen Regierung Herrchen nur aus Kom-
binationen und entbehren jeglichen authentischen Charakters.
Das gleiche gelte für die Angaben über das angebliche Pro-
gramm für die R e torf i o n s m atznahmen, die gegen Deutsch-
land zur Anwendung kommen sollen, falls am Samstag mittag
nicht eine befriedigende Antwort der Reichsregiemng vorkiegt.
Frankreich Mrd feine Retorsionspläne bis zur Londoner Zusam-
menkunft geheim halten. Man hofft in französischen amtlichen
Kreisen, datz eine Verständigung mit England erzielt wer-»
den wird, obgleich die Lage durch die euMfche Note unleugbar
kompliziert worden fei.

Der Eindruck der englischen Schuldennote in
Amerika.
London, 3. August.
Reuter erfährt, einige Vertreter amerikanischer Fi*
n auz i nt er es s e n, die sich zufällig in Loudon aufhielten, hät-
ten die Ansicht ausgesprochen, daß. wenn Großbritannien seine
Bereitschaft, die ihm geschuldeten Gelder zn anullieren, in die Dat
umgesetzt hätte, die Vereinigten Staaten, wahrscheinlich
nicht sofort, aber nach den allgemeinen Mahlen gezwungen gewe-
sen wären, der britischen Regierung zu folge,» Es wird indessen
darauf hingewiesen, daß man in England sich vor Augen halten
mußte, datz in den Vereinigten Staaten ebenso die politische wie
die finanzielle Seite der Angelegenheit erwogen werden müsse. In
gut unterrichteten auswärtigen alliierten FAkanskrÄfen wird die
Ansicht ausgesprochen, daß der neueste Schritt die Bedeutung Ha-
ven würde, datz die in Frage kommenden auswärtigen Negierun-
gen, die keinen fremden Kredit außer der deutschen Schuld
besitzen, notwendigerweise das für die Bezahlung an Großbritan-
nien und eventuell an die Vereinigten Staaten erforderliche Geld
von Deutschland selb st sich verschaffen müßten. Die einzige
Möglichkeit einer sofortigen Bezahlung liege daher bei Deutsch-
land, und wenn letzteres nicht imstande sei, zu bezahlen, sei es
klar, datz die alliierten Schuldner kaum in der Lage sein würden,
die notwendigen Summen aufzubringen. In diesem Falle würde
ei» Moratorium, um das Deutschland ersucht hat, wahrscheinlich
auch in anderen Fällen gewährt werden müssen. Die Auffassung
wird allgemein ausgedrückk werden müssen. Die Auffassungeniatrdg
wird allgemein aus-gedrückt, daß der britische Standpunkt rhrlich
»nd fair ist. Aber er werde die gegenwärtigen Schwierigkeiten
nicht beseitigen und die Lösung der chaotischen- Wirtschaftslage nicht
fördern. — Auf Grund von Erhebungen in verschieden-en Kreisen
über die Balsourwote erklärt Rente, bisher fei keine Nachricht
in London eingegangen, die besage, daß die Veröffentlichung der
Note den Tag der Zusammenkunft der Alliierten Staats-
männer in London ab ändern werde. Ueber die Dauer der
Konferenz stehe naiurgemätz noch nichts fest, aber in einigen Krei-
sen habe man den Eindruck, das; -die Balfo urnote die Wir-
kung Haven werde, die Aussprache etwas zu beschleunigen,
da die groben Züge -der britischen Politik jetzt bekannt wären. Man
nehme an, daß Großbritannien außer durch Lloyd George durch
den Schatzkanzler und durch C h a m ü e r -l a i n vertreten sein
werde. „Daily Chronicle" schreibt int einem Leitartikel Mer sie
Bedeutung d--'- Balfouurote, Großbritannien erwarte nicht,
daß Amerika auf die Zahlung der Schulden verzichte»
Werde, und die Note bitte auch; nicht darum. England sei zum
 
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