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Kaiserlich-Königliches Versatz-, Verwahrungs- und Versteigerungsamt <Wien> [Hrsg.]
Katalog der Privat-Sammlung Heinrich L. Neumann in Wien: Ausstellung im Kaiser-Karl-Saale 17. - 20. Februar 1904 ; Auktion im K. K. Versteigerungsamt Wien ; 22., 23. event. 24. Februar 1904 ; [Ölgemälde, Aquarelle und Zeichnungen moderner Meister] — Wien, 1904

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https://doi.org/10.11588/diglit.16571#0012
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Durch keinen modernen Meister empfängt aber die Neumann'sche Sammlung
solch einen tiefen und wuchtigen Ton und gleichsam ihre höhere Weihe als durch
Fritz v. Uhde. Zwei Hauptwerke aus der Mitte der neunziger Jahre, die große »Grab-
legung« (nebst einer kleineren Skizze dazu) und die »Würfler um den Rock Christi«,
werden uns vorgeführt. Uhde hat hier die Weise, die ihn zunächst berühmt machte,
verlassen und weder das helle Licht noch das Kostüm unseres Tages zur Anwendung
gebracht. Er zeigt sich hier vielmehr ganz altmeisterlich in Komposition, Farbenauftrag
und Beleuchtung. Er steht in seiner sogenannten »schwarzen Periode«. Aber wenn auch
altmeisterlich in der Art der Malerei, so bleibt Uhde doch jungmeisterlich in der Art
der eigenen und frischen Beobachtung. Diese Figuren sind nicht etwa irgendwelchen
alten Bildern entlehnt oder auch nur alten Malern abgesehen, sie sind mit eigenen
Augen dem Leben entrissen und mit einer großen Kraft der Auffassung und Gestaltung
auf die Leinwand gebracht. Dabei sind die Vorgänge mit starker Lebhaftigkeit erfaßt
und mit feinen, psychologischen Einzelzügen ausgestattet. Die Bilder sind groß im Wurfe
und vornehm in der Behandlung der Lichter und der Farben. Mit welch erlesener Kunst
sind etwa in der »Grablegung« die Lichtstreifen hingesetzt, die von den Fackeln aus-
gehen und die Figuren mit leisen, hellen Konturen umfließen. Derartige Feinheiten trifft
nur ein Meister großen Stiles und ersten Ranges. Doch nicht allein die »schwarze«,
auch die »helle« Periode Uhdes ist auf einem sehr bezaubernden Stücke vertreten mit
dem reizvollen Pastell der Frau mit dem Kinde, einem Interieur, das mancherlei kühne
und doch völlig überzeugende Lichtwirkungen enthält und das in der Darstellung und
Beziehung der beiden Personen von jener schlichten und seelenvollen Innigkeit ist, wie
sie das deutsche Volk vor allem an Uhde liebt.

Den Hauptmeistern der Neumann'schen Sammlung glaube ich hiemit gerecht
geworden zu sein. Alle Künstler, die der Katalog nennt, hier aufzuzählen, kann nicht
die Absicht dieses Geleitwortes sein. Natürlich gibt es auch sonst noch klangvolle
Namen. Und jeder ist in seiner Art gut vertreten, Max Schödl mit Stilleben, G. Fischer-
Elpons mit Blumenstücken, Julius v. Blaas gar mit einem dem Jubeljahre 1898 ent-
stammenden Reiterbildnis Sr. Majestät des Kaisers. Alle diese Bilder werden, gleich
denen von Koppay, gewiß schnell ihre Liebhaber finden. Doch nicht auf das Einzelne
kommt es uns hier so sehr an, als auf das Ganze dieser Sammlung, die uns für ihre
Epoche charakteristisch zu sein scheint, und die wir hier zum ersten- und zugleich zum
letztenmale in der Öffentlichkeit zu sehen bekommen. Sie rührt ersichtlich von einem
Manne her, der mit sehenden Augen und spürsinnigem Verständnis in seiner Zeit zu
leben und zu empfangen weiß und der manches liebemal dem Brennpunkte der jeweiligen
künstlerischen Bewegung sich zu nähern verstand. Gerade diese Gabe ist nicht so häufig,
als man wohl glaubt. Sehen wir doch eher gar zu oft, daß gerade die Besten vergebens
an die Türen der Sammler klopfen. H. L. NEUMANN hat sich aber ganz besonders
um Uhde große Verdienste erworben. Außer den hier vereinigten Bildern waren noch
manche andere des Meisters, Werke von hohem Klang, ehemals in seiner Hand ver-
einigt; diese sind mittlerweile schon wieder weitergewandert. Und so gaben sie gewisser-
maßen das Zeichen zur Auflösung dieser bemerkenswerten Bildersammlung, deren Ver-
steigerung wir nunmehr im Wiener Dorotheum binnen wenigen Tagen beiwohnen werden.

WIEN, Februar 1904. _

Franz bervaes.

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