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Wagner, Christoph
Farbe und Metapher: die Entstehung einer neuzeitlichen Bildmetaphorik in der vorrömischen Malerei Raphaels — Berlin, 1999

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https://doi.org/10.11588/diglit.4240#0026
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Traum eines Ritters und Hypnerotomachia Poliphili

Weise diplomatisch vermittelnd das moralische Motto weniger pointiert akzentuiert
und Panofskys Interpretation als Voluptas ein Stück weit entschärfte42, überging
auch er das zentrale Motiv des träumenden Ritters und die grundsätzliche Frage,
ob es sich in Raphaels Personifikation überhaupt um eine Voluptas handelt. Über
diese Deutungen ist die nachfolgende Forschung mehrheitlich nicht hinausgegan-
gen43: An Wind anschließend glaubte Barbara Plemmons, Raphaels Darstellung
allgemein auf das Erziehungsideal von »harmonyand inner balance« inCastigliones
Cortegiano beziehen zu können, indem beide Personifikationen gleichgewichtig
auf den Fütter wirkten44. Francesco Gandolfo sichtete die zeitgenössische Traumli-
teratur, freilich ohne einen >passenden< Text zu Raphaels Bild zu finden . Andere
Autoren versuchten, die Darstellung nicht aus literarischen Quellen, sondern aus
ikonographischen Allgemeinplätzen zu erklären: Für Andre Chastel verkörperten
die beiden Personifikationen nicht »Gut und Böse«, sondern Pallas und Venus, als
Leitfiguren zweier unterschiedlicher Lebensprinzipien1'. John Pope-Uennessy
glaubte demgegenüber, daß Raphael hier dasselbe allegorische Thema wie Perugino
in seiner Darstellung der Uomini illustri unter den Tugenden Forliludo und
Temperantia im Collegio del Cambio dargestellt habe ', obgleich sich Raphaels
Darstellung schon in ihrer allegorischen Konstellation \\i\d in ihrer narrativen
Struktur von Peruginos Fresko grundsätzlich unterscheidet. Oskar Fischel

Beobachtung von S. Beguin (Nouvelles recherches, 1987, S. 4631'.), daß Raphael in der
Unterzeichnung die rechte der drei Grazien in der Haltung einer Venus pudica darge-
stellt hat, was sich ebenfalls nicht mit einer Deutung als llesperiden vereinbaren läßt
(vgl. Hommage ä Raphael, 1983, S. 49).

'-' Diese Sicht wird bis heule in der Forschung bevorzugt: Schon C. Gould (The sixteenlh-
century Italian schools, 1962, S. 148) spricht allgemein von »complementary attributes
rather than antagonisüc ones«. Vgl. auch F. Gandolfo, II -Dolce tempex, 1978, S. 20,
M. Zehnpfennig, »Traun* und >Vision<, 1979, S. SIT.

a L. Dussler, Raffael, 1966, S. 381'., Ders., Raphael, 1971, S. 61'., M. Wundram, Raffael,
1977, S. 8ff. P. L. De VeCCHJ (Raffaello, 1981, S. 181'., 241) sah die »Wahl zwischen dem
harten Weg der Tugend und dem leichten der Liebe« dargestellt. K. Oberhuber,
Raffaello, 1982, S. 261'., J.-P. Cuzin, Raphael, 1983, S. 58, M. A. Zancan, Raffaello,
I989, S. 341'., GlOTTO TO DÜRER, 1991, S. 170.

11 I'.. Plemmons, Raphael, 1978, S. 199. R. Jones und N. Penny (Raphael, 1983, S. 8)
überlegten, ob möglicherweise der im Cortegiano angesprochene Wettstreit zwischen
den »Waffen oder den Wissenschaften« hier zu erkennen sei.

15 F. Gandolfo, II >Dolce Tempo«, 1978, S. 25.

Freilich gab Chastel hierfür keine ikonograpbische Begründung, und auch bei ihm

bleiben Sehlüsselmotive, wie der Lorbeerbaum oder der Traumzustand des Ritters

unberücksichtigt.

J. Pope-Hennessy, Raphael, 1970, S. 150: »but what distinguisbes it from the Cambio

frescoes is not its subjeet matter, but the way in which the subjeet matter is portrayed«.

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