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Farde und Metapher

Kirchenanlage direkt am Ufer entgegen. Darüber hinaus belegt auch hier der
Karton, daß Raphael zunächst auch auf der linken Seite offenbar einen Fluß mit
einer Brücke und damit eine der rechten Seite stärker entsprechende Motivik
geplant hatte5". Vor allem aber hätte die Tatsache, daß es sich bei dem bis heute
nicht analysierten Attribut der rechten Personifikation, das weiter unten zu betrach-
ten ist, um einen Zweig mit weißen Blüten handelt, Panofsky bei seiner Interpreta-
tion dieser Figur als Voluptas skeptisch stimmen müssen. Stattdessen versuchte
Panofsky, die »freundlichere Auffassung der >voluptas<« von äußeren Gegebenheiten
aus, als stilistisch »im Kunstcharakter der umbrischen und umbrisierenden Schule
im allgemeinen und im Kunstcharakter des jungen Raffael im besonderen begrün-
det« zu rechtfertigen37. Ja er glaubte darüber hinaus, in dieser Voluptas ein geistes-
geschichtliches »Dokument [...] eines Gesinnungswandels« auf einen »gewissen
Relativismus« hin erkennen zu dürfen, in dem »in demselben Maße, in dem die
>virtus< sanfter wird. [...] die >voluptas< minder gefährlich« erscheint, so daß »die
>voluptas< - zur bloßen Lebensfreude abgemildert - sich freiwillig der >virtus< un-
terordnet«'8. An dieser Einschränkung Panofskys, die freilich auf die Aulhebung des
fü r das Thema von Herkules am Scheidewege konstitutiven moralischen Antagon is-
mus hinausläuft, hat die nachfolgende Forschung unausgesprochen angeschlossen
und dabei nach anderen literarischen Quellen und einer veränderten moralischen
Akzentuierung gesucht.

So bestritt Edgar Wind den Zusammenhang zwischen der Punica von Silius und
Raphaels Darstellung und bezog stattdessen die drei Attribute Schwert, Buch und
>Blume< als Symbole auf Ficinos neoplatonische Vorstellung von der Dreigeteiltheit
des Lebens in vita activa, contemplativa und voluplaria ° . Nicht sich gegenseitig
ausschließende, sondern miteinander harmonisch zu vermittelnde Gegensätze,
»Tugend versöhnt mit Lust« seien dargestellt: »Bescheiden träumt der Held von den
Gaben, die er empfangen soll. Zweifellos wird er sie alle drei annehmen, doch
klugerweise im Verhältnis 2 : 1«'". Überdies weist Wind nach, daß Panofsky zu
Unrecht die Darstellung der Drei Grazien (Abb. 2) der Dreizahl der goldenen Äpfel
wegen zu einer Darstellung von Hesperiden umdeutet ".Auch wenn Wind auf diese

3(i Vgl. J. Plesters, Technical aspects ofsome paintings, 1990, S. 18, .1. Pope-Hennessy,
Raphael, 1970, S. 131.

37 E. Panofsky, Hercules am Scheidewege, 1930, S. 82.

38 Ebd., S. 82f.

30 E. Wind, Tugend versöhnt mit Lust, 1987, S. 100.

•» Ebd., S. 99, S. 101, S. 104ff.

1' Ebd., S. 99, Anm. 1. Schon A. von Salis (Antike und Renaissance, 1947, S. 154) wies
daraufhin, daß es sich hier nicht um Hesperiden handeln kann, da sie nackt dargestellt
sind und das Motiv des Baumes fehlt. Erhärtet wird dieser Einspruch auch durch die

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