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Traum eines Ritters und Hypnerotomachia Poliphili

die Quellen so miteinander verknüpfte, daß jeweils eine Quelle das belegt, was in
einer anderen fehlt. Die wichtigsten, bisher in der Forschung geäußerten proble-
matischen Punkte seien hier kurz zusammengetragen 9:

So findet sich in der Herkules-Ikonographie keine Darstellung als schlafender
Ritter unter einem Lorbeerbaum30, und umgekehrt fehlen Raphaels insgesamt
ziemlich unherkulischer Ritterfigur die üblichen Herkulesattribute, Löwen feil und
Keule5'. Dies ist für Panofsky umso mißlicher, als eine um 1500 entstandene
Darstellung von Herkules am Scheidewege von Niccolö Soggi'2, ebenfalls ein Schü-
ler von Perugino, das von Panofsky für Raphaels Darstellung reklamierte Thema in
aller nur wünschbaren ikonographischen Eindeutigkeit zeigt. Diesen Umstand
versuchte Panofsky zu erklären, indem er argumentiert, daß Raphael hier nicht
Herkules selbst, sondern mit Rezug auf die Punica von Silius Italiens Scipio als
Herkules dargestellt habe. Freilich beschreibt auch Silius keinen unter einem
Lorbeerbaum schlafenden Ritter, ebensowenig erwähnt er für Virlus und l'oluptas
die an Raphaels Personifikationen sichtbaren Attribute von Blütenzweig, Buch und
Schwert, und seine Schilderung der Virtus als »schneeweiß« steht im Widerspruch
zu Raphaels farbig gedämpfter Darstellung. So fehlt bis heute ein überzeugendes
ikonographisches Argument, um die rechte Personifikation als Voluptas zu identi-
fizieren, immerhin eine Schlüsselstelle, um aus der allegorischen Konstellation
eine Entscheidung des Herkules zwischen den moralischen Gegensätzen von Gut
und Böse werden zu lassen. Schon Gould fragte sich, warum Raphael eine Voluptas
in uudekolletiertemGewand dargestellt haben sollte", zumal der Vergleich mit dem
zugehörigen Karton zeigt, daß Raphael ganz bewußt im Laufe der Werkgenese den
Ausschnitt des Kleides noch weiter geschlossen hat °4. Auch die Symbolik der Land-
schaft, die Panofsky als »Wohnsitze« der Personifikationen auslegt, ist viel weniger
eindeutig, als Panofsky glauben macht ", denn der mit »Kirchturm gekrönte|n|
Tugendburg« links steht auf der Seite der >Voluptas< immerhin eine große basilikale

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E.Wind, Tugend versöhnt mit Lust, 1987, S. 99fT. C. Gould, The staeenth-centurj

Italian painting, 1962, S. 147IT.

Vgl. auch Abb. 5. Auf die fehlende Darstellungstradition des Lorbeerbaums macht

E. Panofsky (Hercules am Scheidewege, 1950, S. 79, Anm. 1) selbst aufmerksam.

Hieraufweist schon C. Gould (Thesixteenth-century Italian painting, 1962,S. 148) hin.

Holz, 70 x 192 cm, Berlin, Bode-Museum, Inv.-Nr. I 216. Zur Person: G. Vasahi, Vite,

Bd.VI.S. 17-53.

C. Gould, The sixteenth-century Italian schools, 1962, S. 148.

Feder über Silberstift, 18,2 x 21,4 cm, London, National Gallery, Inv.-Nr. 213 A; Abb.:

E. Knab, E. Mitsch, K. Oberhuber, Raphael. Die Zeichnungen, 1983, Kat. 95. Eine

ausführliche Beschreibung der Veränderungen zwischen Karton, Unterzeichnung und

ausgeführtem Bild gibt J. Plesters (Technical aspects of some paintings, 1990, S. 18).

E. Panofsky, Hercules am Scheidewege, 1930, S. 79.

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