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Vorbestimmungen seiner Auslegung die Einheit von Formgestaltung und themati-
scher Bestimmung aufhob, indem er in antithetischer Zuspitzung zwischen den
Alternativen von »reiner Formanalyse« und »Inhaltsexegese« unterschied, gehen die
folgenden Betrachtungen von dem hermeneutisch unaufhebbaren Zusammenhang
von künstlerischer Gestalt und Thema als historisch angemessenem Ausgangspunkt
für die verstehende Anschauung aus.

Panofskys Inhaltsexegese ist - seinen Vorgaben entsprechend - mehr auf die
>Ron-Texte< seiner literarischen und bildlichen Quellen, als auf den anschaulichen
>Text des Bildes< gestützt: Baphael habe sich - vereinfachend zusammengefaßt
- einerseits für den Inhalt seines Bildes vor allem auf die literarische Quelle der
Prodikos-Erzählung in der Punica von Silius Italicus bezogen" , andererseits für die
Form seiner Darstellung vor allem die bildliche Quelle des Holzschnitts Die Ent-
scheidung des Herkules am Scheidewege (Abb. 5) aus Sebastian Brants 1497 her-
ausgegebener Stultifera Navis benutzt. Vor diesem Hintergrund ordnete Panofsky
den Traum eines Ritters (Abb. I) in die ikonographische Tradition der Ilerkules-
am-Scheideweg-Thematik ein, als Bild, in dem Herkules »durch eine große Gestalt
der geschichtlichen Realität [nämlich Scipio Africanus| ersetzt worden ist«: Ra-
phaels »Traum eines Ritters darf von nun an den Titel tragen >Die Entscheidung des
jungen Scipio Africanus<«2': Denn der in der Mitte zwischen den Personifikationen
der ehrbaren Virtus links und der wollüstigen Voluptas rechts schlafende Scipio
habe ebendort wie Herkules eine Tugendprobe zu bestehen: Scipio sah »sich plötz-
lich den aus der Luft herabgetragenen Erscheinungen der >Virtus< und >Voluptas<
gegenüber, hört ihre Wechselrede, die mit der empörten Flucht der >Voluptas< endet,
und wunderbar in seinem Vorsatz bestärkt [...]. Das ist der neue Sinn, den Silius
Italicus der Prodikos-Erzählung gegeben hat, und das ist auch der Inhalt des
Raffaelischen Bildes.«21' Im »Hintergründe findet der Gegensatz, den die beiden
Frauengestalten verkörpern, seinen landschaftssymbolischen Ausdruck«"'. Die.Dra
Grazien, die Panofsky zu Hesperiden umdeutet, halten mit den goldenen Äpfeln »ein
Symbol des dem Hercules gebührenden Tugendlohns« in den Händen" . Soweit die
antithetisch entwickelte Moral von Panofskys Deutung zu Raphaels Bild.

Panofsky selbst war umsichtig genug, zu erkennen, daß zwischen Raphaels
Darstellung und den von ihm zur Erklärung dieser Darstellung herangezogenen
Bild- und Textquellen zahlreiche Widersprüche bestehen, aber er sah die Aufgaben
des Interpreten darin, diese gravierenden Differenzen zu überbrücken, indem er

m Ebd., S. 77.

25 Ebd., S. 76.

2« Ebd., S. 76f.

a? Ebd., S. 79.

2« Ebd., S. 145.

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