Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
V. ZUR BILDMETAPHORIR IM PORTRÄT: RAPHAELS
BLICK AUF DEN MENSCHEN

Die Aufgabe der Darstellung des Menschen im Porträt wurde in dem Maße zuneh-
mend zu einer Aufgabe einer metaphorischen Bildauffassung, in dem man von der
Malerei über die Schilderung des Äußeren hinaus verstärkt auch eine visuelle
Deutung des Inneren der Dargestellten zu verlangen begann. Diese Akzentverschie-
bung in der Gattungserwartung an das Bildnis läßt sich kulturgeschichtlich im
16. Jahrhundert beobachten, z. B. in der lakonischen Forderung von Giovanni de'
Rinaldi an die Maler vom Ende des Jahrhunderts, daß man das Innere des Geistes
in der Farbigkeit des Äußeren kenntlich machen müsse: »si puö far conoscere
1' interno dell' animo con il colorato esterno«1. Ahnlich bestimmte auch Lodovico
Dolce die Aufgaben des Malers, der als »poeta mutolo« im Bereich der Menschen-
darstellung nicht nur die Außenseiten der Körper, sondern auch die Gedanken und
Regungen des Geistes malen solle, »dipinge non di meno i pensieri e gli affetti
dell' animo«, und zwar, wie Dolce präzisiert, »per certi atti esteriori si comprendono
[...] o per altri segni appariscono i segreti interni«2. Mit einem Vers Petrarcas
unterstreicht Dolce, daß man das Herz eines Menschen im Gesicht ablesen könne:
»E spesso ne la fronte il cor si legge.«3 Damit ist auch der Porträtmalerei ein
metaphorisches Problem aufgewiesen, an dessen Lösung - wie zu zeigen ist - die
Sichtbarkeitsmetaphorik der Färb- und Lichtgestaltung im frühen 16. Jahrhundert
wesentlich beteiligt war. Und wenn Dolce an anderer Stelle ausführt, daß im
Unterschied zum Dichter Ariost, der das blonde Maar metaphorisch auch >golden<
nennen könne, der Maler dagegen aber »das Gold zwar nachahmen, aber nicht, wie
dies die Miniaturmaler tun, in seine Bilder selbst hineinsetzen darf; so zwar, dass
man sagen könne: Diese Haare sind wohl kein Gold, aber sie glänzen wie Gold«4,

P. Barocchi, Scritti d' arte, 1973, S. 25 14.
Dolce, Dialogo della pittura, 1960, S. 152.
Ebd., S. 155.

L. Dolce, Dialog über Malerei, 1970, S. 52. Vgl. Ders., Dialogo della pittura, 1960,
S. 172f.: »Poteva 1'Ariosto, nella guisa che ha detto >chioma bionda« dir >chioma d' oro<;
[...] Da che si puö ritrar che '1 pittore dee imitar 1' oro, e non metterlo, come fanno i
miniatori, nelle sue pitture, in modo che si possa dire: que' capelli non sono d' oro, ma
par che risplendano como 1' oro.«

237
 
Annotationen