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IL RAPHAELS FARBE - GESCHICHTE IHRER
BETRACHTUNG

Die ausgedehnte geistes- und wissenschaftsgeschichtliche Tradition in der Ausein-
andersetzung mit Raphaels Farbe ist in der kunsthistorischen Forschung des
20. Jahrhunderts so sein- in Vergessenheit geraten, daß hier zunächst die für diese
Untersuchung notwendige Erinnerungsarbeit zu leisten ist, auch dort, wo sie über
die Frage nach dem Zusammenhang von Farbe und Thema hinausreicht. Denn in
diesem anamnetischen Hervorholen der Urteile und Vorurteile liegt- wie u.a. Hans
Georg Gadamer erhellt hat - eine Voraussetzung jedes hermeneutischen Verste-
hens, das »die Geschichtlichkeit des Menschen wirklich ernst nimmt«1. Gerade am
Beispiel der Malerei Raphaels ist man sich schon früh bewußt geworden, daß die
Rezeption ihre Gegenstände nicht unbeeinflußt läßt, sondern in sie eingreift, sie
beschneidet und beschädigt, in jedem Falle verändert hinterläßt oder weitergibt für
die nächst folgende Annäherung2.

Auch die Betrachtung eines optischen Elementarphänomens wie das der Farbe
geschieht nicht außerhalb der Geschichte. Die Rezeption früherer Zeiten kann sich
für die spätere Anschauung wie eine Firnistrübung über ein Bild legen. So unbe-
stritten der Farbe eine besondere sinnliche Unmittelbarkeit eignet, so unüberseh-
bar schwankt ihre Beurteilung mit wechselnden lebensanschaulichen, ästhetischen
oder kategorialen Präsumptionen0: Wenn z. B. Wilhelm Kelber in den für ihre
Farbigkeit berühmten Fresken Raphaels in der zweiten Stanze nur »eine Art tech-

1 II. G. Gadamer, Hermeneutik, 1974, Sp. 1068.

2 Eine der frühesten rezeptionsgeschichtlichen Untersuchungen in der Kunstgeschichte
bilden die Ausführungen von II. Grimm, Raphaels Ruhm in vier Jahrhunderten, in:
Ders., Leben Raphaels, o. J., S. 252-290. Siehe daneben V. GoLZIO, RalTaello nei docu-
menti (1956), 1971, S. I911T.; W. Hoppe, Das Bild Raphaels in der deutschen Literatur,
I974;0. Fischel, Raphael, 1962, S. 242-265; J. Pope-Hennessv. Raphael, 1970, S. 9-37;
M. Ebiiardt, Die Deutung der Werke Raffaels, 1972; Ch. Thoenes.Zu Raffaels Galatea,
1977; M. Rosenberg, Raphael in french art theory, 1982; G. C. Argan, RalTaello e la
critica, 1987, S. 7-17.

3 Siehe zu den methodischen Aspeklen dieser Frage den Forschungsbericht von Verf.,
Farbe und Thema - Eine Wende in der Koloritforschung der 1990er Jahre?, 1997,
S. I81ff.

1 VV. Kelber, Raphael von Urbino, 1979.

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