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I. EINLEITUNG: FARBE UND METAPHER IN DER
VISUELLEN KULTUR DER RENAISSANCE

Raphael gehört in der Koloritgeschichte der italienischen Kunst einer Übergangs-
zeit an, deren bedeutendste künstlerische Entdeckungen Leonardos Helldunkel am
Ende des 15. Jahrhunderts und Tizians farbgestalterische Neuinterpretation der
Farbmaterie in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts bilden. Damit waren kolorit-
geschichtliche Paradigmen gesetzt, an denen man noch bis in die kunsthistorische
Forschung des 20. Jahrhunderts hinein Raphaels Koloristik nicht selten herabge-
setzt hat . Demgegenüber wird hier die These entwickelt, daß ein bedeutender und
eigenständiger Beitrag Raphaels in der Geschichte der Farbengebung darin liegt,
daß er die Farbe im Kontext der visuellen Kultur seiner Zeit auf neue Weise
thematisch gedeutet hat, indem er auf dem Wege metaphorischer Übertragungen
aus der Anschaulichkeit seiner malerischen Gestaltung und der innerbildlichen
Zusammenhänge Perspektiven auf das thematisch Unanschauliche, Geistige,
Transzendente seiner Darstellungsgegenstände eröffnet hat. Für eine solche kom-
plexe Übertragungsleistung und Bildgestaltung, die die Deutung immer aus der
Anschauung des gesamten Werkes entwickelt, ist der Begriff der Metapher viel
angemessener als derjenige des Symbols. Denn das Verständnis visueller Metaphern
ist nicht wie das von Symbolen aus einem durch gesellschaftliche Konventionalisie-
rung entstandenen festen Bestand ikonographisch katalogisierbarer Zeichen mit
vorgegebenen Bedeutungen direkt und motivisch isoliert abzuleiten", sondern be-
ruht auf einer individuellen Bedeutungsübertragung aus der Synopse der anschau-
lichen Zusammenhänge und Analogien5. Das Motiv des nach oben in die Region des

Siehe hierzu Kap. II.

Vgl. allgemein zum Symbol begriff in der Kunstwissenschaft G. Pociiat, Der Symbolbe-
griffin der Ästhetik und Kunstwissenschaft, 1985, und L. Dittmann, Stil Symbol Struk-
tur, 1967, S. 84ff. Speziell zur Farbsymbolik: II. Ciiristoffel, Karbensymbolik, 1926,
S. 305IT., F. Haeberlein, Grundzüge einer nacbantiken Farbenikonographie, 1959,
S. 76ff. M. Lisner, Farbgebung und Farbikonographie, 1985, S. 1 IT., Dies., Die Gewand-
farben der Apostel in Giottos Arenafresken, 1990, S. 509IT., M. Barasch, Renaissance
color Conventions, 1987, S. 137IT.

In der Kunstphilosophie bat man das Phänomen visueller Metaphern zum einen auf den
allgemeinen Nenner übergreifender semiotischer Metapherntheorien zu bringen
versucht, wie C. R. Hausman, Metaphorandart, 1989, zum anderen allgemein auf seine

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