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III.2. VON DER ZEICHNUNG ZUR FARBE
IM WERKPROZESS

Wir haben keinen Anhaltspunkt, in welcher Form Raphael über Romposition und
Gestaltimg des Farbigen nachgedacht hat, bevor er den ersten farbigen Pinselstrich
auf den vorbereiteten Grund setzte. Farbige Vorstudien sind in Raphaels OEuvre eine
Ausnahme". Zwar sind die Zeichnungen Raphaels potentiell immer schon >farbig<,
insofern sie in den Halbneutral-und Neutralwerten des Silberstifts, des Rötel, weißer
oder schwarzer Kreide, der Tuschelinien und -lavierungen ausgeführt sind12, aber
hierdurch ist das prinzipielle künstlerische Problem, aufweiche Weise Raphael den
Übergang von den monochromen Helldunkelwerten der Zeichnung zu den Bunt-
werten seiner Malerei gefunden hat, noch nicht gelöst. Gelegentlich hat man aus
dieser eher zeit- als künstlerspezifischen Dichotomie des Werkprozesses auf einen
akzidentiellen Charakter von Raphaels Farbe geschlossen und hat seine Gemälde
gar als >kolorierte Zeichnungen< mißinterpretiert . Eine solche Vorstellung verbie-
tet sich schon angesichts der außergewöhnlichen Qualität und maltechnischen
Komplexität der farbigen Ausführung seiner Malerei. Eine biographische Begeben-
heit erhellt darüber hinaus, welch hohen Rang Raphael gleichzeitig seinen Zeich-
nungen und seiner Malerei zumaß und wie wenig gleichgültig ihm die farbige
Umsetzung seiner Rartons war. Als er im September 1518 den Herzog von Ferrara,
der schon seit eineinhalb Jahren auf eine Bacchusdarstellung gewartet hatte14, mit
dem Geschenk des Rartons zum Hl. Michael vertröstete, äußerte Raphael ausdrück-

Hierzu gehören die Teppichkartons (London, Victoria and Albert Museum) oder eine
kolorierte Skizze zum Papst auf derScdcs Gestatoria in Boston (Isabella Stuart Gardner
Museum, Inv.-Nr. 2.4093, E. Rnab, E. Mitscii, R. Oberhuber, Raphael, Die Zeichnun-
gen, 1983, Nr. 602). Aus vorrömischer Zeit sind mir keine kolorierten Zeichnungen von
Raphael bekannt.

Oskar Fische] hat des öfteren auf die außerordentlich >malerischen< Qualitäten der
Zeichnungen von Raphael liingewiesen: »Denn ein geborener Maler ist er [Raphael]
auch ohne Farben: Was seine Feder voll Bister malen kann!« (O. Fischel, Raphael,
1962, S. 42). Vgl. R. Oberhuber, Polaritäl und Synthese, 1983, S. 36, 42.
L. Fernow, Römische Studien, Teil 2,1806-8, S. 238. H. Mänz, Die Farbgebung in der
italienischen Malerei des Protobarock und Manierismus, 1934, S. 30.
Siehe die diesbezüglichen Briefwechsel hei V. Golzio, Raffaello nei documenti, 1971,
S. 531T. Auch dieses Bild hat Raphael nie ausgeführt.

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