Raphaels Werkgenese
lieh die Bitte, daß von dieser Zeichnung keine farbige Fassung (von anderer Hand)
hergestellt werden möge, da er selbst sich schon der farbigen Ausführung für den
König von Frankreich angenommen habe: »...non lo volgi fare colorire havendolo
havuto el Re de Francia colorito de sua mano« . Auf eine - wie auch immer im
Werkstattverband vollzogene - >autographe< farbige Ausführung legte Raphael also
offenbar wert.
Für die Einsicht in Raphaels Weg von der Zeichnung zur Farbe ist man auf die
ausgeführten Bilder verwiesen, insbesondere auf diejenigen, in denen die Ausfüh-
rung nicht zu Ende gekommen ist und in denen deshalb die Werkgenese besonders
gut zu studieren ist. Von exemplarischer Bedeutung ist in dieser Hinsicht die
Altartafel der Madonna dcl Baklacchino"' (Abb. 5), die Raphael - wie schon Vasari
berichtet1' - bei seinem Wechsel nach Rom unvollendet in Florenz zurückgelassen
hatte und die - wie man erst kürzlich bei der Restaurierung der Tafel erkannt hal
- in Raphaels Werkprozeß das Stadium der Untermalung dokumentiert.
Der geringe Ausführungsgrad der Madonna del ßaldacclüno hat in der Vergan-
genheit für einige Verwirrung gesorgt18: Die seit der eindringlichen Studie von Peter
Dies schreibt Bernardo Costabili in einem Brief vom 21. September 1518 an den Herzog
von Ferrara, zitiert nach V. Golzio, Raffaello nei documenti, 1971, S. 74. Das tatsäch-
lich im gleichen Jahr entstandene Gemälde des ///. Michael befindet sich im Louvre
(Holz, auf Leinwand übertragen, 160 x 268 cm, Inv.-Nr. 610). Der Karton ist nicht
erhalten.
Öl auf Holz, 279 x 217 cm, Florenz, Palazzo Pitli, Inv.-Nr. 165. Zur Provenienz und
Forschungsgeschichte: Raffaello a Firenze, S. 119-128.
Vasari verwendet den Begriff »bozza« für das Ausfuhrungsstadium der Tafel (Vasari,
Vite, Bd. IV, S. 3281'.). Die ursprünglich für die Familienkapelle der Dei in Santo Spirito
in Florenz in Auftrag gegebene Altartafel wurde alsbald von Baklassare Turini erworben
und im unvollendeten Zustand in einer eigens errichteten Kapelle in der Kathedrale von
Pescia aufgestellt (ebd. S. 329). S. Ferino Pagden interpretierte diesen Vorgang als
Funktionswandel »f'rom >eult images< to the >cult of images«: Nicht der theologische
Gehalt, sondern die Kunst der Malerei und der >göttliche< Maler würden hier um ihrer
seihst willen verehrt (From cult images to the eult ofimages, 1990, S. 165). Gegen diese
Hypothese spricht freilich, daß Turini - unabhängig davon, wie sehr er den ihm auch
menschlich nahestehenden Künstler und seine Malerei schätzte - die Kapelle dem
Hl. Augustinus weihen ließ und damit einen Zusammenhang zwischen der Madonna
del Baklacchino und der religiösen Bestimmung der Kapelle über die thematisch
wichtige, auf den Betrachter orientierte Figur dieses Heiligen herstellte. Besser hätte
man den theologischen Gehalt des Bildes in einer Neuaufstellung gar nicht respektieren
können. Vgl. allgemein zum Werkprozeß M. Koller, Das Staffeleibild, 1984, S. 261 ff.
Hinweise zur Restaurierung gehen M. Chiarini, Paintings by Raphael in the Palazzo
Pitti, 1990, S. 79-83, M. Ciatti, Dipinti su tela e tavola, in: Raffaello e altri, 1990.
S. 35f. und M. Chiarini, M. Ciatti, S. Padovani, Raffaello a Pitti: La Madonna dcl
Baklacchino, 1991, S. 21.
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lieh die Bitte, daß von dieser Zeichnung keine farbige Fassung (von anderer Hand)
hergestellt werden möge, da er selbst sich schon der farbigen Ausführung für den
König von Frankreich angenommen habe: »...non lo volgi fare colorire havendolo
havuto el Re de Francia colorito de sua mano« . Auf eine - wie auch immer im
Werkstattverband vollzogene - >autographe< farbige Ausführung legte Raphael also
offenbar wert.
Für die Einsicht in Raphaels Weg von der Zeichnung zur Farbe ist man auf die
ausgeführten Bilder verwiesen, insbesondere auf diejenigen, in denen die Ausfüh-
rung nicht zu Ende gekommen ist und in denen deshalb die Werkgenese besonders
gut zu studieren ist. Von exemplarischer Bedeutung ist in dieser Hinsicht die
Altartafel der Madonna dcl Baklacchino"' (Abb. 5), die Raphael - wie schon Vasari
berichtet1' - bei seinem Wechsel nach Rom unvollendet in Florenz zurückgelassen
hatte und die - wie man erst kürzlich bei der Restaurierung der Tafel erkannt hal
- in Raphaels Werkprozeß das Stadium der Untermalung dokumentiert.
Der geringe Ausführungsgrad der Madonna del ßaldacclüno hat in der Vergan-
genheit für einige Verwirrung gesorgt18: Die seit der eindringlichen Studie von Peter
Dies schreibt Bernardo Costabili in einem Brief vom 21. September 1518 an den Herzog
von Ferrara, zitiert nach V. Golzio, Raffaello nei documenti, 1971, S. 74. Das tatsäch-
lich im gleichen Jahr entstandene Gemälde des ///. Michael befindet sich im Louvre
(Holz, auf Leinwand übertragen, 160 x 268 cm, Inv.-Nr. 610). Der Karton ist nicht
erhalten.
Öl auf Holz, 279 x 217 cm, Florenz, Palazzo Pitli, Inv.-Nr. 165. Zur Provenienz und
Forschungsgeschichte: Raffaello a Firenze, S. 119-128.
Vasari verwendet den Begriff »bozza« für das Ausfuhrungsstadium der Tafel (Vasari,
Vite, Bd. IV, S. 3281'.). Die ursprünglich für die Familienkapelle der Dei in Santo Spirito
in Florenz in Auftrag gegebene Altartafel wurde alsbald von Baklassare Turini erworben
und im unvollendeten Zustand in einer eigens errichteten Kapelle in der Kathedrale von
Pescia aufgestellt (ebd. S. 329). S. Ferino Pagden interpretierte diesen Vorgang als
Funktionswandel »f'rom >eult images< to the >cult of images«: Nicht der theologische
Gehalt, sondern die Kunst der Malerei und der >göttliche< Maler würden hier um ihrer
seihst willen verehrt (From cult images to the eult ofimages, 1990, S. 165). Gegen diese
Hypothese spricht freilich, daß Turini - unabhängig davon, wie sehr er den ihm auch
menschlich nahestehenden Künstler und seine Malerei schätzte - die Kapelle dem
Hl. Augustinus weihen ließ und damit einen Zusammenhang zwischen der Madonna
del Baklacchino und der religiösen Bestimmung der Kapelle über die thematisch
wichtige, auf den Betrachter orientierte Figur dieses Heiligen herstellte. Besser hätte
man den theologischen Gehalt des Bildes in einer Neuaufstellung gar nicht respektieren
können. Vgl. allgemein zum Werkprozeß M. Koller, Das Staffeleibild, 1984, S. 261 ff.
Hinweise zur Restaurierung gehen M. Chiarini, Paintings by Raphael in the Palazzo
Pitti, 1990, S. 79-83, M. Ciatti, Dipinti su tela e tavola, in: Raffaello e altri, 1990.
S. 35f. und M. Chiarini, M. Ciatti, S. Padovani, Raffaello a Pitti: La Madonna dcl
Baklacchino, 1991, S. 21.
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