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Wagner, Christoph
Farbe und Metapher: die Entstehung einer neuzeitlichen Bildmetaphorik in der vorrömischen Malerei Raphaels — Berlin, 1999

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https://doi.org/10.11588/diglit.4240#0450
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Die Verkündigung

kann wieder im Vergleich mit der ganz anders strukturierten peruginesken Bildrhe-
torik, z. B. in der einige Jahre früher entstandenen Verkündigungsszene in der
Predella des Altarpolyptychons in Santa Maria Nuova in Fano'1', studiert werden
die zu Unrecht bis in die jüngere Forschung immer wieder auch Raphael zuge-
schrieben worden ist Ul. In fast jeder Hinsicht führt Perugino in seiner Verkündi-
gung anders Regie: Während Raphael durch den asymmetrisch nach Schrägen
organisierten farblichen Zusammenhang der Figuren die zeitliche Dimension und
das Geschehenshafte der Verkündigung akzentuiert, fixiert Perugino seine Erzäh-
lung in einer hieratischen, von strengen architektonischen Symmetrien bestimm-
ten Bildordnung, in der er Gottvater und den Heiligen Geist genau über Maria auf
der Mittelachse zentriert und obendrein alle Figuren farbgestalterisch so individua-
lisiert, daß sieviel weniger spontanin Beziehung zueinander treten153. Die räumlich
bis an die vorderste Bildgrenze vorgezogenen Pfeiler wirken dabei bei Perugino als
planimetrische Zäsur, die Gabriel und Maria trennt, bei Raphael steigern die Säulen
umgekehrt als metrische Gliederung des Hintergrundes sogar noch die Bewegungs-
suggestion des Engels und unterstützen dessen Verbindung mit Maria. Wählte
Perugino für seine Bildarchitektur den kargen und auch farblich streng gehaltenen
Modus dicht gestaffelter dorischer Pfeiler, schien Raphael offenbar die reichere
Ordnung korinthischer Säulen1'1, die in ihrem Olivocker festlich mit dem Weiß und
Sienarot des Fußbodens zusammenklingen, dem Thema angemessener. Bezeich-
nend ist schließlich auch die gegensätzliche Weise, auf die beide Maler das darge-
stellte Licht für ihre erzählerischen Absichten nutzen: Während bei Perugino der
Engel mit dem Licht im Rücken, sich selbst verschattend Maria den Verkündigungs-

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I lolz, 28 x 261 cm. datiert 1497, P. Scarpellini, Perugino, 1984, S. 92, Nr. 73, Abb. 11 (5-123.
Seit der Attribution der Mariengeburt an Raphael von R. Longiii (Percorso di RafTaello
giovine, 1955, S. 8-23) hat man vor allem in der italienischen Forschung (Urbino e le
Marciie. 1983,S.208ff.,W.Fontana,Aggiuntea Raffaellogiovane, 1987,S. I52l'.)mit
Blick auf diese und andere Szenen aus der Predella dieser Altartafel an der Zuordnung
zu RaphaelsOEuvre festgehalten. Abgelehnt wurde die Zuschreibimg u. a. von L. Duss-
LER (Raffael, 1966, S. 69), P. L. De Vecchi (Raffaello, 1981, S. 15), R. Oberhuber
(Raffaello, 1982, S. 16), P. Scarpellini (Perugino, 1984, S. 92) und mit ausführlicher
Argumentation von S. Ferino Pagden (Disegni umbri, 1982, S. 77, Dies., Pintoricchio,
Perugino or the young Raphael?, 1983, S. 871'.). Eine Zusammenfassung dvv Zuschrei-
bungsdiskussion gibt P. Scarpellini (ebd.).

Gabriel tritt bei Perugino nicht als einfarbige Farbfigur, sondern im Farbklang aus
blaliem Karminrot, Weib, Olivgrün und Grau auf Das Rol an Maria ist als wenig
aufgelichteter Ziegelrotton vom Rot an Gabriel und Gottvater grundsätzlich verschieden,
zudem ist es stärker als bei Raphael vom blau des Mantels verhüllt.
Jüngst hat auch J. Traeger (Renaissance und Religion, 1997, S. 364) die thematischen
Implikationen dieser Säulenordnung beobachtet.

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