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Waldmann, Emil; Daumier, Honoré [Ill.]
Honoré Daumier — Bibliothek der Kunstgeschichte, Band 63: Leipzig: Verlag von E.A. Seemann, 1923

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https://doi.org/10.11588/diglit.73683#0007
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Daumier ist Südfranzose. Geboren im Jahre 1810 in
Marseille als Sohn eines Handwerkers, kam er als
sechsjähriges Kind nach Paris, ward Schreiberjunge und
Laufbursche bei einem Advokaten, dann Lehrling bei
einem Buchhändler, und zeichnete von klein auf. Sein
erster Lehrer hieß Lenoir, das Lithographieren zeigte
ihm ein Kamerad, Ramelet. Mit Gebrauchsgraphik,
Vignetten und dergleichen muß er, wie Menzel, seine
vielköpfige Familie ernähren, findet Zeit, im Atelier
von Eugene Boudin zu studieren und im Louvre nach
den griechischen Antiken zu zeichnen. In seinen ersten
selbständigen Lithographien, Genreblättern, nimmt er
sich Charlet zum Muster, den Herold der napoleonischen
Armee, entwirft aber auch schon Kompositionen sati-
rischen Inhalts. Durch sie wird Philipon, der Heraus-
geber der politischen Oppositionszeitschrift „La Cari-
cature", auf sein Talent aufmerksam und stellt ihn im
Jahre 1831, also einundzwanzigjährig, als Mitarbeiter
an. Seit damals arbeitete Daumier fast vierzig Jahre
lang für Zeitschriften, für die „Caricature", den „Chari-
vari", sitzt einmal ein halbes Jahr wegen Majestäts-
beleidigung im Gefängnis, malt zwischendurch, ist arm
und bleibt arm, wird von Freunden, Daubigny und
Dupre zum Beispiel, gelegentlich unterstützt, bekommt
von Corot auf seine alten Tage ein Häuschen in Val-
mondois geschenkt, stirbt am 10. Februar 1879 und
muß, da er nichts hinterläßt, auf Staatskosten be-
erdigt werden.
Es sollte nach Daumiers Tode noch fast ein Viertel-
jahrhundert vergehen, bis man erkannte, wer er eigent-
lich war: einer der ganz großen Künstler, die Frank-
reich im 19. Jahrhundert hatte. Erst auf der Welt-
ausstellung des Jahres 1900 ward seine ganze Genialität
mit einem Schlage klar. Hier sah man, daß in der
ersten Hälfte des Jahrhunderts neben Delacroix, der
noch als reifer Künstler Daumiersche Zeichnungen ko-

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