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C. J. Wawra <Wien> [Hrsg.]
Versteigerung einer hervorragenden Sammlung von modernen Ölgemälden und Aquarellen aus dem Besitze des Herrn Dr. Georg Albert und aus dem Nachlasse eines bekannten Wiener Sammlers: Versteigerung: Samstag den 14. März 1908 (Katalog Nr. 211) — Wien, 1908

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https://doi.org/10.11588/diglit.20762#0008
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wenn diese Kreise sich allmählich alles scheinbar überflüssigen Besitzes aus guter alter
Zeit entäußern, um den Bedürfnissen des Tages gerecht werden zu können. So kommt
es, daß in den letzten Jahren eine große Anzahl Porträts Altwiener Meister, wie Daf-
finger, Lampi, Füger, Fendi, Amerling, Danhauser, Kriehuber und
namentlich von dem neuerdings so sehr geschätzten ältesten Freilichtmaler Georg Ferd.
Waldmüller auf den Markt geworfen wurden.

So finden wir auch in dieser Auktion gleich 3 Waldmüller-Porträte, ein bürger-
liches Ehepaar in kleinem Format und in Lebensgröße das Bildnis eines schönen jungen
Mädchens in duftigem weißem Gewände, welches mit der einen Hand Wasser in einen
Goldfischbehälter gießt und mit der anderen ihrem Papagei ein Stück Zucker reicht. Es
ist bezeichnend für Waldmüller, mit welcher Liebe und Freude am Schaffen er dieses
anmutige weibliche Wesen inmitten ihrer Lieblinge, den Blumen und Tieren darstellt und sich
nicht genug tun kann, alles bis ins Detail zu schildern. Im Gegensatze wirken die beiden
kleinen Bilder durch ihre schlichte Intimität und Dezenz der Farbe. Auch eine kleine
Landschaft, offenbar eine Naturstudie, findet sich in der Sammlung von der Hand
des Meisters.

Neben den Altwiener Genremalern und Porträtisten kommen nun allmählich auch
die Landschafts- und Tiermaler der älteren Wiener Schule zu Ehren und dies mit vollem
Rechte, denn auch diese treten uns bedeutungsvoll genug entgegen, um derselben
Schätzung würdig zu werden, wie ihre Kollegen im figuralen Fache. So begegnen wir
auf dieser Ausstellung einem prächtigen Stimmungsbilde von Ignatz Raffalt, der zu
Beginn der vierziger Jahre aus seinem Heimatsorte Murau in Steiermark nach Wien
übersiedelte, um daselbst ungehindert der Kunst leben zu können.

Ignatz Raff alt, im Jahre 1800 zu Weißkirchen in Obersteier geboren und
1857 zu Hainbach bei Wien gestorben, bildete sich vollkommen autodidakt und pflegte
namentlich in der ersten Zeit seines künstlerischen Wirkens das figurale Fach. Später
wandte er sich jedoch ganz der Landschaft zu.

Das vorstehende Bild gehört zu jenen feinen Stimmungslandschaften, wie sie
Raff alt mit Vorliebe zu malen pflegte: eine Landstraße führt die weite Ebene entlang,
welche durch ferne Hügelreihen unterbrochen wird, über denen sich das von einem eben
stattgehabten Gewitter zurückgebliebene Gewölk lagert, dahinter ist die Sonne eben
untergegangen. Die noch von Wasserdünsten erfüllte Atmosphäre und das feine Hell-
dunkel des Abends, in das die Landschaft gehüllt ist, sprechen deutlich aus, daß
Raff alt nicht nur einer der frühesten, sondern auch einer der besten, feinst empfin-
denden Stimmungsmaler gewesen ist. Ignatz Raff alt gehört zu denjenigen Künstlern,
welche bisher selten auf den Auktionen gesehen wurden, wie mich überhaupt bedünken
will, daß landschaftliche Darstellungen weniger häufig ihre Besitzer zu wechseln scheinen,
als figurale, namentlich Genreszenen. Vielleicht wird das Auge früher müde, immer die
gleiche Person in der nämlichen Pose festgehalten zu sehen, als wenn es über Höhen
und Triften hinschweifen kann, der dämmerigen Ferne nachspürt oder sich in die Details
duftig gemalten Laubwerkes u. dgl. vertieft. Jeder von uns ist ja durch Wald und
 
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