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C. J. Wawra <Wien> [Editor]; Kunstsalon Pisko [Editor]
Versteigerung der künstlerischen Nachlässe der Maler David Mosé und Holger H. Jerichau: Montag den 20. und Dienstag den 21. April 1903 — Wien, 1903

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https://doi.org/10.11588/diglit.35471#0036
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er sich doch immer nach dem Frieden des künstlerischen Gestaltens. Und
wenn er dann rastlos bis zur physischen Erschöpfung arbeitete, hatte
ich immer das Gefühl, als suche er in der körperlichen Tätigkeit
Ablenkung und Erholung von der rastlosen Arbeit seines Gehirns.
So schien er mir trotz seiner oft sprudelnden Laune, seinem Sinn für
Humor eigentlich kein glücklicher Mensch zu sein. Vielleicht war
ihm das Märtyrertum des künstlerischen Wesens schon in die Wiege
gelegt worden. Er war am 29. April 186! in Kopenhagen als der
Sohn des berühmten dänischen Bildhauers Jens Adolf Jerichau und
der Elisabeth Jerichau-Strümann, einer geborenen Golda, die als
Malerin (Düsseldorfer Schule) gleichfalls Ansehen genoß, geboren.
Er studierte erst in Dresden, dann in Rom und zuletzt an der Kunst-
schule in Kopenhagen als Schüler Krojers und Zackmanns. Über
10 Jahre lebte er in Italien, wo er schon zu einer Zeit, als die Plenai-
risten noch nicht das Leid beherrschten, fast ausschließlich vor
der freien Natur malte. Seine Rastlosigkeit, die wohl einen Grund-
zug seines Wesens bildete, hieß ihn zahlreiche Reisen machen.
So verbrachte er ein Jahr in Indien, reiste dann auf der Krim,
wo er, von der russischen Kaiserin sehr gefördert, einen Sommer in
der Kaiserresidenz Livadia zubrachte und fleißig malte. Auch in Nor-
wegen war er viel gereist und sehr schöne Studien von den Lofoten
bilden die künstlerische Frucht seines dortigen Aufenthaltes. Die
beiden letzten Jahre lebte er in Abbazia und Lovrana, wo ich ihn
kennen gelernt hatte. Vielleicht war es die Sehnsucht nach einem
tiefen Ausruhen, die ihm die österreichische Riviera über alles lieb-
gewinnen ließ. Denn bei allem Stürmen und Drängen besaß er doch
eine überaus glücklich ausgleichende Seite, die in dem Ausbau seines
häuslichen Glückes bestand. Er hatte eine schöne, geistig begabte
Frau und drei reizende Kinder, deren Erziehung nach freieren, größeren
und sittlich höherstehenden Anschauungen ihm eine Lebensaufgabe
war. Und so hoffte er denn an der Adria ein Fleckchen gefunden
zu haben, das ihn mit seinen tiefen poetischen Zaubern und
seiner sanften elegischen Schönheit dauernd zu fesseln vermöchte.
Er wollte alljährlich dort unten mit Frau und Kindern den Sommer
verbringen und so erwarb er denn einen kleinen Grund und ließ
nach seinen eigenen Angaben eine schöne Villa bauen, hart an den
Felsen des Meeres, ganz seiner Natur entsprechend, etwa eine Viertel-
stunde von Lovrana, einsam stehend — mit der ihm eigenen poeti-
schen Phantastik soweit ins Meer hinausgebaut, daß die Wellen unter
dem auf Steinsockeln stehenden Hause durchspülten und er von
seiner Wohnung aus auf einer Wendeltreppe direkt ins Meer nieder-

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