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Weese, Artur
München: eine Anregung zum Sehen — Berühmte Kunststätten, Band 35: Leipzig: Seemann, 1906

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https://doi.org/10.11588/diglit.47072#0028
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München.

war, nach dem Brandunglück aber auch restauriert, vielleicht sogar neugebaut
wurde. Sie gehört zu den stattlichsten Kirchen des Jahrhunderts in Bayern,
wenn sie auch der Regensburger Minoritenkirche nicht gleichkommt.
Von der Wirkung des Innenraumes vor der Umgestaltung und Stukkodeko-
ration aus dem Jahre tS20 können wir uns keine rechte Vorstellung mehr machen,
doch, das steht fest, war sie eine im Mittelschiff flach gedeckte Basilika mit einem
einschiffigen Lhore. Der mächtige Bau dient längst nicht mehr kirchlichen Zwecken.
Jetzt hantieren in der „Mauthalle'^ die Riesen der Laderinnung mit Kisten, Säcken
und Ballen. Aber was auch immer irr diesen hohen Hallen geschehen mag, Pro-
fanes oder Sakrales, unentbehrlich ist der ungefüge
Baukörxer der Augustinerkirche im Straßenbilde
der Stadt. Durch nichts wird die Renaissance-
fassade der Michelskirche so gehoben, wie durch
den verwitterten Bau der mittelalterlichen Mönchs-
kirche. Für den Blick aber vom Eck der Eisen-
mannstraße, einem der schönsten Architekturbilder
Deutschlands, bildet ihr hohes Dach die Über-
führung von der klassischen Säulen- und Pilaster-
front der Iesuitenkirche zu den runden Kappen
der bürgerlichen Frauenkirche, die alles überragend
sich dahinter emporrecken. Ein Bau hebt und stützt
den andern. Die Wirkung ist so geschlossen und
imposant, als wäre sie von Anbeginn gerade so
geplant gewesen.
Eine dritte Pfarrkirche entstand nach der
großen Brandkatastroxhe in der Heiliggeistkirche
(Abb. 9), nachdem schon t2?l die ursprüngliche
Filialkirche zu U. L. Frauen von St. Peter abge-
trennt und zur zweiten selbständigen Pfarrkirche
erhoben war. Ursprünglich, vielleicht lange vor
der Gründung der Stadt soll hier eine Eremiten-
klause gestanden haben, die ^20- einem Pilger-
hause Platz machen mußte. ^253 wurde dieses
in ein allgemeines Spital umgewandelt und ein
Kirchenbau erhob sich, der gleichzeitig mit der
Frauenkirche, der zweiten Pfarrei von t2?l, zum
Mittelpunkt der dritten Stadtpfarrei wurde. Das
Spital nahm allmählich einen gewaltigen Umfang
an. Bis zur Westenriederstraße erstreckte sich der
große Gebäudekomxlex, und auf dem heutigen
Dreifaltigkeitsplatz bestattete man die Toten des
Krankenhauses. Es war eine jener umfangreichen Spitalanlagen, die einen
kleinen Stadtteil und ein geschlossenes Gemeinwesen für sich bildeten. Findel-,
Armen- und Gebärhaus waren von dem eigentlichen Krankenhause getrennt,
weite Stallungen, Scheunen und Magazine, eine eigene Brauerei gehörten zu der
reichen Stiftung. In den 20er Jahren dieses Jahrhunderts erzwang die immer
mehr beschleunigte Entwicklung des Tales und Marktviertels die Auflassung der
gesamten Krankenftadt und heute steht nur noch die Kirche, freilich auch diese in
einer veränderten Gestalt. Die Baugeschichte der dritten Pfarrkirche ist nicht ganz
aufgehellt und es bestehen Zweifel, ob der gotische Turin der jetzigen Rokokokirche
noch dem oder nicht erst dem Anfang des tS. Jahrhunderts angehört, wäre
ihre Entstehung gleich nach dem Brande gesichert, so würde sie die älteste Hallen-
 
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