Ludwig I.
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änderte er seinen Geschmack. Leine Schwärmerei sür die Antike wurde schon Ende
der zwanziger sichre durch die Vorliebe sür die romantischen Stile, sür Gotik und
frühmittelalterliche Bausormen abgelöst. Sein bserz schlug ihnen um so freudiger
entgegen, weil seine nationale und grunddeutsche Natur durch patriotische Empfin-
dungen sich ihnen verpflichtet fühlte. Mittelalter und Gotik waren für ihn identisch
mit der Blüte deutschen Kaisertums und deutscher Poesie. So stark war er von
den Schwarmideen der Romantik ergriffen, daß er den größeren Teil seiner Bau-
pläne in ihren Dienst stellte. Er machte sich an die Restaurationen deutscher Dome.
Der Kaiserdom in Speyer, der Dom von Bamberg, der Kölner Dom und das
Regensburger Münster wurden in stilechten Formen wiederhergestellt. Archäologie
und Baukunst im Bunde, Wissenschaft und Kunst begannen ihre gelehrte und
praktische Arbeit, die freilich mehr der Errettung des Bauwerks vor Rum und
Verfall, als dem Verständnis des Stiles und der Stilformen zugute kamen. Die
wohlmeinende Weitherzigkeit des künstlerischen Gewissens brachte sogar wunderliche
Verquickungen romantischer Ideen mit dem Klassizismus zustande. Die Ruhmes-
halle alles Deutschtums erhielt den nationalen Namen der Walhalla, wurde aber
in dem leuchtenden Marmorglanz eines griechischen Tempelbaues errichtet.
Als Ludwig in München auch der Wissenschaft seine Fürsorge zu widmen
begann, hatten sich seine Anschauungen über den ideellen wert der historischen
Stile schon von der Antike abgewendet. Er sah im Mittelalter die gegebenen
Formen für die bsumänitätsanstalten, die er noch auf sein Programm gesetzt hatte.
Leo von Klenzes Einfluß war im Sinken. Der Stern Fr. Gärtners tauchte auf
und stieg schnell. Des Königs impulsive Natur gab sich willig den romantischen
Schwärmereien des jüngeren Baumeisters hin, der als geborener Rheinländer unter
dem Eindruck der großen Dome von Köln, Mainz und Worms aufgewachsen war.
Cornelius hatte ihn, vielleicht aus landsmannschaftlichen Gründen, empfohlen
und war glücklich, nun eine neue Autorität gegen den mächtigen Einfluß Klenzes
ausspielen zu können. Gärtner aber ließ sich nicht lange als vorgeschobene Figur
gebrauchen und sah zu, daß ihm ein guter Teil der königlichen Aufträge selbst
zufiel. Er hat sehr viel zu tun gehabt und in kürzerer Zeit vielleicht mehr gebaut,
als der ältere Klenze. Die ,,altdeutsche Manier" war sein Steckenpferd und der
Kerngedanke dieser Manier war eine poetische Bewunderung des kirchlichen Mittel-
alters, die nicht gerade durch sehr tiefgehende Studien der Bauformen getragen
wurde. An positiven Kenntnissen und innerer Vertiefung in den Geist der mittel-
alterlichen Architektur stand Gärtner dem Klassizisten Klenze bei weitem nach. Sein
leichteres Talent wurde über alle fachmännischen Schwierigkeiten durch die Gunst
der allgemeinen romantischen Begeisterung hinweg getragen. Er war außerdem ein
schneller Arbeiter und hatte immer mehrere Eisen im Feuer. Sein Vorteil war,
daß er die Großwerke der mittelalterlichen Architektur aus persönlicher Anschauung
kannte, die allerdings auch mehr auf poetischen Eindrücken als technischen Studien
und formalen Untersuchungen beruhte.
Friedrich Gärtner begann seine Tätigkeit in München mit der Ludwigskirche.
Aber schon ^852 übertrug ihm der König auch den Bibliotheksbau.
Es war eine glückliche Stunde, als der Plan zur Staats- und bsofbibliothek
(Abb. gefaßt wurde, wie sehr die Großartigkeit der Ludwigsbauten auf den König
selbst zurückzuführen ist, wird auch an diesem Bau klar. Die gewaltigen Dimensionen
schienen anfangs viel zu groß genommen. Wenn auch ungeheure Bücherschätze in
kurzer Zeit in München vereinigt wurden, so wäre es trotzdem leicht gewesen, einen
Magazinbau von einfacheren Verhältnissen und doch genügendem Fassungsvermögen
darzustellen. Aber Ludwig baute immer für die Zukunft, von der er für München
und seine Schöpfungen das Größte erwartete. Die Entwicklung hat ihm recht
gegeben. Selbst der riesige Zuwachs der Büchersammlungen in den Zeiten uner-
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änderte er seinen Geschmack. Leine Schwärmerei sür die Antike wurde schon Ende
der zwanziger sichre durch die Vorliebe sür die romantischen Stile, sür Gotik und
frühmittelalterliche Bausormen abgelöst. Sein bserz schlug ihnen um so freudiger
entgegen, weil seine nationale und grunddeutsche Natur durch patriotische Empfin-
dungen sich ihnen verpflichtet fühlte. Mittelalter und Gotik waren für ihn identisch
mit der Blüte deutschen Kaisertums und deutscher Poesie. So stark war er von
den Schwarmideen der Romantik ergriffen, daß er den größeren Teil seiner Bau-
pläne in ihren Dienst stellte. Er machte sich an die Restaurationen deutscher Dome.
Der Kaiserdom in Speyer, der Dom von Bamberg, der Kölner Dom und das
Regensburger Münster wurden in stilechten Formen wiederhergestellt. Archäologie
und Baukunst im Bunde, Wissenschaft und Kunst begannen ihre gelehrte und
praktische Arbeit, die freilich mehr der Errettung des Bauwerks vor Rum und
Verfall, als dem Verständnis des Stiles und der Stilformen zugute kamen. Die
wohlmeinende Weitherzigkeit des künstlerischen Gewissens brachte sogar wunderliche
Verquickungen romantischer Ideen mit dem Klassizismus zustande. Die Ruhmes-
halle alles Deutschtums erhielt den nationalen Namen der Walhalla, wurde aber
in dem leuchtenden Marmorglanz eines griechischen Tempelbaues errichtet.
Als Ludwig in München auch der Wissenschaft seine Fürsorge zu widmen
begann, hatten sich seine Anschauungen über den ideellen wert der historischen
Stile schon von der Antike abgewendet. Er sah im Mittelalter die gegebenen
Formen für die bsumänitätsanstalten, die er noch auf sein Programm gesetzt hatte.
Leo von Klenzes Einfluß war im Sinken. Der Stern Fr. Gärtners tauchte auf
und stieg schnell. Des Königs impulsive Natur gab sich willig den romantischen
Schwärmereien des jüngeren Baumeisters hin, der als geborener Rheinländer unter
dem Eindruck der großen Dome von Köln, Mainz und Worms aufgewachsen war.
Cornelius hatte ihn, vielleicht aus landsmannschaftlichen Gründen, empfohlen
und war glücklich, nun eine neue Autorität gegen den mächtigen Einfluß Klenzes
ausspielen zu können. Gärtner aber ließ sich nicht lange als vorgeschobene Figur
gebrauchen und sah zu, daß ihm ein guter Teil der königlichen Aufträge selbst
zufiel. Er hat sehr viel zu tun gehabt und in kürzerer Zeit vielleicht mehr gebaut,
als der ältere Klenze. Die ,,altdeutsche Manier" war sein Steckenpferd und der
Kerngedanke dieser Manier war eine poetische Bewunderung des kirchlichen Mittel-
alters, die nicht gerade durch sehr tiefgehende Studien der Bauformen getragen
wurde. An positiven Kenntnissen und innerer Vertiefung in den Geist der mittel-
alterlichen Architektur stand Gärtner dem Klassizisten Klenze bei weitem nach. Sein
leichteres Talent wurde über alle fachmännischen Schwierigkeiten durch die Gunst
der allgemeinen romantischen Begeisterung hinweg getragen. Er war außerdem ein
schneller Arbeiter und hatte immer mehrere Eisen im Feuer. Sein Vorteil war,
daß er die Großwerke der mittelalterlichen Architektur aus persönlicher Anschauung
kannte, die allerdings auch mehr auf poetischen Eindrücken als technischen Studien
und formalen Untersuchungen beruhte.
Friedrich Gärtner begann seine Tätigkeit in München mit der Ludwigskirche.
Aber schon ^852 übertrug ihm der König auch den Bibliotheksbau.
Es war eine glückliche Stunde, als der Plan zur Staats- und bsofbibliothek
(Abb. gefaßt wurde, wie sehr die Großartigkeit der Ludwigsbauten auf den König
selbst zurückzuführen ist, wird auch an diesem Bau klar. Die gewaltigen Dimensionen
schienen anfangs viel zu groß genommen. Wenn auch ungeheure Bücherschätze in
kurzer Zeit in München vereinigt wurden, so wäre es trotzdem leicht gewesen, einen
Magazinbau von einfacheren Verhältnissen und doch genügendem Fassungsvermögen
darzustellen. Aber Ludwig baute immer für die Zukunft, von der er für München
und seine Schöpfungen das Größte erwartete. Die Entwicklung hat ihm recht
gegeben. Selbst der riesige Zuwachs der Büchersammlungen in den Zeiten uner-
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