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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 3.1903/​1904

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Heft 2
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https://doi.org/10.11588/diglit.75368#0028

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2H Die Werkstatt der Kunst. Heft 2.

geradezu vernichtend. Herr Professor Dr. Wuther
mußte annehmen, daß auch ein Teil der vene-
tianischen Bilder gefälscht war. Er hatte daher
ein Recht, ja eine Pflicht, seine schützende Hand
über das Bild des strahlenden zu halten. Er wollte,
daß das Andenken Böcklins dem deutschen Volke,
ja der ganzen Welt unverfälscht erhalten bleibe.
Professor Wucher hat daher in Wahrnehmung
berechtigter Interessen gehandelt. Professor Wucher
muß aber auch schon deshalb freigesprochen werden,
da er ja jedenfalls nicht die Absicht der Beleidi-
gung gehabt hatte. Tarlo Böcklin ist Herrn Pro-
fessor Wucher vollständig gleichgültig, ein Stück
Luft. Tarlo Böcklin ist ein ganz einfacher Waler,
der nichts versteht. Wenn Professor Wucher jeden
Waler, der nichts kann, beleidigen wollte, dann
käme der Herr Angeklagte nicht aus dem Gerichts-
saale Heraus. Laut Reichsgerichtsentscheidung steht
aber dem Angeklagten schon der ß ^93 des Straf-
gesetzbuches zur Seite, wenn er nur glaubt, in
Wahrnehmung berechtigter Interessen zu Handeln.
Daß Professor Wucher diesen Glauben gehabt hat,
muß doch auf alle Hälle angenommen werden.
Die Freisprechung des Angeklagten muß daher
aus juristischen Gründen erfolgen. Wag aber Ihr
Urteil ausfallen, wie es es wolle: Herr Professor
Wucher geht aus dem Prozeß als glänzender Sieger
Hervor. Er hat jedenfalls das Bewußtsein, der
Welt, speziell der Kunst, einen großen Dienst ge-
leistet zu haben.
Der Vertreter des Privatklägers, Rechtsanwalt
Dr. Iaffe, erwiderte: Ich bin selbstverständlich nicht
imstande, auf alle Einzelheiten einzugehen, die
der Herr Verteidiger hier vorgebracht hat. Jeden-
falls hat der Herr Kollege eine Reihe unerwiesener
Behauptungen hier angeführt. Soviel steht fest,
die venetianischen Bilder sind echt, zum mindesten
ist deren Unechtheit nicht nachgewiesen. Die aus-
gestellten Bilder sind doch nur als „BöcklinIcher
Nachlaße bezeichnet worden. Daß Tarlo Böcklin
den Wahrheitsbeweis nur auf die venetianische
Ausstellung beschränkt haben wollte, kann man
ihm doch nicht verdenken. Im übrigen ist von
der ganzen Beweisaufnahme nur der Hall Hermes
übrig geblieben. In diesem Halle aber ist Tarlo
Böcklin weder eine Hälschung noch ein Betrug
nachgewiesen worden. Auch hat Professor Wuther
diesen Hall noch nicht gekannt, als er den inkrimi-
nierten Artikel schrieb. Im übrigen hat Herr

Wuther die „Jagd der Diana" später als echt
anerkannt. Aus dem Artikel geht zweifellos Her-
vor, daß der Angeklagte die Absicht der Beleidi-
gung Hatte.
Professor I)r. Wuther erklärte mit tiefbe^
wegter Stimme: Ich habe bereits als junger
Wünchener Student, im Verein mit Gurlitt und
Lichtwark, Arnold Böcklin als einen der größten
Weister der Walkunst hoch verehrt. Ich wollte,
daß ihm der Platz in der Kunstgeschichte ange-
wiesen und erhalten bleibt, der ihm gehört. Umso
mehr betrübte es mich, als die Kunde zu uns
drang, der Weister, von dem bekannt war, daß
er lieber darbe, als dem Geschmack der Wenge
Rechnung trage, sei nun plötzlich auch Produzent
geworden, um viel verkaufen zu können. Sehr
bald verbreitete sich die Kunde, daß der Alte
keineswegs alles produziere, sein Sohn Tarlo sei
nicht mehr Sekretär, sondern sein Witarbeiter.
Als ich am ^7. Januar s90^ die Nachricht von
dem Tode Böcklins erhielt, geriet ich in tiefste
Erregung. Ich habe ihr in einer an demselben
Abend gehaltenen Gedenkrede Ausdruck verliehen.
Umsomehr war ich empört, als ich im Wärz ^90^
nach Venedig kam und dort Sudeleien sah, die
als echte Böcklin ausgegeben wurden. Eine förm-
liche Wut überkam mich. Ich hielt es für meine
Pflicht, die Schmach, die nach meiner festen Ueber-
zeugung dem Altmeister angetan war, zu be-
seitigen und sein Bild der Kunstgeschichte rein zu
erhalten. Deshalb habe ich den inkriminierten
Artikel geschrieben. Es ist ja schwer, mit mathe-
matischer Gewißheit den Beweis zu führen, daß
ein Bild gefälscht sei. In diesem Halle ist aber
mein Verdacht wenigstens bezüglich des „Polyphem",
der „Vision" und der „Weeresidylle" vollständig
bestätigt worden. Es ist auch nachgewiesen worden,
daß man Bilder, als von der Hand des Weisters
gemalt, ausstellte, die von diesem gar nicht mehr
hergestellt sein konnten. Ich wollte, daß Arnold
als einer der größten Künstler und als hervor-
ragender Wensch für alle Zeiten in der Geschichte
fortlebt. Ich sah aber, daß man in der Hamilie
Böcklin daran geht, den Namen des großen
Weisters zu verunglimpfen. Deshalb fühlte ich mich
genötigt, den Artikel, wie geschehen, zu schreiben.
Ich bin kein Jurist; wenn ich in der Horm ge-
fehlt Haben sollte, so muß ich die Strafe auf mich
nehmen. Wie Ihr Urteil auch ausfallen möge,
 
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