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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 6.1906/​1907

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D.W.D.K.: Ein Beitrag zur Würde der Künstler
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https://doi.org/10.11588/diglit.52068#0433
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Die Werkstatt der Kunst
keäakiem: L)ellrvag. VI. ^abrg. ihekl 29. )4pril 190^.

In äieseni ^eile unserer Lsitsckrift erteilen wir jeclsrn Rünstlsr aas freie Mort. Mir sorgen ctafür. ctass keinerlei
Angriffe auf Personen oller EenosssnsckLften abgeäruckt wercisn. okns ctass vorder cler Angegriffene äie Möglickkeit gekabt

Em Vertrag zur Müräs cler Rünstler.

wir sind schon längst daran gewöhnt, daß un-
künstlerisch empfindende Laien an der unerbittlich
nachzcichncnden Photographie mehr Freude haben,
als an einem, ein Stück der Seele des Künstlers
enthaltenden Gemälde. wir sehen mit gelinden
Schauern und mit resigniertem Achselzucken die herr-
lichen photographischen „Vergrößerungen" nach
Porträt-Photographien, die mit Grausamkeit alle
Einzelheiten, alle warmen und mittleren Töne der
Gesichter auseinanderreißen und in dell Schaufenstern
die Bewunderung der absoluten Laien erregen, wir
denken: „Niveau" und gehen bedauernd weiter.
Anders wird die Sache aber, wenn solche abscheu-
lichen photographischen Vergrößerungen, die mecha-
nisch „koloriert" wurden, als „Kunstwerke" ange-
priesen werden. Da fühlen die Künstler sich in ihrem
eigensten Gebiete bedroht und weisen den Eindring-
ling mit Entrüstung hinaus. — Ein solcher krasser
Fall unlauteren Wettbewerbes scheint uns in den
Anpreisungen des nachstehenden Zirkulars vorzuliegen.
Sehr geehrter Herr!
Mit Gegenwärtigem erlaube ich mir, Euer pochwohl-
geboren aus meine neueste Erfindung (patentamtlich
geschützt) aufmerksam zu machen.
Nach jahrelangen Versuchen ist es mir endlich
gelungen, nach jeder Photographie vollendete photographische
vergrößernngen aus Malleinwand herzustellen. Das Kolo-
rieren dieser Vergrößerungen geschieht ans mechanischem
Wege. (!) Ls entsteht dadurch ein lebenswahre-,
farbiges Gemälde, das an Aehnlichkeit nichts zu wünschen
übrig läßt und den besten Griginal-Gelgemälden
gleichwertig zur Seite gestellt werden kann.
Für Sic würde der Verkauf solcher lebenswahrer
farbiger Gelporträts eine unversiegbare, gute Ein-
nahmequelle bedeuten. Den Verkaufspreis über-
lasse ich Ihnen zu bestimmen.
.ist für Sie jedes Risiko vollständig aus-
geschlossen, nur sind Sie durch dieses günstige Angebot
in der angenehmen Lage, Ihr Vermögen zu vermehren,
strengste Diskretion betrachte ich als selbstverständlich,
und gebe ich Ihnen das Recht, die von mir aus-
gesührten Erzeugnisse mit Ihrem Namen zu
zeichnen und als eigenes Produkt dein Publikum
zu übermitteln.
Mit kollegialischem (!) Gruß

akadem. geb. Porträtmaler.
Es werden also mechanische Vergrößerungen
photographischer Porträt-Ausnahmen aus Wallein-
wand, die aus mechanische weise koloriert
wurden, als „lebenswahre, farbige Gemälde"
angepriesen, „die den besten Griginal-Gelgemälden

gleichwertig an die Seite gestellt werden können".
Das ist offenkundiger, unlauterer Wettbewerb,
den sich die Künstler nicht gefallen lassen dürfen.
Der (Inhaber der betr. Vergrößerungsanstalt sucht
uns gegenüber sein Vorgehen zu beschönigen, indem
er schreibt, der Ausdruck „mechanisch vergrößerte und
mechanisch kolorierte photographische Porträts" sei
nur insofern berechtigt, als die ersten Stadien der
Herstellung des Porträts aus rein mechanischem Wege
erfolgen; der weitere Werdegang sei dann der, daß
durch die in jahrelanger Uebung geschärfte Be-
obachtungsgabe des Walers und durch die Nachhilfe
der Künstlerhand das Porträt die volle Ueborein-
stimmung mit der Individualität des Wodells erlange.
Das sind alles unhaltbare Ausflüchte. Nns ist die
Nützlichkeit der Photographie im Dienste der Kunst,
aber auch die Grenze der erlaubten, anständigen
Verwendung eines photographischen Sujets als Lfilss-
mittel für ein Kunstwerk bekannt. Erstens wird
diese Grenze in den vorliegenden Fällen ungeheuer
überschritten und zweitens entsteht durch mechanisches
Kolorieren niemals ein Kunstwerk. Und wenn die Firma
behauptet, durch Nachhilfe der „Künstlerhand" den
Porträts die volle „Uebereinstimmung mit der In-
dividualität der Wodelle" geben zu können, so fragen
wir sie, wie ost sie denn Gelegenheit hat, die In-
dividualität des Wodells nut ihrer mechanisch her-
gestellten Ware zu vergleichen, d. h. das Wodell
überhaupt zu Gesicht zu bekommen? Das wird in
sOO Fällen kaum einmal der Fall sein!! Also be-
schränkt sie sich daraus, durch ein bißchen Netouche
nach Schema K eine süßliche Dutzend-Individualität
den „lebenswahren, farbigen Gemälden" zu verleihen.
Aber nicht nur vom ästhetischen Standpunkt
aus muß man solcher Fabrikware die Bezeichnung
„künstlerisch" absprechen, sondern wir befinden uns
hierin auch mit der Auffassung der Gesetzgeber in
Uebereinstimmung. In den vom Staatsministerium
des Innern dem neuen Kunstschutzgesetz vom
s). Januar beigegebenen Erläuterungen heißt
es wörtlich:
„Die Frage, ob ein Erzeugnis als Werk der bildenden
Künste oder als ein Werk der Photographie anzusehen
ist, kann im einzelnen Fall zweiselhaft'sein.Ls ist
her vorzu heben, daß Verfahren, die von der Keber-
tragung des Bildes aus photographischem Wege
ausgehen, auch wenn dabei durch Retouche oder-
ähnliche Nachbehandlung die menschliche Hand
mit wirkt, vom Standpunkt des Entwurfes zir
 
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