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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 6.1906/​1907

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Schliepmann, Hans: Kunst und Wirtschaft, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.52068#0463
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peft 35.

Die LVerkstatt der Kunst.

und dadurch zur schroffen Persönlichkeit entwickelter
Titan ist. Immer muß der rechte Mäcen auch ein Stück
Genie sein, ein ausnehmendes, Kunst und zugleich auch
Seelen verstehendes Genie, um neue Kunstwege mitzuahnen
und zugleich auch den schwer zu behandelnden Künstler
durch den Alltag zu seiner Ausgabe sichren zu können,
wie oft aber findet man solche Genies, etwa von der Art
eines Franz Liszt oder der wesendoncks? Selbst der wohl-
meinende, der ästhetisch feinfühlige Mären vermag nur
selten den großartigen Verzicht auf eigene wünsche und
Neigungen zu leisten, den ein revolutionierendes Genie
heischen muß, um sich ganz durchzusetzen. Er hat wünsche:
na ja, für sein Geld kann man doch auch was haben
wollen, heißt's zuletzt in einiger Ungeduld; er hat Zwecke,
die noch von gestern und heute sind, die aber die Idee für
morgen töten können. Gr bewundert seinen Schützling:
und sollte ihn doch nicht kennen? So stellt er in bester
Meinung ihm Aufgaben, an denen der Schüler verzagen
muß, weil der weiter sieht und doch eben noch nicht gekannt,
verstanden ist und darum nur blindes vertrauen brauchen
kann. Und hätte der Mäcen noch wirklich keine andere
Absicht als die Förderung der Kunst seines Schützlings!
Ist nicht den meisten die Kunst nur Mittel, nicht Zweck?
welche Unterschiede vom ersten Mäcenas zu padrian, dem
zweiten pohenftaufenfriedrich, den Medici, zu Ludwig XIV.,
Karl August von Weimar, den beiden Ludwig von Bayern
und Wilhelm II.! wie viele suchten nicht Ruhm, Glanz,
Rausch, Ahnenkultus, sondern nur die selbstlose Freude am
Schaffen? wer sich des Einflusses der hier aufs Geratewohl
genannten Kunstschützer erinnert, wird nicht mehr leugnen,
daß dieKunftförderung nachdemMäcenatensystem
lediglich eine Lotterie ist, deren Ausgang um so
zweifelhafter wird, je niedriger das allgemeine ästhetische
Niveau der Zeit ist, aus der die Mäcene hervorgingen.
Julius II. und Michelangelo, Karl August und Goethe,
Ludwig II. und Wagner sind einfach Wunder der Welt-
geschichte; Begas, Raschdorff und Wilhelm II. zeigen wohl
mehr ihren Alltagsverlauf.
Es ist also auch für die Zukunft irgend etwas einer
rationellen Kunstwirtschaft Aehnliches aus dem Mäcenaten-
tum nicht zu hoffen, wie Kunst Glück ist, wird sie
nur vom Glück gefördert. Neuerdings wird ja nun, als
ob inan das Nützliche dieser Tatsache fühle, dahin gestrebt,
der Kunst durch eine neue Art Mäcenatentums aufzuhelfen:
durch korporative Auftraggeber. Die in der einseitigen
Persönlichkeit liegenden Mängel sollen durch unparteiischere
Kommissionen ersetzt werden. Staat und Gemeinde fühlen
etwas wie eine verschämte Pflicht, die Spur ihrer bureau-
kratischen Erdentage durch Kunst nicht in Aeouen untergehen
zu lassen. Geeichte weise werden berufen und berechnen
gewissenhaft, was für die wohlerwogenen Mittel zu leisten ist,
und irgend ein Platz, irgend ein Bau muß für die Auf-
nahme des von vielen Köchen gerührten Breies herhalten.
Ach, wenn der letzte, furchtbarste Ueberrest des
pumanitätsdusels, die Ehrfurcht vor Majoritäten und Ab-
stimmungen, durch etwas auch dem „zielbewußtesten" Ge-
nossen ausgetrieben werden könnte, so wäre es durch das
Gebühren der Kunstkommissionen! Nur unsere breiige,
in Klüngeln zusammenpappende, vor allem Massenhaften
anbetende Gesellschaft konnte auf den Gedanken kommen,
das Allerpersönlichste, Kunst, durch eine individualitätlose
Mehrheit fördern zu wollen. Und wäre jeder einzelne eines
folchen Komitees ein feinsinnigster Kunstkenner und -fühler:
vereint werden sie zum physiognomielosen Durchschnitt; und
ihre Mehrheitsbeschlüsse: „Mehrheit ist der Unsinn". Ganz
zu geschweigen von den lieben Vetterschafts- und Freund-
schaftsrücksichten, die hinter so mancher: Kulissen eine gar
nicht unbedeutende Rolle spielen sollen.
Ist nicht sogar der so verführerisch scheinende Gedanke
der Wettbewerbe in der Praxis schon fast um allen
Kredit gekommen? Da schien doch einmal die Bresche ge-
schlagen, um das Genie als Sieger in die widerstrebende
Welt einziehen zu lassen. Aber hinter der Bresche stehen
befrackte und bebrillte perren von der Jury, andere aus

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allen Ministerien hinterdrein, namentlich von der Finanz,
und prüfen . . . nicht etwa das absolute Können des
Genies (was sie ja auch gar nicht könnten, denn was kaum
einer kann: wie könnte es eine Mehrheit?), sondern seines
Werkes Korrektheit, Verwendbarkeit, den Kostenanschlag
und, ohne daß sie dessen sich bewußt wären, ob auch die
Fülle bekömmlicher Banalität vorhanden sei, die doch immer
der süßen Mehrheit Beifall hat. Auch auf diesem Gebiet
sind Erfolge, wie die Denkmäler von Bruno Schmitz, wie
das Reichstagsgebäude, wie das Hamburger Bismarckdenkmal,
nichts als ungeheure Glückstreffer. Dabei ist den Preisrichtern,
den Programmen usw. noch nicht einmal ein Vorwurf zu
machen. Alles kann mit rechten Dingen nach menschlichem
besten wissen und Gewissen zugehen; die Entscheidungen
müssen sich an praktische Forderungen binden. Aber oft
ist summum jus summa injuria; das ganze Verfahren ist
auf Ausfindigmacheri des Klügsten, des Praktischsten zu-
geschnitten; es genügt für alle mittleren Fälle; den Genius
wird niemals eine Jury mit irgendwelcher Sicherheit heraus-
sieben. Daß dies nicht ohne weiteres allgemein zugegeben
wird, ist nur der deutlichste Beweis dafür, wie verzweifelt
wenigen überhaupt nur dämmert, daß zwischen Genie und
Können ein Abgrund liegt.
Immerhin hat das Wettbewerbswesen doch noch ver-
hältnismäßig günstigen Einfluß auf die wirtschaftliche
Förderung der Künstler; freilich unter Aufgebot eines un-
geheuren Ueberschusses an fruchtloser Arbeit bei punderten
von Nichtgekrönten. Aber unter ihnen wird doch wenigstens
manchmal ein Genie von dem oder jenem bei der Ausstellung
der Wettbewerbsarbeiten (die daher durchaus Zwan g sein
müßte) herausgefunden.
Damit rückt nun der fördernde Einfluß der Geffent-
lichkeit überhaupt für unser Kunstleben in den Gesichts-
kreis. Dem Ueberfluß an Menschen und an Schaffenden,
der das perausfinden des Besten so sehr viel schwieriger
macht als in früheren, patriarchalischeren Zeiten, steht aus-
gleichend und helfend die presse gegenüber, die bekannte
„Großmacht". Großmächtig ist zweifelsohne ihr Einfluß
auf die Kunstentwickelung; ihn hier in allen Richtungen
auch nur anzudeutcn, würde den Rahmen dieser Betrachtung
sprengen. Aber ohne weiteres wird kein Vernünftiger
darüber im Zweifel sein, daß für die wirtschaftliche Seite
der Kunstentwickelung der Einfluß der presse jedenfalls
sehr ungleichartig ist. wir müssen zugeben, daß die Presse
heute mindestens den „Marktwert" der Kunstwerke fast allein
bestimmt. Auch, daß sie in sehr vielen Fällen dem Genie
die Bahn gebrochen hat. Ja, daß sich kaum ein anderer
weg mehr bietet, für Förderung von Kunst und Künstlern
geistig zu wirken, als die presse. Aber schließlich auch,
daß diese guten Wirkungen doch durch üble überboten
werden müssen. Denn wir leben in einer Zeit, die zwar
entfernt noch nicht planvoll wirtschaftlich, aber desto fanatischer
geschäftlich denkt. Auch die Presse ist weit überwiegend
nur geschäftliches Unternehmen; sie braucht also die Nassen,
muß daher auch deren trägen und platten Instinkten
Rechnung tragen. Die Masse aber ist und bleibt der Kunst-
entwickelung feindlich. Selbst der einsichtige Mitarbeiter
oder Kunstberichterstatter kann daher oft nur Geringes aus-
richten. Die Einsicht aber: Lieber Pimmel! Läßt sich nicht
sogar das auf seine Intelligenz und Gesinnungstüchtigkeit
stolzeste Urberlinertum seit einem Menschenalter in der dick-
leibigsten Zeitung von dem feilsten, geschwätzigsten und
hirnlosesten Kunstwaschweib gleichmäßig seine Ansichten
über Subskriptionsbälle wie über pöhenkunst vorschreiben?
Man lasse sich von diesem unentwegten Bratenbarden das
Rezept geben, wie Kunst und Genies gefördert werden sollen:
er wird euch in eine Ecke ziehen und flüstern: „Geschäft,
Liebster, heutzutage ist alles Geschäft!" (Schluß folgt.)

Eröffnete Ausstellungen. (Fortsetzung)
Wiesbaden. In den Monaten April und Mai befindet
sich bei R. Banger eine Ausstellung kunstgewerblicher
Arbeiten nach Entwürfen von Willy Earl pü bner-Weimar;
 
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