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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 6.1906/​1907

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Widmer, Karl: Die internationale Kunstausstellung in Mannheim
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https://doi.org/10.11588/diglit.52068#0601
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Die Werkstatt der Kunst

keäaktem: fritz tzeUxvag.

VI. Jakrg. I)ekt 43. Z. )^ug. 1907.

In clieseni ^eile unserer Leitsckrift erteilen wir jsciern Künstler clas freie Mort. Mir sorgen clafür, Ässs keinerlei
Angriffe auf Personen ocler 6snossensck>Lflen sbgeclruckt weräen, okns ctsss vorder äer TIngegrisfens clie MLgUckkeit gekabt
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Oie internationale Kunstausstellung in Mannkeim.
Von Professor Karl Widm er-Karlsruhe i. B.

Die Aufgabe eines Ausstellungsorganisators ist
je nach dem Boden, auf dem sein Werk entsteht,
eine sehr verschiedene Sache. Anders liegt sie in
führenden Kunststädten, wo sich der Entwicklungs-
kampf der fortschreitenden Kunst abspielt; anders in
Städten ohne aktives Kunstleben und lebendige
Kunsttradition. Dort gilt es zu zeigen, was dieser
Kampf an neuen Problemen und Resultaten gezeitigt
hat. Es sind die eigentlichen Kampfausstellungen,
wie die der Münchener und Berliner Secession: Aus-
stellungen, die nicht nur entscheiden und abschließen,
sondern auch offene Fragen stellen sollen und sich
mit Werken, über deren Wert und Bedeutung sich
das Urteil erst klären soll, an die esoterischeren
Kreise der Kunst wenden dürfen.
Ganz andere Aufgaben hat eine Ausstellung
wie die Mannheimer, Hier gilt es, ein Stück
moderner Kunst auf einen bis dahin noch so gut
wie unberührten Boden zu verpflanzen. Eine lokale
Kunsttradition erst zu begründen. Die Feier ihres
dreihundertjährigen Stadtjubiläums soll der rheinischen
Handelsmetropole zugleich Gelegenheit geben, mit einer
der Bedeutung ihres Anlasses entsprechenden künst-
lerischen Veranstaltung mit der modernen Kunst Fühlung
zu bekommen — in ähnlichem Sinne, nur gesteigert
und erweitert, wie etwa im vorigen Jahr Köln.
Das bestimmte also den Charakter der
Mannheimer Ausstellung. Bei aller Betonung des
Modernen, Fortschrittlichen durfte sie doch nicht ein-
seitig in das Programm irgend einer Partei schlagen.
Und ebenso mußte das eigentlich problematische,
Experimentierende oder Gewalttätige ausgeschlossen
sein. Sie mußte — ihrer Aufgabe entsprechend — ein
geklärtes Extrakt moderner künstlerischer Kultur werden.
Sie gehört zu den Ausstellungen, die ähnlich wie
die Karlsruher von ss)02 den Gedanken einer-
sichtenden Elite verwirklichen. Die für Beschauer-
gedacht sind, die nicht das Neueste, nicht Schlager
und Sensationen suchen, sondern sich gern in einem
Milieu bewegen, wie es aus einer Auswahl aus
dem Besten, was die Gegenwart geschaffen hat,
hervorgeht. Ausstellungen dieser Art, die im edelsten
Sinne des Wortes für moderne Kunst Propaganda
machen, gehören sicher zu den dringendsten
Bedürfnissen unserer Zeit.
Line Auswahl aus dem Besten: damit erledigt
flch auch die bei Gelegenheit dieser Ausstellung be-

sonders leidenschaftlich erörterte Frage: ob national
oder international? Für einen Ausstsllungsorgani-
sator, der seine Aufgabe vor allem von dem
künstlerischen Standpunkt aus auffaßt, kann auch
dafür allein die künstlerische Rücksicht: wie mache
ich meine Ausstellung so gut als möglich, entscheiden.
Und daß der, der aus der reichen Quelle der inter-
nationalen Kunst schöpft, sein Niveau anders steigern
kann, als wer sich auf den engeren Boden der Nationali-
tät stellt, ist selbstverständlich. Er dient damit auch den
Interessen des eigenen Landes in einem viel höheren
Sinne, als durch die ängstliche Absperrung der
Grenzen. — Beispiel: die Secessionen, die mit ihrem
Bekenntnis zum künstlerischen Freihandelsprinzip ge-
rade der stockenden Entwicklung des heimischen Kunst-
lebens wieder neue Impulse verschafft haben. Und
schließlich werden die Gegner der Internationalität
schwerlich einen triftigen Grund dafür angeben
können, weshalb für die bildende Kunst hier andere
Gesetze und Rücksichten gelten sollen als für jedes
andere Gebiet geistiger Kunst — z. B. für Theater
und Musik.
Freilich war damit keine Vollständigkeit beab-
sichtigt, die nun alle wichtigen Erscheinungen der
heutigen Kunst Revue passieren läßt. Das wäre mit dem
künstlerischen Charakter einer Ausstellung unvereinbar
gewesen, die ein einheitliches und geschlossenes
künstlerisches Bild, nicht eine systematische Uebersicht
sein will. Und auf diese Einheitlichkeit wurde dies-
mal ganz besonderes Gewicht gelegt. Sie ist ein
Werk aus einem Guß wie wenige. Das liegt
nicht nur in der Festhaltung eines einheitlichen
Niveaus, das von einem festen persönlichen willen
beherrscht ist und von dem nur ganz vereinzelte
Ausnahmen abweichen, wo äußere Umstände mächtiger
waren als die Macht des leitenden Künstlers —
es liegt auch in dem ausstellungsgestaltenden Ge-
danken des Arrangements.
Das besondere Programm, das der Ausstellung
diese Einheitlichkeit verliehen hat, hieß diesmal:
das Kunstwerk im Raum. Deutschland —
Oesterreich einbegriffen — ist heute das klassische
Land des Ausstellungsfortschritts, wir haben uns
daran gewöhnt, auch an das Arrangement der Aus-
stellungen von Jahr zu Jahr höhere Ansprüche zu
stellen. Durch Dresden und Darmstadt hat sich auch
die einseitige Bilderschau in mancher Hinsicht über-
 
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