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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 10.1910/​1911

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Gurlitt, Cornelius: Der Wettbewerb für das Denkmal des Kaisers Alexander II. in Petersburg
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Grundsätze über das Verfahren bei Wettbewerben, III
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https://doi.org/10.11588/diglit.52067#0197
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Die Werkstatt der Kunst.


heft

daß die Figur des Kaisers H5—55 cm hoch ist.
Da mit zahlreichen Sockelfiguren gerechnet werden
muß, gibt dies eine sehr stattliche Skizze, die bei An-
wendung einer Reiterstatue wohl H80—2 m hoch
wird, wenn man die ganze Welt einladet, sich an
einem Wettbewerbe zu beteiligen, so muß die Bild-
hauer der Gewinn anlocken. 5000 Rubel für eine
reich gegliederte Elastik von 2 in pöhe ist eine recht
mäßige Bezahlung. Lin Künstler, dem es an Auf-
trägen nicht fehlt, wird nicht seine Arbeitskraft ein-
setzen, um diesen Preis zu erlangen. Die weiteren
Preise sinken bis auf fOOO Rubel. Soviel kostet
dem Bildhauer aber das Modell samt Verpackung,
Fracht und anderen Spesen, namentlich den außer-
halb Rußlands wohnenden. Gewiß werden sich
junge Künstler finden, die es wagen, in den sehr
wenig chancenreichen Kampf einzutreten. Aber
wirkliche Meister werden diese Preise nicht an-
ziehen.
Ls könnte sie nun vielleicht locken, die Aus-
führung des Denkmals zu erlangen. Aber dagegen
spricht zunächst der streng russischnationale Charakter
des Preisgerichtes dieses internationalen Aus-
schreibens. Das Gericht besteht aus dem Groß-
fürsten Andrei und f? weiteren Mitgliedern, dar-
unter drei Akademikern, dem Rektor der Kunstschule
und einem Architekturprofessor, also fünf Künstlern,
sämtlich aus Petersburg. Die anderen f2 Mitglieder
find Generaladfutanten, Kammerherren, Stadthäupter,
Senatoren, Fürsten, Grafen und sonstige hohe pcrren,
die sämtlich der Kunst recht fern stehen dürften.
Diese f8 perren verteilen die Preise. Nachher
erst hat die kaiserliche Akademie der Künste ein Gut-
achten darüber abzugeben, ob sie die Modelle als
ausführbar erachte. Das Preisgericht selbst
traut sich unverkennbar nicht zu, in dieser
ersten und wichtigsten Frage zu urteilen. Ls
gibt auch Preise an solche Arbeiten, die sich später
als nicht ausführbar erweisen. Denn nach dem Ein-
greifen der Kunstakademie werden die Modelle noch-
mals vom Komitee „geprüft" und die „der Ausführung
für würdig befundenen" dem Kaiser zur Bestätigung
vorgelegt. Das vom Kaiser bestätigte Projekt soll
ausgeführt werden.
Aus russischer Auffassung ins Deutsche übersetzt,
heißt das also: Die Preise werden verteilt
nicht nach künstlerischem Urteil, sondern nach
dem Geschmacke der Petersburger „Gesellschaft",
wer sich nicht für berufen hält, diesem Geschmacke
zu dienen, oder wer sich nicht befähigt glaubt, diesem
Geschmacke Entsprechendes zu schaffen, der sollte von
vornherein dem Preisausschreiben fernbleiben. Nach
dem Spruche des Preisgerichts, d. h. nachdem die
Namen der Konkurrenten durch die Preisverteilung
bekannt geworden sind, wird die kaiserliche Akademie
gefragt, ein Vorgang, der außer allen: internatio-
nalen Gebrauch steht. Ls ist nicht einmal gesagt,
ob die Akademie die Ausführbarkeit nach technischer,
finanzieller oder ästhetischer Seite zu beurteilen hat.

Die meisten Künstler Europas werden es ablehnen,
sich diesem Gericht, wenigstens nach letzter Pinsicht,
zu unterwerfen.
Verpackung und Expedition der Modelle geschieht
auf Kosten der Konkurrenten. Eine Woche nach
Schluß der Ausstellung können nicht abgeholte
Modelle vom Komitee vernichtet werden. Der
genaue Termin des Schlusses der Ausstellung „hängt
vom Komitee ab". Also Achtung! Die perren
schließen eines Tages, können aber den Schluß der
Ausstellung den ihnen unbekannten Konkurrenten
nicht mitteilen. wer also nicht nach Petersburg
geht und dort wartet, bis der Termin zum Abholen
bestimmt worden ist, verliert nach einer Woche
jedes Recht auf seine Arbeit. Er ist dann
selbst schuld, wenn sie inzwischen vernichtet wurde.
Daß dies in Rußland gründlich besorgt werden wird,
darüber bestehen keine Zweifel.
Nach all dem kann man uichtrussische Künstler
nur wavnen, an dem Wettbewerb teilzunehmen,
wenn die perren in Petersburg es nicht vorziehen,
von den sonst allgemein giltigen Regeln etwas mehr
Notiz zu nehmen: nämlich davon, daß in Preis-
gerichten über Kunstwerke die Künstler die Mehr-
zahl zu bilden haben; daß in internationalen Wett-
bewerben Künstler der maßgebenden Nationen
zum Preisgericht hinzugezogen werden müssen, und
daß auch auf die nicht prämiierten Arbeiten die
größte Rücksicht zu nehmen ist. vielleicht hat man
in Petersburg noch das Einsehen, ein paar Exzellenzen
aus dem Preisgericht abzustoßen und je einen deut-
schen, österreichischen, englischen, französischen, ita-
lienischen und amerikanischen Bildhauer dafür zu
berufen. Später, bei der feierlichen Enthüllung des
Denkmals und bei der Verteilung der Orden, können
die Exzellenzen, die um die Geldbeschaffung gewiß
große Verdienste haben, ja alle wieder in den Vorder-
grund treten. Die berufenen ausländischen Künstler
werden ihnen dabei nicht im Wege stehen.
Gruncklätze über clas Versabren bei
Mettbsnerberr. II!
(Siehe die Artikel in den pesten 3 und 4)
Der „Bund Deutscher Architekten" hatte zur
Beratung über verbesserte Bestimmungen für öffent-
liche Wettbewerbe, auf Grund der von Architekt
(B. D. A.) Brurein-Tharlottenburg in peft der
„w. d. K." gemachten Vorschläge, eingeladen. Zu-
nächst erging diese Einladung nur an die großen
Künstlerkorporationen, also an die Allgemeine Deutsche
Kunstgenossenschaft, den Künstlerverband Deutscker
Bildhauer, die Bildhauervereinigung, den Deutschen
Werkbund, an den Verband Deutscher Architekten-
und Zngenieurvereine usw. Die meisten dieser Ver-
eine haben Delegierte zu den am f?. und f8. De-
zember im Berliner Architektenhause stattge-
habten grundlegenden Beratungen entsandt.
 
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