XV, Heft 41.
Die Werkstatt der Kunst.
53?
Vie altdeutschen Maler konnten unter weit
besseren Bedingungen ihren Beruf ausüben wie die
Maler heutigen Tages. Meder durch Ausstellungen
noch durch ewiges hinundherpeitschen durch Kunst-
politik wurde ihr stilles Schaffen, an ihren Jahrhun-
derte ausdauernden Merken, die sie ausreifen lassen
konnten, gestört. Dazu kam noch ein verständnisvolles
Bürgertum, dem Kunst Lebensnotwendigkeit war.
Jede Stadt war damals ein Reich für sich, das Han-
delsbeziehung zu fernen Ländern pflog, und den
angesammelten Reichtum zum Teil zur Ausschmückung
der Kirchen und öffentlichen Gebäude verwandte,
eifersüchtig darauf bedacht, größere Pracht wie die
andere mit ihr gleichstrebende Stadt zu entfalten.
So kam es, daß in jeder Stadt eine ihrer Eigenart
entsprechende Kunst gepflegt wurde, die aber mit
der Kunst der anderen Städte einen gemeinsamen
Boden, der aus der Gleichartigkeit der Empfindung
bestand, hatte. Oie Altdeutschen Schulen, so sehr sie
untereinander verwandt sind, haben doch eine große
Mannigfaltigkeit aufzuweisen. Es liegt das weniger
daran, daß die einzelnen Maler sehr darauf bedacht
gewesen wären, möglichst individuell zu sein, also
eine Eigenart zu kultivieren, als wie daran, daß
das Eigentümliche, was jeder Stadt anhaftet, sich
auf die Maler übertrug und in ihren Merken zum
Vorschein kam. Stolz war jeder auf seine Heimat-
stadt, die seinem Meister und ihm eine sichere Merk-
stätte gab, in der er sich mehr als Handwerker wie
als Künstler fühlte. Alle zusammen strebten nach
einem großen Ziel, das ihnen der Mohlstand der
Bürger erreichen half. Zremde Einflüsse waren
wenig vorhanden, und soweit sie da waren, dienten
sie nur dazu, das Handwerk zu verbessern und freiere
Ausdrucksweise zu bekommen, ohne daß sie den Malern
innerlichen Schaden zugefügt hätten. Es war eine
stolze Zeit, in der sich deutsche Kunst, getragen von
Lürgersinn, frei entfalten konnte.
Oie Umwälzungen, die nach dieser Zeit in Deutsch-
land stattfanden, wodurch sowohl die Kunst wie über-
haupt alles in fremde Abhängigkeit geriet, sind jedem
Leser wohlbekannt. Oie wenigen deutschen Maler,
die es noch gab, mußten in fremden Ländern, weil
ihr eigenes Vaterland zerrüttet war, ihren Verdienst
suchen. Sie nahmen fremde Sitten und Gebräuche
an und mußten in ihrer Kunst, um bestehen zu können,
ihr Deutschtum aufgeben. Zn Deutschland selbst sah
man sich genötigt, um die Kultur wieder aufzu-
richten, fremde Hilfe in Anspruch zu nehmen, wo-
durch jede Kunstentwicklung in deutschem Sinne
aufhörte.
Das Miedererwachen Deutschlands und seine Be-
freiung von fremdem Joche bewirkten, daß deutsche
Kunst neu erstand. Aber dadurch, daß Deutschland
noch uneinig und noch kein Mohlstand im Bürgertum
vorhanden war, konnte sie sich nicht in nationalem
Sinne entwickeln. Es war Kunst im wahrsten Sinne
des Mortes, die in Deutschland gepflegt wurde, aber
nationale deutsche Kunst, im Sinne der altdeutschen
Kunst, war es nicht. Vie wenigen, die wirkliche deutsche
Kunst trieben, konnten infolge der Verherrlichung,
die den neuen Idealen entgegengebracht wurde, nicht
zur Geltung kommen.
Oie auf die Befreiung von fremdem Zöche folgende
Einigung Deutschlands hätte den Gedanken erwecken
können, daß der Deutsche seiner Kraft bewußt werde
und daß eine nationale deutsche Kunst erstehen
würde. Doch mehr wie je nimmt fremder Einfluß
überhand, herbeigerufen, um einer Partei, die alles
Neue unterdrückte und die fälschlicherweise be-
hauptete, eine neue deutsche Kunst begründet zu
haben, Miderstand zu leisten. Vie engen Grenzen,
die man der deutschen Kunst gesetzt hatte, mußten
ebenso fallen wie die engbrüstigen Vorurteile. Ge-
tragen war diese Bewegung von Kunstbegeisterung
und von ernstem Millen, guter Kunst Boden zu
schaffen und das auzurotten, was in der an Senti-
mentalität so reichen vergangenen Zeit als deutsche
Kunst ausgegeben worden war. Doch mit den fremden
Einflüssen wurden Geister heraufbeschworen, die nicht
mehr gebannt werden konnten. Ein Überstürzen,
ein hasten nach Neuem, noch nie Dagewesenem
begann. Jedes Zahr entstand eine neue Doktrin,
nach der gemalt werden sollte. Deutsche Kunst bekam
keine Ruhe, sie bekam keine Zeit auszureifen. Zuviele
Einflüsse drangen ein und verwirrten die Köpfe nicht
allein der Maler, sondern auch die des Publikums
und aller derjenigen, die mit Kunst etwas zu tun
haben. Oie immer zahlreicher werdenden jährlichen
Kunstausstellungen, durch die das Lliquen- und Pro-
tektionswesen noch mehr überhand nahm, erfor-
derten eine dem momentanen Geschmack angepaßte
Mare, die möglichst rasch hergestellt werden mußte
und für die Impressionismus und die anderen ver-
schiedenen Ismus ein ausgezeichneter Deckmantel
waren. Die Einfuhr fremder Kunst wurde durch die
Ausstellungen begünstigt. Der Kunsthandel begann
vorzugsweise mit fremder Kunst zu handeln, und
die öffentlichen Galerien glaubte man mit ihr an-
füllen zu müssen. Deutsches Kapital wanderte für
Kunstzwecke in das Ausland ab, wodurch die Mög-
lichkeit, daß sich deutsche Kunst entwickeln konnte,
vermindert wurde.
Trotz alledem konnte es dem vorurteilslosen Be-
obachter nicht entgehen, daß sich etwas zu entwickeln
begann, was vielleicht in kommender Zeit zu einer-
großen deutschen Kunstepoche führen wird. Gb diese
in nationalem Geiste sein wird, hängt von den poli-
tischen und wirtschaftlichen Verhältnissen, in denen
sich Deutschland befinden wird, ab. Merden sich
diese günstig gestalten, und wird der Deutsche national
denken lernen und wird er die eigenen Erzeugnisse
schätzen, so wird das den deutschen Künstlern die
Kraft geben, sich so zu geben, wie sie als Deutsche
empfinden, und wenn das ist, kann eine nationale
deutsche Kunst entstehen. Oie Bedingungen, unter
denen es so kommen kann, werden jetzt in dem heißen
Ringen, das uns zum Siege führen wird, erfüllt.
Die Werkstatt der Kunst.
53?
Vie altdeutschen Maler konnten unter weit
besseren Bedingungen ihren Beruf ausüben wie die
Maler heutigen Tages. Meder durch Ausstellungen
noch durch ewiges hinundherpeitschen durch Kunst-
politik wurde ihr stilles Schaffen, an ihren Jahrhun-
derte ausdauernden Merken, die sie ausreifen lassen
konnten, gestört. Dazu kam noch ein verständnisvolles
Bürgertum, dem Kunst Lebensnotwendigkeit war.
Jede Stadt war damals ein Reich für sich, das Han-
delsbeziehung zu fernen Ländern pflog, und den
angesammelten Reichtum zum Teil zur Ausschmückung
der Kirchen und öffentlichen Gebäude verwandte,
eifersüchtig darauf bedacht, größere Pracht wie die
andere mit ihr gleichstrebende Stadt zu entfalten.
So kam es, daß in jeder Stadt eine ihrer Eigenart
entsprechende Kunst gepflegt wurde, die aber mit
der Kunst der anderen Städte einen gemeinsamen
Boden, der aus der Gleichartigkeit der Empfindung
bestand, hatte. Oie Altdeutschen Schulen, so sehr sie
untereinander verwandt sind, haben doch eine große
Mannigfaltigkeit aufzuweisen. Es liegt das weniger
daran, daß die einzelnen Maler sehr darauf bedacht
gewesen wären, möglichst individuell zu sein, also
eine Eigenart zu kultivieren, als wie daran, daß
das Eigentümliche, was jeder Stadt anhaftet, sich
auf die Maler übertrug und in ihren Merken zum
Vorschein kam. Stolz war jeder auf seine Heimat-
stadt, die seinem Meister und ihm eine sichere Merk-
stätte gab, in der er sich mehr als Handwerker wie
als Künstler fühlte. Alle zusammen strebten nach
einem großen Ziel, das ihnen der Mohlstand der
Bürger erreichen half. Zremde Einflüsse waren
wenig vorhanden, und soweit sie da waren, dienten
sie nur dazu, das Handwerk zu verbessern und freiere
Ausdrucksweise zu bekommen, ohne daß sie den Malern
innerlichen Schaden zugefügt hätten. Es war eine
stolze Zeit, in der sich deutsche Kunst, getragen von
Lürgersinn, frei entfalten konnte.
Oie Umwälzungen, die nach dieser Zeit in Deutsch-
land stattfanden, wodurch sowohl die Kunst wie über-
haupt alles in fremde Abhängigkeit geriet, sind jedem
Leser wohlbekannt. Oie wenigen deutschen Maler,
die es noch gab, mußten in fremden Ländern, weil
ihr eigenes Vaterland zerrüttet war, ihren Verdienst
suchen. Sie nahmen fremde Sitten und Gebräuche
an und mußten in ihrer Kunst, um bestehen zu können,
ihr Deutschtum aufgeben. Zn Deutschland selbst sah
man sich genötigt, um die Kultur wieder aufzu-
richten, fremde Hilfe in Anspruch zu nehmen, wo-
durch jede Kunstentwicklung in deutschem Sinne
aufhörte.
Das Miedererwachen Deutschlands und seine Be-
freiung von fremdem Joche bewirkten, daß deutsche
Kunst neu erstand. Aber dadurch, daß Deutschland
noch uneinig und noch kein Mohlstand im Bürgertum
vorhanden war, konnte sie sich nicht in nationalem
Sinne entwickeln. Es war Kunst im wahrsten Sinne
des Mortes, die in Deutschland gepflegt wurde, aber
nationale deutsche Kunst, im Sinne der altdeutschen
Kunst, war es nicht. Vie wenigen, die wirkliche deutsche
Kunst trieben, konnten infolge der Verherrlichung,
die den neuen Idealen entgegengebracht wurde, nicht
zur Geltung kommen.
Oie auf die Befreiung von fremdem Zöche folgende
Einigung Deutschlands hätte den Gedanken erwecken
können, daß der Deutsche seiner Kraft bewußt werde
und daß eine nationale deutsche Kunst erstehen
würde. Doch mehr wie je nimmt fremder Einfluß
überhand, herbeigerufen, um einer Partei, die alles
Neue unterdrückte und die fälschlicherweise be-
hauptete, eine neue deutsche Kunst begründet zu
haben, Miderstand zu leisten. Vie engen Grenzen,
die man der deutschen Kunst gesetzt hatte, mußten
ebenso fallen wie die engbrüstigen Vorurteile. Ge-
tragen war diese Bewegung von Kunstbegeisterung
und von ernstem Millen, guter Kunst Boden zu
schaffen und das auzurotten, was in der an Senti-
mentalität so reichen vergangenen Zeit als deutsche
Kunst ausgegeben worden war. Doch mit den fremden
Einflüssen wurden Geister heraufbeschworen, die nicht
mehr gebannt werden konnten. Ein Überstürzen,
ein hasten nach Neuem, noch nie Dagewesenem
begann. Jedes Zahr entstand eine neue Doktrin,
nach der gemalt werden sollte. Deutsche Kunst bekam
keine Ruhe, sie bekam keine Zeit auszureifen. Zuviele
Einflüsse drangen ein und verwirrten die Köpfe nicht
allein der Maler, sondern auch die des Publikums
und aller derjenigen, die mit Kunst etwas zu tun
haben. Oie immer zahlreicher werdenden jährlichen
Kunstausstellungen, durch die das Lliquen- und Pro-
tektionswesen noch mehr überhand nahm, erfor-
derten eine dem momentanen Geschmack angepaßte
Mare, die möglichst rasch hergestellt werden mußte
und für die Impressionismus und die anderen ver-
schiedenen Ismus ein ausgezeichneter Deckmantel
waren. Die Einfuhr fremder Kunst wurde durch die
Ausstellungen begünstigt. Der Kunsthandel begann
vorzugsweise mit fremder Kunst zu handeln, und
die öffentlichen Galerien glaubte man mit ihr an-
füllen zu müssen. Deutsches Kapital wanderte für
Kunstzwecke in das Ausland ab, wodurch die Mög-
lichkeit, daß sich deutsche Kunst entwickeln konnte,
vermindert wurde.
Trotz alledem konnte es dem vorurteilslosen Be-
obachter nicht entgehen, daß sich etwas zu entwickeln
begann, was vielleicht in kommender Zeit zu einer-
großen deutschen Kunstepoche führen wird. Gb diese
in nationalem Geiste sein wird, hängt von den poli-
tischen und wirtschaftlichen Verhältnissen, in denen
sich Deutschland befinden wird, ab. Merden sich
diese günstig gestalten, und wird der Deutsche national
denken lernen und wird er die eigenen Erzeugnisse
schätzen, so wird das den deutschen Künstlern die
Kraft geben, sich so zu geben, wie sie als Deutsche
empfinden, und wenn das ist, kann eine nationale
deutsche Kunst entstehen. Oie Bedingungen, unter
denen es so kommen kann, werden jetzt in dem heißen
Ringen, das uns zum Siege führen wird, erfüllt.