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unser Trost sein' in der Form von ,mala nostra texit', riAtet aber im
Gegensatz zum deutschen Text seinen Blick nach oben"'*).
II. Die Magdalenenszenen der Benediktbeurer und der Wiener Passion
und die Marienklagen des Benediktbeurer Passionsspiels
Zu dem ersten Komplex, der in der Magdalenenszene des Benediktbeurer
Passionsspiels zu untersuchen ist, gehören: das lateinische Weltlied „Mundi
delectatio" (V.42ff.), das aus vier Strophen mit je zwei Vagantenzeilen
besteht, die lateinischen Kaufstrophen „Mihi confer, venditor" (V. 50 ff.)
und „Ecce merces optime" (V. 54 ff.) mit je vier Vagantenzeilen, sowie die
entsprechenden deutschen Verse (V. 58ff.)*).
Daß das lateinische „Weltlied" und die lateinischen Kaufstrophen zu-
sammengenommen werden müssen, ergibt sich aus ihrem Verhältnis zum
deutsAen Text: Beider Übertragung wird in ein und demselben deutschen
Liede gegeben: An die (4 + 2) lateinischen Strophen sAließen siA an:
die Übertragung der ersten Kaufstrophe (V. 58ff. „Chramer gip deu
varwe mir") und zwei zum lateinischen Weltlied in Beziehung stehende
deutsche Strophen (V. 65ff. „Minnet, tugentliche man .. ." und V. 71ff.
„Wol dir, werlt, daz du bist . . ."). Alle drei Strophen haben die rhyth-
misAe Struktur und den Refrain („Seht mich an, jungen man . ..") ge-
meinsam, sowie auch die Melodie^). Nach der ersten Engelwarnung („O
Maria Magdalena ...", V.76ff.) und der Wiederholung von „Mundi
delectatio" folgt eine dritte deutsche „Weltlied"-Strophe („Wol dann,
minneklicheu chint", V. 83f.), die die erneut gesungene erste deutsche
Kaufstrophe vorbereitet, worauf nunmehr der Mercator seine deutschen
Verse singt („Ich gip eu varwe, deu ist guot", V. 90ff.).
Die auffallendste Veränderung, die das „Weltlied" im Deutschen erfährt,
ist die, daß die dialogisAe Struktur der beiden auf den Kaufakt bezoge-
nen Strophen auf die übrigen drei übertragen wird, wenn der Dialog-
partner auch noch stumm bleibt. Das heißt, während im Lateinischen
Magdalena nur über die Freuden der Welt (mundi delectatio, mundi .. .
deliciae, mundanum gaudium, bona temporalia) und über ihre Einstellung
zu ihnen spricht, werden im DeutsAen die Welt selbst bzw. die Repräsen-
tanten ihrer Freude angesprochen („tugentliAe man" V. 65, „werlt"
4) Ebenda.
1) Zur rhythmisAen Struktur der deutsAen Strophen im Verhältnis zur lat.
Vorlage vgl. Heinzel, Abhdlg. S.79ff.; Hartl, D. Entwicklung d.BP, a.a.O.
130, Anm. 43 u. 44.
2) Vgl. Schüler Nr. 54.

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